Volltext Seite (XML)
13LS ÄMliKnlU zu AijUm r» 313. zu Nr. 64 des Hauptblattes. 1926. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. Landtagsvcrhandlungkn. 176. Sitzung Dienstag, den 16. März 1926. Präsident Winkler erössnet die Sitzung 1 Uhr 12 Min. nachm. Am Regierungstische Ministerpräsident Heldt, sämt liche Minister und eine Anzahl Regierungsvertreter. Punkt 1: Zweite Beratung über die Vorlage Nr. 196, weitere Notstandsmaßnahmen für die durch Un- wetterschäden betroffenen Teile der sächsischen Landwirtfchaft betreffend. (Mündlicher Bericht des Haushaltausschusses Drucksache Nr. 1739.) Der Ausschuß beautragt: Der Landtag wolle beschließen: die Vorlage Nr. 196 zu genehmigen und weiterhin die Negierung zu ermächtigen, die Rückzahlung größerer Kredite durch Tilgungsquoteu erfolgen zu lassen, durch die bei einer 5proz. Verzinmng die Schuld in einem Zeitraum bis zu 10 Jahren abgetragen werden kann. Nach einem kurzen Bericht des Berichterstatters Abg. Claus (Dem.) über die AusschnßverHandlungen wird der Antrag des Ausschusses einstimmig ange nommen. Tie Punkte 2 und 3 der Tagesordnung werden an den Schluß derselben gesetzt. In Erledigung des Punktes 4 der Tagesordnung, Zweite Beratung über Kap. 9 (Landeslotterie) des ordentlichen Staatshaushaltplans für das Rechnungs jahr 1626. (Mündlicher Bericht des Haushaltauchchusse L, Druckjache Nr. 1716.) werden die Einstellungen bei Kap. 9 des ordenilichen Staatshaushaltplans für das Jahr 1926 nach der Vorlage gegen 5 kommunistische Stimmen genehmigt. - Punkt 5, Zweite Beratung über Kap. 2 (Do mänenverwaltung) des oideutlichen Staatshaushalt plans für das Rechnungsjahr 1926. (Mündlicher Bericht des Haushaltausschusses L, Drucksache Nr. 1729) Berichterstatter Abg vr Kastner (Dem.): Wir haben auch diesmal wieder wie im vorigen Jahre die Mög lichkeit gesehen, uns außerordentlich anerkennend über die Arbeit, die niit verschwindenden fachlichen Mitteln im Großen Garten geleistet wird, auszusprechen. Wir sind auch im Ausschüsse damit einverstanden gewesen, daß anläßlich der sür dieses Jahr geplanten großen inter nationalen Ausstellung, die wir begrüßen, im Interesse Dresdens und des Landes Flächen des Großen Gartens zur Verfügung g> stellt sind Wir lassen aber die Fmge offen, ob die Entschädigung, die die Stadt Dresden dafür zahlt, und besonders die Entschädigung, die Dresden überhaupt als Beitrag zur Erhaltung d»s Großen Gartens zahlt, ausschließlich dieser Stadt zu gute kommt, in ausreichender Höhe festgesetzt ist, ins besondere, da befürchtet werden muß, daß die Inan spruchnahme des Gartens noch auf Jahre hinaus Nachwirkungen zeitigen wird. Wir bedauern es sehr, daß man es nicht verstanden hat, die Überbrückung der großen Allee in einer etwas ästhetischeren Weise vorzunehmen, als es geschehen ist. Was die Bebauung der Baulücke in der Johann- straße vor der Kreiehauptmannschaft anlangt, so ist das Projekt insoweit noch nicht gefordert, als die Stadt Einspruch erhoben hat. Ter Ausschuß hatte aber bei der Erörterung grundsätzlich keine Bedenken, dort zu bauen, wiederholt aber seine dringende Brite, in baulicher und namentlich m kalkulatorischer Hinsicht das Piojekt eingehend nachzuprüfen. Besonderen Raum m der Erörterung nahm die Frage der Verwendung des Schlosses ein. Da das Problem der Verlegung unserer Porzellansammlung akut ist, wurde erörtert, ob etwa die Porzellansamm lung in das Schloß zu verlegen möglich und ange- bracht wäre. Die Regier ring ist aufgefordert worden, eine Denkichrift vorüber schleunigst dem Ausschuß zu gehen zu lassen, wie sie sich die Verwendung der Schloßräume denkt. Im übrigen ist wieder bemängelt worden, daß die Überschrift Tomänenverwalrung in Kap. 2 nicht dem eigentlichen Inhalt entspricht. Wir hoffen, daß dem Landtag nach seiner Neuwahl eine andere und um- fassendere Bezeichnung vorgelegt wird. Das Haus beschließt gemäß dem Ausschußantrage, die Einstellungen bei Kap. 2 des ordentlichen Staals- hanshaltplans für das Jahr 1926 nach der Vorlage zu genehmigen. Punkt 6: Zweite Beratung über Kap. 4 (Elster bad) des ordentlichen, und Tit. 1 (zum Ausbau des Elsterbades) des außerordentlichen Staatshaushaltplans für das Reck nungsj ihr 1926 «Mündlicher Bericht des Haushaltausschuss s L, Drucksache Nr. 1741.) Der Ausschuß beantragt: 2. die Einst, klungen bei Kap 4 des ordentlichen und bei Tit 1 des außerordentlichen Staatsbaushalt plans für 1926 nach der Vorlage zu genehmigen und sich damit einverstanden zu erklären, daß diese Mittel schon vor Verabschiedung des Haushalt plans für 1926 verausgabt werden; 3. die Regierung zu ersuchen, einen Plan anfzustellen, in dem die allgemeinen Richtlinien für den künf tigen Ausbau des Elsterbades unter Wahrung der Freiheit in der Ausgestaltung der Einzelheiten festgelegt werden, und diesen Plan demnächst dem Haushaltausschuß L vorzulegen. Die Kommunisten haben folgenden Minderheitsantrag gestellt: 1. die Regierung zu beauftragen, o) die bei den Erdar beiten zur Errichtung eines Stadions in Bad Elster beschäftigten Arbeiter ab 15. Februar 1926 nach dein Tarif der Tief bauarbeiter zu entlohnen. Für die Zeit vom 3. Dezember 1925 (Beginn der Arbeit) bis einschließlich 13. Februar 1926 wird jedem bei den Erdarbeiten beschäftigten und beschäfiigt gewesenen Arbeiter ein Stuuden- Grundlohn von 75 Pfg. berechnet. Die Differenz zwischen diesem Lohnsatz und dem gezahlten Lohn wird uachgezahlt; d) wfort den gesamten Betrieb des Bades Elster, der sich im Besitz des Staates befindet, in vollem Umfange zu einem Voiksbad für Minder- und Unbemittelte umzugestalten. Berichterstatter Abg Meinel-Dannenberg (Dtsch. Vp.): Der Auchchuß L hat mit einer gewissen Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß das Jahr 1924 für Bad Elster wirtschaftlich außerordentlich erfreulich war. Der Staat hat uach dem Etat einen Reingewinn von 25000M. eingesetzt, der durchaus vertretbar und auch im Smne einer geschäftsmäßig vorsichtigen Bilanzierung wohl zu unterstützen ist. Die Regierung schlägt den Ausbau des Flügels 6 in Bad Elster vor. Bei der Beratung dieser Notwendig keit stellte sich heraus, daß es richtiger wäre, wenn wir die Ziele in der gemeinsamen Entwicklung des Bades Elster einmal sehen könnten, und deshalb hat der Aus ichuß R bei der Regierung den Antrag eingereicht, daß die Regierung nun endlich die im Jahre 1922 erbetene Denkschrift über die Geiamtentwicklung oes Bades Elster vorlegen möge. Diele Denkschrift ist von der Negierung auch in Aussicht gestellt worden. Gelegentlich der Beratung wurde bedauerlicherweise festgestellt, daß in Bad Elster eine außerordentlich große wirtschaftliche Not im allgemeinen herrscht. Nicht nur die Einwohner sind notleidend, auch die Gemeinde, und es wäre deshalb wünschenswert, daß zwilchen dem Staate und der Gemeinde irgendein Ausweg gefunden würde, um die Gemeinde vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Es sind aber auch die einzelnen Hausbesitzer in einer außer ordentlich Unglück ichen Lage, zumal die Steuern er drück nd für die einzelnen Hausbesitzer sind. Ein Wort nur über die Mietzinssteuer, deren Ausmirkung man besonders in Bad Elster deutlich nicrkt. Es ist üblich, vaß in diesen Orten mit ver mietbaren möblierten Wohnungen der gemeine Wert einschließlich des Mobiliars geschätzt wird, und die Häuser werden dort auch alle einschließlich Mobiliar gehandelt. Infolgedessen ist die Feststellung der Miet- zinssteucr eine außerordentliche hohe, wert der Wert der Mobilien mit dazu kommt. (Sehr richtig! rechts) Diese hohe Steuer in Verbindung mit der Tatsache, daß die Steller für zwölf Monate gezahlt werden muß, daß aber die Wohnung doch höchstens für fünf Monate in Benutzung ist macht es erklärlich, daß die Bewilligung dieser Mietzinssteuer besonders an einem solchen Bade ort rein vernichtend wirken kann, zumal dann, wenn es sich, wie hier, um kleine Hausbesitzer handelt, die von den Erträgnissen lhres Hauses das ganze Jahr hindurch leben müssen. Es m >ß mit allen Mitteln veisucht werden, die Besucherzahl vou Bad Elster zu erhöhen. Dazu wurde von einer Seite erwähnt: wenn wir wohlhabende Leute, die offenbar erholt,ngsbedürftig sind, nach Bad Elster ziehen wollen, müssen wir ihnen die Gewähr dafür bieten, daß sie vor politischen Belästigungen verschont bleiben. Ich erwähne, daß die Anregungzu politischen Belästigungen von der linken Seite gekommen rst. Wo sie auch herkommt, ein Heilbad ist von politischen Bestrebungen freizuhalten. ( . ravo! rechts.) Abg.Ziller (Dtschnat.): Im Ausschüsse ist von allen Sei ten die allgemeine Notlage von Bad Elster anerkannt wor den,die Notlage der Gemeinde und der dortigen Wirtschaft. Ich darf wohl sagen, daß ter Aus>chuß darin einig war, daß die Regierung diesen Verhältnissen Rechnung tragen und nach einer Abhilfe der dortigen unglücklichen Verhä nisse trachten möchte. Es muß gerade inbezug auf Elster daran festgehalten werden daß die drei Teile Staat, Gemeinde und Wirtschaft voneinander abhängig sind, taß die drei Teile als eine gewisse Einheit zn betrachten sind, und es niuß verlangt werden, daß der Staat als der stäkere eine schuldige Rücksicht zu nehmen hat auf die anderen Partner, auf Gemeinde und Wirtschaft. Tie Regierung hat bisher aus dem Standpunkte gestanden, - aß sie verpflichtet sei, gewisse Besprechungen mit den anderen deutschen Bädern oder mit dem deutichen Bäder- verbände einzuhalten, und moralisch gebunden ist, d e Pi eile hinsi tlicb Kurtaxe und Bädern einzuhalten. Dieser Gedanke der Regierung ist unter allen Umstän- den abweg g weil Bad Erster nicht mit den anderen deuticben Heilbädern verglichen werden kann, sondern in Konkurrenz tritt mit den drei österreichischen Bädern, die vor dem Tore liegen, Franzensbad, Marienbad und Karlsbad. Infolgedessen müssen die Preise für Bädet und Kurtaxe annähernd auf die Höhe gebracht werden, wie sie in Österreich üblich sind. Je spricht man neuerdings sehr viel von dem Gedanken Bad Elster in einen Wintersportplatz oder Wmterkurort umzuwandeln. Ich möchte die Regierung n haltigst davor warnen, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Alle die Wintersportplätze in Oberbayern, M'ttelsachsen, Riesengebirge und Harz hatten durch- schnittiich eine Temperatur von 2—5 Grad minu8 Null, während in Bad Elster bei diesen Temperaturen in den genannten Orten eine Temperatur von 6—H Grad Wärme zu verzeichnen war. Schon aus diesem Grunde ist es ganz undenkbar, diesem Gedanken näher zu treten: Ich habe imAusschuß ferner nachgewiesen, daß die wirb schaftliche Notlage von Bad Elster zu einem großen Teile durch die erhobene Mietzinssteuer hervorgerufen worden ist. Es ist unbillig, daß Unternehmen, die währens sechs bis acht Monaten im Jahre geschlossen sind, wie es in Bad Elster durchgängig der Fall ist, auch noch die Miet zinssteuer tragen und zahlen sollen zu Zeiten, wo sie weder Einnahmen 1;ab»n noch über einen Gewinn ver fügen. Es ist nachgewiesen, daß in allen Kurorten Deutschlands der Verkehr und die Besetzung der dortigen Kurhäuser um 50 Proz. zurückgegangen ist Es ist unbillig, daß nunmehr noch die seinerzeit festgesetzte Mietzinssteuer erhoben wird, die damals im Zeilpunkte der E>Hebung ganz andere Vorausietzungen vorfand, als das jetzt der Fall ist. Ich bin der Meinung, daß die Möglichkeit, helfend und föidernd einzugreisen, ge rade für Bad Eister gegeben ist, und daß insbesondere die Regierung die Möglichkeit hat, hier in dem Sinne Abhilfe zu schaffen, wie ich cs bereits vorhin angedeutet habe. Ich hoffe und erwarte von der Regierung, daß sie ernstlich versuchen wird,die Schwierigkeiten in BadElstcr zu beheben, damit Bad Elster endlich das wird, was es früher gewesen ist, ein gesunder Ort für Wohlfahrt und Wirtschaft. Abg. Liebcrasch (Komm.): Es besteht uach den: Rechenschaftsbericht ein Beustscher Fonds zur Schaffung einer Volksheilstätte in Bad Elster. Die Regierung, die Verwaltung von Bad Elster und auch die Mehrheit des sächsischen Landtags haben bisher noch nichts unternommen, diesem Fonds auch nur einen Pfennig zuzusühren, so daß das Bestreben, in Bao Elster der unbemittelten Bevölkerung zu helfen, noch um keinen Schritt der Verwirklichung nähergebracht worden ist. Sieht man sich die Politik überhaupt an, die seitens der Mehrheitsparteien und der Regierung gegenüber Bad Elster getrieben wird, so offenbart sie sich ganz klar als eine nackte Interessenvertretung für die be sitzenden Klassen in Sachsen. Bad Elster ist ein Staats betrieb, investiert sind nach den sehr vorsichtigen Schätzungen der Regierung in Bad Elster 1890000 M. als Anlagekapital. Wer die Anlagen und den Besitz des Staates dort kennt und nimmt bei der Berechnung nur den Durchschnittswert, der muß allerdings zu geben, daß annähernd 3 Mill. M. Wert in Frage kommen. Aber nehmen wir die eingesetzte Ziffer und stellen fest, daß nur ein Reingewinn von 12000 M. in Bad Elster erzielt wird, so liegt klar zu Tage, daß von einer Ver zinsung dieses Anlagekapitals überhaupt nickt gesprochen werden kann. Tie Notlage in Bad Elster ist ungeheuer groß. Es wird geklagt, daß die Wasser leitung ganz unzureichend sei und die Gemeinde nicht in der Lage fei, eine ausreichende Wasserleitung zu schaffen. Die Schulverhältnissc sollen in Bad Elster unter dem Hund sein. D-e Gemeinde Bad Elster ist nicht in der Lage, tveil sie Not leidet, die dringendsten Kultursragen im Interesse der Einwohner zu erledige«, tveil ihr die Mittel fehlen und weil der Staat der Gemeinde nicht die notwendigen Gelder gibt, damit dieser Kontrast zwischen der Not der Gemeinde, der Not der Gemeinde angehörigen und der ungeheure Luxus der Badegäste auf der anderen Seite etwas verwischt werden kann. Aber die Regierung tut ein übriges, diese Gegensätze noch mehr zu verschärfen: sie läßt ein Stadion für die Badegäste bauen, damit die Herrschaften sich erholen können, und die Arbeiter, die dort beschäftigt werden, werden weit unter dem tarifmäßigen Lohn bezahlt. Wollte man wirklich die Hei,kraft von Bad Elster in ent» sprechender Weise dem Volke dienstbar machen, dann müßte der Minderheitsantrag der Kommunistischen Frak tion einstimmig von diesem Hause angenommen werden. Es handelt sich nicht nur um den Begriff Heilbad, sondern darum, wem mit diesem Heilbad geholfen wird. Wir sind der Meinung, daß der Staat in e'ster Linie den Unbemittelten zu helfen hat, weil die Besitzenden soviel Geld zur Verfügung haben, daß sie aus eigener Tasche die Kosten für die Aufbesserung ihrer Gesundheit, die sie in einem verschwenderischen Leben verwüstet haben, aufbringen können. Es ist gesagt worden, es müsse verhindert werden, daß eine politische Belästigung der Kurgäste stattfindet. Wir haben im vorigen Jahre bei der Beratung dieses Kapitels darauf hingewiesen, in welcher unverschämten Weise gerade die Faschisten die Kurgäste und die andersdenkenden Einwohner in Bad Elster belästigt haben, und daß gegenüber dieser Be lästigung eine politische Demonstration der Arbeiter für ihre politischen Ziele und Interessen als Belästigung übeihaupt nicht in Frage kommen kann. Tie Misere, rn der sich Bad Elster befindet, ist die Misere der gesamten Bäder in Deutschland mit wenigen Ausnahmen; denn die Badeverwaltungen und die Städte oder Länder, die im Besitze Wicher Badestellen sind, haben sich bereits gezwungen gesehen, dem Willen der