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Dresdner Journal : 10.08.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189608102
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960810
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960810
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-08
- Tag 1896-08-10
-
Monat
1896-08
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 10.08.1896
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Kür Dresden viertestLhrlich r Mart bv Ps, bei den Kaiser lich deutschen Postanstalten vierteljährlich »Mart; außer halb de- Deutschen Reiche« Pvst- und Stempelzuschtag. Ltnzelne Nummern: to Ps Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der kann- und Feiertage abend« Fernlpr-Anschluß: Rr.lSSä. Dresdner Journal. «nkündigungsgebührkn: Für den Raum einer gespal tenen Zeile lleiner Schrift LU Ps Unter „Eingesandt" die Z-ile üu Pf Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de- Dresdner JournalS DreSdcn, Zwingerstr LV. Fernjpr Anschluß: NrI2S5. ÄS 184 18S6. Montag, den 10. August, abends. Diejenigen AezieKer unseres Blattes, welche dasselbe von hier aus nach einem andern Aufenthaltsort nachgesendet zu haben wünschen, bitten wir, mit der bezüglichen Bestellung gleich zeitig die an die Post zu entrichtende Über- weisungsgebühr einsendcn zu wollen. Die selbe beträgt im ersten Monat eines Viertel jahres 60 Pfg., im zweiten Monat 40 Pfg. und im dritten Monat 20 Ps. Auf ausdrücklichen Wunsch besorgen wir die Nachsendung unter Kreuzband. Die Ge bühren hierfür richten sich nach dem Gewicht der einzelnen Sendungen. Lönigl. Expedition -es Dresdner Zournals. Amtlicher Teil. " Dresden, 9. August. Se. Kvnigl. Hoheit der Prinz Albert, Herzog zu Sachsen, hat Sich gestern Abends 7 Uhr 31 Min. über Leipzig nach Süd deutschland begeben. Dresden, 31. Juli. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Kirchschullehrer Kantor August Ferdinand Gurke in RennerLdorf das Albrechtskreuz zu verleihen. WekannLrncrchung, Erweiterung der Befugnisse des Staatsaichamts zu Zwickau betr., vom 7. August 1890. Dem Staatsaichamte zu Zwickau ist zu den in der Bekanntmachung, die Errichtung von König lichen Aichämtern in Zwickau und Bautzen betreffend, vom 13. Februar 1893 (Gesetz und Verordnungsblatt Seite 62) erwähnten Befugnissen noch die Befugniß zu Aichunq von Fässern ertheilt worden, was hier mit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Dresden, am 7. August 1896. Ministerium des Innern. Für den Minister: Vodel. Schneider. Srnenulmgev, Versetzungen rc. im öffentlichen Dienste. Departement der Finanzen. Bei der Verwaltung der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen sind ernannt worden: Adolf Ferdinand Erwin Bauer in Priestewitz. Orkar Buschner in Plauen i V, Heinrich Oswin Claus in Leisnig, August Albin Lüdecke in Dresden-Fr., Paul Richard Müller in Chemnitz, Georg Marlin Prems in Reichenbach i. V., Friedrich Wilhelm Putzger in Dresden A., Franz Theodor Rost in Wurzen, Max Theodor Rudorf i.i Dahlen, Fürchie- gott Eduard Schafer ru Dresden-N, Feodor Hugo Schrei ner in Leipzig I, August Franz Silber in Böhlen. Martin Voigt in Drrsden-A, Wilhelm Ewald Weber in Ebersbach, sämtlich zeither Staliontassistenten II. Kl , a!S StationSaffisten- lenl.kl.; August Emil Henke, zeither StationSa>sistcnt II. Kl., al» StalionsaMent I. Kl. in Großschönau; Kurt Moritz Gerber in Dohna und Alexander Reindl in Demitz, zeither Ausseher II. Kl, als Aufseher l KI; Wilhelm Ewald Martin Döring, Karl Gustav Adolf Freiberg, Karl Robert Junge, Ernst Hermann Kermes, Karl Eduard Rudolf Kirsten, I)r pbü. Emil Gustav Lücke, Reinhold Emil Pönitz, Benno Alsrcd Reimann, Johann Evuard Schubert, Albert Richard Schwarze, Franz Johann Seifert, Karl Gustav Unger und Friedrich Wilhelm Weber, zeither Expeditions-HilsS- mbeiter, als Bureau Assistenten in Dresden; Albin Meise und Franz Enni Schmidt, zeither Expeditions-Hilfsarbeiter, als Bureau Assistenten in Chemnitz; Hermann August Sachs, zeit her Weichenwärter II. Kl., als Schirrmeister in Reichen bach i B. Nichtamtlicher Teil. Ein weiker Nabt. Die „Franks. Ztg." veröffentlicht die Zuschrift eines Franzosen, in welcher das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland erörtert wild. Es geschieht das in einer so unbefangenen, klaren und energischen Weise, daß diese Ausführungen unserer vollen Aufmerksamkeit und Anerkennung wert sind. Der Schreiber, ein angesehener Pariser Gelehrter und Publizist Namens Paul Fournier, bezeugt in seiner Auffassung ein starkes historisches Gefühl und hält in seiner Darstellung den Franzosen einen Spiegel vor, der kein schmeichelhaftes, aber ein wahres Bild zurückwirft. Ein Franzose, der zugesteht, daß Elsaß- Lothringen Frankreich gar nicht gehört habe, und der aus dem großen Kriege nur heilsame Folgen materieller und moralischer Art für sein Vaterland herleitet, spricht freilich nur im Namen eines unendlich kleinen Kreises geistig hochstehender Landsleute; seine Dar legungen sind denn auch nicht als politisches Sympton zu verwerten, und die deutschen Leser können außer mit ihrem Beifall nur mit dem frommen Wunsche dai auf antworten, daß der Standpunkt des Hrn. Fouruer allmählich von immer mehr Franzosen angenommen und in ihrer Heimat liäfiig zum Ausdruck gebracht weiden möchte. Hr. Fournier hat mit seinen Ausführungen schon um deswillen zu einem deutschen Blatte seine Zuflucht genommen, weil nach seinen eigenen Worten „noch kein Blatt meines Landes es wagen würde, laut das auszusprechen, was die erleuchtetsten Köpfe unserer Aristokratie ganz im geheimen zu denken anfangen". Andernteils ist er durch mannigfache Auslassungen der „Franks. Ztg." über sein Thema veranlaßt woiden, sich gerade an dieses Organ zu wenden. Er beginnt denn auch damit, letzterem seine Zustimmung zu den von selbigem vertretenen Ideen in Bezug aus die dcmsch französische Lage auszudrücken, und stellt danach sein Thema auf: „Indem Deutschland zwei Provinzen wiedernahm, die moralisch ihm gehörten, hat es nicht bloß seine natür lichen Grenzen wiedcrgewonnen, sondern es hat auch der Sache der Zivilisation und Frankreich selbst den größten Dienst erwiesen, den die Geschichte je zu ver zeichnen hatte." Daß man in den großen Bewegungen der Invasion nur Ausbrüche der rohen Gewalt er blickt, bezeichnet er als einen sehr schweren, in Frank reich allgemein verbeiteten Irrtum, dessen Widerlegung er sich in der folgenden, für einen französiichen Äntor bis zur Übertreibung rücksichtslosen, unerhört frei mütigen Darstellung angelegen sein läßt. Er schreibt: Sicherlich wäre cs unnütz gewesen, am Tage nach der Be lagerung von Paris eine gerechte Beurteilung der Thatsachen zu verlangen, die Frankreich cine Zerstückelung, den Tod von bOOOOO Men chen und unberechenbaren materiellen Schade» eingebracht haben Aber heute, nach einem Frieden von fünf undzwanzig Jahren, der den ersten Zorn verrauchen ließ, zwingt uns alles zu Anerkennung der Wahrheit, daß der Krieg von 1870, trotz der Wunden, d e er unserer Eigenliebe schlug, für uns eine Wohlthat gewesen ist. Vom materiellen Standpunkte aus betrachtet, hat uns der Krieg zunächst von der Verwirrung besrcii, in der uns beständig zwei Provinzen erhielten, die nur dem Namen nach französisch waren, in Wirklichkeit aber weder unseren nationalen Charakter, nech unsere Neigungen, ja nicht einmal den Genius unserer Sprache hatten. Elsaß und Loih- ringen sind in keinem Abschnitt der Geschichte organische Glieder des französischen Vaterländer gewesen Nur Unwissende können behaupten, daß wir jemals väterliche Ansprüche aus zwei Mil lionen Bewohner halten, deren Typus, Sitten, Sprache und Überlieferungen tief eingedrückt den germanischen Stempel tragen. Für die Nationalität ist nicht die Fahne entscheidend, sondern die geographische Gestaltung des Landes, die Bodcnbildung, die Verteilung der materiellen Quellen des Lebens. Man braucht nur einen Blick aus das Rheinthal zu werfen, um sosort zu begreifen, daß Vogesen und Schwarzwald die Abhänge eines uns desselben Thales sind, in dessen Mitte der Strom fließt, der den Reichtum des ThaleS bildet und seine ethno graphische Entwickelung beherrscht Ist es jemals den Italienern in den Sinn gekommen, zu behaupten, daß das nördliche User des Po rechtmäßig zu Frankreich oder zn der Schweiz gehöre, während das südliche allein italienisch ist/ Eine solche Behauptung wäre lächerlich Warum sollte cs mit dem Rhein anders sein / Haben n cht seit achtzehnhunderl Jahren alle über Europa hin verstreuten Völkerschaften nach dem einen Ziel gestrebt, sich in den durch Hochgebirge und große Ströme angezeigten Grenzen zu befestigen / Und ist nicht überall, wo die Grenzen mit der crsten Anstrengung er reicht wurden, der Fr ede die notwend ge Folge von Grenzen gewesen, die den natürlichen Bedingungen entsprachen? Hat Spanien jemals Anspruch daraus gemacht, die Pyrenäen zn überschreiten ? Girbt es einen einzigen Portugiesen, der den Gedanken nährt, sein Land über die Berge von Estramadura hinaus zu vergrößern? Denkt Schweden daran, daß es weise wäre, au- seinen Bergen heranszngehen, um sich die Ebenen Nordrußlands anzueignen? Warum also sollte sich Frankreich darauf versteifen, als unentbehrlich für die Erhaltung seiner Nationalität einen Landstrich zu betrachten, der vollständig zur physischen Gesamtheit Deutschlands gehört? Elsaß und Loth ringen. die Ludwig XIV. zu erobern den Fehler begangen hat, mußten notwendigerweise eines Tages zu ihrem Ursprünge zu- rückkehrcn. Sie waicn deutsch, und deutsch werden sie bleiben Niemals, zu keiner Zeit sind sie sranzösisch gewesen Der beste Beweis für die Notwendigkeit, die zu diesem Ergebnis gesührt hat, ist der Umstand, daß ihre Frucht der Friede, eine griede von jetzt mehr a:s einem Viertcljahrhundert Tauer gewesen ist. Wenn Frankreich eine solche Ruhe genossen hat, sür die man in seiner langen Geschichte vergeblich nach einem zweiten Bei spiele suchen würde, so verdankt es dies nnr dem Verluste der „beiden Schwestern". Dieser Verlust ist al o in Wirklichkeit kein Verlust Für unL ist >r im Gegenteil ein Gewinn, und ganz Frankreich, wenn es nicht unglücklicherweise vom eng herzigsten Chauvinismus beherrscht wäre, müßte anerkennen, daß es im Grande keine Idee giebt, die unseren wahrhaften Interessen mehr zuwider ist, als die Revanche Vom moialischen Standpunkte aus betracht,t, sind die Folgen des Krieges nicht m nder bcmerkcnswert Wir Fran- zoen hab.n aus der napoleonischen Zeit eine Übei Hebung, Oberfläch ichkeit, Eitelkeit und vor allem eine aggressive Mein ung geerbt, die geradezu lächerlich sind. Was bei anderen Völkern nur ein episodischer Zustand war, ist bei uns in die erhabensten und häufigsten Kundgebungen las Geistls über- gegangen. Vor 1870 war es bei unsern größten Schrift stellern eine gewöhnliche Erscheinung, daß sie ihre Werke mit einer Huldigung an daS unbesiegbare Genie Frankreichs, an seine Überlegenheit und die Führeischaft seiner universalen Ge Walt einführttn. Unsere scharfsichtigsten Geschichtschreiber, Thiers, Michclet, Guizot, ließen in ihren weitesten Spekula tionen eine naive Unkenntnis der andern zivilisierten Völker erkennen. Frankreich war sür sie das Zentrum der Welt, nnd weil Paris ini Mittelalter an der Spitze der Hauptstädte des menschlichen Geistes stand, so bemerkten sie nicht, daß ihr Urteil durch die zu lange Versenkung in eine unwiderruflich verschwundene Vergangenheit getrübt war Tie deutsche In vasion hat dielen Nebel der nationalen Eitelkeit verscheucht. Wir haben schließlich eingesehen, daß es außer Frankreich Völker girbt, die ebenso r.ich sind wie wir an schöpferischer Kraft, künstlerischen Übcrluserungen und wissenschaftlicher Zu- kunst. Wenn wir Bismarck und Moltke nur dieses Erwachen des gesunde» Mensch.nverstandeS unter unsern Bürgern und Bauern verdanken würden, so wäre es hinreichend, um uns für die Verminderung des Territoriums, die der Preis dafür mar, zu entschädigen. Die guten Folgen dcS Krieges sind damit nicht crichöp t. Seil den älteste» Zeiten hat der Franzose aus Grund jener Eitelkeit, dir, wie schon N.polcon richtig erkannt hatte den Wcsenszug unseies Charakters bildet, sich die berühmte „Ritter lichkeit" beigelcgt Kein Zeitungsartikel, kein Roman, kein sonstiges litterarisches Werk ist im Lause der letzten sünszig Jahre erschienen, in dem man nicht hundert Male die Berufung aus die ..ritterliche Seele Frankreichs' finden würde. Ter un bedeutendste Provinzjournalist schrieb und schreibt heute noch von Fiankreich als dem „Voikämpfcr der Menschheit' . Nie mals hat übertriebene Eigenliebe ein Volk dazu gebracht, sich mit einer solchen Lächerlichkeit zu bedecken Ich gestehe, daß es sür uns wenige, die wir inmitten dieser Dnmmhcitsüberflutung ein Stück Urteilskraft bewahrt haben, nichts Unerträglicheres und Empörenderes giebt, als diese Manie, die Unwissenheit unsercr nutzeren Klassen zu mißbrauchen und ihnen eine so ab surde Idee von ihrer Rolle und ihrer sozialen Stellung beizu bringen Frankreich hat gewiß in der Entwickelung der Mensch heit einen hervorragendcn Platz eingenommen, aber dieser Platz steht nicht höher als England oder Italien ihn ebcnsalls ein genommen haben Ter Krieg von »870 hat uns also dieLchre gegeben, daß wir zurückkchren sollen in die Schranken jener Mäßigung, von der sich eine ganze Nation ebensowenig ent fernen darf wie ein einzelnes Individuum. In diesem Punkte hat Deutschland der Zivilisation einen der wichtigsten Dienste eiwiesen. Ich füge kni. daß, vom Gebiete der reinen Spekulation aus betrachtet, die Invasion Deutschlands nicht minder fruchtbare Ergebnisse gehabt hat. Das sraazösische Genie ist dadurch, daß es in der Betrachtung seiner selbst vollständig ausging, schließ lich auSgeirocknet und sozusagen vcrkuöch.rl worden. Unsere Eigenschaften sind in unverbesserliche Schiefheiten ausgeariet Wir waren so weit gekommen, unser Bedürfnis nach Klarheit nnd Logik alS einziges Ziel unserer Bestrebungen zu betrachten Aber, um ganz klar zu sein, wurden wir nichtssagend, und in der übermäßigen Suche nach äußerlicher Genauigkeit verfielen wir dem Gesuchten und Gekünstelten Wir kehr:cn zur Scholastik zurück mit ihren Schrindeduktionen, imaginären BegriffSbild ringen und leeren Spitzfindigkeiten. Wie viel wahrhaft wert volle Werke hat denn die Periode, die von 1830 bis 1870 geht, zu Tage geiördert ? Kein einziges Tie beiden Schriftsteller, die allein ein dauerndes Andenken hiut.rlassen, Tainc und Renan, verdankten ihre Kraft nur dem Umstande, daß sie vorsichtiger weise auf den Geist der deutschen Philosophie sich stüyien Während unsere Metaphhsikcr und Philosophen in jenem Kreise blieben, den man stolz die reine französische Tradition nennt, haben sie nnr geistige Automaten und ein unveidauliches Chaos geschaffen Darum sei Deutschland Dank erwiesen sür die Fruchtbarkeit, die es dem französischen Geiste gespendet hat Ohne die heftige Erschütterung, die uns gezwungen hat, uns zu fragen, ob nicht außer uns noch andere Quellen des Kultur lebens existieren, würden wir jetzt noch im Wiederkäuen der Werke unserer Vorsahren und in der Bewunderung unsercr eigenen Herrlichkeiten dahinsiechen Wenn wir vom philosophischen aus das moralische Gebiet uns begeben, so finden wir, daß die Wohllhatcn, die wir von der dentschen Eroberung empfangen haben, noch ausfallender sind Auch die oberflächlichste Betrachtung lehrt uns in der That, daß der französische Charakter seit einem Vierteljahr- Hundert sich wesentlich geändert hat Unsere Ruhmredigkeit hat einem richtigeren Gefühl von unserer wirkuchen Stellung in der Menschheit Platz gemacht. Die Großsprecherei, die in unseren diplomatischen Verhandlungen cine Ari geheiligter Tradition geworden war, ist fast völlig verschwunden Niemand von uns würde cs heute wagen, zu behaupten, daß die Gesamt heil unserer moralischen Eigenschaften höher stehe als diejenige der anderen Völker. Wir haben, mit einem Wort, das Be wußtsciu unserer Fehler und Mängel bekommen Wir haben die Entdeckung gemacht, daß hinter unserer Neigung zur Geselligkeit ein durchaus egoistisches, engherziges und klein liches Temperament steckt. Die Güte, die niemals eine französische Tugend gewesen ist, die Duldsamkeit, die wir niemals gekannt haben, sind viel eher Eigenschaften der ger- mauischen Rasse. Die sächsischen Stämme haben, wie schon Heinrich Heine sagte, eine höhere Moralität als die lateinischen Völker. Die Achtung der Menschenwürde ist so wenig eine Eigenschaft unseres Blutes, daß wir sie vielmehr niemals be griffen haben. Keine Nation ist so sehr die Sklavin ihier Vorurteile wie die unsrige. Bei keiner andern hat die Ver achtung der großen Originalität so unbarmherzig auf die Ent wickelung des Mcnschenwesens gedrückt. Wenn cs wahr ist, daß wir in eine Periode des Verfalls einireten, so ist daS die Züchtigung dafür, daß wir in unS alle Achtung für die freien Kundgebungen des Gewissens erstickt haben. Tic deutsche Wissenschaft, an die wir unS wenden mußten, um die Elemente unseres geistigen Fortschritts zu vervollständigen, hat in ihrem Gefolge auch die deutsche Moral eindringen lassen, und es wäre nicht schwierig, schon jetzt die Früchte zu erkennen, die diese Erneuerung getragen hat Aber solche Betrachtungen würden mich zu weit führen ES möge genügen, Ihnen gezeigt zu habe«, daß der absurde Chauvinismus, der unglücklicherweise der Grundzug des französischen Charakter- geblieben ist, noch nicht alles Verständnis nnd ave Urteilskiaft in »ns ver nichtet hat. Ein kleiner ausgcwählter Kreis ernster Geister beginnt ein zugestehen, daß nicht alles unheilvoll war in jenem tollen Streiche von 1870. Als Napoleon IIl. Tcutschland den Krieg erklärte, hat er unS durch seinen Leichtsinn und sein politisches Ungeschick mehr Gutes erwiesen, als ein siegreicher Napoleon uns jemals hätte erweisen können. WaS sage ich! Geht man den Dingen auf den Grund, so muß man zur Überzeugung kommen, daß, wenn der Ausgang des Krieges uns günstig ge wesen wäre, unsere geistige Entwickelung auf mehr als ein Jahrhundert hinaus gehemmt worden wäre Es sind nicht un nütze militärische oder diplomatische Fragen, die solche Er schültcrungen hervorbringcn. sondern tiefere Ursachen, die sich in d»r einzigen zusammensassen lassen: der Gang der Zivilisation und der Kampf der Ideen. Bon diesem Gesichtspunkt aus können wir sagen, daß. wenn wir als Patrioten die Zerstückelung des ftanzösischen Bodens beklagen müssen, wir nichtsdestoweniger uns dazu beglückwünschen können, weck der Verlust der zwei Provinzen, die uns im übrigen gar nicht gehörten, reichlich ausgewogen worden ist durch die moralischen Vorteile, die wir daraus gezogen haben Kunst und Wissenschaft. Zur Prüfung geistiger Fähigkeiten bei Schulkindern. In der DonnerStagsihung deSPsychologcnkongrcsseS in München bildete einen Hauptpunkt der Vortrag des Professors Ebbinghaus (Breslau) über: „Eine neue Methode zur Prüfung geistiger Fähigkeiten und ihre An wendung bei Schulkindern". Die Gelegenheit, welche den Vortragenden zu seinen Untersuchungen veranlaßte, war ein Schreiben des Magistrats zu Breslau an die dortige hygienische Abteilung, worin an diese das Ersuchen gerichtet wurde, sich über die Frage zu äußern, ob die durchschnittliche Zahl von fünf Schulstunden hintereinander auf den Tag zu groß sei, ob man statt besten den Nachmittagsunterricht einführen solle, ob man also die Zeit abteilen oder ob man die gesamte Dauer beschränken solle Es giebt nun zwei Arten von Unter suchungen, um die Lösung dieser Frage zu ermöglichen: I) Man betrachtet eine bestimmte Art des Unterrichts und ihre Einwirkung auf die Kinder, und zieht daraus all gemeine Schlüsse. So hat Friedrich aus diesem Kongreß da» Diktatschreiben dazu benutzt, Burgerstein in früherer Zeit das Rechnen u a. m. Man hat dabei gesehen, daß die Menge der Leistungen allmählich zunahm, also in späteren Unterrichtsstunden größer war, als zu Beginn des Unterrichts, daß dagegen die Güte erheblich nach einer gewissen Zeit abnahm — Steiger ung der Rechenfehler. Aus diesen Untersuchungen darf man also den Schluß ziehen: da sich nach Verlauf einer halben Stunde solche Abspannung bei den Kindern zeigt, so ist es unmöglich für das Kin), nach dieser Zeit noch stundenlang zu arbeiten, ohne daß Schädigungen eintreten. Kinder befinden sich daher noch Ablauf der ersten halbcn Stunde in einer andauernden Ermüdunatnarkose (Kröpelin). Demgegenüber muß man indeß darauf Hinweisen, daß die Kinder nicht nur das Gegenmittel Haden, sich freiwillig dieser Schädigung zu entziehen, indem sie nicht mehr auf- passen, sondern dieses Mittel auch erfahrungsgemäß benutzen 2) Es wird der Unterricht genommen, wie er ist, und so dann werden die Kinder mittels einer bestimmten Reagenz geprüft. So gebrauchte Griesbach die Prüfung der Haut- empsindung, indem er untersuchte, bis zu welcher Entfern ung der beiden Spitzen eines Zirkels die gleichzeitige Be rührung mit diesen Spitzen al« ein Berührungspunkt empfunden wurde Er sand bei dieser Untersuchung, daß die Hautempfindung bis zur dritten Unterrichtsstunde ad- nimmt, von da ab aber wieder etwas zunimmt Natürlich läßt sich aus dieser Reaktion noch nicht mit zwingender Notwendigkeit schließen, daß die geistige Ermüdung sich gleichartig verhalte, das Verfahren lehrt also nicht? über die geistige Leistungsfähigkeit. Eine andere Art der Unter suchung besteht darin, daß man die Kinder bei Beginn des Unterrichts eine Zeit lang rechnen läßt und dann nach bestimmter Unterrichtszeit noch einmal Auch dieses Ver fahren ist ziemlich einseitig, da man den bei den meisten Kindern nach einer Anzahl Proben auftretenden Widerwillen ganz außer acht läßt In amerikanischen Schulen sind noch Gedächtnisversuche angestellt worden Man sagt den Kindern eine gewisse Zahlenreihe und läßt sie sodann aus dem Gedächtnis niederschreiben Au» der Zahl der Fehler zieht man die Schlüße auf die Ermüdung rc. DaS Miß liche dabei ist, daß ein gutes Gedächtnis nicht schon Tüchtigkeit bedeutet Es giebt genug Personen, die ein vorzügliches Gedächtnis haben und doch nicht zu den geistig Tüchtigsten gerechnet werden können Was ist nun aber überhaupt geistige Tüchtigkeit, worin äußert sie sich, wie kann man sie bestimmen ? Ebbinghaus erläutert die Fräste so: geistige Tüchtigkeit ist die Fähigkeit, schnell eine gewisse Zahl von einzelnen Dingen zu einem für ein-n bestimmten Zweck gebildeten Ganzen zu verschmelzen Wer dies auf einem Gebiete kann, ist auch nicht ungeeignet, dasselbe auf einem anderen Gebiete zu können (Kom binationsfähigleit). Wie kann man nun eine Prüfung auf diese Fähigkeit anstelle»? E schlug dazu folgendes Verfahren ein Er nahm gewisse Lesestücke in Prosa und ließ hier Silben, Laute und Worte aus, die von den untersuchten Schülern ergänzt werden mußten. Natürlich mußten diese Texte dem Verständnis der Kinder angrpaßt sein. So wurde sür die Kinder der höheren Klassen eine Lebensbeschreibung Nettelbecks durch derartige Auslassungen verstümmelt. Die Versuche wurden an zwei Schulen durchgeführt, an einem 15klassigen Gymnasium und einer I Massigen höheren Mädchenschule An drei Tagen wurden Versuche angestellt und es standen für die Ausarbeitung des Gesamtergebnisse» I I000 Einzelleistunaen zur Be urteilung. 39a« war nun das Ergebnis? E. stellt drei Verfahren (Rechen,- Gedächtnis-, Kombinationsmethode) bei der Beurteilung und Schlußfolgerung nebeneinander und bespricht sie in folgenden vier Beziehungen: I) die Schwierig keiten, die sich bei dem einzelnen Verfahren ergeben, 2) die Beziehung, die die einzelnen Verfahren zur geistigen LeistungS- fähigkeit besitzen, 3) die Ergebnisse für die ErmüdungS- srage, und schließlich 4) die Ergebnisse in Bezug aus ihre Verschiedenheit bei den beiden Geschlechtern Die Schwierig keiten der Untersuchung liegen im wesentlichen darin, daß oft unwillkürlich Fehler vom Lehrer gemacht werden, dem natürlich daran liegt, daß seine Klaffe keine von den schlechtesten sei, und der deshalb oft, ohne eS zu wiffen, den Kindern nachhilft Die Untersuchungen erregen bei Kindern anfangs Jntereffe, da« aber allmählich erlahmt, sodaß die Ergebniffe am Anfang günstiger sind, al« am Schluß der Untersuchungen Bei der Kombinationsmethode kommen bei Knaben oft beabsichtigte Witze vor, die natür lich deutlich von den unbeabsichtigten unterschieden werden müssen Von den letzteren teilt E einen mit, der für da« weibliche Gemüt recht bezeichnend ist und den ein elf jährige« Mädchen leistete Der zu vervollständigende Satz lautete ungefähr: „Ich schloß mich mit den Wagen der Abteilung an, um unsere T .... und V .... aufzulesen " Das T .... und V .... sollte zu „Toten und Ver wundeten" ergänzt werden Das Mädchen aber ergänzte statt dessen: „Tanten und Verwandten". Die Ergebniffe entsprachen bei der Kombinationsmethode vortrefflich dem Aufstieg der Klassen, wa« bei der Rechenmethode z B nicht der Fall ist. Bei der Rechenmethodc zeigte sich, daß in Quinta 251, in Untersekunda 318 Zahlenpaare in 10 Mi nuten zusammengezählt wurden: bei der Kombinationsmethode ergänzte die Quinta 46 Silben mit 26 Proz Fehlern, während schon die Untertertia 67 Silben mit nur 10 Prozent Fehlern ergänzte. Noch interessanter werden die Ergebniffe, wenn man die einzelnen Klaffen, je nach dem Range, den die Schüler einnehmen (wo also die Schüler nach ihren Leistungen gesetzt werden) vergleicht (sogenannte fraktionierte Methode). Eine Klaffe hat 27 nach ihren Leistungen gesetzte Schüler, die in drei Gruppen untersucht werden und zwar nach den genannten drei Verfahren: Rechen- Gedächtnis-KombinationS- melhode: Methode: mcthode: 1. Gruppe 858 2. - 780 3. - 807 39 Fehler 47 Silben --- 19 Proz Fehler SS - 41 - - 22 - 37 - 33 - - 33 - Dies zeigt die Unbrauchbarkeit der Gedüchtnismethode, die schlechtesten Schüler machen hier weniger Fehler, als die anderen, auch die Rechenmethode zeigt so wenig zahlen mäßige Unterschiede, daß sie nicht benutzt werden kann, dagegen zeigt die Kombinationsmethode die richtige Steiger ung in auffallender Weise. Ebenso wichtige Ergebniffe zeigen sich in Bezug aus die Ermüdungöfrage Die Kinder ver unteren Klaffen ermüden ausfallend schnell Die Mäd chen zeigen sich im jüngeren Alter (bis zu 10 Jahren) den Knaben wesentlich unterlegen, dann (10 bi« 12 Jahr) nähern sie sich ihnen In den späteren Klaffen fallen die Mädchen wieder sehr ab, diese Erscheinung läßt sich aber au« verschiedenen äußeren Umständen leicht erklären Denn da« Durchschnittsalter beider Geschlechter, nicht aber die
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