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Dle neuen Dresdner Steuern bewilligt Einführung der Katzen-, Getrünke- und Musik- inftrumentenfteuer, Erhöhung der Sundefteuer Die Gemeindekammer hat in ihrer Sitzung an» »7. Oktober in einer Anzahl non Hallen über die Feststellung de- HauShaltplanS für bas lanfende Rechnungsjahr «ntschicden. Darüber wird von der Nachrichtenstelle t» der StgatSkauzlei folgendes mitgeteilt: SS war insbesondere über de« HanShaltpla« »o« Dres den eine erhebliche Zahl von Meinungsverschiedenheiten ent standen, die die Gemcindekammer mit Rücksicht a«i dt« ««be dingte Notwendigkeit, die gemeindliche« HaushaltplLne soweit wie irgend möglich anSzugleichen, im Sinne d«S Stadt rat S «ntschiede« hat. Dabet wnrde zum Ausdruck gebracht, daß auch in Großstädten bei Aufgabe«, die freiwillig über, nnmme« worbe« feie«, anf bas peinlichste gespart »»erden müsse, und dast auch vor der Erhebung oder Er höhung von Steuer« nicht zurückgeschreckt wer de« dürfe, die unter normale» Verhältnissen den Grundsätzen einer guten Steuerpolitik nicht entspräche«. A«S diesem Grunde ersetzte die Gemcindekammer auch die Zustimmung der Stadtverordneten z« der Einführung -er Satze», stener, der Getränke st euer und der M «s ik i nftr «- me»tenfte«er und znr Erhöhung der Hunde stener. vei der «atzenstener wnrde «ine Milderung insoser« »vr, ge»»m«e«. als bei ErwerbSbetriebe«, die auf das Halte« von Sätze« angewiesen sind, auf Antrag Stenererlatzfür «ine Satze gewähr« werden must; bei der Mnstkinstrumentensteuer wurde« dle Sätze, die die Stadt srüher erhob«» hat. — und zwar gestaffelt nach Klavieren «sw. einerseits «nd Grammo phone« «sw. anderseits — bestimmt und bet der Hundesteuer, «rhöhnng wurde festgesetzt, dast diese Erhöhung nicht mit Wir kung von Anfang deS Rechnungsjahres am sonder« erst vom L Oktober an zu gelte« habe. Die Musikinstrnmentenfteuer soll nur für das lausende Rechnungsjahr in Wirksamkeit bleibe«. Eine Mittelstadt wollte ein OrtSgesetz über Schul- und Wohlfahrtsbeiträge der Kinderlosen erlassen: dies wurde als mit dem Reichsrecht unvereinbar bezeichnet. Wie schon in verschiedenen Fällen wurde die zur gemein, kamen Verwaltung zweier kleiner Gemeinden durch einen Bürgermeister notwendige Ausnahmebewtlltgung befür- wortet. Schließlich wurden einige BerbandSsatzungen genehmigt, in mehreren Fällen die Zuschlagssteuern zur Grund, und Ge. werbesteuer aus 150 v. H. der Staatssteuerbeträge für not- wendig gehalten und die Einführung der Katzen st euer — außer für Dresden — auch für zwei andere Mittel städte gebilligt. » Run ist es entschieden! Die Dresdner Bevölkerung muß doch die bittere Pille der neuen Steuern schlucken! Gegen I bte Entscheidung der Gemcindekammer gibt e» keine Re- IkurSmögltchkett mehr. Nur für die Musikliebhaber ist dle Pille tnsosern etwas versüßt worden, als die Mustk- tnstrumentensteuer nach den früheren, etwas nie drigeren Sätzen erhoben werben soll. Sie wird sür Klaviere, Flügel usw. 12 Mark und sür Grammophone S Mark betragen, also nicht 18 Mark sür alle Instrumente, wie der Rat be- schlossen hatte. Rundfunk und Lautsprecher werden nicht besteuert. Die Katzen st euer beträgt 18 Mark sür die erste und 89 Mark sür jede weitere Katze. Die Hundesteuer wird auf SO Mark für Len ersten, VS Mark für den zweite« und 120 Mark für jeden wetteren Hund erhöht. Jetzt belaufen sich die Sätze auf 48,. 73 und 96 Mark. Ohne die Getränkesteuer wurde der voraussichtliche Mehrertrag der Steuern auf 450 990 Mark geschätzt, allerdings unter Berücksichtigung der erhöhten Sätze der Mustkinstrumentensteuer, die von der Ge meindekammer abgelehnt worden sind. Die Dresdner Bürgerschaft wird sich bei diesen Steuern — und bas ist das besonders Schmerzliche an ihnen — sagen müssen, daß sie hätten vermieden wer-en können, wenn dt« Ftnanzverwaltung der Stadt, die sich bekanntlich in sozialdemokratischen Händen befindet, seit Jahren, statt eine enorme Schulbenpolitik zu treiben, gespatt hätte, wie sie es jetzt trotz der neuen Steuern tun muß. Der Erfolg dieser Schnldenpolittk hat sich, wie hier wiederholt betont wurde, einmal in einer jährlichen Zinslast von über 29 Millionen gezeigt, und zum anderen in nutzlose« Anlagen, deren Un wert, wie beim Pumpspeicherwerk Niederwartha, oder deren Unzettgemätzhett, wie der Bau der Kabitzer Brücke ober des Speichers, selbst vom Bürgermeister Dr. Bührer mit dem freilich milden Wort „Fehlbispositton" gekennzeichnet wurde. Hieran wirb die Dresdner Bürgerschaft zu denken haben, wenn sie jetzt zur Zahlung von Steuern gezwungen wird» die alle Kennzeichen der sozialen Härte und der Ungerechtigkeit tragen, ja, wie die Mustkinstrumentensteuer, für viele ärmere Einwohner eine trübe Quelle der Beeinträchtigung der kargen Lebensfreude sowie eine weitere Schädigung der Wirtschaft bedeuten. Auch die Getränke st euer wirb eingeführt, trotz dem die betetlgten Fachkreise immer wieder darauf hingewtesen haben, daß die Etnhebung mit außerordentlich großen Schwte rtgkeiten verbunden sei. Für die Stadtverwaltung sollten diese unsicheren, wenig Erfolg versprechenden und allen Grundsätzen der Finanzpolitik hohnsprechenden Steuern «ine ganz ernste Mahnung sein, die Wege, die zu solchen grotesken Steuern geführt haben, einer genauen Ueberprüsungzu unterziehen und Sorge dafür zu tragen, daß chlutz gemacht wird mit einer Schuldenpolt- ttk, die ihre Ursache in einem ungerechtfertigten Optimismus über den kommenden Finanzausgleich und in Maßnahmen hat. die sich von vornherein als wirtschaftliche Fehlschläge er weisen mußten. « Ueber die Bürgersteuer hat nicht di« Gemeinde kammer, sondern bas Ministerium des Innern zu befinden. Die Entscheidung dürste in den nächsten Tagen zu er warten sein. DkiiMe Bommel io Sstemißtll EMüttkmde Mini im MitgtbrkM Ment Sönigsberg, 28. Okt. Im Königsberger vauernprozeß wurde Präsident Dr. Brandes als Sachverständiger ver- nommen. Im ersten Quartal 1939, so führte er aus, wären in Ostpreußen 185 Grundstücke mit insgesamt 11599 Hektar ver steigert worden, dagegen im gesamten Reich 448 Grundstücke mit 84 909 Hektar. Aus dieser Rechnung ergebe sich, daß Ost preußen an der Gesamtzahl der Versteigerungen mit einem außerordentlichen Prozentsatz beteiligt iväre. In Ostpreußen wären ferner in der Zeit vom Januar bis August 1SS9 428 Grund stücke mit 25 999 Hektar «ersteigert ward«»». Das Bild der Zwangsversteigerungen wäre nicht zutreffend, da die Gläubiger heute vielfach nicht zugrtfsen, um nicht alles zu verlieren. „Ich habe", so führte Dr. Brandes aus, „vor geraumer Zeit gewarnt — ich glaube, es gibt keine Stelle, an der ich e» nicht tat —, zuzulassen, daß die Bauer nver- zweifelt von Haus und Hof gejagt werden. Staatsmittel haben durch die Umständlichkeit des Verfahrens, das viel einfacher hätte sein können, und durch den Geld- Mangel an Wirksamkeit verloren. Ich bin überzeugt, daß, wenn die Lage andaucrt, dies nicht der letzte Prozeß sein ivird. 7» Prozent aller Betriebe arbeiten mit Unterbilanz. Dabet sind eigene Arbeitskräfte «nb niedriger Lebens unterhalt anznrechnen. Die Bauer« sind »erzweftelt, nutz eS ist möglich, daß «ene Srplvstone« fvlae«? Weiterhin äußerte sich Präsident Brandes über die Renta. bilität in der ostpreußischen Landwirtschaft. Gegenüber den Agrarerzeugnissen betrüge der Inder für die Betrieb«, mittel 111 Prozent, der LebenSindcr 187 Prozent. Professor La na iUniversität Königsbergs erklärte dann, «er die Höhe der Mittel, die Reich und Staat W, lvß»r«che» zur Verfügung gestellt hätten, könne er nichts sagen. In Berlin bestände nicht immer genügendes Verständnis sür Ostpreußen. Nach Lage der Finanzen wäre das möglichste geschehen. Ob es immer richtig war, wage, er nicht zu sagen. Präsident Dr. Brandes äußerte sich dann noch über die Lage der gewerblichen Betriebe, die infolge der schlechten Lage der Landwirtschaft genau so schlimm wäre. Das Landeöfinanzamt berechnete die Gcsamtverschuldung am 1. Januar 1927 mit 793 Millionen, am 1. Januar 1928 mit 884 Millionen, am 1. Januar 1939 mit 1099 Millionen Mark. Säunb» io Mlaso: Ser» mit den LMoleo! Nenyork, 28. Okt. Dr. Schacht, der auf seiner Rund reise durch Amerika nunmehr in Ehikago etngetrvffen ist, hielt in der Universität von Ehikago einen aufsehenerregenden Vortrag, in dem er die Reparation Sfrage eingehend behandelte. Dr. Schacht betonte, daß die Wirtschaftskrise in de« Ber einigte« Staaten direkt aus die Wirtschaftslage in Dentschland znriickzusühre« sei. Dt- WirtschastSkrise habe ihr« Ursache in »er derzeitige« R«. parati»«Sregelm»g. Die schlechte Lage dex deutschen Wirtschaft habe sich auch auf die anderen europäischen Länder ausgedehnt und so endlich auch Amerika erfaßt. Dr. Schacht wies unter anderem daraus hin, daß Deutschland bis an die Grenzen de» Möglichen besteuert sei, und daß eine weiter« Besteuerung, um die Reparationen bezahlen zu können. Deutschlands Wirt, schast aus da» schwerste gefährde« würde. Da da» «««»glich sei. svrderte Schacht eindentig dt« Abschaffung der Reparativngzahlnnge». Nur die Beseitigung der gegenwärtige« Reparativndlösuna sei geeignet, die Heunng der Weltwirtschaft tzerbeizustchre». < Mussolinis neue Parole Der römische Diktator ist nicht gerade verschwenderisch mit seinen Reden. Aber wenn er bas Wort ergreift, dann hat er etwas zu sagen. So auch diesmal in seiner große» außenpolitischen Rede vor den faschistischen Verbänden. Sie ist ganz deutlich an drei Adressen gerichtet: an bas Italic- Nische Volk im ersten Teil, an Frankreich im zweiten und au den ihm freundlich gesinnten Teil Europas im letzten. In den feurigen Mahnungen an die Italiener klingt nichts von der Resignation, die man Mussolini seit einiger Zeit in der anti faschistischen Presse nachsagt. Weil er in einer vorhergehenden Rede die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise aus Italic» anerkannt und ihre Schwierigkeiten zugegeben hatte, war ihm diese Offenheit als ein Zeichen der Schwäche ausgelegt wor den. Auch der Faschismus kann keine Wunder wirken, triumphierten die demokratischen Gazetten, er wird in feinem Mutterland schon altersschwach und müde, er sucht Anschluß a» andere Gruppen, um die schwankende Grundlage seiner Macht zu befestigen. Man findet für solche Kassandrarufe keine Be- stätigung in dem neuesten Ausruf Mussolinis an seine Ge- treuen. Man muß im Gegenteil den Eindruck gewinnen, daß die offensive Kraft des Faschismus, seine geistige im materielle Potenz, ungebrochen an die neuen Aufgaben heran- geht, die der Duce vorgezeichnet bat. Das hat man vor allem in Frankreich gemerkt. Den Franzosen gegenüber bedeutet die neue Rede Mussolinis di« geradlinige Fortsetzung Ser Reden von Mailand. Lioorns und Florenz un- zugleich die öffentliche Kundgebung der bis her gehetmgehaltenen Richtlinien, die der Große Faschistenrat für die italienisch« Außenpolitik der Zukunft aufgestellt hat: Schluß mit den zwecklosen Palavern, die zu keinem Ziele führen, offene Machtpoltttk gegen getarnte Hegemonte- bestrebungen, Zusammenfassung aller Widerstandskräfte gegen heimliche Rüstungen. Welch bissige Ironie gegen Briand, wenn Mussolini sagt: „Wenn das Wort genügen wird, um die Beziehungen der Völker zu regeln, werde ich sagen, daß das Wort göttlich Ist". Bis dahin aber bleibt eS dabei, daß die Kanonen, die Briand einst abzuschafsen versprach, als er tu Genf auSrtef: „Weg mit den Geschützen, weg mit den Maschinengewehren!", schöner sind als die schönsten leere« Worte, solang« eS eben noch Kanonen gibt. Und bann folgt eine Formulierung des RevisionS- und Ab. rüstungsbegehren s. wie sie in dieser Schärfe und Klar heit aus dem Munde eines „Siegers" noch nicht da gewesen ist. „Sinnlos ist nur die Behauptung von der Un beweglichkeit der Verträge." Und die wahren DölkerbundS- seinde sind diejenigen, die für alle Ewigkeit zwei Kategorien von Staaten schaffen wollen, bewaffnete und unbewaffnete. Das ist Wort für Wort die deutsche These. Der Um stand. -aß Italien sie sich offiziell zu eigen macht, gewinnt eine erhöhte Bedeutung im Hinblick auf die neue AbrüstungS- Vorkonferenz, die am 6. November in Genf wieder ihre Debatten eröffnen soll. Das hat auch die französisch« Presse bemerkt, die recht bitter reagiert. Das Generalstaböblatt „Echo be Parts" meint, das Wesentliche an der Rede Mussolinis sei die Forderung Italiens nach BertragSrevtsion und die Be- tonung des italienischen Drangs nach Osten. Alles andere sei nur rednerisches Beiwerk. Zwischen Frankreich und Italien sei seit langem ein Alpdruck entstan den, den die Diplomaten nicht lange über brücken würden. „Petit Journal" schreibt. Musso lini wolle eine Revision der Verträge zugunsten der Besieg- ten, vor allem aber auch zugunsten Italiens. Nicht nur in Frankreich, sondern in den meisten Ländern (?) sei man der Ansicht, daß Europa bei einem solchen Abenteuer nichts zu ge winnen hätte, sondern im Gegenteil vieles aufs Spiel setzen würde. Die „Republiaue" deutet an. daß vor Musso linis Rede die französisch-italienischen Anletheverhandlungen gescheitert seien. Mussolini habe vor seiner Drobung mit allen bemagogischen Mitteln versucht, von der französischen Regie- rung finanziellen Beistand zu erreichen. Die französier Regie rung sei auf seine Avancen nicht eingegangen. Deshalb wende sich Mussolini fetzt mit besonderer Heftigkeit gegen Frankreich. „Avenir" meint, wenn Italien glaube, daß es bet Frieden», schluß nicht den ihm gebührenden Lohn erhalten habe, müsse eS doch eigentlich das übertriebene Wohlwollen (!) bedauern, mit dem die Alliierten Deutschland behandelt hätten. Statt dessen wende sich Italien gegen Frankreich. Man müsse Muss», ltni mit gleicher Klarheit antworten. Frankreich wolle keineRevtsion. In dieser Tonart voll Vorwürfen gegen den Faschismus als den „Feind de- Frieden»", de» Ver sailler Friedens nämlich, geht es weiter von rechts bi» ltnk». «an versteht diese Pariser Klagelieder um so »ehr. al» ans Mussolini» Worten auch der Entschluß »n n,«e«. akti^n und werbenden Methoden seiner Außenpolitik tzervorgedt. Für ihn stellt sich da» ganz« Durcheinander in Enrop« w»nz einfach al» ein Kamps kür un» «ege» den Faschi»mn» dar. Er glaubt in seine« Regiernngsspste« die neue Staat»»orm ge- fnndr« zu habe», die stark »nd Hoffnung»»»» genng ist. »» Sie daßtufaule«»« Demokratie aßg»»k»