Suche löschen...
Dresdner Journal : 16.06.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189606167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960616
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960616
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-06
- Tag 1896-06-16
-
Monat
1896-06
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 16.06.1896
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
vet»i«»ret«: .Tür Dresden vrerretjährllch r Mart «0 Pf, bei den Kaiser- lich deutschen Postanstalten vierteljährlich 3 Mark, außer halb de« Deutschen Reiches Pop- und Stempelzuschlag. Einzelne Nummern: tu Pf. Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends. Fernspr.-Anschluß:Nr12S5. AnkünVigunsSgebühre«: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner «christ SO Ps Unter „Eingesandt" die Zeile üv Ps. Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsplechender Ausschlag Herausgeber: Königliche Expedition deS Dresdner Journals Dresden, Zwingerstr 2V. Fernjpr Anschluß: Nr 129». 137. Dienstag, den 16. Juni, abends. 1896. Amtlicher Teil. Dresden, 16. Juni. Se. Majestät der König sind gestern, Montag, Nachmittags von Sibyllenort hierher zurückgekehrt. nichtamtlicher Teil. Tie Tepliper Turnerftfi-Frage hat wieder einmal das gesamte Tschrchentum in die hochgradigste Aufregung versetzt. Mit allem Nach drucke verlangen die Tschechen für sich das Recht, auch in den vorwiegend deutschen Städten des sogenannten geschlossenen deutschen Sprachgebiets in Böhmen u« gehindert nationale Feste zu dem Zwecke veranstalten zu dürfen, um ihre dort lebenden Stommgcnossen in ihrem Befind.» zu unterstützen, den deutschen Charakter dieser Gemeinden in Frage zu stellen und den deutschen Besitzstand m diesem Gebiete zu gefährden. Auf der anderen Seite aber steht nicht nur die deutsche Bevölkerung der Stadt Teplitz, sondern auch das gesamte deutsch- böhmische Bolk zur energischen Abwehr dieses von den Tschechen geplanten Anschlages gegen das Deutsch tum in Böhmen einmütig zusammen Die Geschichte der Teplitzer Turucrfest-Frage, die, wie wir gestern schon mitgeteilt haben, im österreichi schen Reichsrate zur Sprache gekommen ist und doit die heftigsten Angriffe der Tschechen gegen die Re gierung veranlaßt hat, ist jedenfalls für die Beurteil ung der Dinge in Böhmen sehr lehrreich und verdient daher eine kurze Darstellung. Der tschechische Sokol Crzgebirqsverem hatte in der zweiten Hälfte des Aprils von der Bez rkshauptmann- schast von Teplitz-Schönau die Erlaubnis zur Ab haltung eines Gautages in Teplitz an den beiden Pfingstfeieltagen erwirkt. Sofort nach Erteilung der Erlaubnis setzte sich die gesamte tschechische Presse in Bewegung, um die sämtlichen tschechischen Turner- vereine zur Beteiligung an diesem tschechischen Nationalfeste in der der „Germanisation" preis gegebenen, ehemals aber tschechischen Badcstadt an- zusperncn Der Verdacht der Deutschen, daß es sich von vornherein um eine wirksame Demonstration der Tschechen gegen den deutschen Charakter der Stadt gehandelt habe, wurde damit zur Gewißheit, und des halb wurde sofort von der deutschen Parteiführung in Prag der Versuch zur Vereitelung dieses tschechischen nationalen Unter nehmens gemacht. Die Teplitzer Stadt vertretung legte zunächst gegen die Abhaltung dieses den Charakter der nationalen Verhetzung tragenden Sokolfestes bei der zuständigen Behörde Verwahrung ein und ersuchte letztere um nachträgliches Verbot des Festes. Nachdem dieser Protest von der Teplitzer Kreishaupt- mannschaft abschlägig beschieden worden war, beschloß nunmehr der Teplitzer Deutsche Schulverein seiner seits, sür die Pfingstfcicrtage ein großes Schulfest zu veranstalten und zu diesem Feste alle deutschen Schul vereine einzuladen, um auf diese Weise das tschechische Sokolfest durch das glänzende deutsche Fest in den Hintergrund zu drängen undumseinedemonstrativeWirk- ung zu bringen Die Eingabe des Deutschen Schulvereins nm die behördliche Bewilligung düses Schulststes wurde zustimmend beantwortet. Die deutsche Presse trat sofort in eine lebhafte Agitation zu Gunsten einer allgemeinen Beteiligung an dem deutschen Feste ein, und somit wuchs thaisächlich die Gefahr heran, daß cs zu Pfingsten in dem schönen Badeorte zu einem regelrechten Zusammenstöße zwischen Deut schen und Tschechen kommen könne. Eine Änder ung in dec Sachlage wurde zunächst durch den Tod des Erzherzogs Carl Ludwig herbeigeführt. Der deutsche Schulfestausschuß erklärte sich sofort zur Kunst und Wissenschaft. Neue Romane und Novellen. (Fortsetzung.) Hart auf der Grenze des bloßen Eensations- und Unterhaltungsromans und des poetisch-künstlerischen An spruchs im Roman gesammeltes und tieferes Leben zu spiegeln, bewegen sich die meisten Romane eines Schrift stellers, wie Konrad Telmann. Auch der neueste, ein Künstlerroman „Unter römischem Himmel" (Dresden und Leipzig, Verlag von Carl Reißner 1896) macht keine Ausnahme von dieser Regel. Er enthält ein gutes Stück interessanter Wirklichkeit, farbenreiche Schilderungen aus dem deutsch-römischen Künstlerleben der Gegenwart Man braucht sich noch nicht einmal an Julius Schnorrs von seinem Sohne veröffentlichte Briefe aus Rom aus dem zweiten und dritten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts zu erinnern, um den ungeheuren Unterschied der Zeiten, der Zustände, der Anschauungen und Menschennaturen von heute tm Vergleich mit einer glücklicheren Vergangenheit bei der Lektüre diese» Künstlerromans zu empfinden und zu erkennen Der Verfasser selbst, weit entfernt den Lob redner der Vergangenheit zu machen, hat doch unwillkür lich in den Gestalten des alten Malers Fritz Degenhardt und des alten Bildhauers Heinz LüderS die sympathischsten Charaktere seines Buches geschaffen. Der Held Hilmar Berndt, der mit einer schweren Schuld und einer über sein Leben bestimmenden Verpflichtung auf der Seele nach der ewigen Stadt kommt, der nur, wenn er den weltübcrwindenden Erfolg erringt, hoffen kann, seinem Dasein ein böhereS Recht zu geben, trachtet als Maler und Bildhauer nach diesem Erfolg mit der wilden Ungeduld, der Fieberhitze und der innern Verzweiflung, die da« Gelingen auch bei großem Talent von vornherein in Frage stellt Hilmar Berndt hätte es nicht einmal Absagung des geplanten Schulfestes bereit und die Behörde untersagte hierauf auch die Abhaltung des Sololststes als zunächst unstatthaft. Um jcdcch die Tschechen durch dieses Verbot nicht zu verbittern, ver sprach Graf Badeni kein jungtschcchjschen Reichs- ratiklub in Wien, das Sokolfest in Teplitz sür spätere Zeit doch noch zu bewilligen. Auf diese Zusage pochend, richtete nunmehr der Ausschuß des Teplitzer Sokolvereines unverzüglich eine neue Eingabe an die Kreishauptmannschaft, worin um die Bewilligung des Sokolfestcs in Teplitz sür den 13. und l-l. Juni nachgesucht wurde. Die Behörde gab diesem Gesuche Folge, strich jedoch aus dem vorgelegten Festprogramm alle Nummern, die zu» Straßenkuudgebungen und Konflikten mit der deutschen Bevölkerung der Stadt Anlaß geben konnten. Diese Betätigung der behördlichen Fürsorge um den nationalen Frieden in Teplitz rief zwar im tschechi schen Lager eine sehr gereizte Stimmung hervor, sie vermochte aber doch auch nicht auf deutscher Seite die Gemüter mit dem so „reduzierten" tschechischen Nationalfeste zu versöhnen, zumal das jungischcchische Prager Hauptorgan in einem Manifeste es als Pflicht eines jeden tschechischen Turners und seiner Ange hörigen erklärte, bei dem Sokolfcste ihrer unter dem Drucke der Teplitzer deutschen Stadtvertretung seufzende» Brüder zu erscheinen. Abermals wurde daher die Vertretung der Stadt Teplitz bei der Kreishauptmann schaft mit einem Proteste gegen das tschechische Turnerfest vorstellig, und als am darauffolgenden Tage im amtlichen „Prager Abendblatt" eine ein gehende Begründung der behördlichen Erlaubnis zu dem Teplitzer Sokolfeste erschien, da griffen die Teplitzer Deutschen abermals zu dem Mittel der Gegendemonstration. Der Tepl tzer Turn verein kündigte sofort — also nur drei Tage vor dem 14. Juni — für diesen Tag einen allgemeinen Gautag der deutschböhmischen Turnvereine an und reichte bei der Behörde ein darauf bezügliches Gesuch ein, während die gesamte deutschböhmische Presse mit größter Lebhaftigkeit die deutsche Bevölkerung zu einer möglichst zahlreichen Teilnahme an diesem deutschen Turnerfeste einlud Gleichzeitig veranstalteten fast sämtliche deutsch-böhmischen Stadtvertretungcn außerordentliche Sitzungen, um feierlich gegen das neuerdings von den Behörden bewilligte tschechische Nationalfest in der deutschen Stadt Teplitz Ver wahrung einzulegen. Tie Gemüter waren demzufolge in beiden zum erbitterte« Kampf bereiten Lagern der art erhitzt, daß die Regierung sich nunmehr genöiigt sah, aus ihrer passiven Haltung herauszntreten und sowohl die schon erteilte Erlaubnis zum Sokolfeste zurückzuzichen, als auch die erbetene Genehmigung zu dem geplanten deutschen Turnerfeste zu versagen. Die Aufregung, die sich der Tschechen insolge dieses Verhaltens der Behörden bemächtigt hat, ist eine geradezu ungeheure. Die ganze tschechische Presse ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit überschüttet die Regierung geradezu mit den heftigsten Beschuldigungen und Anklagen über ihre am tschechischen Volke verübte Treulosigkeit und ihre den Deutschen gegenüber be kündete — Feigheit. Die an den Ministerpräsidenten gerichtete Interpellation Or. Herolds sollte denn auch Anlaß geben zu einem neuen Ausbruch des un gestümen Unmutes der tschechischen Delegation an gesichts dieses „feigen Rückzuges" der angeblich starken Regierung vor dem Deutschtum. Die Antwort, welche Graf Badeni in der Sonn- abendsitzung des Reichsrats ans die Anfrage O>. Herolds e,teilt hat und die wir gcstern schon mitteilten, hat selbstverständlich die Jungtschcchen nicht befried gt Ihre Presse ist vielmehr heute schon an ter Arbeit, das Tischtuch zwischen der Regierung und der tschechischen Delegation cnizwcizuschneiden und kün digt den Deutschen in Böhmen an, daß die nötig, eine neue Leidenichasl sür die schöne Livländerin Maria v. Holman zu faßen, er würde an dem Wahnsinn seiner Forderung ans Leben und an sich selbst zu Grunde gehen. Er ist der echte Vertreter eines Künstlergeschlechts, das zwischen das Pantheon und das Irrenhaus gestellt, nichts mehr von Entwicklung weiß noch wissen will und im wilden Ansturm die Kränze herabreißen möchte, die nur der hingebenden Arbeit zu teil werden Neben diesem vom Stachel der Schuld nicht minder als von dem des verzehrenden Ehrgeizes vorwärts gehetzten und schließlich tragisch endenden Haupthelden, stehen Künstlergestalten, die nicht viel anziehender und fesselnder sind: der unglückliche Joachim Timm, der am römischen Leben und römischen Wein gescheitert, sich doch lieber da» Leben nimmt, als sich nach der deutschen Heimat retten läßt, der blasierte Lito Berwick, der gutmütig verbummelte Mar Höhnert, der auch am Tiber keinen Augenblick verleugnet, daß er mit Sprecwasser getauft ist, eine ganze von dem Glauben an sich selbst erfüllte Gruppe, die auSrust: „Was die Leute (nämlich Rafael und Perugino) konnten, das können wir auch — allezeit können wir das noch Aber wir können weit mehr. Das, was es von Kunst bisher in der Weit gegeben hat, das lernt man spielend nach machen, damit ist eS nichts, wir wollen erst eine Kunst schaffen" und die Losung „Feuer in den Vatikan, eher wird eS nicht besser!" ausgicbt, dabei aber nichts oder doch so viel wie nichts fchafft. Der ganze Roman, lebendig und feßelnd im einzelnen, hinterläßt in dieser Hinsicht einen fast peinlichen Eindruck, eS ist nicht« in diesem römischen Künsilertreiben gespiegelt, das sich sieg reich und überzeugend über den Wahn de« TageS und die Unzulänglichkeit des Einzelmcnschrn erhöbe An der von einem gewissen Teil der Lebewelt gewünschten Spannung fehlt eS nicht Der Roman ist au» genauester Kenntnis gewißer römischer Zustände hervorgegangen und doch fehlt ihm der malerische Zauber, der die ewige Stadt und ihr Leben auch heute noch umspielt und vergoldet, und au» Tschechen aus der Austragung der Teplitzer Turner festfrage die Lehre ziehen würden, wie sie künftighin vorzugehcn Hütten, wenn es gelten sollte, deutsche Feste iu vorwiegend tschechischen Städten, wie Prag, Pilsen, Budweis re, zu vereiteln. Tagesgeschichte. Dresden, 16. Juni. Se. Majestät der König empfingen heute vormittag »HIS Uhr in der Königs. Villa Strehlen den dienstthuenden Flügeladjutanten Sr.Majestät des Deutsche« Kaisers, Königs von Preußen, Major Grafen v Molike. Deutsches Reich. * Berlin Gestern, am Todestage Sr. Majestät des Kaisers Friedrich, begaben Sich Ihre Kaiserlichen Majestäten vom Neuen Palais nach dem Mausoleum bei der Friedenskirche zu Potsdam und legten am Sarge des Hochseligen Kaisers einen Kranz nieder. — In der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" ist folgendes Telegramm aus Paris zu lesen: „Gemäß dem vom Deutschen Reichstag angenommenen Antrag Kanitz, mit den Ländern, in denen der Getreideterminhandel be steht, in Verhandlungen zu treten, um denselben zu unter drücken, hat die deutsche Regierung der französischen bereits diese Absichten und diesen Wunsch zu erkennen gegeben. Die französische Regierung hat erklärt, diese Frage mit der erforderlichen Sorgfalt prüfen zu wollen Diese Nach richt hat in Handels- und landwirtschaftlichen Kreisen eine große Erregung hervorgerufen und der Präsident der Pariser Handelsbörse Hal bei dem Konseilspräsidentcn und Ackerbauminister das Ersuchen gestellt, der Aufforderung der deutschen Regierung nicht stattzugeben Hr. Violine hat sich indessen zu keiner Erklärung bereit geRmden, sondern nur erwidert, er behalte sich seine Entscheidung vor " — Ter konservative „Reich sbote" läßt von seiner Agitation für die fakultative Zivilehe, obwohl die Aus- sichtslosigkeit der ganzen Agitation feststcht, nicht ab. Heute wendet sich das Blatt zur Abwechslung wieder einmal an die Liberalen und bemerkt: „Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, daß jetzt die Vertreter des UltramontanismuS, gegen den die Zivilehe gerichtet war, dieselbe im Bürgerlichen Gesetzbuch unter Zustimmung der alten Kulturkämpfer so zurecht stutzen können, daß sie als an den Triumphivagen der Zentrumspolitik gehängt er scheint, aus dem als Lohn für diesen Umbildungsprozeß vielleicht demnächst auch noch das abgeschaffte Jesuiten gesetz als Trophäe in die Ruhmeshalle des Zentrums eingefahren wird Möchte man doch auf liberaler Seite durch diese Entwickelung der Tinge endlich zur Besinnung kommen und sich noch in letzter Stunde entschließen, für unseren ehriichen, die Freiheit der Gewißen und die christliche Ehe schützenden und schonenden Antrag stimmen Tie konservative Fraktion aber bitten wir, den Antrag im Plenum zu wiederholen und so den Liberalen Gelegenheit zu geben, ihre Fehler wieder gut zu machen." — Tie Interpellation des Zentrums über die Stellung des Bundesrats zum ReichStagsbeschlusse auf Aufhebung des Jesuitengefetzes ist für Mittwoch, den 17 Juni, zur Beratung im Reichstage bestimmt Die zweite Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches wird auf alle Fälle am 18. Juni beginnen Für die nächsten Tage sind die Fraktionssitzungen behufs Stellungnahme anberaumt. — Tie „Pomm. Reichspost" erinnert daran, daß die freisinnige Partei bei der Rcichstagsstichwahl in Stettin im Jahre 1887 den dortigen Wahlkreis ebenfalls nur dadurch zu halten vermocht hat, daß sich einige An hänger der Partei desselben verwerflichen Mittels wie bei der jüngsten Stichwahl in Ruppin-Templin, nämlich einer gefälschten „Depesche" bedient haben, durch die die damals ausschlaggebenden sozialdemokratischen Wähler zum Ein treten für den freisinnigen Kandidaten veranlaßt worden waren. Damals hat sich die Staatsanwaltschaft der Sache angenommen. Den Herausgebern und Verbreitern des Depeschenblattes wurde der Prozeß gemacht, in dem dann mehr denn ein Dutzend derselben zu empfindlichen Geld strafen verurteilt wurden. Von einem Protest gegen die aus so unehrliche Weise zu stände gekommene Wahl des freisinnigen Abg Brömel sah man aber leider ab — Ter neueste ähnliche Vorgana in Ruvvin-Templin wird in der dem heraus der Verfasser selbst die schlaffe Willenlosigkeit und verhängnisvolle Selbstzerstörung erklärt, die er in seinem Roman vor unseren Augen stellt. Für den Psycho logen ist es nicht ohne Interesse, die Grundstimmung des Romans mit der Grundstimmung zu vergleichen, die noch vor einem Menschenalter durch nahezu alle römischen Ge schichten hindurchging. Ein tragische Erzählung anderen Gepräges „Judas" von Ernst Clausen (Berlin, F. Fontane u Co.) gesellt sich der langen Reihe alter und neuer Romane und No vellen hinzu, die das Motiv deS Bruchs und Verrats der Freundschaft um eines Weibes willen behandeln, das von beiden Freunden geliebt wird. Im vorliegenden Falle ist die Wirkung de» alten Motivs dadurch verstärkt, daß die beiden Freunde, Harald Raßmus der Armendoltor und Kurt Hansen der Jurist, durch das Beste miteinander ver bunden sind, was Münnerfreundschaft festigen kann Harald RaßmuS hat Hansen, der am Leben verzweifeln wollte, gerettet, ihm den Weg gebahnt, Hansen sollte ihm in tiefster Dankbarkeit anhängen und verrät ihn doch um Eva KarchhusenS willen Aber da« geheime Schuldgefühl über diesen Verrat kann er nicht aus seiner Seele bannen, und im Augenblick, wo er sich auch vor der geliebten, allzu teuer ei kauften Frau entlarvt weiß, greift Kurt doch noch zur Pistole, die ihm Raßmus vor vielen Jahren aus der Hand geschlagen hat Die Erzählung ist gut und fließend geschrieben, aber die Spannung überwiegt auch hier jede andere Eigenschaft, durch die sich eine novellistische Erfindung aukzeichnen soll. — Aus der Gegenwart in ver gangene Tage (in» sechste, zwölfte und siebzehnte Jahr hundert n Chr) versetzen uns die drei Erzählungen, die Wilhelm Jensen al« „Chiemgau-Novellen" (Weimar, Emil Felber, 1895) vereinigt hat In der phantasievollen, skizzenhaften Manier de» Dichter«, die ein breite« Licht auf einen Vorgang, eine psychologische Wandlung fallen und daü übrige in den Schatten treten läßt, die namentlich tragische Episoden au» dunkeln Tagen mit virtuoser Kunst Wahlprüfungskommission jedenfalls von konservativer Seite zur Sprache gebracht werden. So viel die „Cons Corr" hört, ist ein Protest gegen die Wahl bereits in Vor bereitung. — Die Pariser Sozialisten haben am Sonnabend ein Festessen für Liebknecht gegeben Der Deputierte G« rault - Richard brachte einen Toast auf den „großen deutschen Sozialisten" aus. Jauri s feierte den „helden mütigen Vorkämpfer des internationalen Sozialismus" und sagte: Unser Patriotismus unterscheidet sich dadurch vom engherzigen Patriotismus der Chauvinisten, daß wir begreifen, daß Franzosen und Deutsche, deren Geist so sehr für wechselseitiges Verständnis geschaffen, nicht die brudermörderischen Kriege zu berücksichtigen brauchen, welche Despoten hervorgerufen haben. Darauf dankte Liebknecht, wie der „Frankfurter Zeitung" berichtet wird, für die herz liche Aufnahme durch die französischen Sozialisten und er klärte, er empfinde eine innige Freude, indem er alle So zialisten zu einer Partei vereinig! sehe, deren Macht täglich wachse. Liebknecht erklärte, er sei gewohnt, in Reden auf die französische Revolution zurückzugreifcn Seine Reichs- tagSreden seien derartig von französischem Geist er füllt, daß seine Kollegen ihn den „Franzosen" nennten Liebknecht mahnte zur Aufrechterhaltung der Arbeiter internationale, zur Einigung aller Völker und versicherte, daß keine anderen Grenzen bestünden als diejenigen, die zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten errichtet wären. — Alte, wertlose Phrasen! — Das preußische Abgeordnetenhaus beriet gestern über den Antrag der Abgg Arendt (sreikons.) und Gen., wo nach die Staateregierung ersucht werden soll, im Bundesrat dahin zu wirken, daß die umerm 4. März d. I. erlassenen Be stimmungen, betreffend den Betrieb von Bäckereien und Konditoreien, nicht in Wirksamkeit treten. Abg. Hornig (lous) befürwortet nanicns seiner Freunde Len Anirag Abg. Letocha (Z.) spricht dagegen, erklärt die an die Beiordnung geknüpften Besürchtunqen für gegenstandslos und beantragt die Ucberweisung de? Antrages an eine 28gliedrige Kommission. Abg Frhr. v. Zedlitz ffreikous.) erkennt an, daß Mißstände im Back.rewctnebe bestanden, hält jedoch eine Bundesratsverorb- nung nicht sür den richtigen Weg zur Abhilfe; man Hölle eine gesetzliche Regelung wählen sollen, zumal nach diesem Vorgeben kein Gewerbe, vor allen nicht die Landwirtschaft, vor der Ein führung eines Maximalarbeitsiages nnhr sicher sein könne. HanLelsminrfter Frhr. v Berlepsch weist die Erwartung, daß die preußische Regierung beim Bundesrat für Aushebung d.-r Verordnung eintretcn werde, zurück. Die Opposition habe erst begonnen, nachdem die Bäcker gedroht, den Angehörigen der Parteien ihre Kundschast zu entziehen. Früher hätten die Rechte und die konservative Presse zugegeben, welche Übelstäude herrschten, und daß ihnen abgeholscn werden müsse. Nicht bloß große, sondern auch viele kleine Bäcker bätten erklärt, mit 12- bis inständiger Arbeitszeit aurkommen zu können Die Herren, die jetzt eine Revision Ler Arbeiteffchutzgesetzgcbung von 189t verlangten, lüde» damit den Anschein auf sich, als sei es ihmn damals mit derselben nicht ernst gewesen. Abg.Trimborn(Z.) pflichtet dem bei; die Rechte scheine überhaupt keinen Arbciter- schntz mehr haben zu wollen und die Gegner der Verordnung nützten nur der Sozialdemokratie. Das Zentrum werde diese Schwtiikung der Konservativen nicht mitmachen. Minister Frhr. v Berlepsch hebt hervor, daß den BScker.ien, welche den ganzen Sonntag ruhten, sür Freitag und Sonnabend eine Ver längerung der Arbeitszeit gewährt werten solle. München Der Präsident der Kammer der Ab geordneten Oberlandesgerichtsrat v Walter wurde zum Rat am Obersten Landesgericht befördert. Sein Mandat ist hierdurch erloschen — Tie letzte That des Hrn. v. Walter als Präsident war, daß er in seiner Schlußrede anläßlich der Beendigung der bayerischen Kammersession folgende Redewendung gebrauchte: „Wir haben die Ge währ, daß auch unser erlauchtes Königshaus bestrebt ist, alles auszubieten, was den inneren und äußeren Frieden sichern und insbesondere die reichsverfassungs mäßig gewährleistete Selbständigkeit unseres engeren Vaterlandes erhalten wird." — Diese Worte, die leicht erklärlicherweise allgemein mit dem bekannten Vorgänge in Moskau in Verbindung gebracht werden, scheinen zum mindesten zu beweisen, daß der bisherige Kammerpräsident zuweilen Gespenster auch dort gesehen hat, wo thatsächlich keine waren Weimar Am Sonntage starb hier nach längerem Leiden der geh Staatsrat Di v. Borberg, Chef des Kultusdepartemcnts — Der Verstorbene gehörte bekannt lich früher dem König!, sächsischen Staatsdienste an; vor seinem Übertritt war er Amtshauptmann in Bautzen und hatte sich dort Liebe und Verehrung in großem Umsange zu erwerben gewußt heraufbeschwört, unv wo sie uns nicht sür ihre Menschen gestalten erwärmen kann, uns doch durch das Zeit- und Lokalkolorit des Hintergrundes feßelt, verkörpert hier Jensen Träume, die ihm an den Usern des Chiemsees ausgegangen "sind „Die Glocken von Greimharting", „Hunncnblut" und „Aus der vergessenen Zeit" gehören nicht gerade zu Jensenö schönsten unv seelisch vertieftesten Novellen, aber sie erheben sich durch schärfere Bestimmt heit der Umriße und größere Deutlichkeit des Zusammen hanges über zahlreiche spätere Erfindungen des fruchtbaren Erzählers Als die bedeutendste erscheint uns „Hunnen blut", eine phantastische, wilde, aber von einem Strahl reiner Menschlichkeit und iveiblicher Güte durchleuchtete Geschichte, in die freilich auch die neuesten Vorstellungen von der erblichen Belastung hcreinspielen, aber doch nicht so, daß sie die Bescheidenheit der dialur verhöhnten und verletzten Der arme „Hunnenhund", der dem weit verbreiteten Geschlecht der Kaliban und Ouasimodo angehört, zeigt sich wenigsten» der Dankbarkeit fähig Die letzte Geschichte, „Aus der vergeßenen Zeit", reiht sich früheren Erzählungen Jensens aus den Schrecken und der Entartung des großen Krieges an und verfetzt den Leser lebendig in die trostlosen Zu stände und Stimmungen der dunkeln LeidenSzeit hinein Ob Nördlingen, Wasserburg oder sonst eine deutsche Stadt den Hintergrund abgiebt, darauf kommt wenig an Wohl aber wird sich der eine und der andere Leser fragen, ob es eine Vorahnung hcraufziehenden künftigen Unheils sei, was diese Darstellungen früher« Elends so vermehrt oder ihre Anziehungskraft steigert. (Schluß folgt.) * Der II. Sächsische Neuphilologentag trat am 14 Juni in Meißen zusammen Die Präsenzliste wie« außer den Leipziger, DrcSdner und Meißner Teilnehmer« solche aus Bautzen, Großenhain, Löbau, Wurzen, Glaucha», Leisnig, Mittweida, Schneeberg, Döbeln, Chemnitz, Franken berg, Stolberg, Freiberg und auch zwei Gäste au« Wiborg in Finnland auf. AIS ersten Porttag verzeichnete dre
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite