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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22j Sgr. s> THIr.) vierteljährlich, Z THIr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der PreuSischen Monarchie. für die Ma» pränumerirt auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. Staat«- Zeitung in Berlin in der Expedition ^Mohren-Strafe Nr. 34); in der Provinz so wie im Auilande dei den Wohllidl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 106 WMMMWEMWSWWCSIIMIMSN Berlin, Montag den 4. September 1837. Frankreich. Die erste Pariser Eisenbahn. Von Zu les Zan in. PaüS bat in diesen jüngsten Tagen einen neuen Ruhm und Schmuck gewonnen. Noch ist das Zahl nicht verstossen, das den Luxor- DbeUskeu auseichtcu und den Sicgesbogen an der Barriöre de l'Eloile enthüllen sah, und nun besitzen die Pariser auch eine Eisenbahn. Wae sage ich, Eisenbahn? Las wäre gerade das Wenigste. Paris Hal eine Eroberung gemacht, eine fröhliche und friedliche Eroberung. Das Schloß und der große, weite, schattige, Wald von Saint-Gcrmiii-cn-Laye ge- bört jetzt zu Paris. Der herrliche, majestätische Palast und die nicht minder majestätischen, uralten, seil Jahrhunderten von keiner Axt ent weihten Bäume und Laubgänge, — die erhabene, weit auSgebreitele Terrasse, von wo herab der Pariser Spaziergänger die unvergleichliche Landschasl rings umher mit so freudigem Stolze und Behagen mustert, als lägen alle Königreiche der Welt ihm zu Füßen, — die freundliche. Stadt Saint-Germain, an den dunkelgrünen Forst gelehnt, von reizen den Spazierwegen umgürlet; Las Alles liegt jetzt dicht vor den Thoren von Paris. Gestern war es noch eine Reise, wenn man vabin wollte, mit allerband Zurüstungen und Transporten; heule, wie bequem! es darf Zeder nur ein paar hundert Schrill vor seine Tbüre gehen. Eine neue Well lbul sich vor Len Parisern auf; sie dürfen mit gerechter Begeisterung rufen: lXuvu.s re rinn milu »amntur orsi«. Wir standen — cs sind in dem Augenblicke, wo ich dies schreibe, kaum mehr als zwei Stunde» her — wir standen aus der schönen, geräumigen zilsco <le sLurozio, die den Eingang zu den südwestlichen Stadltbcilcn von Paris beherrscht. Ringsumher und in der Nähe stehen schon recht viele neue freundliche Häuser, in gefälliger Unordnung, die balv zur Ordnung werden wird, bald einzeln, bald in Gruppen; die Regsamkeit, Lie laute Arbeit, das wimmelnde mib geschäftige Lebe», das sich je länger je mehr um diese neue Wuiiderstraßc dränge» wird, bat sie schon herbeigelockt. Unser Blick verfolgte mit Lust und Neugier die Eisenspur, die vor unS gerade aus so leicht über den Boden binlies, in raschen Sätzen über Anhöhen und Thaler unaufhaltsam hinwegschoß und nickt eher ruhte, als bis sie in vollem Lause dort Lie Höbe von Saint-Germain erreichte, die uns aus weiter Ferne mit ihrer grünen Waldcskrone und ihren weißschimmernden Häusern winkle. Wie reiche Frucht wird diese Eisenfurchc tragen, die aus festem Grunde meilenweit über Acker und Haide, über eingebautes und kahles Erdreich sich dahin- sireckl! — 2» unseren Gedanken unterbrach uns plötzlich die Nach- rickt, der Herzog von Orleans seh schon da. Nu», hieß es, sind wir gleich i» Sainl-Germain; »och ehe wir absuhrcn, richteten wir uns schon auf Lie Ankunft.. Der Herzog von Orleans kam nicht allein. Unsere Königin, Lie stolz Larauf ist, überall Las erste guie Beispiel zu geben, wollte auch die erste Fahrt aus dec neuen Eisenbahn erproben. Mit ihr sanLen sich die Herzogin von Orleans, Lie jungen Prinzessinnen, die Herzoge von Aumalc und von Montpcnsicr ein; j» ihrem Gefolge Ler Graf Flahault, die dienstlbuenden Adjutanten und Ordonnanz-Offiziere; ferner Lie Haude!«-Minister, der Präfekt des Seine-Departements, dec Polizei- Präfekt, der General-Direktor des Brücken- und Straßcnbauwesens; der Gras Medcm voll der Rufsilcken Gesandtschaft, Ler Dcpulirlc Herr Zacqucs Lefebvre, der Pair und Bank-Direktor Herr Gautier; endlich Do» Len Zuschauern, wer glücklich oder geschickt genug war, einen der sibrige» Plätze zu gewinnen. Die Versammlung gewährte eine» eben so freudige» als glänzenden Anblick; es war, als wenn ein Fest gefeiert wurde, und die Eisenbahn bat gleich am erste» Tage entschiede» ihr Gluck gen,ach,. Den» welches allersurchlsamste Pariser Jierpüppchcn wird sich „och unterstehe», vor der Bah» und dem Dampswagen Furcht zu baden, womit die Königin und die Herzogin von Orleans zur Probe gciabreii lind- Diesem hoben und ermunternde» Beispiel werden unsere zarten und zaghasic,, Pariser Schönen cs zu verdanken haben, wenn sic lckwn innerhalb der nächsten acht Tage die minute»!angc weite Reise nach Samt-Germain machen, zu der sie sich sonst den ganzen Sommer nicht getraut batten. Die durchlauchtigen Reisende» wurden von de» Administratoren der Eisenbahn, Len Herren James v. Rothschild, v. Eichtbal, Sanson Davilliers und Tburnevssen, von dem Direktor Herrn Emil Pereirc und von den beiden Ingenieuren, Herren Lamo und Elapcron, in einem ge räumige», höchst geschmackvoll auegemalten und Lckorirle» Saale empfan gen. Die Maurin und Ler Plafond gaben an Schmuck und Eleganz Lem Foyer der großen Oper nichts nach. Tausend aumuthige und sinnig verschlungene Figuren waren von der geschickten Hand des Decorations« Malers Fouchörcs aus Lie Wandscldcr und Säulen hingeworfen. Schabe, daß Ler schöne und weile Saal mit Len geräumigen, ringsum lausende» Gallcriee» und mit seinem ganzen verschwenderischen inneren Ausschmuck nur provisorisch auf dieser Stelle steht. Denn über kurz oder lang wird er mit Ler Einsahri zur Eisenbahn weiter innen nach der Stadt ver legt werden müssen. Da Lie Eisenbahn jetzt kein Problem mehr ist, sondern zu einem Gemeingut für Alle wird, so wird man ibr schon gestatten müssen, daß sie der Bevölkerung der inneren und der östlichen Quartiere von Paris noch um ein paar Schritte näher kommt, bis zur Place Madelainc etwa. Es wäre auch nicht mehr als billig. Warum soll der schöne Meistcrbau, auf Len wir stolz seyn dürfen, auf die ab gelegenen Anhöhen vor dem Thore verwiesen bleibe»? Müssen wir denn so weit gehen, die Eisenbahn aufzusuchen, La sie ja so gern und so schnell zu uns kommen möchte? Zch wette, es vergeben keine sechs Monate, und sie wird mitten in unfcre Stadt einzieben; wir werden die friedliche Siegerin im Triumphe empfangen und hocherfreut zu ihr sprechen: Herrin, sev uns willkommen! Um halb drei Uhr stiegen die Königin, die Herzogin von Orleans, die jungen Prinzen und Prinzessinnen in Len größten und schönsten von de« Wagen, die, wie von selbst, oder von einer unsichtbaren Kraft Les Bodens getrieben, aus dem schnurgeraden Geleise einherglillen; der Herzog von Orleans nahm mit seinem jüngeren Bruder, dem Herzoge von Aumale, unter freiem Himmel auf einer Bank der Zmpcriale Platz, wo Herr Clapero» ihnen Gesellschaft leistete. Noch über ISO Personen, außer dem Gefolge Les Hofes, fuhren aus gedeckte» und offene» Bcr- line», aus Diligence», Waggons und anderen Fuhrwerken mit. Diese Wage» hängen sämmckich durch eine unten fortlaufende Kette von ge schmiedeten Eiscnstäben an einander, und die Vorrichtung beugt, sie mögen vorwärts oder rückwärts lausen, im Zuge scvn oder anhalten, jedem Zusammenstoß und Unfall vor. Die Administration der Eiscn- babn besitzt übrigens schon jetzt 108 Wagen, auf denen zusammen 4070 Personen Platz haben. Ohne große Mühe kann an einem schönen Sonntage ganz Paris nach Saint-Germain, ins Grüne und in Len schattigen Wald hinauSgebrachl werden. Sobald alle Mitsahrcnde ihre Plätze cingcnommen hatte», nahm der Direktor Lie Befehle der Königin entgegen; die Trompeten schmet terten das Signal zur Abfahrt, im nächsten Moment flogen wir schon weil dahin. Seht Zbr de» eisernen Renner, wie er vor uns her Dampf und Feuer schnaubt, in Glut und Eifer vorwärts stürmend, ungestüm wie das Roß Hiob's; von seinem Gange dröhnet die Erde, und der Wind trägt die Wolken seines heißen Athem« dnrch Lie Lüfte. Wo ist seines gleichen ein Geschöpf, unaufhaltsam, unermüdlich, schneller als der Wind, arbeitend ohne Rast und doch ohne Hast, mit sicherem und gleichförmigem Schritt seinen Weg durchmessend, siegreich über die Wcite des Raumes und über den Flug der Zeit? Wie großartig, ehrsurchtcr- weckcnd ist dieses Schauspiel einer Nalurkrafi, die sich mit ihrer un widerstehlichen Gewalt sromm und gehorsam in den Dienst des Men schen giebt, ihn wie auf Flügeln des Sturmes zu tragen, wohin er be fiehlt. Sobald sein Lenker ihm die Zügel srciläßt, setzt das Dampfroß sich in Lauf; es jauchzt bei den ersten Schritten, und die Eisenrivpe» stöhnen von der Gewalt seines AlbemS; dann aber mäßigt cs seinen Ungestüm, Zbr süblt Euch sanft sortgetragen, und vor Euch her schwimmt die gekräuselte Rauchsäule in der Lust, gleich einem Schleier im Winde auf und nieder wehend. Es ist, als wäre die Kraft der Bewegung, Lie schaffende Seele der materiellen Welt, dort vor Euch sichtlich verkörpert und trüge Euch mit ihrer stillen, das All umströmenden Macht von dannen. Zbr spürt kaum, daß Ihr sortrückt; cs ist kein Laufen, kein Rollen, sondern ein gleichmäßiges Dabinglciten ohne Erschütterung und Stoß. Der Raum verschwindet hinter Euch; was Zbr vor Euch seht, ist im Nu erreicht; ehe Zbr Euch des Anfanges recht bewußt werdet, scvd Zhr schon am Ende. Die Lust, die Zbr durchschncidet, kübll Euch Gesicht und Stirn; die Brust wird weit, das Herz schlagt mit Lust und frischem Mutb, und Zhr habt Las leichte, selige Gefühl, wie cs Horaz schildert: »Itzum mutar in alitom! — Was rühmen und rechnen die Leute Loch Alles der Eisenbahn »ach! ein solides, ein nützliches llnter- ncbmen, sürwabr, das Eure ernsteste Aufmerksamkeit verdient: die Balm ist ei» Reichlbum für das Volk, sie verlängert des Menschen Leben; gewiß, sie verdreifacht uns das unschätzbare Kapital, das so eifrig und acktsam genützt scvn will, die Zeit. Von Eisenbahnen durchzogen, wird unser Frankreich zu einem großen Frucktgarlen, Land und Hauptstadt zu Einem werden; was jeder Ort an Gaben der Natur und Kunst ber, verbringt, werden Alle mitgenießen. Was sic da sagen, ist Alles schön und gut, aber bei weitem "das Schönste und Veste nicht. Die Eisen-