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Vaterländische Beitrüge Nr. Dresden, den 22. Marz 1316. 10. Die Brüderschaft deS Horne-. ,,^)M Weine ist Wahrheit," sagt das alte lateini sche Sprüchwoct, und der a te Dichter Owen fügt hinzu: „folglich werden die Deutschen Ae ganz gewiß finden." Li lütut in vino verurn, ut prroverbm cki- cnnt, Invenit verum l'euto, vei iuveniet. Schon lange vor Owen, und auch lange nach ihm, hat man die Deutschen, in Versen und in Prosa, mit ihrer Neigung zum Trünke geneckt. Tacitus erzählt: Tag und Nacht zu trinken, ist kei ne Schande unter den Deutschen — trinkend stif ten sie Bündnisse, Versöhnungen; trinkend wählen sie ihre Fürsten, beschließen Krieg und Frieden. Beim Trinkgelag, sprechen sie, herrscht keine Ver stellung, der Wein befeuert zu kühnen Unterneh mungen. — Mit Ernst warf S a lv ta n im fünf ten Jahrhundert den Deutschen ihre Unmaßigkeit Bor, und mit Verachtung sprach der griechische Kai ser Ntcrp hör uS P hoc as, Im Zahre 963, zu dem Bischoff von Cremona, dem Gesandten Otts des Ersten: „Die KriegLleute deines Herrn ma chen den Bauch zum Gott, und sind nur tapfer im Zechen." — Am ausfallendsten ist, daß sogar Lie Kaiser bei ihrer Krönung dem Pabste schwören mußten, fein nüchtern zu bleiben. Vis sobrieta- tern cnin Der LnxUio custociire? (willst du mit Gottes Hülfe nüchtern bleiben?) war die förm liche Frage, die der Pabst an den Kaiser zu rich ten pflegte. Ach! es giebt noch manche Gattung von Trunkenheit! und der heilige Vater hätte seine Frage bei mancher Krönung wiederholen mögen. Der Adel gab im Trinken den Fürsten nichts nach; daher ein alter Dichter, Brusch ins, selbst ein Deutscher, von ihm sang: 1Uie nodilitus slterno riornine cliAn» Lxliaurire euckos, siccareyue pocula lonAL. Nicht allein die Ehre, auch die Frömmigkeit, vertrug sich im Mittelalter mit der Neigung zum Trünke. Die Einwohner von Strasburg, Män ner und Frauen, versammelten sich am 29. August in ihrer Hauptkirche, deren Fest der Weihe sie an diesem Tage begingen, nicht durch Singen und