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DK „Welßeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — All- Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Mchmtz-MiW. Amtsblatt Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirt- sam« Verbreitung^ finde«, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder veren Naum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im reoaltionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Umlshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Umisgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithne in Dippoldiswalde. Nr. 83. Dienstag, den 15. Juli 1884. 49. Jahrgang. Neue Erfolge der Czechen. Immer höher steigt in Oesterreich die slavische Hochfluth, durch welche den Deutschen eine Stellung nach der andern entrissen wird, und noch läßt sich nicht erkennen, wo der Damm wäre, an welchem dieses für die Zukunst der habsburgischen Monarchie höchst bedenkliche Anwachsen des slavischen Elements einen nachhaltigen Widerstand finden könnte. Soeben hat das Czechenthum einen neuen Triumph über das Deutsch- thum durch den Ausgang der Neuwahlen zum mäh rischen Landtage gefeiert, denn durch dieselben ist die czechische Minderheit in der Brünner Landstube auf 43 Abgeordnete angewachsen, während die übrigen 57 Mandate auf die Deutschen entfallen, von denen 49- der Vereinigten Linken und 8 der neuen Mittelpartei angehören. Die Deutschliberalen besitzen demnach im mährischen Landtage nicht mehr die absolute Majorität, sondern die Entscheidung liegt bei den 8 Vertretern der Mittelpartei, und mit diesem Verhältnisse können die Czechen in Mähren für jetzt vollständig zufrieden sein. Besonders überraschend sind die Erfolge der selben in der Städtegruppe; hatten sie bisher unter den 31 Abgeordneten der Städte nur 2 Vertreter, so gehören jetzt von diesen 13 der czechischen Partei an, ein Erfolg, von dem man auf deutscher Seite in der schmerzlichsten Weise überrascht wurde. Derselbe war allerdings nur durch eine maßlose, schreckenerregende Agitation czechischerseics und durch das offene Eintreten der Negierung für die Czechen möglich; aber gleichviel — das Faktum des czechischen Sieges bleibt bestehen, und das liberale Deutschthum hat somit auch die Herrschaft in der Brünner Landstube verloren und hiermit ist dem Vorherrschen des Czechenthums auch in Mähren der Weg geebnet. Während aber so die Deutschen in diesem Kronlande eine wichtige Stellung verloren haben, müssen sie auch zugleich in Böhmen den Czechen gegenüber Schritt um Schritt zurückweichen. Die kürzlich erfolgten Neuwahlen zur Prager Handels kammer haben die theilweise Czechisirung dieser wich tigen Körperschaft ergeben: es sitzen in ihr jetzt nicht weniger als 32 Czechen gegen nur 16 Deutsche, und die 4 Mandate, die sie im Reichsrathe besitzt, werden also künftig nur von Czechen ausgeübt werden. Aber auch sonst arbeitet die czechische Propaganda unaus gesetzt an der Unterwühlung der Stellung des Deutsch- thums in Böhmen und bemüht sich niit leider nicht zu leugnendem Erfolge, in das geschloffene deutsch böhmische Sprachgebiet Bresche zu legen. Als eins der wirksamsten Mittel hierzu wird die Schule benutzt. Der Weg, den die Czechen dabei einschlagen, ist fol gender: Zuerst wird von Seiten des czechischen Schul vereins in einer deutschen Stadt eine czechische Privat schule errichtet; durch Vorspiegelungen, Ueberredungen und Drohungen, wie durch Schulgeldfreiheit, werden die eingewanderten, meist dem Arbeiterstande ange hörigen Czechen dazu bewogen, ihre Kinder in diese Schule zu senden. Weist diese nun eine gewiss« Fre quenz nach, so erklärt der czechische Schulverein, daß er nicht mehr willens sei, die Schule aus eigenen Mitteln zu erhalten. Agitatoren sorgen dafür, daß sich eine Anzahl czechischer Eltern an den Landesschul rath wenden, damit dieser der Gemeinde den Auftrag gebe, die czechische Schule auf Gemeindekosten zu über nehmen. So sehen sich deutsche Städte in die Lage versetzt, mit ihrem Gelds czechische Schulen zu unter halten, die wahrlich keinem pädagogischen Bedürfnisse entsprechen und nur den Zweck verfolgen, künstliche czechische Minoritäten in geschloffenen deutschen Sprach gebieten groß zu ziehen. So muß z. B. die hart an der sächsischen Grenze gelegene Stadt Neichenberg, in welcher neben 22,000 Deutschen kaum 2,000 Czechen wohnen, für noch nicht 200 Kinder czechischer Natio nalität eine eigene czechische Stadtschule vom neuen Schuljahre ab unterhalten, obwohl die übergroße Mehrzahl dieser Kinder neben ihrer Muttersprache auch der deutschen mächtig ist. Mit ihrem Proteste ist die Stadt Reichenberg von dem, seiner Mehrheit nach czechischen Landesschulrathe abgewiesen worden, und es muß nun die kerndeutsche Stadt vom neuen Schul jahre ab jährlich viele Tausende Gulden aufwenden, um eine czechische, unbedeutende Minorität in der Aufrechterhaltung und Ausbreitung ihres Volksthums zu unterstützen. In gleicher Weise ist auch die Stadt Nürschan (westlich von Pilsen) von den Behörden an gehalten worden, die vierklassige, czechische Privatvolks schule in eigene Verwaltung zu übernehmen. Diese Entscheidung der Behörden wird den Czechen den Muth geben, bald auch die zahlreichen anderen czechischen Privatschulen, z. B. die in Trautenau, Prachatitz, Saaz, Brux, Dux, Ossegg, Teplitz, Theresienstadt rc., den deutschen Gemeinden aufzuhalsen. Damit kommt leider die Czechisirung deutscher Städte in Böhmen ein gutes Stück vorwärts. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 14. Juli. Der erste Tag unsres Königschießens hat sich vortrefflich angelaffen und bei ungetrübtem Himmel vom frühen Morgen bis zum späten Abend eine Festlaune und einen Besuch von nah und fern erzeugt, wie wir sie in den letzten Jahren lewer vermissen mußten. Der Flaggenschmuck war reich, und an geputzten, fröhlich dreinschauenden Men schen fehlte es nicht. Das Abends auftreffrnde mäßige Gewitter erschien als erwünschte Abkühlung der selbst unter den schattigen Linden des Festplatzes etwas drückenden Temperatur, und wenn auch heute Mittag, wo wir dieses niederschreiben, die Bläue des Himmels fehlt, so steht doch im Laufe des Nachmittags eine Entschleierung desselben zu erwarten, was sehr zu wünschen wäre. Konnten doch unsere Schützen ihr heutiges Frühstück auf dem Schießplätze selbst, im Zelte abhalten. Das gestrige allgemeine fand von 12 Uhr an auf dem Nathhause statt und war durch zahl reiche Toaste, ein Tafellied und vor Allem durch eine fröhliche Festlaune gewürzt. An dem erst um 3 Uhr stattsindenden Auszüge nahmen außer den Schützen in und ohne Uniform und den Ehrengästen der Ge sang-, Militär- und Turnverein, sowie die freiwillige Feuerwehr theil. Ehe sich derselbe in Bewegung setzte, befestigte Herr Schützenvorsteher Heinrich einen von der Scheibenschützengesellschast in Dresden, welche neu lich einen Ausflug hierher gemacht hatte, gespendeten großen goldenen Nagel an der Fahne, und dankbar stimmte der Zug in ein den Dresdner Schützenbrüdern ausgebrachtes donnerndes Hoch ein. — Auf der Aue begann sofort das Schießen nach dem großen Vogel, der schon gewaltig Federn lassen mußte und dem wohl heute schon der Garaus gemacht werden dürfte. Daß unsere Wirthe ein glänzendes Biergcschäft gemacht haben, verdanken sie der Gunst einer mittleren Tem peratur von 22 Grad Reaumur im Schatten. Ueber den weiteren Verlauf des Festes berichten wir in der nächsten Nummer. — Der am Sonnabend hier stattgefundene Kom mers, an dem auch mehrere hiesige Eingeladene theilnahmen, war von den vereinigten Corps der Teu tonen und Marcomannen veranstaltet. Nach manchem „Ulk" fuhren gestern früh die lustigen Corpsburschen aus einem Leiterwagen nach Jägerhaus-Naundorf zum Katerfrühstück, kehrten aber mit dem Nachmittagszuge wieder hierher zurück, um sich auf unserm Vogel schießen zu amüsiren. Hoffentlich ist es ihnen gelungen. — Am gestrigen Sonntag waren es 10 Jahre, daß der Böttchergeselle Eduard Kullmann in Kissingen auf den Reichskanzler Fürsten Bismarck einen Schuß abfeuerte, glücklicherweise ohne zu treffen. — Der Turnerextrazug, der nächsten Frei tag Nachmittags »/c5 Uhr Dresden verläßt und dem sich mich aus unserer Gegend mehrere Theilnehmer anschließen werden, wird über 1350 Personen nach Innsbruck führen. Eine Ueberfüllung des Zuges ist aber nicht zu erwarten, da bereits von Chemnitz ab ein zweiter Zug, welcher alle von dieser Station hin zukommenden Reisenden aufnimmt, dem ersten folgen wird. Auf allen Hauptstationen hat der Zug längeren Aufenthalt, so daß die Fahrt nicht so anstrengend wird. Wagenwechsel findet bis Innsbruck nicht statt. Dippoldiswalde. Die Frequenz auf der schmal spurigen Sekundärbahn Hainsberg-Kipsdorf im Monat Juni gestaltete sich in folgender Weise auf den einzelnen Stationen und Haltestellen: Sa. 958 6480 1802 10814 299 — 20353 Tourbillets. Taqesbillcts. Militär- II. III. II. III. billets. Dresden . . . 194 592 716 3073 37 Hainsberg. . . 225 1307 400 2123 71 Dippoldiswalde . 197 1800 381 1494 81 an den Haltestellen 342 2781 305 3124 HO- Demnach bis jetzt (vom Januar 1884 an) 62,569. Befördert wurden 2,091,344 Kilogramm Güter. Dem nach 'vom Januar 1884 an 12,844,329 Kilogr. Güter. Gegen den gleichen Monat des Vorjahres wurden 2172 Billets mehr verkauft und 289,244 Kilogramm Güter mehr befördert. Die im vergangenen Juni verkaufte Billetzahl ist die größte, die überhaupt auf unserer Bahn im einem Monate verkauft wurde. — Wie aus einer Bekanntmachung der hiesigen kgl. Bahnverwaltung in heutiger Nummer hervorgeht, wird wegen der Theaterferien in Dresden und der schwachen Betheiligung an den letzten Extrazügen der für den 20. Juli angesetzte Extrazug von Hains berg nach Kipsdorf leider ausfallen. Daß die letzten Extrazüge so schwach (manchmal nur ca. 20 Personen) besetzt waren, dürfte wohl seinen Grund in den in Dippoldiswalde zu derselben Zeit stattgefundenen Ver sammlungen fremder Vereinigungen haben; ob aber auch der Zug am 20. Juli so schwach besetzt worden wäre, möchten wir um deswillen bezweifeln, als der selbe an einem Sonntage abgelaffen worden wäre und viele, sehr viele Gewerbtreibende und Gehilfen den selben benutzt haben würden. — Leider, das müssen wir gestehen, dürfte man mit den 3 letzten Extrazügen die Erfahrung gemacht haben, daß zwei Extrazüge im Monat auf unserer Linie nicht rentabel sind, und wollen wir nur hoffen und wünschen, daß wir in Zukunft, wie früher, stets einen im Monat haben. — In den Nachmittagsstunden des vergangenen Donnerstag, den 10. Jnli, ist beim Gutsbes. Gotth. Leberecht Lotze in Hansdorf ein Waldbrand ent standen und gegen ein Acker Niederwaldung zerstört worden. Das Feuer hat die Reinhardtsgrimmaer Feuerwehr gedämpft. Dem Vernehmen nach sind an der betr. Stelle zwei Arbeiter mit Holzansroden be schäftigt gewesen. — Bei dem Gewitter am vergangenen Sonntag, Abends gegen 9 Uhr, schlug in Naundorf bei Schmiedeberg der Blitz in das Wohngebäude des Guts besitzers Schumann, ohne jedoch zu zünden, fuhr dann aber in senkrechter Richtung von den Bodenräumen aus an einer Eisenstange nach dem unteren Balken werk und durch die Decke, wo er die in der Wohn stube befindliche Ehefrau des Besitzers zu Boden warf, so daß sie besinnungslos liegen blieb und erst nach einiger Zeit wieder zu sich kam. Sie hat auch eine kleine Verletzung am Kopfe davon getragen und wahr scheinlich eine Gehirnerschütterung erlitten. — Die in Sachen der Choleragefahr von dem Geh. Rath l)r. Koch betonte Möglichkeit, daß die tückische Seuche auch noch nach Deutschland übergreifen werde, hat die Ergreifung bezüglicher Schutzmaßregeln selbstverständlich überall zu einer dominirenden Tages frage gemacht. Im Anschluß an die schon früher telegraphisch berichteten Auslassungen des Obenge-