Volltext Seite (XML)
ZchöntmM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5« Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 148. Donnerstag, den 30. Juni 1881. Gras-Auction. Das sogenannte Rändergras im Park soll nächsten Donnerstag Nachmittags 5 Uhr in der Winkler'schen Schankwirthschaft meist bietend und gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. I'ürsilieli ZottöntrurA'sottö Clarion-VsrvallniiiA. Waldenburg,'den 27. Juni 1881. Rehder. *Waldcnburg, 29. Juni 1881. Der kleine Belagerungszustand. Mit dem heutigen Tage ist über Leipzig durch Verordnung des kgl. sächsischen Gesammtministeriums, nachdem der Bundesrath in der Sitzung vom 25. d. seine Genehmigung dazu ertheilt hatte, der sogenannte kleine Belagerungszustand verhängt worden, das heißt, es tritt im Amtshauptmannschaftsbezirk Leipzig die Bestimmung des § 28 des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie in Kraft, wonach denjenigen Personen, von denen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu besorgen ist, der Aufenthalt daselbst versagt werden kann. Mit der Ausführung dieser Verordnung ist die kgl. Kreishauptmannschaft zu Leipzig als Landespolizeibehörde beauftragt worden. Seitdem über Berlin und Hamburg der kleine Belagerungszustand verhängt worden ist, war Leipzig der Mittelpunkt der gesammten socialdemokratischen Agitation in Deutschland geworden, in Leipzig laufen zur Zeit die sämmtlichen Fäden der sociademokra- tischen Organisation zusammen, die nach wie vor ihre unheilvolle Thätigkeit mit weit größerem Eifer fortsetzt, als man mit Rücksicht auf die anscheinend im socialdemokratischen Lager herrschende Ruhe an zunehmen geneigt ist. Es war eben eine falsche Annahme, daß mit der Zügelung der socialdemokratischen Presse und dem Vervote der socialdemokratischen Vereinigungen die ganze Bewegung gehemmt und aus der Welt ge schafft werden würde, mit unermüdlichem Eifer wurde seitens der socialistischen Streber, von denen sich vielleicht jeder Einzelne schon im Geiste als Präsi dent des socialdemokratischen Staates sah, im Ge heimen eine Agitation ins Leben gerufen, die einer besseren Sache würdig wäre. Und vertrauensselig blicken noch immer all die Arbeiterschaaren zu jenen Wühlern auf, glauben sie ja doch nur bei Diesen die rechte Hilfe in ihrem Bemühen um Besserung ihrer Lage zu finden. Das wirksamste Mittel gegen die socialdemokra tische Bewegung wäre freilich, wenn der Staat mit positiven Einrichtungen vorginge, das vielfach ver besserungsbedürftige Loos des Arbeiters freundlicher zu gestalten, und mit dem Unfallversicherungsgesetz und dem in Aussicht genommenen Altersversorgungs gesetz sollte in dieser Beziehung ein Anfang gemacht werden, allein die unglücklichen Parteiverhältnisse unseres Reichstages, dessen letzte Session wenig Er sprießliches geleistet hat, haben Bestimmungen in das Unfallgesetz gebracht, daß dessen Einführung un möglich von wohlthätigen Folgen sein konnte, sodaß dasselbe vom Bundesrath abgelehnt werden mußte. Natürlich wird das Gesetz im nächsten Reichstage von Neuem eingebracht werden und wollen wir nur hoffen, daß der Reichstag ein anderes Bild zeigen werde, daß die Volksvertretung Hand in Hand mit der Regierung in volkswirthschaftlicher Beziehung Positives schaffen und die üblen Folgen einer fal schen Wissenschaft, die leider bisher im Reichstage noch immer ihre erfolgreiche Vertretung hatte, vollends beseitigen hilfst. Dann werden wir auch keinen kleinen Belagerungd^^^ und kein Socialistengesetz mehr nöthig haben- *Waldenbnrg, 29. Juni 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das Befinden der Kaiserin, welches in Folge eines plötzlich aufgetretenen Leidens am 27. d. die Consultation des Geh. Rath Prof. Di. Busch aus Bonn und die Vornahme eines erheblichen operativen Eingriffs erforderte, ist den Umständen nach im Allgemeinen befriedigend, doch wird ihre Majestät noch länger« Ruhe und Schonung bedürfen. Der Kronprinz und die Kronprinzessin wer den, wie nunmehr festzustehen scheint, am nächsten Montag, den 4. Juli, mit ihren Töchtern Victoria, Sophie und Margarethe eine mehrwöchentliche Reise nach England antreten. Der Hofmarschall Graf Eulenburg hat sich bereits nach London begeben, um die nöthigen Vorbereitungen zu treffen. Der „Verein deutscher Studenten" in Breslau hatte dieser Tage bei Gelegenheit eines Festes ein Huldigungstelegramm an den Fürsten Bismarck gesandt. Der Reichskanzler beantwortete dasselbe, wie der „Tribüne" telegraphisch gemeldet wird, folgendermaßen: .„Ich danke herzlich für Ihren freundlichen Gruß, an dem sich meine Hoffnung stärkt, daß der nationale Sinn der deutschen Jugend in Zukunft unserem Vaterlande den inneren Frie den bringen werde, den die Vertreter der mit mir absterbenden Generation auf dem Boden des neu erstandenen deutschen Reiches nicht gefunden haben, v. Bismarck." In Berlin hat jüngst in einer Vsrsamlung Graf Wilhelm Bismarck einen Vortrag über die Er gebnisse der letzten Reichstag-Legislatur periode gehalten. Redner wies zunächst darauf hin, daß erst seit Kurzem in unser Vaterland eine Zeit der Ruhe und der Friedensgewißheit eingetreten sei, daß aber die Regierung sofort darangegangen, diese Zeil der Ruhe im Interesse des Vaterlandes ausnutzen, sie habe sich zunächst bestrebt, die drücken den direkten Steuern durch die weniger fühlbaren indirekten zu ersetzen und durch die neue Zollreform Industrie und Landwirthschaft erstarken zu lassen. Trotz dieser wohlmeinenden Absichten suche man von gegnerischer Seite diese Bestrebungen nach jeder Beziehung zu verdächtigen. Man spreche von einer Dictatur, von einer Bedrückung der Volksrechte. „Ich glaube," fuhr er fort, „die Hundesperre belästigt sie mehr, als alle jene Bedrückungen, auch mehr, als der kleine Belagerungszustand. Mit all diesen Veränderungen in der Zollgesetzgebung haben wir weiter nichts gethan, als uns wieder auf den Stand punkt vor 1865 gestellt und schon heute sind die Erfolge dieser Rückkehr sichtbar und sie werden selbst von den Fortschrittlern nicht geleugnet, wenn diese auch sagen, daß die Hebung der Industrie nicht in Folge, sondern trotz der Schutzzollpolitik erfolgt sei. Man spricht von der Vertheuerung der Brodpreise durch den Kornzoll und doch zeigt mir eine Schrip- pensammmlung, die mir zugegangen, daß gerade in den Jahren, wo das Getreide am theuersten, die Schrippen am größten waren; in gleicher Weise hat die Aufhebung der Schlachtsteuer nur den Erfolg gehabt, daß der Staat eine regelmäßige Einnahme verloren, die doppelt so hoch, wie die Ihnen allen gewiß sympathische Miethssteuer (Gelächter). Was habe das Volk für ein Interesse, ob die Herren v. Forckenbeck, Lasker, Richter Ercellenzen wären. (Stürmischer Beifall.) Es würde ihm sogar einen gewissen Spaß bereiten, wenn Lasker Excellenz sei, wenn nur der Schade für das Land nicht zu groß wäre. (Stürmischer Beifall, Heiterkeit.) In der Leitung der Verwaltung von Berlin übe die Fortschrittspartei den größten Absolutismus, die größte Tyrannei aus. (Beifall.) Man habe einen neuen Viehhof gebaut; wer habe den Löwenantheil von diesem Viehhof? (Stürmischer Beifall. Rufe: Ju den.) Die Rieselfelder seien auch kein glückliches Institut. Wollte man die Wirkungen der fortschritt lichen Verwaltung in Berlin auf das deutsche Reich übertragen, so würde vielleicht das ganze deutsche Reich ein Rieselfeld sein. (Beifall. Heiterkeit.) Mit dem Unfallversicherungsgesetz habe die Regierung ein ganz neues Gebiet socialer Reform betreten; er habe schließlich gegen das ganze Gesetz gestimmt, da man '/s der Prämien dem Arbeiter aufgelegt, während naturgemäß das Reich und der Staat die ses Drittel habe tragen müssen. Er wolle lieber noch ein Jahr warten, die Vorlage würde den Reichstag doch wieder beschäftigen. Aber noch an dere sociale Reformen mären nothwendig und zu erwarten, wie die Vorlagen über Versicherung gegen Alter und Invalidität. (Bravo! Sehr richtig!) Das Unfallversicherungsgesetz bilde im Verein mit den anderen bereits besprochenen Gesetzen und fer ner dem Wuchergesetz die Signatur der verflossenen Legislaturperiode; die Negierung sei fortwährend bemüht gewesen, die ärmeren Leute von dem Steuer druck zu befreien (Bravo!); eine Fraction ehrgeizi ger Leute habe diese Absicht zu durchkreuzen gesucht; es sei wenig erreicht, vieles bleibe noch zu thun übrig, die conservative Sache sei gut, sie müsse sie gen, die conservative Partei möge in deni heißen Wettkampf keine Mühe scheuen, ihr Schlachtruf müsse lauten: Nieder mit der Fortschrittspartei, nieder mit dem Fortschrittsring, nieder mit der Fortschritlstyrannei. (Stürmischer, lang anhaltender Beifall.) Die Fortschrittspresse ist furchtbar erbost über dieses neueste Debüt Jung-Bismarcks. Ungarn. Bisher fanden 298 Wahlen statt, 174 zu Gunsten der Regierungspartei, 63 fielen auf Unabhängige, 44 auf die gemäßigte Opposition, 9 sind parteilos, 8 national; es finden 3 Nachwahlen statt. Frankreich. Die französische Regierung beabsichtigt, einen General in außerordentlicher Mission nach Süd- Algier zu senden und denselben mit dem Ober- commando der dortigen militärischen Operationen zu betrauen. Etwa 8000 Ansiedler (Franzosen, Spanier u. s. w.) sind bereits aus jenen Gegenden geflüchtet. Die Colonisation ist auf Jahre hinaus gestört. Gegenüber dem Dementi der „Agence Havas" melden mehrere Journale bereits die Abreise des Gouverneurs von Algier, Albert Grevy. Die Interpellanten über die algierischen Vorgänge werden ein scharfes Tadels votum gegen den Gouverneur beantragen. In den Blättern beschäftigt man sich bereits mit dessen even tueller Nachfolge. Genannt wird namentlich de Freycinet. Die französische Revolution hat wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. In dem Blatte der