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Dresdner Journal : 20.08.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189608205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960820
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960820
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-08
- Tag 1896-08-20
-
Monat
1896-08
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 20.08.1896
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gür Tretden vienellährllch 2 Mart so Ps., bei den «aiser- lich deutschen Postaastalten »nerlellührüchSMark; außer halb de« Deutschen Reiche« Poft- und Stempelzuschlag, trnzelnr Nummern: lü Ps. Erscheine«: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Aernspr -Anschluß: Rr.lSdö. Ärrswer Journal. AnkünDigungSgebüdrea: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner «chnst 2v Ps Unter „Eingesandt" die Zeile SU Ps Bei Tabellen- und Zissernsah entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de« Dresdner Journal» Dresden, Zwingerstr 2V. Fernspr Anschluß: Nr1L»ö. 1896. ^193 Donnerstag, den 2V. Angust, abends. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Vorstande des Statistischen Bureaus der Slaatseisenbahnen, Rechnungsrath Johann Ferdinand Ulbricht in Dresden, den Titel und Rang eines Hofrathes in der 4. Klasse der Hosrangordnung zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Neue nationale Sample in Lähmen. Über die Wirren in der Türkei wenig beachtet, vollzieht sich in Österreich der Werdeprozeß einer neuen Lage, dessen Entwickelung man genauer verfolgen muß, wenn man in der Beurteilung der Erschein ungen nicht fehlgreifen will. Uns wird zu diesem Kapitel geschrieben: Die fortschreitende Verminderung des Einflusses der Deutschen, der in der inneren Politik Österreichs dereinst ausschlaggebend gewesen ist, — eine Ver änderung, an welcher zunächst der mächtige Aufschwung der rasch sich entwickelnden nichtdeutschen Volksstämme, zum Teil aber auch die fehlerhafte Politik der leiten den deutschen Partei, der sogenannten Deutschliberalen, die Schuld tragen — hatte die deutschen Volksführer allmählich zu der Erkenntnis gebracht, daß das Deutsch tum in Österreich noch vor Beginn des nächsten reichsrätlichen Wahlfeldzuges auf einer neuen volks tümlichen Grundlage reorganisiert werden müsse, um den Deutschen in Österreich, wenn auch nicht die frühere Stellung, so doch eine erhöhte Widerstands kraft bei der Abwehr der von allen Seiten das Deutschtum bedrängenden Gefahren zu schaffen. Die Reorganisation des deutschen Parteilebens sollte durch eine gründliche Reinigung des deutschen Volksorganismus von allen seine Entwickelung hemmenden Schädlingen angestreot werden, und dieser Reinigungsprozeß wurde dann auch nach den ver schiedenartigsten Rezepten vorgenommen. Während die immer noch an den Traditionen eines überlebten Liberalismus starr festhaltenden Parteiführer aus der neuen Organisation des Deutschtums nur jene Ele mente ausgeschieden haben wollten, die sich zur radikal- nationalen Politik nicht eigneten, betrieben die Gegner des Liberalismus das Reinigungswerk nach antise mitischer Methode. Außerdem wurden hüben wie drüben Stimmen laut, daß außer den Juden und „gemäßigten Elementen" auch die fortschrittsfeindlichen Christlichsozialen, die bis dahin in der antisemitischen Bewegung mit den Deutschnationalen Hand in Hand gegangen waren, aus dem gemeinsamen Lager aus geschlossen werden sollten. Das Endergebnis dieses „Reinigungswerkes" bestand also schon programm mäßig in einer namhaften Reduktion der politischen Wehrmacht des streitbaren Deutschtums. Dazu kam infolge, heftiger Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Frage, wie weit man bei dem Säuberungsver fahren ohne Preisgebung deutschnationaler Interessen in den von den Slawen ammeistenbedrohtenKronländern gehen dürfe, noch eine bedenkliche Gegnerschaft unter den mit der großen Aufgabe betrauten Führern der beiden durch die Judenfrage scharf von einander ge schiedenen Fraktionen. Wie vorauszusehen war, ergab sich denn schließ lich auch statt der Stärkung des deutschen Partei lebens eine weitere Schwächung der bisherigen Widerstandskräfte des österreichischen Deutschtums, wodurch nun die Gegner des Deutschtums, insonder heit die Tschechen, veranlaßt wurden, gegen die Partei- disziplin der gelockerten deutschen „Landesbrüder" einen mächtigen Angriff auf der ganzcn Linie vorzu nehmen. Dieser galt zunächst dem deutschen Sprach gebiete in Böhmen, das als Hauptbollwerk der Deut schen nicht allein in Böhmen, sondern in ganz Öster reich gilt, der Erfüllung der tschechischen Träume von der Wiederherstellung ihres Nationalstaates das größte Hindernis entgegenstellt. Die Tschechen be stürmten das deutsche Sprachgebiet unter dem Kriegs geschrei: Schutz den tschechischen Minderheiten. Alle zu diesem Zwecke ins Werk gesetzten Anschläge ver folgten das Ziel, der Wiener Regierung zu beweisen, daß es ein geschloffenes deutsches Sprachgebiet in Böhmen überhaupt nicht gebe, weil in allen Städten dieses Gebietes sich ansehnliche tschechische Minoritäten befänden, denen das gleiche Recht auf Pflege ihrer Nationalität zuerkannt werden müsse, wie es die deutschen Minderheiten in Prag, Pilsen und anderen tschechischen Städten besäßen. Gegenüber dieser „Be weisführung" der Tschechen gegen das thaffächliche Vorhandensein eines geschlossenen deutschen Sprach gebietes mußten die Deutschen ihrerseits Beweise für dasselbe beibringen, und sie führten diese Aufgabe bisher auch insofern erfolgreich aus, als sie die tschechischen Agitationen, die in das deutsche Schutz gebiet lediglich eindrongcn, um dort tschechische Minderheiten künstlich aufzuzüchten, mehr oder weniger unsanft wieder heimschickten. Rühmlos be siegt erhoben die Tschechen darauf in ihrer Presse ein gewaltiges Geschrei über die von den bösen Deutschen an den tschechischen Minderheiten verübten Gewaltthaten und forderten die oberste Landesbehörde heftig auf, ihrerseits starke Maßnahmen zum aus giebigen Schutze derselben zu treffen, damit die weiteren tschechischen Anschläge gegen das deutsche Sprachgebiet sodann unter den Fittichen der Staats gewalt neu inszeniert werden könnten. Als aber die Organe der Prager Statthalterei sich zu dieser Zu mutung der Tschechen ablehnend verhielten und die deutschen Städte in Böhmen Anstalten machten, zur Abwehr des tschechischen Ansturmes sich zu einer Art von „schmalkaldischem Bunde" zusammenzuthun, da erhob das slawische Prag sein cuput um gegen die Meuterei der deutschen Städte einen neuen Feldzug anzukündigen. Ein jungtschechischer Reichsratsabgeordneter forderte die Stadtvertretung der Landeshauptstadt auf, den von Gott und der Regierung den Deutschen auf Gnade und Ungnade aurgelieferten tschechischen Minderheiten zu Hilfe zu eilen Sein Antrag, eine größere Geldspende aus der Stadtkasse für den tschechischen Agitationsfonds bezweckend, wurde einstimmig angenommen und dem Stadtrate zur Ausführung überwiesen. Tags darauf wurden zu gleichem Zwecke noch anderseits tausend Gulden gespendet, und nun erging auch an dieübrigen tsche chischen Städte der Ruf, diesem Beispiel Folge zu leisten und durch Zeichnungen von größeren Beiträgen den tsche chischen Kriegsfonds auf die nötige Höhe zu bringen. Der Kampf um das heißumstrittene deutsche Sprach gebiet in Böhmen wird also mit auf beiden Seiten verstärkten Kräften wieder beginnen. Er dürfle nur in dem Falle für die Deutschen erfolgreich enden, wenn die Fraktionen derselben ihre jetzt noch gegen einander gezückten Waffen einträchtig gegen die fest geschlossenen Reihen der Gegner kehren. Die Re gierung wird es im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sicherlich nicht an geeigneten Vorkehrungen zur Verhinderung größerer Konflikte zwischen ihnen und den Tschechen fehlen lassen, aber auf eine direkte Inschutznahme von Seiten der gegen wärtigen Regierung haben sie nicht zu rechnen, da letztere, vor der außerordentlich schwierigen Aufgabe, der Erneuerung des Ausgleiches mit Ungarn, stehend, sich nicht selbst den Weg zu Kompromissen mit den Tschechen wird verlegen wollen. Zur Leise des Zaren. Mit einer beachtenswerten Gcslissentlichkeit wird von St. Petersburg aus immer und immer wieder betont, daß Fürst Lobanow den Zaren bei dessen Aus landsreise nur nach Österreich Ungarn, Deutschland und Frankreich begleiten, dagegen den anderen Be suchen des Zaren, die lediglich einen familiären Cha rakter trügen, nicht beiwohnen werde. Dies ist in den letzten Wochen wiederholt berichtet worden und wird jetzt abermals in einer St. Petersburger Zu schrift der „Politischen Korrespondenz" hervorgehoben. Die „Kreuzztg " bemerkt, daß die Sache ihre Richtig leit habe. Aber, fährt das Berliner Blatt fort, man fragt sich gleichwohl, warum man es von russischer Seite für notwendig erachtet, fo viel Gewicht darauf zu legen Es ilt die Vermutung oufgetaucht, daß eine bestimmte Absicht damit verbunden sein könnte. Russische und französische Blätter haben in der jüngsten Vergangenheit mehrfache Andeutungen in dem Sinne enthalten, daß anläßlich der europäischen Reise des Zaren und seines ersten Ratgebers auch die Örient frage eine wichtige Rolle spielen und möglicherweise, was die Stellung der Großmächte zu derselben betrifft, diplomatisch um ein gutes Stück vorwärts gebracht werden dürfte. Hingegen werden eng lische Blätter nicht müde, von einer englisch russischen oder englisch-russisch französischen Ver ständigung über die orientalischen Angelegenheiten zu sprechen und eine solche teils als möglich, teils sogar als wahrscheinlich hinzustellen. Man wäre nun zur Annahme geneigt, daß in den eingangs erwähnten Wiederholungen zu verstehen gegeben werden solle, daß wohl die Zarenreiscn nach Österreich Ungarn, Deutsch land und Frankreich eine politische Bedeutung Hütten, daß aber das Gleiche bei dem Zarenbesuch in England nicht der Fall sei. Daß der Zar in Dänemark und in Hrssen keine politischen Nebenzwecke verfolgt, konnte sich jedermann aus eigenem sagen, und somit wäre der immer wieder erneute Hinweis aus das Fernsein des Fürsten Lobanow von dem Besuche in England vielleicht wirklich in der angedeuteten Weise aufzu fassen. Damit ließe es sich auch wohl zusammen reimen, daß in der letzten Zeit, wie bekannt, mehrfach verlautet hatte, die festländischen Mächte würden ge- Lebenenfalls auch ohne England zu einer anderen als nur diplomatischen Aktion im Orient sich entschließen, während unmittelbar nach der Verwerfung des Blockadevorschlags durch England von sonst zuvcr lässiger Seite verlautet hatte, daß überhaupt jeder aktive Schritt seitens der Mächte unterbleiben werde. Auf eine einfachere Formel gebracht, hieße dies etwa, daß man in England der Begleitung des Zaren durch den Fürsten Lobanow nach Oesterreich-Ungarn, Deutsch land und Frankreich nicht ohne gewisse Beklemmungen entgegensetze und dem Zarenreich Anerbietungen in betreff einer Sonderverständigung zu machen bereit wäre, daß aber in Rußland keine Neigung bestehe, auf derlei britische Anerbietungen einzugehen, sondern daß man es vorziehe, an der Seite der ungleich ver läßlicheren Kontinentalstaaten zu verbleiben Jeden falls sprechen für diese letztere Annahme mehrfache vollwertige Thatsachen. Wenn aber bis nach der Zarcnreise in betreff Kretas nichts Greifbares ge scheheu soll, so könnte es damit überhaupt zu spät werden. Auch diejenigen, die in der Mission Zichni Paschas mehr als einen bloßen Lückenbüßer sehen wollten, müssen nachgerale zur Erkenntnis gelangen, daß es gefährlich sei, noch länger mit irgend einer entschiedenen That zu zögern. Interessant sind auch zwei letzthin gemachte Äußer ungen französischer Blätter zur Zarenreise, in denen natürlich nicht von Loudon, sondern von Berlin die Rede ist. Im Gegensatz zur deutschen Presse, die allmählich die unnötigen Tisteleien über den Umstand, daß der Zar nach Breslau anstatt nach Berlin kommt, aufgegebcn hat, fahren die Pariser Zeitungen mit Erörterungen darüber noch fort. So Haden sich der „Figaro" und andere namhafte französische Blätter „aus Berlin" folgendes melden lassen: „Kaiser Nikolaus II. hat soeben mit Bezug auf seine Reise durch Europa Frankreich einen rührenden Be weis seiner Freundschaft gegeben. Alles war hier geschickt kombiniert, damit Ihre Majestäten am Jahrestage von Sedan auf deutschem Boden wären. Der Kaiser von Rußland hat es vorgezogen, seine Reise in Europa zu unterbrechen und nach Rußland zurückzukehren (nach Annahme des „Figaro" scheint Rußland außerhalb „Europa-" zu liegen. Die R.) unter irgend einem Vorwande, um nicht den für Frankreich erniedrigenden Festen beizuwohnen. Diese Rückkehr nach Rußland hat mehr noch als die Wahl von Breslau oder Görlitz für den Kaiserlichen Be such die deutsche Regierung überrascht und eine Modi fikation des Festprogramms zur Folge gehabt." . . Dem gegenüber veröffentlicht der „Temps" das fol gende St. Petersburger Telegramm: „Die Thatsache, daß die Begegnung zwischen dem Zaren und dem Kaiser Wilhelm in Breslau und nicht in Berlin statt- findet, erklärt sich, so sagt man in den politischen Kreisen St. Petersburgs, ganz natürlich aus dem Um- stande, daß die Fahrt Nikolaus II. durch Deutschland gerade mit der Abwesenheit des Kaisers Wilhelm von Berlin zusammentrifft. Einzig aus diesem Grunde — einen anderen giebt es nicht — bat man für die Zu sammenkunft Breslau wählen müssen, wo der Deutsche Kaiser bei Gelegenheit der Manöver weilt, zu denen er den Zaren emgeladen hat." . . Diese Botschaft ist richtig, allein bei der großen Mehrheit der Franzosen wird der Glaube daran wohl fehlen bleiben. Tagesgeschichk. Dresden, 20. August. Von auswärtigen Blättern ist in den letzten Tagen die Nachricht verbreitet worden, daß die Teilnahme Sr. Majestät des Königs von Sachsen an den Kaisermanövern unwahrscheinlich geworden sei, weil der Gesundheits zustand Allerhöchstdesselben zu wünschen übrig lasse. Demgegenüber sind wir ermächtigt worden, mitzuteilen, daß Se Majestät der König, Ällerhöchstwelcher Sich einige Schonung auferlegen müssen, zwar nicht nach Görlitz gehen, wohl aber der Truppenparade bei Zeithain am 3. September sowie den Kaisermanövern am 10, 11. und 12. September beiwohnen und zu diesem Zwecke an den letztgenannten drei Tagen in Bautzen Wohnung nehmen werden — Se. Majestät der König begaben Sich in De- gleuung des Flügeladjutanten Majors v Ehrenthat heute früh 6 Uhr 37 Minuten von Niedersedlitz aus nach Klingenberg und von dort auf Grüllenburger Revier zur Hochmildjagd, an welcher auch Se Königl. Hoheit der Prinz Georg teilnahmen Nach Beendigung der Jagd gedenken Se Majestät nachmittags um 0 Uhr von Klingenberg aus nach Rehefeld zu reisen. Voraussichtlich erfolgt nächsten Montag vormittag die Rückkehr des Monarchen nach Dresken. Deutsches Reich. * Berlin Se Majestät der Kaiser hörten gestern vormittag im Neuen Palais den Bortrag des Chefs des Zivilkabinetts und nahmen später die Marinevorträge ent gegen — Se Majestät der Kaiser haben unter dem 18 d Mts das Bürgerliche Gesetzbuch und das Ein führungsgesetz zu demselben Allerhöchst vollzogen Gegen- gezeichnet sind die Ausfertigungen dieser Gesetze von dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe Die Verkündung im „Reichsgesetzblatt" steht unmittelbar bevor Kunst und Wissenschaft. Refidcnztheater. — „Die Barbaren". Lustspiel in vier Akten von Heinrich Stobitzer. Halbwegs litteraturkundige Leute wissen, daß die deutsche Dichtung aus der großen Zeit von 1870 und 1871, aus der gewaltigen Erhebung der Nation und der Wiedergeburt de» Reiches nicht die gehoffte künstlerische Anspannung und Befruchtung gewonnen hat Allerdings war ein große« schöpferisches Element in den langen Jahren der Sehnsucht nach dem Ideal der Besten unseres Volkes verbraucht worden, und die nächste Zeit nach den welterschütternden Ereignissen sah ein teils beutegieriges, teil» von der Schwere der weiter zu lösenden Ausgaben bedrücktes Geschlecht, welches sich nicht geneigt zeigte, dem Sange der Poeten zu lauschen. Aber demungeachtet ist der Niederschlag der gewaltigen Vorgänge in unserer Litteratur ein unerwartet und unverhältnismäßig geringer gewesen, die Freude, der Stolz über die ungeheuren Errungenschaften hat in der Dichtung einen sehr schwachen Widerhall gefunden Dabei ist die Menge der Produktion bedeutend, in Prosa und Vers, in der Form de« Drama«, des Epos und namentlich der Novelle sind zahllose Versuche unternommen worden, sich de« neuen Stoffkreises zu bemächtigen; nur haben gar wenige vermocht, den Geist der Zeit zu ersoffen, ihn in Charakteren und Konflikten kräftig und eigentümlich abzu spiegeln, aus der Fülle der Erscheinungen da« Wesentliche herauszuheben und künstlerisch zu gestalten, von Cinzel- schicksalen aus zu einem allgemeinen Menschen- und Welt bilde zu gelangen Die Mehrheit der Schriftsteller, die sich an jene Kämpfe und Wandlungen angelehnt haben, ist über da» Episodische, über die nächstliegenden Kombina tionen von Freunde«- und Feindesschicksalen, von deutschen und französischen Lebensanschauungen, kurzum über die äußerliche Konzeption und Wirkung nicht hinau«gekommen,und ein höheres Ziel ist auch in denjenigen Arbeiten verfehlt worden, die erst anläßlich des Jubiläums im Vorjahre ent standen sind Der Aufschwung in jener Periode hat die Phantasie und das Gestaltungsvermögen der Dichter nicht mit sich gerissen, die große Zeit ist nur in den kleinen Beziehungen, in den Regungen auf der Oberfläche von der Litteratur angenommen worden Stobitzers Lustspiel geht ebenfalls nicht über dieses Niveau hinaus. Seine Barbaren — preußische Ulanen — spielen die Rollen, wie wir sie aus hundert älteren Er zählungen, von denen die ersten gleich nach den ersten Siegestagen «uftauchten, genugsam kennen; sie vernichten alle von französischen Zeitungen über sie verbreiteten Schauermären durch ihr chevalereSkes Auftreten mit einem Schlage, sie begegnen dem Überlegenheitsgefühl des Feindes mit Würde, seiner Nichtachtung und Drohung mit stolzer Sicherheit, sie erobern sich die Hochschätzung ihrer unfreiwilligen Gastgeber und gewinnen gar Herz und Hand der Landeitöchter. Man braucht nur einen Blick auf das Personenverzeichni« des Stückes zu werfen und sieht sofort alle Maschen, mit denen das dürftige Netz der Handlung zusammengefügt ist. Ein preußischer Rittmeister und ein Lieutenant, zwei Töchter eines französischen Marquis, das macht zwei glückliche Paare, der Marquis selbst und seine Gemahlin sind die Bekehrungsfähigen, während Herr v Chavenay der mit allem Handwerkszeug französischer Phrasenmacherci hantierende Chauvinist ist De« Rittmeisters Diener Finke sorgt für etwa« Urwüchsigkeit und Heiterkeit und braucht auch im Punkte der Liebe nicht leer auSzugehen, da im Dienste des Marqui« sich ein Stubenmädchen, Köchin und Zofe befinden, unter denen sich der gute Bursche mit sicherem Blick alsbald für die erstere entscheidet Noch befindet sich ein Sohn des Marquis zwischen den Figuren de« Lust spiel«, der, bei Orlean« schwer verwundet, in einem deut schen Lazarett geheilt worden ist und zur rechten Zeit in da« elterliche Schloß zurückkehrt, um mit einem Loblied auf den Feind in die Verlobungüszene einzugreisen. Dieses erfreuliche Ergebnis der vier Akte wird im übrigen da durch ermöglicht, daß der Rittmeister erst der Komtesse Adrienne und sodann diese ihm das Leben rettet und daß Hr. v. Chavenay, der mehrmals Chance erhält, die Hand einer der beiden MarquiStöchtcr zu gewinnen, sich als ein Feigling erweist So paaren sich in der Erfindung Züge, die in der gleichartigen Litteratur schon beim ersten Anlauf auf dieses Gebiet verbraucht worden sind, mit einem Einschlag Marlittscher Romantik. Die Handlung bietet uns nicht die leiseste Ueberraschung und die Figurenzeichnung weist nicht eine originelle Linie auf In der Gruppierung sind Licht und Schatten schlecht verteilt, die preußischen Offiziere haben es sehr leicht, den «inen französischen Maulhelden unterzuducken Dor allem aber dringt die Charakteristik nirgends bis zum seelischen Bilde vor, die Dar stellung bleibt im leisesten Umriß stecken und geht ausschließlich auf die leicht theatralische Wirkung. Anderseits herrscht im Dialog, wenn da auch kein ein ziges begeistigte» und beseeltes Gespräch zu stände kommt, vielfach eine muntere, von manchen frischen Einfällen unterhaltene Bewegung, und es ist jedenfalls ein Vorzug de« Lustspiels, daß es darin einen der Kunstform ange messenen, in Ernst und Scherz schon gewählteren Ton an- schlägt und bewahrt Nimmt man da» Lustspiel als patriotisches Gelegev- heitsstück, als welches e« im vorigen Jahre auch schon seine Schuldigkeit gethan hat, so wird man die kritische Stimme gerne mehr dämpfen und die Gewandtheit des Verfasser« noch lebhafter anerkennen Auch gewährt das selbe, wie man auch den Gesichtswinkel stellen möge, trotz allem Mangel an Erfindung und poetischer Ge staltungskraft, immerhin eine harmlose Unterhaltung und macht eine freundliche Wirkung, die schon um de« Gegen stände« willen nicht autbleiben kann Zugleich enthält e« mehrere dankbare Rollen und läßt sich überhaupt nicht schwer spielen. Nur bei einer Figur (Chavenay) liegt die Gefahr nahe, daß der Darsteller dieselbe allzusehr auf die komischen Effekte hin behandelt und dadurch das Gegenspiel der deutschen Offiziere noch müheloser erscheinen läßt, was den Gesamteindruck beeinträchtigt Hr Witt ist bei aller sonstigen Geschicklichkeit dieser Ge fahr nicht ganz ausgewichen und hat auch bei den In vektiven des Hrn v Chavenay mehrfach den spöttischen Ausdruck mit dem Ton der Ungezogenheit verwechselt. Im ganzen ist die hiesige Darstellung sehr brav, sicher und frisch im Zusammenspiel und besonders gelungen in den männlichen Partien, welche von den Herren v Klinkow- ström, Burmester und Friese gegeben werden Unter den weib lichen Kräften tritt Frl Fürst hervor P. Die nordischen Reiche auf der Berliner Kunst ausstellung. Daß die Zeiten vorüber sind, wo die Kunst der drei nordischen Reiche ihre Nahrung aus Deutschland zog, wo namentlich aus Schweden zahlreiche Kunstjünger nach Düsseldorf strömten, wißen wir längst Wir wißen auch — schreibt Adolf Rosenberg („Post") in einem seiner ge diegenen Aufsätze über die Berliner Ausstellung — daß nicht ein etwaiger Niedergang der deutschen Kunst die Schuld daran trägt, sondern nur die deutschen Siege von 1864 bis 1871, die uns unsere nordischen Stammesgenossen trotz aller internationalen Höslichkeitsbeweisc nicht vergeben zu können scheinen Bei Dänemark, daß einst seinen Thorwaldsen mit uns geteilt hat, sind diese Ge fühle der Abneigung begreiflich und verzeihlich Daß aber auch die schwedischen und norwegischen Künstler fast vollständig mit der deutschen Kunst gebrochen haben, erklärt sich nur aus dem beständigen Wachstum radikaler politischer Anschauungen in den beiden König reichen, die sehr bald zu einem engen Anschluß an die Kunst und die Litteratur der französischen Republik ge drängt und dadurch auch die Absage an Deutschland
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