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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.06.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110601015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911060101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911060101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-01
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Morgen-Ausgabe. MpMLr Tageblatt «A.-Aischl.(u8 Haubetszetluug» Amtsblatt des Nates ««d des Nolizeiarntes der Stadt Leipzig. Nnzeigen-Prei» sie YMeia» «» »»» Um,«»«, M« lspaltt,« v«Ntt«U« »«!»,, A«Na»«- «tl« l LU.,»»» «»„an, « VI. SUNam«» US LU.. Inleral» v«I>örd«» »» amt» Uch«» r«t> »t, V«Nlt«tl, «, Pt «U «la»o»rlchrittr» » in der <d«n0ali»gad« l» Pr»«, «rhühl. Rabatt «ach lartt V«llagrg«dihk E«Iaml» «Ilaa« d Ml. » I,ut«»d «rlt. Pakgidähl. hügrL 8<!l»NeUr, Aullraa, tünn.n ,«ch» ,,»««» a«i»«<« »«rd««. FSi da» Erich«»«»» «, »««MM»» r«««« »»d Pl仫» «tr» taU» »erottta Ld«r»o>»»<« NWÄrKL. Ewadilt»«« da» 2»- »» W»»lU»d«» r«a ««» d«, »»<»,»««, r«W» dlall»» G. Pali, Sa-adar: P«U NLr»«». MadaM»« «» »«schen,»,»«, 2odaan»»aaN» » cha«»t-AtU«l» »„,»««» Seeura», < l (1»i«od<» «MV» »r. 151. Die vorliegende AuSgide umfaßt 22 Seiten. vl« LrpvMivllvll ä« IivtpLtsor iLLsdlattsa »aä Lee l-vlprixor ^tlgvmvlQSQ Leitung deäaäe» sied »ar ooob j I-viprtK, JodLlllllSßLSSV 8, t VsräergedLuäs p»rt«rr« ItaSs Im VvdLuüo äv8 iLgsdluttss. vss DWlgltr. * Der Vorstand de« nationalliberalen Landesverein« im Königreich Sachsen erläßt eine Kundgebung über da« Reichvtagswahl- ablommen zwischen den Nationallibe» ralen und der Fortschrittlichen Volks« Partei im Königreich Sachsen. (S. des. Art.) * Der Reichstag wurde am Mittwoch nach E r. lcdigung der dritten Lesung von zehn noch ausstehende.» Gesetzentwürfen bi« zum 10. O k- tober vertagt. (S. Reichstagsber.) * In Potsdam fand am Mittwoch in An« wesenheitdesKaiserpaaresdie diesjährige Frühjahrsparade statt. (S. Pol. Umschau.) * Geheimrat Wilhelm Ostwald wurde in Paris zum Präsidenten der „Association Inter« nationale des EociStSs Thimiques" gewählt. (E. K. u. W.) » Das englische Derby, das am Mittwoch in Epsom gelaufen wurde, gewann Mr. I. B. Joels br. H. „S unsta r" unter G. Stern in einem Felde von 2b Pferden. (E. Sport.) porwssls kritische Tage. Am 28. Mai haben die portugiesischen AZahlen, die ersten der Republik, stattgefunden, fast acht Monate nach Verkündung der demo kratischen Staatsform. Es ist wohl noch nicht dagewesen, daß eine Demokratie eingeführt und dabei der Demos auf volle acht Monate ausge schaltet wird; dafür aber wichtige Gesetze fuder weise fabriziert, erlassen und in Kraft gesetzt werden, als wenn ein frischer, fröhlicher Abso lutismus ins Land gezogen wäre. Franco hieß ein Tyrann, weil er sechs Monate ohne Tortes regieren wollte. Braga, Tosta und Machado stellen eine portugiesische „Volksherrschaft" dar. Ob die Machthaber von dem Wahltage das Ende ihrer Macht erwartet und deshalb so seltsam lange gezögert haben? Ob der gelehrte Herr Braga seine staatswissenschaftlichen Theorien um jeden Preis durch den Nimbus eines Regierers vor seinen Zunftgenossen in Prioatstellung bevorzugt der Mit« und Nachwelt überliefern wollte? Daß der Wahlakt selber seinen Sturz bringen würde, stand ja kaum zu befürchten. Er hätte recht interessant werden können, interessanter al» je portugiesische Wahlen gewesen find, wenn dieser Mal wirklich da» Volk zu Worte gekommen, zur Aus sprache darüber zugelassen wäre, wie es denn eigentlich über die Republik denkt, die ihm ein politischer Klub und ein paar meuternde Schiffsbesatzungen in einer schwülen Oktober« nacht aufgenötigt haben. Aber wahrscheinlich hätte nicht einmal Braga» guter Wille solche Freiheit und gar den Glauben an sie durch zusetzen vermocht. Die Funktionäre der Regie rung hätten der süßen Gewohnheit de» eorriger 1» tortuvo nicht entsagt, die Masse der Bevölke rung hätte, selbst wenn e» geschah, von dem unverhofften und unbegriffenen Geschenke Ge brauch zu machen sich nicht getraut. Auf gesetz lichem Wege zu seinem Rechte zu kommen, ist in iberischen Landen diesseits und jenseits der Atlanti» nun einmal «nmöaltch, heiße di« Staatsform Königtum oder volksherrschast, und der Stimmzettel ist da» untauglichste Mittel zu erstrebten Aenderungen de» Regierungssystem». Doch Braga» guter Wille hat nicht be standen. Sr hat nicht einmal zu dem landesüblichen Brauch in' Spanien sich auf. geschwungen, der den Karlisten und. den vouuerstsg, -en 1. Junl lSN. 105. Jahrgang. Republikanern gestattet, ein ungefährliche» Häuflein ihrer Anhänger in die Tortes einzu führen. Man hat es den Monarchisten un möglich gemacht, überhaupt Kandidaten auf- zustellen. Die freie Republik hat tatsächlich nicht bloß das Bekenntnis zur monarchistischen Gefin- nung, sondern schon die Gesinnung selbst unter Strafe gestellt, indem sie bereits die einer solche« Verdächtigen zur Sicherheit in die Gefängnisse ge- sperrt hat. Aus diesem Grunde mehr noch al» zur Verschärfung ihres Protestes haben die Königlichen von vornherein auf jede Beteiligung am Wahlkampfe verzichtet und die Republikaner unter sich gelassen. Eine Furcht vor der Urne war also überflüssig, und sie hat gewiß keine Rolle bei der Verschleppung der „Berufung an das souveräne Volk" gespielt. Aber vielleicht sahen die Gewaltherren des Freistaates hinter der Urne das Gespenst einer abermaligen gewaltsamen Umwälzung hervorlugen. Es wäre diese» Mal wirklich die allererste Pedanterie, geradezu eine Vergewal tigung des Wortfinnes, wollte man von unge setzlichen Mitteln sprechen, falls die monarchistische Partei sich in diesen Zeiten der Republik durch dieselbe Methode entledigt, die sie geschaffen hat. Staatsrechtlich ist ja eine ziemlich kurze Ersetzungs- und Verjährungsfrist unvermeidlich, die auch nach einer Revolution die erfolgreichen Hochverräter zu geschätzten Autoritäten und die Verteidiger der alten Ordnung zu Verbrechern umwertet. Aber die portugiesische Republik war bis zur Stunde noch von keinem einzigen Volke anerkannt und am allerwenigsten von dem portugiesischen selbst. Wenn die Monarchisten sich am 28. Mai in den Waffen erhoben, so nahmen sie einfach den Kampf wieder auf, den ihr König am 4. Oktober viel leicht mehr, noch aus dem Pblegma seiner Charakteranlage und politischer Interesselosig keit als aus würdeloser Verzagtheit im Stiche ließ. Die Entscheidung in dem Bürgerkriege zwischen Royalisten und jakobinischen Klubbisten — man darf die Leute wirklich nicht Republikaner nennen — ist eben im Oktober nicht gefallen. Mit einem Versuche, sie jetzt zu erzwingen, mußte gerechnet werden, und der Wahltag konnte als seine Gelegenheit erscheinen. Er ist vorübergegangen, ohne daß das Er wartete geschah. Ob die Gegenmaßnahmen der Regierung, die massenhaften Verhaftungen der Verdächtigen allein hingereicht haben, ihn zu verhindern, läßt sich nicht feststellen. Auf alle Fälle hat sich die Lage nunmehr so weit ge ändert, daß das provisorische Ministerium heute sich auf einen Schein seiner Bestätigung durch den Volkswillen berufen darf. Die Monar chisten sind ihres Rechtsmittels der Berufung an ihn durch freiwilligen Verzicht verlustig geworden. Beschwerden und Revifionsgesuche könnten sie Mzur vollen Genüge mit der Unfreiheit des Ver- Ehrens begründen; aber für solche Rechtsmittel zweiten Grades gibt es keine nationalen oder internationalen Gerichtshöfe bei politischen Fragen. Die „einstimmig" republikanisch zu zusammengesetzte Kammer wird die Republik zur gesetzeskräftigen Staatsform erklären, und die fremden Mächte werden sich danach zu richten haben. Ihr Widerstreben umkleidete die an sich herzlich schlechte Sache der portugiesischen Repu blikaner bloß mit einem Schimmer nationalen Charakters und trüge ihnen selbst nichts als wirtschaftliche und politische Nachteile ein. Portugiesen aber, die jetzt noch ihren Wider stand fortsetzen, sind die Republikaner von nun an zu strafen berechtigt. Ein Versuch, die Schutzhaft der früher Eingekerkerten in eine Strafhaft umzuwandeln, würde hingegen nach wie vor ein Einschreiten selbst Unbeteiligter rechtfertigen und auf alle Fälle den Stempel brutaler Vergewaltigung tragen. Nicht einmal von „Amnestie" dürfte gesprochen wer den, sondern allein von Niederschlagung des Verfahrens gegen die „Verschwörer" die Rede sein. Ob aber die kritischen Tage Portugals schon vorüber find, ob die Einschüchterung der Mon- archisten den 28. Mai lange überdauern wird, ist eine ganz andere Frage. Verändert hat sich zunächst nichts weiter, als daß, was bisher Kampf gegen die Revolution hieß, von nun an „Gegen - Revolution" genannt werden muß, wenn die Fortsetzung de» Widerstand«» rätlich erscheint. Und ein zweiter „kritischerTag" winkt in sehr naher Zukunft. Am 1. Juli soll da» reichlich gewaltsame Kirchentrennungs- Gesetz in Kraft treten und wird bi» dahin ja auch gewiß seine ihm heute noch fehlende gesetz liche Unterlage erhalten. Gegen seine Durch führung wird der mächtige Klerus gewiß alle seine physischen und moralischen Hilfskräfte entwickeln. Schon hat ihm ein Sendschreiben aus Rom den Rücken gesteift. Der portugiesische Thron ist durch seine schlechte Verteidigung vor läufig zu Fall gekommen, und seine Wieder aufrichtung hat mindestens vertagt werden müssen. Wird der geplante Umsturz auf kirch lichem Gebiet, den das überhastete Trennungs gesetz zweifellos zur Folge hat, das Zeichen zum Losschlagen für die trotz aller Gebrechen der letzten Könige heute wahrscheinlich noch die wirkliche Mehrheit des Volkes besitzende könig liche Partei geben? Auch als das Frankreich von 1792 den König entsetzte, blieben die Pro vinzen noch ruhig. Als der Konvent die Gottes häuser antastete, stand die VendLe auf. Und der Weg von Oporto nach Lissabon ist kürzer als der von Poitiers nach Paris führende. vss Dahlabkommen zwilchen NsttonsMderalen un- -er /orlchrUMchen volkspartei in Sachten. Die varteioffizielle „Sachs. Natl. Korr." schreibt: Wie in vielen Landesteilen ein taktisches Wahl abkommen zwischen den beiden liberalen Parteien zustande kam, so ist jetzt auch im Königreich Sachsen eine 14 Wahlkreise einbeziehende Vereinbarung zur Vermeidung liberaler Doppelkandi daturen getroffen worden. Der Landesausschuß de» NationaUiberalen Landesvereins hat sich aus seiner am 2. April in Leipzig abgehaltenen Tagung grundsätzlich mit dem vereinbarten Vorschlag ein verstanden erklärt und dasselbe ist jetzt durch den Landesparteitag der Fortschrittlichen Volkspartei ge schehen. Nach dieser Vereinbarung sollen folgende Wahlkreise natronalliberaler Kandidaturen vorbehalten sein Dresden-Altstadt, Pirna. Borna, Freiberg, Chemnitz, Zwickau. Annaberg und Leipzig- Stadt; der Fortschrittlichen Volkspartei sind überlassen: Dresden-Neustadt, Meißen, Plauen. Oschatz, Bautzen und Zschopau. — Nach dem Beschluß der Fortschrittlichen Volkspartei soll weiterhin im Wahlkreise Döbeln die national liberale Kandidatur ohne fortschrittliche Eegen- tandidatur bleiben, wogegen sie Mittweida sür eine fortschrittliche Kandidatur beansprucht. Bei der ganzen Sache handelt es sich nicht um Abmachungen politischer Art. sondern um eine tak tische Maßregel. Der Zweck ist, eine Vereinfachung der Kampffront herbeizuführen. In der Presse ist vielfach einer Vereinigung aller bürgerlichen Par teien das Wort geredet worden, aber dieser Vor schlag war von Anfang an wegen der starken poli tischen Gegensätze undurchführbar. Es ist auch höchst zweifelhaft, ob sich damit die Aussichten für den Wahlkampf gegen die Sozialdemokratie sehr ver bessert hätten. Der Wahlkampf wird sich diesmal unter ganz anderen Verhältnissen als im Jahre 1907 vollziehen. Eine Verständigung Zwischen der nationalliberalen Partei und der Fortschrittlichen Volkspartei war möglich und schon deshalb geboten, weil das Schicksal einer ganzen Reihe von Wahl kreisen. die gegen die Sozialdemokratie gehalten werden können, tatsächlich von der Vermeidung eines Wettbewerbs zwischen den beiden Parteien abhängt. Man würde sich nur gegenseitig um die Möglichkeit eines Erfolges bringen. Oertliche Wider stände gab es trotzdem auf beiden Seiten. So wurden von vornhein die Wahlkreise Zittau und Löbau aus geschieden. Begreiflicherweise legte die fortschrittliche Volkspartei, die Zittau und Plauen zu ihrem Man datsbesitz zählt, um so größeres Gewicht auf die Ein beziehung des Wahlkreises Plauen, der im Reichs tage durch ihren Führer Herrn Günther vertreten ist. Da die dortige nationalliberale Führung nicht zu einem Verzicht auf eine eigene Kandidatur zu bewegen war, schien das ganze Abkommen gefährdet. Die nationalliberale Partei batte dann aber auch mit der Rückwirkung auf Wahlkreise zu rechnen, die zu erhalten ihr allererstes Bestreben sein mußte. Da die Führung der nationalliberalen Organisation im 23. Wahlkreise auf ihrem Standpunkte beharrte und schließlich weitere Verhandlungen ablehnte, war der Landesvorstanv genötigt, aus dieser Stellungnahme die Konsequenz zu ziehen. Er hat folgende Er klärung beschlossen: „Nachdem die Nationalliberale Organisation des Reichstagswahlkreises Plauen bestimmt erklärt hat, daß für sie die Verhandlungen über den Wahl kreis Plauen mit der Fortschrittlichen Volkspartei in jeder Richtung abgeschlossen seien, der Landes ausschuß der Nationalliberalen Partei jedoch be schlossen hat, durch Verhandlungen mit der Fort schrittlichen Volkspartei liberaleDoppelkandidaturen zu vermeiden, damit der Sozialdemokratie nicht alle bürgerlich vertretenen Wahlkreise ausgeliefert werden, so sieht sich der Vorstand des National liberalen Landesveretns zu der Erklärung gezwungen, daß er die Kandidatur Graser in Plauen nicht als eine Parteikandidatur anerkennt." Diesem Beschluß ist eine Verständigung mit dem Geschäftsführenden Ausschuß der National liberalen Partei in Berlin oorangegangen. Keichstagslchlutz. (Stimmungsbild au« dem Reichstage.) Berlin, 81. Mai. (Priv.-Tel.) Auch für die Parteien gelten gewisse szenische Ge setz«. Die Sozialdemokraten haben, wie noch, mal« betont werden mag. die äußersten Kampfmittel gegen di« Reichsversicherungsordnung nicht angewen det: aber ihr gar keine Schwierigkeiten entgegenzu stellen, vermochten sie doch nicht über sich bringen. Sie fühlen sich verpflichtet, sich der Masse ihrer Wähler in Kampfstellung gegen di« bürgerlichen Mehrheit». Parteien zu zeigen. Seitdem sich di« parlamentarischen Dinge dem Abschluß zuneigen, bot sich ihnen ein sehr einfaches Mittel dar. Die Geschäftsordnung besagt: „Die dritte Beratung (einer Gesetzesvorlage) erfolgt frühestens am zweiten Tage nach dem Abschluß der zweiten Beratung"; davon kann, da der Reichstag Herr seiner Geschäftsordnung ist, abgewichen werden, jedoch nur dann, wenn kein Widerspruch eingelegt wird Die Sozialdemokraten konnten also auf die Einhal tung der zweitägigen Frist bei der Beratung der Han delsverträge und der anderen noch außenstehenden Vorlagen dringen. Schon gestern wurde von sozial demokratischer Seite nnt dem Zaunpfahl auf diese Möglichkeit hingewiejen und dadurch wurde die Be reitwilligkeit oer Mehrheit, die neuen Kompromiß- vorscbläge zum Einfllhrungsgesetze für die Reichs versicherungsordnung einstweilen an die Kommission zurüc^uoerweisen, verstärkt. Bis zur fünften Nachmittagsstunde behielten die Sozialdemokraten ihr Verhinderungsmittel in der Hand. Bis dahin war die -weite Lesung des sch w «, dischen Handelsvertrags und der «ntspre- chenden Vorlage über Japan erledigt. Aus der ausgedehnten Debatte über den schwedischen Vertrag, die sich wiederum namentlich mit den Pflastersteinen beschäftigt«, erfuhr man, daß die preußische Eisen- hahnverwaltung ernstlich Tariferleichterungen für die heimische Steinrndustrie erwägt und die übrigen deut schen Eisenbahnverwaltungen wohl auch nicht untätig bleiben werden. Die Redelust war so stark, daß ein Antrag auf Schluß der Debatte einsetzen mußte. Zum Verstummen gebracht ist der Widerstand einiger bür- gerlichen Politiker gegen den neuen Vertrag nicht, doch hatten di« großen bürgerlichen Parteien in ihrer Mehrheit ihre Bedenken überwunden. Als die Beratung so weit gediehen war, verlangte die Sozialdemokratie eine Pause, um sich über ihre Haltung gegenüber dem Kompromiß zum Einfüh- rirngsgesetz schlüssig zu machen. Nähere Auskunft über dre Tragweite der gestern eingebrachten Kom- prcmißanträg«, über die schon bestehenden Anstel, lungsverträge der Krankenkassenbeamten waren ja nicht nur auf sozialdemokratischer Seite gewünscht worden. Der Zweck der neuen Vorschläge ist zweifel- los, die Umgehung der neuen Anstellungsvorschriften zu verhüten. Das ist an sich ein berechtigter Wunsch, d«.nn man macht nicht Geseke, damit sie umgangen werden. Abg. Dr. Junck (Natl.) hat sich nun heute früh in der Kommission um die Ausgestaltung der Anträge verdient gemacht, und Abg. Bebel (Soz.) gab nach Wiederaufnahme der Sitzung die formulierte Erklärung ab, daß es gelungen sei, eine Reihe von Verbesserungen in die Anträge hinein zubringen und dadurch seien die Befürchtungen seiner Partei wesentlich abgeschwächt worden. Daher woll ten seine Parteigenossen der Erledigung des Gesetzes keine Schwierigkeiten mehr bereiten, wenn sie auch mit Nein stimmen würden. Mit dieser Erklärung war gewährleiste., daß der Reichstag heute fertig wer den würde. D'.e Kommissionsbeschlüsse wurden zu nächst mit überwältigender Mehrheit angenommen und so die zweit« Lesung des Einführungs gesetzes zur Reichsversicherungsordnung beendet. Die nächste Sitzung, die nur wenige Minuten später anberaumt wurde, galt zehn dritten Lesungen. Neben dem Einführungsgesetze und den beiden Handelsverträgen handelt es sich um die Zündwarensteuernooelle, den Schweizer Nieder- lassungsoertrag und noch fünf kleinere Vorlagen. Im ersten Teil dieser Schlußsitzung hatte der Präsident allein das Wort. Er mußte die Artikel der zehn Vorlagen herzählen und die Abstimmungen vor nehmen. In allen Fällen erfolgte die Annahme mit überwältigender Mehrheit. Der Aufruf der Vorlage über die Beseitigung von Tierkadavern wurde mit allgemeiner Heiterkeit ausgenommen. Der letzte Punkt betraf die Vorlage über die Herbstdiäten, der natürlich auch kein Widerstand entgegengesetzt wurde. Diese Akte vollzogen sich bei starker Besetzung des Hauses und angesichts der gesamten obersten Ver treter der Reichsämter. Neben -em Reichskanzler, der sich sehr aufgeräumt zeigte, hatten sämtliche Staatssekretäre Platz genommeii. Es folgten die letzten Mitteilungen an das Haus: Der Präsident er hielt Vollmacht, über die nächste Sitzung und deren Tagesordnung zu bestimmen, auch für etwaige Kom missionstagungen wird freie Hand gelassen. Dann erhob sich Abg. Bassermann (Natl.), um in eini gen kräftigen Sätzen dem Präsidenten für die gerechte Amtsführung zu danken. Graf Schwerin gab. wie üblich, den Dank an die übrigen Mitglieder weiter. Dann erteilt er dem Reichskanzler das Wort zur Ver lesung der Vertagungsorder. Eine Wendung von per sönlicher Bedeutung schickt der Kanzler voraus. Er betont, daß der Reichstag am Schlüsse einer Tagung stehe, die an aufopfernder Tätigkeit reich war. Das übrige sind in herkömmlicher Form die Mitteilungen von der Vertagung bis zum 10. Oktober kraft kaiser licher Kabinettsorder. Die Sozialdemokraten haben sich in ihrer Mehrheit mit dem übrigen Hause zum Anhören der Verordnung erhoben. Bebel, auch Lede- bour stehen, nur ganz vorn ist Zietsch sitzend bemerk bar. Als der Präsident das Hoch auf den Kaiser ausbringt, entfernen sich die noch spärlich anwesen- den Sozialdemokraten nach dem Hintergrund zu. mehr gedrückt als demonstratio. Bi» zum 10. Oktooer bleiben die Pforten de» Reichstag« geschlossen. * Netersicht Ster die Retchstegserteit. Nach sechsmonatiger Tätigkeit geht der Reichstag in die Sommerferien, um nach einer vierteljährlichen Pause seine Arbeiten nochmals aufzunehmen und da» noch vorliegend« Material zu erledigen. Der erste Teil des letzten Sesfionsabschnttte» von Novem ber 1910 bi» zu den Osterferien war haupt sächlich durch di« Beratung de» Etat» und seiner drei Nebengesetze, des Friedenspräsenzgesetze», de» Zu wachssteuergesetz«» und Le» Reichsbesteuerungsgesetze»
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