Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt. WMü für MÄnlff ThalNdt, Men. Menlkhn und die UuMMdtN. Imtsölatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk 25 Pf. — Einzelne I Nummem 10 Pf. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. No. 32. Freitag, Sen 21. April 1893. Atadtgemeinderathsschmg vom 8. Äpril W3. 1 ., Wurde die von der Königlichen Amtshauptmannswaft zu Meißen zur Entschließung anher abgegebene Eingabe der hiesigen Bäckerinnung, Einführung einer Eingangsabgabe auf Brod etc. betr., vorgelegt, auch die in dieser Angelegenheit früher diesseits angestellten Erörterungen und gefaßten Beschlüsse vor getragen, worauf man diesen Punkt von der heutigen Tages ordnung absetzte; 2 ., beschloß man, an der äußeren Freibergerstraße hierselbst vom Grundstücke des Herrn Wirthschaftsbesitzer Hänsel bis zum Grundstücke des Herrn Braumeister Frühauf einen erhöhten Fußweg nebst Schleuße, sowie an geeigneter Stelle einen ge pflasterten Straßcnübergang Herstellen zu lassen; 3 ., sollen auf das Gesuch des hiesigen Rathscopisten Pietzsch um Gewährung einer Gehaltszulage zunächst Erkundigungen über die Gehaltsverhältnisse der Rathscopisten in anderen kleinen Städten eingezogen werden; 4 ., will man das Schankconcesfionsgesuch des Herrn Buch halter Gustav Ihle hierselbst unter der Bedingung befürworten, daß derselbe das fragliche Grundstück Cat. No. 81 käuflich erwirbt; 5 ., genehmigte man die Gesuche der Herren Gast und Gietzelt um Ertheilung von Erlaubniß zur Aufstellung von je einer Veranda vor ihren hiesigen Gasthäusern während des dies jährigen Sommerhalbjahres unter den früheren Bedingungen; 6 ., soll Herrn August Kittler hier die zur Herstellung der Fußwege im unteren Stadtpark nothwendige Heraushebung und Beiseiteschaffung des Bodens gegen Bezahlung von 10 Pf. für jeden jUMcter übertragen werden; 7 ., sollen einige Grundstücksgrenzen in hiesiger Stadt durch den Königlichen Vermefsungsingenieur, Herrn Süße in Meißen, scstgestellt werden; ' 8 '' "ahm "UP Kenntniß von der Unterbringung der Frau verw. Nake hier im hiesigen Bezirkskrankenhause, sowie vom Zustande des Schlossermeisters Wiche ssn. hier; 9 ., soll der Quell der städtischen Wasserleitung hierselbst markirt werden; 10 ., verwilligte man dem hiesigen Militairvereine zur Be streitung der Kosten der Commersmusik zur diesjährigen Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Königs Albert' den Be trag von 20 M. aus hiesiger Stadtcasse und II . lehnte man das Gesuch des Herrn Hotelier Gietzelt hier um Ertheilung von Genehmigung zur Ableitung von Wasser aus der städtischen Wasserleitung nach seinem Grundstücke ab. Wilsdruff, am 17. April 1893. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Der letzte Odenstein. Originalroman von Henrik West er ström. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Sic werden von ihr Blanka genannt," fuhr sie fort, „ich glaubte, Ihr Name sei Maria —" „Blanka Maria," fiel ich lächelnd ein. „Also Blanka Maria von Ermmger?" fragte sie be deutsam. Ich fühlte die Gluth mir ins Antlitz steigen und senkte die Augen. Dann aber faßte ich mich, sah sie offen an und antwortete mit fester Stimme: „Ja, das ist mein eigentlicher Name, den ich ablegte, als die Nothwendigkeit an mich herantrat, mein Brot als Erzieherin zu verdienen. Mein seliger Großvater, der General von Erminger, war ein sehr ahnenstolzer Mann, ich nahm aus Pietät gegen ihn den bürgerlichen Namen, indem ich meinen Vornamen kürzte." »Jetzt verstehe ich alles, auch Ihre Weigerung, Missis Harley zu werden," sagte Frau Nordhoff. „Wie gerne ich Sie bei uns festhielte, brauche ich nicht zu versichern, die Kinder werden am schlimmsten dabei wegkommen. Doch kann ich unter diesen Umständen weder Bitte noch Gewalt anwenden. Wir werden Sie sehr entbehren." „Ja, der Abschied von den Kindern wird mir schwer fallen, mir bangt davor." 18. März. . Heute sind wir in New-York angekommen, ich schreibe „wir", da Dr. Vogel und Walter mich auf meine Bitte be- S .en durften. Ich mag an den Abschied von den lieben einen gar nicht zurückdenken, — ich mußte noch einige Tage z geven und bis zur letzten Minute bleiben. Morgen gehts hinaus in die See, — freue ich mich wirklich aufKdieHHeim- kehr? Ich kanns nicht sagen, da sich zu vieleWefühle in meinem Herzen streiten und ich einen Theil meines Jchs auf diesem fremden Boden zurücklasse. Woher das kommen mag? — Vielleicht daher, daß Tante Luisa mir eigentlich fremd ist, da ich sie seit vielen Jahren nicht gesehen habe, mich ihrer auch gar nicht zu entsinnen vermag, während die Familie Nordhoff mir lieb und werth geworden ist, ja, ihr Haus mir sozusagen zur zweiten Heimath wurde. — und dann? — Ach, das rebellische Herz klopft bei der unseligen Erinnerung trotz aller Enttäuschung noch immer in der alten unruhigen Sehnsucht. Walter will durchaus den berühmten Cirkus besuchen, dessen Zettel an allen Straßenecken in ellenlangen Buchstaben prangen. — Ich inuß ihm wohl diesen letzten Gefallen erzeigen und mitgehen. Mitternacht. Ich kann nicht schlafen, obwohl ich morgen früh um sechs Uhr auf dem Dampfschiff sein muß, wo sich mein Gepäck be findet. Was habe ich an diesem letzten Abend erleben müssen! - Noch pocht das Herz in wilden Schlägen des Entsetzens, vor Schmerz und Todesangst. Wir saßen im Cirkus. Die herrlichen Pferde interessirten mich seh»', ihre Dressur war bewunderungswürdig, doch waren wir besonders auf daö Schulpferd „Abdallah" gespannt, das von seinem Reiter, einem Mr. Richard dressirt und ganz be sonders ausposaunt worden war. Endlich erschienen Roß und Reiter von einem Beifallssturm begrüßt. Ein vornehmer, eleganter Reiter, ein Genllemann vom Kopf bis zur Sohle. Ec zog dankend den Hut, das Pferd spielend leitend. Ich aber ergriff bebend des Doktors Arm, während dieser in demselben Moment mich erregt anblickte. „Dort ist er ja, mein Engländer", flüsterte er mit heiserer Stimme, „jetzt soll er mir nickt entgehen." Ja, es war Mr. Mond, der Doppelgänger des Grafen Odenstein. Eme Eiseskälte durchfloß langsam meine Glieder und kroch mir wie ein dumpfer Schauder ins Gehirn. Ich fühlte, daß ich im nächsten Augenblicke ohnmächtig wurde. „O, sehen Sie, wie großartig schön", flüsterte mir Walter zu, „welch ein Mann und welch ein Pferd! — Mein Gott, was fehlt Ihnen, Fräulein Blank?" setzte er erschrocken hinzu, als er mich anblickte. „Sie sehen wie eine Sterbende aus. — Herr Doktor!" Ich saß zwischen beiden und wehrte ihm, indem ich ein Lächeln versuchte, das krampfhaft genug ausfallen mochte. „Nein, Sie werden ohnmächtig, ich sehe es ja", sagte der Knabe entschlossen, indem er Doktor Vogels Arm berührte. In diesem Augenblick näherte sich der Schulreiter unserer Loge in kurzem Galopp. Plötzlich Halt machend, bog das herrliche Roß die Knie und in dieser Stellung den schlanken Kopf zu seinem Reiter, um sich von ihn« küssen zu lassen. Da fiel Mr. Richards Blick auf uns, sah er nur mich oder zugleich auch den Doktor? Meine Augen umschleierten sich, doch hafteten sie noch auf dem Antlitz des Reiters, und sahen wie das Pferd sich gewaltig aufbäumte, seinen Herrn hinab schleuderte und davonjagte. Dann wurde es Nacht um mich. Als ich wieder zur Besinnung gelangte, sah ich mich in weiblichen Händen. Ich verlangte sofort nach meinem Hotel zurück, worauf Dr. Vogel erschien, mich mit Verwalter Nord hoff in eine Droschke packte und bald nachzukommcn versprach. Ich ahnte, was ihn zurückhielt. Walter bedauerte den Unfall und erzählte mir, daß der famose Mr. Richard besinnungslos hinausgetragen worden sei, und daß man die Befürchtung aus gesprochen, sein Pferd habe ihn mit dem Huf getroffen und lebensgefährlich verletzt. Was ich dabei empfand, läßt sich er messen. Ich fragte ihn, wie es denn eigentlich gekommen sei? Ja, das wisse Niemand, vielleicht habe sich Mr. Richard vor meinem leichenblassen Gesichte entsetzt, da er, Walter, es be schwören könne, daß der Reiter mich just angesehen, ganz starre Augen gemacht und wahrscheinlich dem Pferde die Sporen in die Seiten gedrückt habe, was ein solches Thier nicht vertragen könne und selbst von seinem Herrn nicht leide. Ach gewiß, ich fühlte es nur zu gut, daß mein Anblick ihn aus dem Gleich gewicht gebracht, seinem Unfall verschuldet hatte. Ein Kunstreiter! — Mein Herz stockte bei diesem Ge danken und sehnte doch den Doktor herbei, um Tod oder Leben aus seinen Augen zu lesen. Endlich kam er und brachte die Nachricht, daß Mr. Richard bei dem Sturze den linken Arm gebrochen habe, doch nicht lebensgefährlich verletzt sei. Wie dankte ich Gott im Stillen für diesen Trost! „Natürlich brachte mein Anblick ihn aus dem Konzept", sagte Dr. Vogel, sich triumphirend die Hände reibend. „Er hätte eher des Himmels Einsturz erwartet, als mich, seinen alten Reisebegleiter." „Er hat Sie gar nicht angesehen, Herr Doktor!" mischte sich Walter energisch ein. „Mich nicht angesehen, Junge?" fragte der Doktor er staunt, „wen denn sonst? — Sollte er sich vielleicht vor Dir entsetzt haben?" „Nein, wohl vor Fräulein Blank, die sah wie eine Todte aus und das erschreckte ihn. Ich Habs deutlich gesehen." Dr. Vogel lachte belustigt auf, sah mich dann forschend an und zuckte die Achseln. „Weiß mir keinen Vers darauf zu machen", brummte er, „habe meinen Drummond übrigens selber gesehen und einen Zettel für ihn zurückgelassen. Er erkannte mich und nickte mir zu. Morgen früh besuche ich ihn, um mir das Versprechen geben zu lassen, nicht wieder zu verschwinden, sondern sich nach seiner Wiederherstellung von mir nach England bringen zu lassen." „So, dann gehen Sie also auch fort, wie Fräulein Blank," rief Walter, zornig die hervorbrechenden Thränen trocknend. „Das ist nicht hübsch von Ihnen, Herr Doktor, da der Kunst reiter doch keine alte Tante ist." Jetzt mußte auch ich lächeln, während Dr. Vogel den mit Recht erzürnten Knaben in seine Arme schloß und ihm ver sprach, dann jedenfalls doch wiederzukommen und bei ihm bleiben zu wollen. „Und dann später eine große Weltreise mit mir zu machen", entschied Walter befriedigt. * * * Hier endeten Blankas amerikanischen Aufzeichnungen. Sie war am nächsten Tage mit dem Dampfer abgefahren, nun glücklich in Hamburg eingctroffen, von wo sie sich sofort auf die Reise nach Wien gemacht hatte, wo sie von Tante Luisa mit offenen Armen empfangen wurde. Jetzt durfte sie sich wieder Blanka von Erminger nennen, obgleich der selige General sicherlich nicht damit zufrieden gewesen, sein einziges Kind als Bewohnerin eines Hauses zu sehen, das einst von Untergebenen seines Schlosses bewohnt gewesen war. Ueber solchen Skrupel waren Blanka und Tante Luisa längst hinweg; — sie hielten sich fern von Allem, was zur Aristokratie und zum Hofe gehörte, und besaßen nur einen ganz engen Be kanntenkreis unter ihren Standesgenossen, glücklich in ihrer Selbstgenügsamkeit und in dem Gefühl der Unabhängigkeit. Die beiden Damen empfanden bald die innigste Zuneigung für einander und wären zufrieden mit sich und der Welt ge wesen, wenn Tante Luisa nicht Plötzlich wieder erkrankte, was Blanka mit innerer Unruhe und tiefer Sorge erfüllte, weil sie selber in einer Art Schuld daran war, die sie doch nicht hätte ändern können Der jetzige Besitzer des Schlosses und Parks ihrer Vor fahren, Graf Braunitz, war seit einigen Wochen nach langer Abwesenheit zurückgekehrt, um fortan hier zu wohnen. Das Schloß war auf das prächtigste ausgestattet worden, weshalb man sich unter der Dienerschaft auf eine demnächstige Hochzeit gefaßt machte, da der Gebieter, welcher die Fünfzig bald erreicht hatte, noch immer unvermählt geblieben war. Graf Braunitz war unermeßlich reich und ein stattlicher Mann, der bei den Familien der höchsten Aristokratie hätte an klopfen können, ohne zu befürchten, einen Korb zu bekommen. Er aber hatte kaum Blanka gesehen, als auch schon sein Ent schluß feststand, sie oder keine Herrin jenes Besitzthums zu machen, das einst ihren Ahnen gehört und ihr dadurch die ihr gebührende Stellung in der Gesellschaft zurückzugeben. Daß ihre vornehme Schönheit, ihr Liebreiz ihn bezaubert hatten, mochte er sich kaum selber gestehen, sondern zog es vor, sich hinter dem Bollwerk der Großmuth zu verschanzen und zuerst Tante Luisa für seinen Heirathsplan zu gewinnen, was ihm in vollem Maße auch sofort gelungen war. Sie war ganz ent zückt davon, weil Graf Braunitz als eine der ersten Partieen des Reiches galt und alle Vorzüge eines echten Kavaliers be saß, außerdem aber auch ein wirklich guter Mensch sein sollte. Dies Alles traf in der That zu, weshalb Tante Luisa die Heirath für ein großes Glück und eine Weigerung Blankas für ganz unmöglich hielt. Sie war aber doch vorsichtig genug gewesen, dem Grafen anzurathen, sich ihrer Nichte selbst zu nähern und sich ihr im glänzendsten Lichte zu zeigen, was bei ihrer unmittelbar im gräflichen Parke liegenden Wohnung sehr leicht erschien. Graf Braunitz aber schien bei seinem Alter keine Zeit mehr verlieren zu wollen, weshalb er auf eine Ent scheidung drang und Tante Luisa dadurch unruhig machte. Sie suchte Blanka zu sondiren und ging endlich geradewegs