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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.03.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120320020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912032002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912032002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-20
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
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Art.) * Die französische Kammer bewilligte einen Nachtragskredit von 60 Mill. Franken für die militärischen Operationen in Marokko. (S. bes. Art.) * In Oporto wurden durch Bombenex- plosronen mehrere Personen getötet. (^. 2-ageschronik.) Die Bedingungen. Man hat einigen Grund, den vom „Corners della Sera" mitgeteilten Inhalt der italienischen Antwort auf das Vermittlungsangebot der Grotz- mächte für authentisch anzusehen und die sieben Punkte dieses Vorschlages schon jetzt einer Erörte- rung zu unterziehen. Die fehlerhafte Bezeichnung als „Bedingungen" mag auf dem Wege der Ueber« setzung hereingerommen sein, da es sich doch vielmehr um die Zugeständnisse handelt, zu denen Italien sich bereit erklärt, wenn seine nach dem Dorausgegangenen als selbstverständlich betrachtete und darum gar nicht mehr aufgeführte Bedingung, die förmliche Abtretung Libyens, die Einwilligung der Pforte gefunden haben würde. Mustern wir nun die sieben Punkte einzeln, so deckt sich der erste, die Anerkennung der reli giösen Autorität des Sultans als Kalifen, mit dem gleichen Vorbehalte, den Oesterreich nicht nur in der Konvention über die Ausführung des Ber liner Vertrages (1879), sondern auch bei der endgül- tigen Einverleibung von Bosnien-Herzegowina 1908 der Türkei zugestanden hat. Diese Bestimmung, und noch mehr die folgende der Religionsfreiheit für die Mohammedaner, gehört eigentlich zu den Selbstverständlichkeiten, über die gar nicht weiter dis kutiert werden sollte, zumal für jenes Italien, das so stolz darauf ist, daß sein Cavour den Grundsatz der freien Kirche im freien Staate geprägt hat. Förmlich lachen muh man aber über den dritten Punkt, der Straffreiheit für die Araber verheißt, die die Waffen gegen Italien geführt haben. Die ganze zivi lisierte Welt hat sich vor Entrüstung aufgebäumt, als die eingedrungenen Eroberer nach ihrer seltsamen Verkündigung der Annexion eines Landes, von dem sie am 5. November noch nicht einmal das Weichbild der Hauptstadt besetzt hielten, bereits die Verteidiger als „Rebellen" gegen eine bestehende Ordnung be handelten und ihre Kriegsgefangenen zum Galgen schickten, um ihre Unterhaltungskosten zu ersparen! Und auf solche Ausgeburt einer Logik, die etwa an die Zeiten des englischen Rosenkrieges erinnert, soll ein internationales Siegel gesetzt werden, indem ein Verzicht auf dieses angematzte Blutrecht als ein wäg bares Zugeständnis eines gnädigen Sieger» zur Er langung gegenseitiger Nachgiebigkeit gewertet wird? Wirkliche Bedeutung hätte es ja nur, wenn auch für einen Widerstand der Eingeborenen über den Friedens schluß hinaus die Straffreiheit bedungen würde: aber so wird Italien es schwerlich gemeint haben, da das eine förmliche Ermunterung zur Fortsetzung des Kampfes sein würde. Diesen Selbstverständlichkeiten stehen als vierter und fünfter Punkt greifbarere Dinge gegenüber. Dem Gegner werden finanzielle Vorteile geboten: für die Abtretung der afrikanischen Landschaften will Italien einen entsprechenden Teil der türkischen Staatsschuld auf sich nehmen, und der Wert der in ihnen belegenen Staatsgüter soll vergolten werden. Wie zu erwarten stand, ist die angreifende Macht von ihrem Angebote des ersten Kriegsmonats, eine förmliche Kauf summe für Tripolitanien zu zahlen, jetzt zurllckgetreten. Es ist ja auch nicht zu leugnen, daß nach sechsmonatiger Dauer des Krieges und angesichts der inzwischen erreichten militärischen Vorteile es der Regierung Eiolittis erheblich er schwert wäre, ein finanzielles Opfer über die aufge wandten Kriegslasten hinaus dem Volke mundgerecht zu machen. Und sonderlich ehrenvoll wäre es auch für die Pforte nicht, sich nach Bosnien und Bulgarien nunmehr auch aus Libyen herauskaufen zu lassen, wenn auch solche subtilere Ehrenriicksichten schließlich in der Politik ein« verhältnismäßig untergeordnete Rolle spielen. Anderseits läßt sich gegen den ita lienischen Standpunkt einwenden, daß Oesterreich sein Draufgeld für Bosnien noch gezahlt hat, obwohl es seinerzeit die ganze Provinz mit den Waffen zu er obern gezwungen war, dann hinterher ein Menschen alter hindurch Hunderte von Millionen in das neu erworbene Gebiet hineingesteckt und vor der Okku pation schon drei Jahre lang die Unterhaltungskosten der bosnischen Flüchtlinge getragen hatte: daß Italien aber jetzt von der Türkei sich ein festes Recht auf noch gar nicht unterworfene Landesgebiete zu sprechen ließe. Indessen könnte das italienische Ne.tionalbewutztsecn in der Form berücksichtigt wer den, daß man die Entschädigungssumme für die Stactsgüter über ihren wirklichen Wert hinaus be mäße. Die verhältnismäßige Uebernahme eines Ctaatsschuldanteiles hat seinerzeit auch bet Bul garien und bei Serbiens Erwerbung türkischer Lan desteile stattgefunden. In dem als sechster Punkt erscheinenden Ange- bote, sich bei den anderen Mächten für die Auf hebung der fremden Po st an st alten und der Kapitulationen einzusetzen, hätte man ein sehr schwerwiegendes Zugeständnis an die nationale Würde der Osmanen zu sehen, wenn irgendwelche Aussicht bestände, die Einwilligung der anderen zu erreichen. Noch mehr fiele natürlich ins Gewicht eine erfolgreiche Bemühung um internationale Garantien für den Fortbestand des der Türkei verblühenden Besitzrestes in Europa und Asien, die an sieben ter Stelle versprochen wird. Aber in Rom weiß man wohl zu genau, wie nichtssagend eigentlich dieses Er bieten ist. wie wenig die Uebernahme einer solchen Verbindlichkeit kostet! Man darf sich nicht wundern, daß, wie jetzt be kannt wird, die Türkei inzwischen bereits die ita lienischen Vorschläge, die ihr den völligen Verzicht auf politische Rechte in Libyen und die Zurückziehung ihrer Truppen auferlcgten, glatt abgewiesen hat. Die teils selbstverständlichen, teils ungenügen- den, teils der erst zu erjagenden Taube auf dem Dache vergleichbaren „Zugeständnisse" boten die ge eignete Unterlage zu Verhandlungen nicht. Wenn nicht Italiens Andeutung, daß es zu „Modifika tionen" seiner Bedingungen bereit sein könne, noch ein Ar ssichtsfensterchen offen hielte, müßte der pompöse Vermittlungsversuch der von Rußland g«führten Mächte schon jetzt als gescheitert angesehen werden. * Italiens Antwort sut lrsnzMche vorltlilsye. Aus Rom wird gemeldet: Auf den Artikel des „Journal des Debats", der ausführt, daß der Frieden unmöglich sei, solange Italien volle Souveränität für Tripolis fordert, antwortet die offiziöse „Tribuna" in sehr scharfem Tone: „Wenn am Schluffe daS „Journal deS Tsbats" ausführt, es glaube im Namen Frankreichs zu spre chen, so wenden wir uns an ganz Frankreich, uni es daran zu erinnern, daß es in Marokko noch harte Nüsse zu knacken hat, daß noch Kapitu lationen bestehen, bei denen Italien auch ein Wort dreinzureden hat. Bei Algeciras haben wir Frankreich Opfer gebracht, wir fordern jetzt Ver geltung. Mer auch in nächster Zeit werden wir in Marokko mitzusprcchen haben. Wir möchten da her die französische Bresse, die geneigt ist, zu vergessen, waS ihr paßt, au die Vergangen- heit erinnern und an die Zukunft. Es ist ein gutes Recht Italiens, in Marokko Frankreich gegenüber den gleichen Standpunkt cinzunehmen wie Frankreich Italien gegenüber in Tripolis. Aus Konstantinopel wird zu der Friedens aktion vom „Wiener Korr.-Bur." berichtet: ES verlautet, der Minister deS Aeußern habe bei dem Empfange der Diplomaten einigen der Diplomaten gegenüber erklärt, die Türkei könne niemals die Bedingungen der Jta- lienerannehmen, weil dies eine Entehrung der otto manischen Armee bedeuten würde. Tie Franzosen vor Beirut. viserta, 20. März. (P.-C.-Tel.) Das Panzer- küstenschifs „Henry IV.", das bisher vor Bi- serta gelegen hat, hat Befehl erhalten, unverzüglich nach Beirut in See zu gehen. Ter Teil der Besatzung, der aus Eingeborenen bestand, wurde vorher auS- geschifft. - Der verlorene Vergarberterstreik. Dir Lage am Milkwochvormillag. (Don unserm Spezialkorrespondenten.) pk. Essen. 20. März. Den meisten Zechen kam heute morgen der starke Zugang von Arbeitern überraschend, so daß st« die Mehrzahl der Bergleute nicht an fahren lassen konnte, weil noch eine kom- dinierte Schicht besteht und die regulären Schichten erst ab morgen eingeführt werden sollen. In dem am unruhigsten gewesenen Dortmunder Revier fanden heute morgen noch ver schiedene Belegschaftsversammlungen statt. Sollten die Zechenverwaltungen Schwierig- ketten bei der Anfahrt machen (durch Verweisung an den Arbeitsnachweis, oder sollten die Verwal tungen die 6 Schichtlöhne einzubehalten versuchen), so erklären die Dortmunder Bergleute, allein weiterstreiken zu wollen. Bezüglich der 6 Schichtlöhne wird uns von maßgebender Seite mitgeteilt, daß diese unter allen Umständen denjenigen Bergleuten einbehalten werden, die erst nach vergangenem Sonnabend die Arbeit wieder ausgenommen haben. Die Zechen verwaltungen können gar nicht anders, als diese 6 Schichten als Schadenersatz für den Ausfall einzubehalten, den ihnen der Bergarbeiterstreik ver ursacht hat, weil der Zechenverband eine derartige Maßnahme mit -Majorität beschlossen hat, und so die Zuwiderhandlungen in jedem einzelnen Falle mit 1000 -<l bestraft werden. Eine Acnderung diese» Beschlusses könnte nur durch eine neue Mitglieder versammlung des Zeckienoerbandes herbeiaeführt werden. Es ist auch selbstverständlich, daß die Zechen verv altungen bei der Wiederaufnahme der aus ständig gewesenen Arbeiter insofern etwas wähle risch sein werden, als sie die Streikhetzer vor läufig unberücksichtigt lasten. Der Streik bei der Saar- und Mosel-Bergwerk», gesellschast beendet. St. Avold, 20. März. (Tel.) Der Streik auf den Gruben der Saar- und Mosel-Bergwerksgesell- schäft ist beendet. Heute früh find sämtliche Arbeiter zur Arbeit erschiene». Die Zuge ständnisse, die die Verwaltung von Anfang au gemacht hatte, sind von den Arbeitern äuge» nommea worden. ' , , Streik aus fiskalischen Zeche». Hannover. 20. März. (P.-E.-Tel.) Eine Ver sammlung der Belegschaften des fiskalischen Ctein- köhlendergwerks in Obernkirchen beschloß, in de« Aus st and zu treten. O- Aus dem sächsischen Skrrikgrblet. Im Oelsnitz-Lugauer sowie im Zwickauer Revier streiken gegenwärtig etwa 70 Prag. der Belegschaften unter Tage. Auf einigen Zechen ist di« Zahl der Einfahrenden bereits derart gering, daß beispiels weise im Oelsnitz-Lugau«r Revier einzelne Zechen ihre Arbeitswilligen an andere Zechen abgegeben haben, da es unmöglich ist, mit ihnen den Betrieb aufrechtzuerhaltzen. Die Bergwerksbositzer weifen gegenüber den in der Zweiten Kammer gemachten Mitteilungen über das Sinken der Bergarbeiterlöhne im Jahve 1910 darauf hin, daß diese im Jahr« 1911 wieder gestiegen seien. Die Arbeiter erklären jedoch, daß diche Stet- aerung nur etwa IsH Prag, betrage, während die Verteuerung der Lebenshaltung in den letzten Jah ren etwa 15 Proz. ausmache. Ein« Bewilligung d«r Forderungen der Arbeiter würde, selbst wenn di« Grubenbesitzer dl« Mehrkosten auf den Konsum ab- wälzen, nur eine Verteuerung um 30 Pf. pro Tonne Kohle bedeuten. Im ganzen Streikgebiet herrscht musterhaft« Ruche und Ordnung. * Zunahme der franrösischen Streik bewegung. Aus Paris wird gemeldet: Der Ausstand im französischen Erubengebiet hat am Dienstag zugenommen. Bei der Frühschicht fehlten 6377 Bergarbeiter. Weiter liegen folgende Nachrichten vor: Lens, 20. März. (Tel.) Der Ausführende Aus schuß des Nationalverbandes der Bergarbeiter hat eine Kundgebung erlassen, in der die Bergleute aufgefordert werden, sich dem Kongretzbeschluß von Angers zu fügen, m dem die Streitenden im Demain-Reoier ersucht werden sollen, die begonnene Bewegung einzustellen und ihre Kräfte für den vom Kongreß in Angers bestimmten Moment aufzu sparen. Der Bergarbeiteroerband im Departement Loire Line Stunüe zu lpät. 18) Roman von A. von Liliencron. (Nachdruck verboten.) Am nächsten Tage erfuhr der junge Kerkau von seinem Varer, daß sich bei dem Könige ein ernstes Unwohlsein gezeigt hatte, der Grund zu Besorgnissen gab. Das Leiden steigerte sich in den nächsten Wochen, und nur unter Aufbietung seiner letzten Kräfte konnte der König dem Wunsche seines Sohnes nachkommen und auf eine Stunde der Eeburtsfeier des am 24. Januar 1712 geborenen Enkels beiwohnen. Seit dem verließ er das Zimmer nicht mehr. Es war an einem d«r letzten Ianuartage 1713. Die Dämmerung brach herein, und in den Gemächern de» Königs hatte der Kammerdiener soeben die Lich ter angezündet und sich dann vorsichtig zurückgezogen. Auch der Adjutant zog sich leise in das Nebenzimmer zurück, da er den König nicht stören wollte. Der war am Kaminfeuer auf einem Sessel eingeschlummert. Zn «in Buch vertieft, Härte der Adjutant nicht, wie die Tür in dem Gemach des Monarchen behutsam ge öffnet wurde. Geisterhaft leise, mehr schwebend als gehend, huschte es herein. Eine weiß gekleidete Ge stalt glitt bis zur Mitte der Stube: 'da blieb sie stehen und hob wie in Verzweiflung die Arm« empor. Schwer« Blutstropfen rieselten von den Händen herab, während sie in langsam feierlichem Schritt« auf den König zuginy. Mit einer stürmischen Be wegung warf sie sich über ihn und schlang die blu tigen Arme um ihn. Mit einem Schrei des Ent setzens erwachte der König, und, überwältigt von dem grausigen Anblick der weißen, blutbefleckten Gestalt, >ank «r halb bewußtlos wieder zurück. Der Adjutant war herzugesprunaen: Diener er- schienen; em kurzes Ringen entstand, «in Schreien, da« man zu unterdrücken sucht«, und dann wurde «in schwer«! Körper langsam und vorsichtig aus dem Zimmer getragen. Die Türen des Gemache» fielen zu. und bald herrschte tiefe Stille: nur «in Diener tupfte noch sorgsam am Boden di« letzten Spuren des Blute» auf. Der Kronprinz und der Arzt, di« man beide eiligst aerufen hatte, standen neben dem Lehnsessel des Kranken. „Di« weiße Frau ist mir erschienen", flüstert« der König erschüttert. „Majestät, es war ein böser Traum", versuchte der Arzt zu beruhigen. Heftig richtete sich der Kranke auf. „Nichts vor reden. Die weiße Fran hat mich umarmt, und da sehen Sir, was sie hiergelassen hat." Er wies bebend aus einen weißen Fetzen, der sich an dem Beschlag des Fesiels festgehakt hatte. Der Kronprinz nahm das Zeug weg. „Sie haben recht gesehen, mein Vater", sagte er ruhig. „Die weiße Frau war aber kein Spuk, sondern Ihre un glückliche kranke Gemahlin. Sie ist ihren Wächtern entschlüpft und hat eine Glastür eingedrückt, daher rührt das Blut an ihren Händen. Es soll dafür ge sorgt werden, daß die Hüter der Kranken sich nicht wieder solche Nachlässigkeit zu schulden kommen lassen." Der König schauerte zusammen. Fieberfrost schüt telte ihn. „Ich weiß, es geht zu Ende", murmelte er. Wirklich verschlimmerte sich der Zustand von Tag zu Tag. In Ergebung bereitete sich der Sterbende auf den Augenblick seines Abschiedes vor. Schwere Beängstigungen quälten ihn. Wenn in den Anfällen der Atemnot ein« Pause eintrat, dann bat der Kranke den Hofprediger, der ihm treu zur Seite stand, ihm aus dem 27. Psalm vorzulesen. Weit vorgebeugt, lauschte er begierig den Trostworten, und in freu diger Zuversicht bekannte er: „Der Herr ist meines Lebens Kraft gewesen von meiner Jugend auf. Ick fürchte mick» nicht vor dem Tode, sondern sehne mich nach d«r unvergänglichen Herrlichkeit, die mir im Glauben an Christi Verdienste gesichert ist." Der Kronprinz wich nicht vom Lager des Vaters. Am 24. Februar beschick der König seine Minister zu sich, nahm Abschied von ihnen und dankte ihnen für ihre Treu« und Anhänglichkeit. Dann wies er auf den Sohn. „Hier habt ihr wieder einen Vater, der für euch sorgen wird", sagte er, und Stolz und Liebe klangen aus dem Abschiedsworte. „Bringe mir dein Fiekchen und die Kinder", bat der König und winkte den Ministern Entlastung. Nun waren die Familienmitglieder um das Sterbebett versammelt. Auf Wunsch des Königs hatte man den kleinen Prinzen vor ihn auf das Bett gelegt. Er betrachtete ihn lange und sinnend. Immer Heller wurde sein Antlitz: es war, als wäre, so nahe am Jenseits, ihm noch lebend ein Blick in die große Zukunft seines Enkels gestattet. Der Kronprinz war am Bette auf die Knie ge sunken, di« Hand des Vaters legte sich auf sein Haupt.. Nur langsam rang sich die Seele des Sterbenden von ihren irdischen Fesseln los. Am nächsten Tage in der Mittagsstunde zog der König den Kronprinzen zu sich heran. „Mein Sohn", flüsterte er ihm leise zu, „behalte stets Iesum in deinem Herzen." Ohne Zucken, still und friedlich schlummerte Friedrich I. zu einem besseren Leben hinüber. Im Andenken an seinen Vater ordnete Friedrich Wilhelm das Leichenbegängnis mit aller Pracht und aller Strenge der Hossitte an. Im Dom fand die Trauerfeierlichkeit statt. Unter Kanonendonner und klingendem Spiel nahm der junge König dann die Parade ab. Die alte Zeit versank, und eine neue ging auf. Das strenge Regiment Friedrich Wilhelms I., des Soldatenkönigs, begann. Zehntes Kapitel. Der junge Monarch, in der Blüte der Kraft, griff sofort in die Schäden der Verwaltung ein und brachte gewaltige Umänderungen zuwege. Die Pracht wurde durch Einfachheit ersetzt, die behagliche Ruhe durch unausgesetzte Tätigkeit, die so oft bewiesene Milde durch unerbittlick»e Strenge verdrängt. Er selbst ging mit dem besten Beispiel voran und sprach offen aus, daß er sich nur als den obersten Beamten seines Volkes ansche und sich di« Aufgabe stell«, darüber zu wachen, daß jedermann im Staate im vollsten Sinne des Wortes seine Pflicht täte. Auch die Hof- Haltung des Königs wurde auf das kleinste Matz be schränkt. Für die Familie Kerkau war diese Maßnahme tief eingreifend. Wohl war den Kammerherrcn, die ihr« Entlassung erhielten, gestattet, als Offiziere in das Heer zu treten, aber dazu fühlte sich Brunos Vater zu alt. Völlig gebeugt erschien er in dem Zimmer seiner Frau. „Sibylle , rief er, „Sie sehen hier einen Menschen vor sich, den man wegwtrft wie einen ver brauchten Handschuh." Schleppenden Schrittes trat er zum Fenster und wandte ihr den Rücken, um seine Be wegung zu verbergen. Frau von Kerkau, die alles hatte kommen sehen, erwiderte ruhig: „Unter diesen Verhältnissen bleibt nichts anderes übrig, als sich nach einer anderen Be schäftigung umzusehen." Der Kammerherr fuhr herum. „Soll ich Straßen kehrer werden? Sie haben gut reden, Madame. Ihr Platz bei der Königin ist gesichert, aber ich bin -ratlos." In die Züge der Dame stieg ein leichtes Rot. und mit einer gewissen Schüchternheit fragte sie: „Würde Ihnen der Rücktritt aus diesem prunkvollen Leben vielleicht weniger empfindlich sein, wenn ich mit Ihnen ginge?" „Sibylle, wie? Cie wollten, Sie könnten daran denken?" „Ich würde es gern tun." Er trat an sie heran, räuspert« sich, wollte sprechen und brachte doch kein Wort hervor. Erst nach meh reren Versuchen gelang es ihm, mit unsicherer Stimme zu fragen: „Aus Mitleid für mich alten Kerl wollten Sic Ihre gesichert« Stellung aufgeben?" „Nicht aus Mitleid". Sie zögerte. Dann blickte sie auf den gebeugten Mann, und warme Liebe sprach aus ihren Augen. „Wir haben so lange getrennt ge lebt, ich habe aufrichtiges Verlangen danach, wieder wie in der guten alten Zeit fern vom Hofe nur mit Ihnen zu leoen." „Sissi, das wollten Sie tun?" Der Kammerherr hatte die Worte, durch die Erregung getrjeben, fast rauh hervorgestoßen und griff nach ihrer Hand. „Sissr, wollen wir wieder von vorn anfangen?" fragte er sehr leise. Ihre feuchten Augen gaben ihm beredte Antwort. Wie lange war es her, daß er sie Sissi genannt hatte! Ein ganz eigenes Elücksgefühl durchströmte sie bei diesem Kosenamen. „Sie sollen wieder erfahren lernen, wie gut es sich leben läßt, wenn die Frau täglich und stündlich für ihren Hausherrn sorgt." Er hatte sich zu ihr auf das Sofa gesitzt. „Aber was werden mir ankangen^ Unser Tannenwald ist auf Jahre verpachtet." Di« kluge Frau lächelte. „Ich habe alles voraus gesehen und bedacht. Cousine Brigitte hat uns für diesen Fall den einen Flügel ihres Schlosses ange boten und ersucht durch mich den Kammcrherrn von Kerkau, da ihr erster Verwalter lebensmüde gewor. den ist. die Oberaufsicht über ihre Beamten zu füh- ren imd ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen." Der Kammerherr fühlt« sich überglücklich, er küßte seiner Sissi nicht nur di« Hand, sondern auch den lächelnden Mund. „In vielem Auaenblick erscheint mein Verlust nnr Gewinn. Ich seh« das ganze Leben jetzt mit anderen Augen an." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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