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Dresdner Journal : 18.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189904180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18990418
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18990418
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-04
- Tag 1899-04-18
-
Monat
1899-04
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 18.04.1899
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veznesprei«: Wir Dresden vierteljährlich: ? Mark »0 Ps., bei den Kaiser- lich deutschen Postanstaltri, vierteljährlich » Mart; anher, halb de» Deutschen Reiche« Post- und Stemprlzuschlaa. Einzelne Nummern: 10 Pf. Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Fernspr>Anschluß:Nr12»L Dresdner Mmml. »nkaudigun«»«ebübren: Für den Raum einer arspal- tenen Zeile kleiner Schrift Pf. Unter „Eingesandt" die Zeile bv Pf. Bei Labellen- und Ziffern^ entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de« Dresdner Journal- Dresden, Zwingerstr. 20 Fernspr -Anschluß: Nr. 1298 ^88 Dienstag, dm 18. April abends. 18SS. Amtlicher Teil. Dresden, 18. April. Se. Königl. Hoheit der Herzog und Ihre Kaiser!, und König!. Hoheit die Frau Herzogin Albrecht von Württemberg sind gestern nachm. 2 Uhr 15 Min. nach Potsdam abgereist. Dresden, 18. April. Ihre Königl. Hoheit die Frau Erbgroßherzogin von Sachscn-Weimar- Eisenach ist heute vorm. 11 Uhr 4 Min. von Dresden abgereist. Se. Majestät der König haben dem Hofrat vr weä. Carl Reinhold Hans v. Reyher in Dresden das OsfizierSkreuz des AlbrechtsordenS Allergnädigst zu verleihen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der StationSassistent II. Klasse bei der sächsischen Staatseisenbahnverwaltung Bogner in Gera (Reuß) die von Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich ihm verliehene, aus Anlaß Allerhöchstdessen 50jährigen Regierungs-Jubiläum- gestiftete Erinner- ungS-Medaille annehme und trage. Anmeldung für den nächsten Aufnahmetermin in die Loldatenknaben-Erziehungsanstalt Llein- liruppen zu Ostern 1900 betreffend. 1) Die Soldatenknaben-Erziehungsanstalt zu Klein- struppen nimmt Söhne gut gedienter Unteroffiziere und Soldaten der Königlich Sächsischen Armee im Anschlusse an den 8jährigen Kursus der Volksschule bez nach erfolgter Konfirmation auf. Die Söhne solcher Väter, welche der Armee nicht angehört haben, finden bei der Aufnahme nur aus nahmsweise Berücksichtigung. 2) Die Anmeldung für den nächsten Aufnahme termin zu Ostern 1900 hat von jetzt ab nicht mehr beim Kriegsministerium, sondern bei den BezirkS- KommandoS zu erfolgen, und sind hierbei folgende Ausweise beizubringen: a) die standesamtliche Geburtsurkunde deS Knaben; b) dar kirchliche Taufzeugniß oder eine Tauf bescheinigung; c) die Impfscheine, einschließlich über Wieder impfung; 6) ein Schulzeugniß nach dem auf Seite 204/205 des Königlich Sächsischen Gesetz- und Verord nungsblattes vom Jahre 1874 enthaltenen Muster; e) ein ortsbehördlicher Nachweis über die näheren Familien- und Vermögensverhältnisse der An gehörigen (Bei Beamten von der Anstellungs- behvrde auszustellen); k) bei bevormundeten Knaben die schriftliche Ein willigung der Obervormundschafts-Behörde, und z) der Militärpaß und daS FührungS-Attest des Vaters, wenn derselbe nicht mehr aktiv dient (Bei Beamten genügt der Nachweis unter e). 3) Anmeldungen zur Aufnahme für Ostern 1900 können von den Bezirks-Kommandos nur bis Ende Dezember 1899 angenommen werden. 4) Bei dem außerordentlichen Andrange haben zunächst nur solche Knaben Aussicht zur Aufnahme, welche bei guten Schulcensuren folgende Mindestmaße besitzen: bei 13H Jahren 140 cm Körperlänge und 66 bis 71 cm Brustumfang, bei 14 Jahren 142 cm Körperlänge und 67 bi- 73 cm Brustumfang, bei 14H Jahren 144 cm Körperlänge und 68 bis 74 cm Brustumfang. Stotterer, Bettnässer, Bruchleidende und mit stärkerem Fußschweiß Behaftete, sowie Knaben, welche voraussichtlich späterhin zum Militärdienst ungeeignet sind, werden nicht ausgenommen. 5) Die Zöglinge der Anstalt zu Kleinstruppen werden in der Regel nach einem Jahre in die Unter offizier-Borschule zu Marienberg überführt, aus letzterer nach 2 Jahren in die dortige Unteroffizierschule ver setzt und aus dieser nach weiteren 2 Jahren in die Armee eingestellt. 6) Die Unteroffizierschüler gehören als solche be reits zu den Militärpersonen des Friedensstander, und wird die auf der Unteroffizierschule verbrachte Zeit vom erfüllten 17. Lebensjahre ab als aktive Militär- dienstzeit gerechnet. 7) Die Erziehung und Ausbildung in der Anstalt zu Kleinstruppen, in der Unteroffizier-Vorschule und in der Unteroffizierschule zu Marienberg ist vollständig kostenfrei. 8) Das Lehrziel in den Unterrichtsfächern bei diesen drei Militärschulen ist erweitert worden, um den Schülern dieser Anstalten noch mehr als bisher die Möglichkeit zu bieten, in höhere UnteroffizierS- und Beamtenstellen aufzurücken. 9) Unteroffiziere, welche diese Schulen besucht haben, werden sich in der Regel bereit- mit dem 29. bis 30. Lebensjahre im Besitze des Civil- versorgungsscheinS befinden und hiermit außer einer Dienstprämie von 1000 M. die Anwartschaft auf Er langung einer auskömmlich besoldeten Beamtenstelle des Staatsdienstes erwerben. 10) In die Unterosfizierschule zu Marienberg finden direkte Einstellungen nicht statt, in die Unter offizier-Vorschule daselbst aber nur insoweit, als ein tretende einzelne Abgänge durch Zöglinge der Anstalt zu Kleinstruppen nicht besetzt werden können. 11) Die Bewerber für die Unteroffizier-Vorschule zu Marienberg, welche wegen Platzmangel nicht zur Einstellung gelangen können, werden deshalb auf den nach vollendetem 17. Lebensjahre zulässigen freiwilligen Eintritt zum zwei-, drei- oder vierjährigen aktiven Militärdienst aufmerksam gemacht. 12) Die vollständigen Aufnahme-Bedingungen für die Anstalt zu Kleinstruppen und die Unteroffizier- Vorschule zu Marienberg können bei jedem Bezirks- Kommando entnommen werden. Desgleichen auch die Bestimmungen für den freiwilligen Eintritt sin den aktiven Militärdienst. 13) Alle Amtsblätter werden um weitere Bekannt gabe ersucht. Dresden, im April 1899. Kriegs-Ministerium. von der Planitz. Grvennaazen, versetzaagea re. i« öffentliche« Dienste. Im Geschäftsbereiche be« Minifteri«»« Ve« Kult«« und öffentliche« Unterricht«. Zu besetzen: Michaeli« d. I«. da« neugegründete Schuldireklorot an der Schule in Obersrohna. Kollator: die oberste Schulbehörde. Da« Ein kommen beträgt 2600 M und 400 M. Wohnung-entschädigung Jnsolge der beabsichtigten Errichtung einer sogenannten Selekta ist für den Anzustellenden die Besähigung zur Unterricht»- erteilung in der französischen Sprache erwünscht. Bewerbung-- gesucht unter Beifügung sämtlicher Prüfung-- und AmtS- drung-zrugnifle bi» in die neueste Zeit sind bi- zum 14 Mai bei dem Königl. Bezirkischultnspektor Schulrat Richter in Chemnitz eiazureichen. Nichtamtlicher Teil. Die Wandlungen der Sozialdemokratie. v. 6. Die bereits seit Jahrzehnten aus den Reihen der bürgerlichen Demokratie immer zuversichtlicher wiederholte und von weltfremden Ideologen gestützte Behauptung einer sich anbahnenden Umwandlung der Sozialdemokratie aus einer Revolutionspartei in eine soziale Reformpartei ist anläßlich der Erörterungen über die kürzlich erschienene und in der Presse vül besprochene Schrift des „Genossen" Bernstein („Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie") von neuem mit verstärktem Nachdruck ausgestellt worden. Und das ist nur na türlich; denn kann eS in den Augen der Verbreiter jener „MauserungSlheorie" wohl einen überzeugenderen Beweis für die Richtigkeit ihrer Thesen geben, als wenn ein unbedingter Anhänger des Sozialismus, ein Veteran der sozialdemokratischen Partei und einer ihrer fruchtbarsten Publizisten den eigenen Partei genossen zuruft, sie möchten die so eifrig vertretene Lehre von der wachsenden „Verelendung der Massen" und die sogenannte „Katastrophentheorie" oufgeben, sich vielmehr als das bekennen, was sie seien, nämlich als eine radikale soziale Reformpartei? Heftigen und berechtigten Widerspruch haben aber die Erklärungen des alten, einst revolutionären Theore tikers der Sozialdemokratie von seiten der eiqenen „gelehrten" Parteigenossen des Verfassers jener Schrift wachgerufen, welche sich bemühen, unter Aufwendung eines großen, sich als „wissenschaftlich" ausgebenden Rüstzeuges zu beweisen, daß sich die Sozialdemokratie zwar in betreff der Kampfweise geändert habe, im übrigen aber geblieben sei, was sie war. Und das kann in der That nicht bestritten werden. Die Sozialdemo kratie erstrebt noch immer die Vernichtung deS be stehenden Staates und die Ueberleitung sämtlicher Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit. Sie hat also von ihrem revolutionären Charakter nichts verloren, und in den Meinungsverschiedenheiten zwischen Hrn. Bernstein und seinen Parteigenossen handelt es sich im Grunde um einen Worlstreit über die taktische Haltung der Partei. Die „Gelehrten" der Soziald mokratie, die so thun, als ständen sie allein auf den lichten Höhen gereifter wissenschaftlicher Erkenntnis, mögen ungestört ihren Wortkampf auSsechten, der wohl nur in ihren eigenen Augen für die Kulturentwickelung der Menschheit von Belang ist. Die bürgerlichen Vertreter der „Mauserungs theorie" aber thäten gut, die Geschichte des Sozialis mus und die Wandlungen etwas kritischer zu ver folgen, denen der angeblich ideale Gehalt der sozia listischen Theorien im Laufe der Jahrtausende aus gesetzt gewesen ist. Thäten sie eS ohne Voreingenom menheit, so würden sie folgerichtig zu einer erheblichen Modifizierung ihrer Ansicht über die Sozialdemokratie gelangen müssen. Kein Urteilsfähiger kann leugnen, daß der Sozialismus, dessen Ursprung in da» graue Altertum zurückreicht, sich ganz wesentlich nach Inhalt und Form geändert hat. Wie wäre das auch ander- möglich? Kein politisches und soziale- Prinzip, keine Parteiformation kann bestehen ohne Entwickelung. Und eine solche Entwickelung hat auch der Sozialis mus zweifellos erfahren. ES fragt sich nur, ob er durch diese Entwickelung zu einer größeren oder ge ringeren Gefahr für die Kultur deS Menschengeschlechts geworden ist. Und zur Beantwortung dieser Frage genügt — so sollte man meinen — ein auch nur flüchtiger Blick auf die einzelnen Phasen, die der Sozialismus bisher durchlaufen hat. Die in Plato- „Republik" entwickelten Theorien, die Lehren von der Möglichkeit der Unterdrückung aller egoistischen Strebungen des Menschenherzen» haben längst keinen Gläubigen mehr. Die im Zeit alter der Renaissance neuerstandene sozialistisch- utopistische Schule, als deren schwärmerischster Vertreter der englische Lordkanzler Thoma- MoruS im Jahre 1516 mil seinem Buche „Utopia, lein Staatsroman" hervortrat, und die von der inneren Wandlung deS Menschenherzens, von dem Schwinden der Selbstsucht die Beglückung und Ver edelung der Völker erhoffte, hat gleichfalls keine Spur ihrer einst umfassenden, bis inS 18. Jahrhundert hineinreichenden Wirksamkeit hinterlassen. Auch die praktischen Versuche, wie sie im ersten Viertel be laufenden Jahrhunderts zur Verwirklichung jener utopistischen Träume unternommen wurden, sind längst von den Sozialisten selbst als gänzlich verfehlt und undurchführbar erkannt worden. Weder an die Gründung „sozialistischer Familien", wie eS die „Phantasierten" Fouriers sein sollten, noch an soziali stische Kolonien, wie eine solche im Jahre 1824 von dem englischen philanthropischen Schwärmer Robert Owen in New-Hermony in Indiana thatsächlich er richtet wurde, und deren klägliche Resultate ihren Begründer das Loos der Negersklaven beneiden ließen, denkt heute noch irgend ein Sozialist. Ter Sozia lismus hat erkannt, daß seinen angeblichen Idealen die Menschheit niemals freiwillig nachleben wird. An die Stelle mystischer Träumerei ist die Mobilisirung der Massen getreten, um das einzelne Individuum durch das Schwergewicht der Willensrichtung dieser Massen zu seinem eigenen angeblichen Glücke zu zwingen. Wiederholt schon hat es geschienen, als ob der Sozialismus der Erreichung seines Zieles, nämlich der Knechtung des einzelnen unter den Willen der wiederum willenlos dem Gebote ihrer Führer folgen den Massen, nahe gekommen sei. Aber die blutigen Strafgerichte, die dem Wahnsinn der „Nationalwerk stätten" und der durch sie hervorgerufenen Pariser Juni-Insurrektion deS Jahres 1848 sowie der Pariser Kommune im Jahre 1871 folgten, haben eS bewiesen, baß der innere Widersinn, der dem Sozialismus zu gründe liegt, seine eigenen Schöpfungen im Momente ihrer ersten Lebensregung dem unvermeidbaren Ver derben preiSaiebt. Die Erkenntnis, daß dem so sei, hat den Sozialismus vorsichtig gemacht. An die Stelle der schnellen revolutionären That ist der sorgfältige Aus bau einer möglichst das gesamte Proletariat um fassenden Organisation getreten, die bestimmt ist, die soziale Macht im Staate allmählich in den Händen der sozialistischen Führer zu vereinigen, um dann, wenn dieses organisatorische Ziel erreicht ist, die Zügel der Herrschaft den bestehenden Gewalten zu entreißen. Den Machthabern aber, deren Hand dann die Staatsgewalt anvertraut sein würde, soll die Aufgabe zufallen, das neue sozialistische Gemeinwesen aufzurichten und auSzubauen. Bei der Ausgestaltung jener Organisation hat die Sozialdemokratie, die gegenwärtig den politischen Sozialismus verkörpert, namentlich in unserem Vaterlande ganz gewaltige Fortschritte und Erfolge zu verzeichnen gehabt. Die überwiegende Mehrzahl deS industriellen Proletariat- Hat sie in ihren Bannkreis gezogen, und selbst unter der ländlichen Arbeiterbevölkerung beginnt sie, wenn auch langsam, an Boden zu gewinnen. Je größer aber ihre organisatorischen Erfolge gewesen sind, desto mehr hat sie an idealem Gehalt verloren. Ihre phantastischen Theorien hat sie, eine nach der anderen, aufgegeben, als ihr letztes Ziel ist immer deutlicher die allmähliche Unterminierung des be stehenden EtaateS, seine endliche Niederwerfung und die Ersetzung derselben durcH ein zuchthauSartig organisierter, dem Machtgcbot der sozialdemokratischen Führer bedingungslos unterworfene- Gemeinwesen Kunst und Wissenschaft. Verein für Erdkunde. Am t4. d. Mt». hielt im Dresdner Verein für Erd kunde Hr. Prof. Or Ruge einen Vortrag, betitelt „Zur Volkskunde au« dem unteren Innthal« in Tirol". Er ging dabei von Rattenberg au«, einem am rechten Ufer dc« Inn zwischen Jnn«bruck und Kufstein ge legenen Städtchen, bei welchem die steilen Gehänge der südlichen Bergwand al« die von der Natur geschaffene Grenze de« oberen und unteren Jnnthale» fast unmittel bar bi» an da« Wasser de« Jan heranrücken. Nur gegen Osten offen, sonst durch Fluß und Fel« gedeckt, eignete sich der Ort recht leicht zu einer Thalsperrr, wurde jedoch erst im Spanischen Erbfolgekriege befestigt und galt al« Festung bi« 1782; doch wurden erst 181S die Festungs gräben zvgeschüttet und in freundliche Gärten verwandelt. Die Bauweise de« Städtchen» ist höchst eigentümlich; vielleicht nirgend» läßt sich nach Steub der Stil, den die alten Tiroler für ihre Stadthäuser befolgten, so gründlich studieren wie hier. Da« tirolische Stadthaus scheint eigentlich eine Vermähluna von Alpenhütte und Turm, Burg oder Festung zu sein. Auf erstere deuten di« flachen, breiten Schindeldächer, die mit FrlSstücken be schwert sind, auf letzter« d«r feste Steinbau, die dicken Mauern, die beliebten Erker und Ecktürme, auch die eiserne Vergitterung der Fenster. Von der Straße au« nehmen sich daher die Häuser von Rattenberg ganz statt lich au«, aber im Innern sind sie schauerlich, scheinen ohne jede Leitung und Ueberwachung errichtet, gleichsam von selbst au« dem Boden gewachsen zu sein. Man hat beim Fundament nicht an den ersten Stock, bei diesem nicht an den zweiten und beim zweiten nicht an den dritten gedacht; denn in der Regel paßt keiner zum andern. Flur und Gänge find übermäßig groß, alle Stiegen schief und verbogen, die Wände krumm, vre Gewölbe bald nach oben, dato nach unten auSgebogen. Auch die Zimmer desselben Stockwerks liegen nicht in derselben Fläche, und oft geht durch ein Zimmer eine Stufe. Da« Städtchen zählt nur 727 Ein wohner, hat aber 18 Brau-, Gast und Wirtshäuser Da« erinnert noch an jene Zeit, wo der Warenzug vom Brenner her durch seine Hauptgaffe ging und sie mit Fahrzeugen aller Art anfüllte, an die Tage de« IS Jahr hunderts, wo der Silberbergbau blühte. Mit der Er öffnung der Eisenbahn sank der Verkehr. Ueber der Stadt erhebt sich der alte Burgsitz, der durch einen natür lichen tiefen Felsensattel in zwei räumlich und wohl auch zeitlich von einander getrennte Burgteile geschieden ist, di« niemals miteinander in Verbindung gestanden haben können. An dem Turme der unteren Burg erinnert eine Inschrift daran, daß hier am 17 Juli 1L51 vr. Wilhelm Biener, Kanzler von Tirol, al« Opfer seiner Ueber- zeugung«treue durch Henkerrhand fiel. Durch die Jntri- guen der welschen Partei, deren deutschfeindliche Pläne er bekämpfte, wurde er in einen Hochverrat«prozrß verwickelt. Den herzoglichen Kurier mit dem Begnadigungtschreiben hatte man unterwegs in Mühlau aufgehalten, in« WirtS- hau« gelockt und betrunken gemacht, sodaß er zwei Stunden zu spät anlangte. Wenig westlich von Rattenberg, bei Brixlega oder noch etwas weiter, am Ziller, der au« dem Zillerthale dem Inn zuströmt, lag seit ältester Zeit eine tief ein schneidende ethnographische, kirchlich« und politisch« Grenze Von den ältesten Völkern dieser Alpengeqenden, den keltischen Rättern und Norikern oder Tauritkern, saßen jene westlich, diese östlich vom Ziller Im Jahre 15 v Ehr durch den Feldzug de« Drusu« und Tiberiu« dem römischen Reich« unterworfen, wurden sie allmählich romanisiert; jedoch war ihre Kraft schon 102 v. Ehr. durch die ger manischen Kimbern gebrochen worden, al« diese sich durch die Alpen den Weg nach Italien bahnten Vor diesem Sturme müssen die Noriker zum Teil schon au« dem Jnnthale zurückgewuhen sein, weil man fast kerne auf ihre Sprache hinweisenden Ortsnamen mehr findet Die Römer machten au« den Gebieten der beiden Kelten stämme die Provinzen Rätia und Noricum, deren Grenze der Ziller blieb. Jahrhunderte hindurch blieben die Römer im ungestörten Besitze dieser Alpenländer und drückten ihnen durch Anlegung von Straßen und Orten ein lateinisches Gepräge auf Wenn sich nun westlich vom Ziller, in der Umgebung von Innsbruck, also in Rätien, davon zahlreiche Spuren finden, dagegen östlich vom Ziller, in Noricum, so gut wie gar keine, so hat daS seinen guten Grund Da« offene Unterinnthal war dem Anstürme der Germanen zuerst ausgesetzt, di« hier angefirdelten Romanen wurden also zuerst zum Rückzüge genötigt. Der Ostgot« Theoderich der Große, dem die Aomcrbcnschall samt den Provinzen nördlich von den Alpen zufiel, überließ die bayerische Hochebene und da» nördliche Noricum den Bajuwaren, die nach dem Falle des Ostgotenreiche» (S53) noch im sechsten Jahr hundert bi» an den Ziller vordrangen und, nach den Ortsnamen zu schließen, der ganzen Gegend zwischen Kufstein und Rattenberg ein deutsche«, bayerische« Gepräge verliehen. Dann kam von Norden, von den Bistümern Regen«burg und Salzburg her, die von den bayerischen Herzögen gegründet worden waren, da» Christen tum in diese Gegenden, welche daher der Diözese Salz burg zufielen, während nach der Gegend von Jnn»bruck von der Südseite der Alpen da» Bistum Briren herüber reichte, da« welschen Einflüssen offen stand. Wieder bildete der Ziller die Grenze Al« dann 1363 Tirol mit Öster reich vereinigt wurde, blieben die Bezirke Rottenberg und Kufstein, also da« untere Innthal, nebst dem Bezirke Kitzbüchl mit Bayern vereinigt; erst 1501 wurde sie zu Tirol geschlagen. Darau« erklärt e« sich, daß in diesen Gegenden bayerisch« 8iedelung«form und bayerisch« Namen gebung für die Ort« v«rbr«itet sind. Hr Prof Rüg« wie« de« näheren nach, daß i« südlichen Bayern, namentlich im Alpenvorlande, Werler und Einzelhöfe die weit über wiegende SiedelungSssrm sind und in den Ortsname« einsilbige Grundformen eine hervorragende Rolle spielen Ganz so ist e« in dem Gebiete von Rattenberg Auf der Vorstufe der nördlichen Kalkalpen am Inn, nordöstlich vom Städtchen, liegen vorherrschend kleine Ansiedelungen, deren Namen in großer Zahl einsilbige Grundformen, wie Hau«, Mad, Straß, Söll, Berg, Egg, Grub, Dorf rc. aufweisen. Auf der anderen Seite de« Inn« kommen östlich vom Ziller ebenfalls zerstreut solche Grundwörter vor, al« Gugg, Hof, Ried, Au, Lurch, Öd, Rain rc. Von den Ortsnamen sind wieder die Familien namen abgeleitet, wie Auer, Hofer, Rainer, Unter rainer, Moser, Guggenbühler. Auf Streiszügen, die der Vortragende bei wiederholtem Besuche von Ratten berg in der dortigen Landschaft unternommen hat, hatte er reichlich Gelegenheit, in dieser Beziehung Studie« zu machen, ebenso über den Zusammenhang zwischen der EiedelungSsorm, der Verteilung der Ansiedlungen und ihrem Aussehen und den Verkehrswegen einrrseit« und der Bodengestalt und -beschaffenheit anderseit«. So zeigt auf der Nordseite de« Thäle« der Steilabfall zum Inn Einzelhöfe zwischen Obstbäumen, Wiesen und Kornfeldern, der nach Norden zu folgende moorige, von kleinen Thälern und Mulden durchsetzte Waldrücken ist unbewohnt, und auf der etwa« niedrigeren, ebenen, oft versumpften Vor stufe de« Hochgebirge« liegen auch au« mehreren Gehöften bestehende Weiler Im letzten Teile seine« Vortrage« behandelte Hr Prof. Ruge die Grundwörter der Ort«namen bayerischer Mundart im allgemeinen, im ganzen mehr al« 100, und die von ihnen abgeleiteten Familiennamen Besondere Beachtung widmete er dem Namen Ma,er, der in acht verschiedenen Schreibweisen und in den mannigfaltigsten Zusammensetzungen überau« stark in Süddeutschland verbreitet ist Er bedeutet nicht, wie di« meisten von den Grundwörtern abgeleiteten Familiennamen, den Be-
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