Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Preis 22j Sgr. (Z Thlr.l vierteljährlich, 3 Thaler für LaS ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theile» der Preußischen Monarchie. für dis Man pränumerirt auf dieses Beiblatt der Allg.Pr. Staat«- Zeitung in Berlin in dec Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. »W' 87. Berlin, Montag den 22. Juli 1833. T ü r k e i. Griechisches Municipalwesen in der Türkei. Unter den zahlreichen Werten über Griechenland und die Türkei, die in dec neueren Jen unsere Kemttmß vom Auslände bereichert haben, gebührt dem vor zwei Monaten zu London erschienenen Buche de« David Urquhart") eine besondere Aufmerksamkeit. Der Ver fasser, der iu den Zähren 1829 bis 1832 jene Länder berciste, hat vorzüglich die Institutionen der die Türkei bewohnenden Völkersiämmc und die Entwickelung der dort begonnenen Fortschritte zum Gegen stände seiner Forschungen gemacht und danach den politischen und den kommerziellen Zustand beleuchtet. Mit den Ergebnissen früherer Neiscbeschrciber, die er durch Mittheilung angesehener Beamten und eigene Beobachtungen, namentlich unter Landgemeinden, berichtiget, verbindet er scharfsinnige und eingreifende Darstellungen de« Muiii- cipalwesenS der Griechen, des Türkisrhen Abgabe-Systems,' der Provin zial Berwallung, der Handels- und auswärligen Verhältnisse der Für- tri und Griechenlands. Der Mittelpunkt des Ganzen bildet das Ab gabe-System, insofern dasselbe einerseits aus einer HandelS-Gesetzgc- bung, andererseits aus Municipal Einrichttmgen beruhe: überall redet der Verfasser der Befreiung des Handels und der Gemeinden das Wort, — diese könnte nur bei unabhängigen Municipal-Behörden, jener nur frei von ccntralistrcndcn Gesetze» gedeihen. Hiermit im Zusammenhänge werden die kommerziellen, sittlichen und politischen Nachthcile des Systems der indirekten Besteuerung aus einander ge setzt, alles mit besonderer Bezugnahme ans Englands Finanz- und Handels-Interessen. Was die Turkel insbesondere anbclangt, so schil dert Herr Urquhart deren Hülfsquellen lind sührl die Behauptung durch, daß zur Wiedergeburt derselben alle nölhigcn Elemente vorhanden sehen, und daß auch Griechenland eine glänzende Zukunft bevorstehe, zu deren Verwirklichung jedoch England thätig scyu müsse. Indem wir aus diesen Darstellungen Mehreres unseren Lesern vorzusühren beabsichtigen, machen wir mit einer Schilderung des Griechische» Municipalwesens de» Anfang, einem Auszug aus demjenigen, was der Verfasser p. 12 — 77 sc,»es Buch», und zwar immer mit einen, Hinblick auf sein Engliches Vaterland, über diesen Gegenstand Miltheilt. „Alle Ursache» zum Untergänge einer Nation sind in der Türkei in voller Thätigkeil. Seit Jahrhunderten waren alljährlich Zerrüt tung, Blutvergießen und Verheerungen aus einander gefolgt, und stet« prophezeite man den nahen Ruin des Europäischen Handels, die Versiegung aller Quellen des Wohlstandes; aber die Türkei steht »och, ja sie liefert Material zn neuer Zerstörung, und ihr Handel mit Europa ist in, Steigen. Diese Erscheinung ist lediglich aus sol genden zwei Momenten zu erklären: aus der Abwesenheit vieler Uebel, welche sonst den Despotismus begleiten, und dem Dascy» eines Mu- nicipalwcsens. Der Druck in der Türkei ist direkt und offen. Das Volk kennt den ganzen Umfang der Unbilden, aber auch ihre Ursachen und die mögliche» Heilmittel. Ihre politische Einsicht und ihr richtiger Blick bildet einen starken Gegensatz zu der bei de» Europäern über Ange legenheiten der Administration herrschende,, Unwissenheit und Gleich gültigkeit. Die Tyrannei ist zwar streng, unwiderstehlich, aber nicht beharrlich und svstcnzatisch; man kennt dort keine bevorrechtete Klaffe» und mchrbcgünstigte Interessen, keine Spione, keine Beamten für inländischen Zoll/ Andererseits hallen sie brüderlich zusammen, um die Bürde gcmeinschafliich zu tragen, so daß die innige Vereinigung der Menschen und der Interessen, die durch direkte Abgaben erzeugt und durch die Sanclion einer Municipal- Einrichtung befestigt wird, sie fähig macht, einen Druck zu ertrage», der unter anderen Umstan de» sie lä»gst halte vernichten müssen. Za »zan darf behaupten, daß die Erhebung der Griechen zu politischer Wichtigkeit, die Mittel zur Rcorganlsirl,„g der Türkei, der sittliche Charakter und der Gk- werbfleiß der Bewohner, die Erhaltung ihrer besondere» Sitten und Religionen, und selbst die Fortdauer des Osmanischen Reiches, Wir kungen des Municipalwesens sind. Mit dieser Institution der Ortsbebördc» hängt das Türkische Finanz-System, welches auf direkten Abgaben beruhet, auss innigste zusammen. Ich habe Türken gesprochen, welche Reisen durch Europa ') l'nrki'V un<1 ik« re«ouro<».<t: it« mnnieipr»! or^auibirrtion r»n6 free tra<ie; 8tLt«d imil ^roiipeot.'i ot ensrli.iU coiunteri'v i»^ tfi« ernt» ti»e ne>v aäminintr-»- t!on at 6ree«,tk, itx rweim Und 328 Selten in 8. Das Merk ist dem Könige von Enqland gewidmet. In Berlin in der Asher'schen Buchhandlung zu finden, gemacht und, nach ihrem Vaterlande zurückgekehrt, mehr als je die Mißbrauche ihrer Regierung verabschcuctcn,' allein de» Prinzipiell des Arabischen Sfaaishaushalics, hinsichtlich des Municipal- und des Finanzwesens, zugethaner waren als zuvor. Sie konnten nicht begreifen, weshalb wir Haüdrl und Gewerbe beschränken und bloß des Einkommens halber dc» Austausch der Waarcn erschweren, indem die Erhebung direkter Abgaben die am welligste» lästigste und wohlfeilste Art sey. Alle mit dem System der indirekten Abgaben verbundene Ucbel, als: UebelsüUungcn, Bankerotte, künstlicher Ncich- lhum, schädliche Industrie, übertriebener Preis der Lebensbedürfnisse, Armenlaxcn, Gesetze und Strafen gegen Fälschungen und Schmuggr- lcl u. dgl. m. haben nie in dcr Türkei cxisiirt. Die Verbindung aber zwischen dem direkten System und den Municipal-Einnchlungen besteht darin, daß jenes nur durch diese möglich wird. Jede Stadt, jedes Dors und sonstiger Laiideethcil bildet zur Verwaltung seiner eigene» Angelegenheiten eine von der politischen Regierung unabhängige Administration. Die Türke» vernichtete» die Regierung, die Einrichtungen, Klassen und Stände des Byzan tinischen Reiches; aber sie legten dc» Ueberwundcuen weder neue administrative Formen noch ihre» bürgerliche» Codex aus. Die In stitutionen der Raja's waren so unabhängig vo» dem Islämischen Gcsetzbuche, daß, wo das Land blühcte, es gcwiß vou aller politischen Verbindung mit der Psorle getrennt war. Ja man kann binzusn- gen, daß Wohlergehen die unveränderliche Folge der Vernachlässi gung der Ccniratvcrwaltung ist. Die Raja's verdankt» diese Institutionen der Türkischen Herr schaft. In dem schwache» Reiche dec Byzantiner war die Masse des Volks zu der niedrigsten Stufe sittlicher und politischer Ent artung herabgcslinkcn. Eine verderbte Aristokratie, eine tvrannische Geistlichkeit, dcr Druck schiech,er Gesetze, die Erpressungen einer verächtliche» Negierung lind zunächst die Monopolicn, der Fiskus und e:n Heer von Steuer- und Zoll-Einnehmern ließen dem Volke weder Rechte noch Institutionen, weder eine Möglichkeit zur Ver besserung noch eine Aussicht aus Abhülse. Kein Wunder also, wenn sie von den, Stcucrbcamle» z» dem Barbaren flohen und späterhin die Tyranneien ihrer schwachen Regierung gern gegen den mächtigen Schutz dcr Osmancn vcrlauschlcn, deren Staat dcr Zufluchtsort aller Bedrückten ward, dcr Juden aus Spanien und dcr Protestanten aus Ungarn. Mit dcr Türkischen Herrschaft war das Aufhören aller Mono- polieu lind Vorrechte verbunden; die Bevorzugung von Kasten, das gehässige Aueschließen einzelner Klaffe» halte ei» Ende. Der Urber wuchs der Hierarchie nahm ab, die Sillen dcr Geistlichen wurde» besser, unterdrückender Einfluß wurde abgcstelll und die Nation in den Stand völliger Gleichheit zurückgcsührt, indem alle Rechte und Auszeichnungcu dcr einzigen Unterscheidung, welche Industrie ge währt, weiche» mußte»; und wem, dcr Gewcrbfleiß auch durch Anar chie i» dcr Türkei unterdrückt ward, so war er doch nie gesetzlich in Fessel» geschlagen. Jeder Bezirk mußte eine feste Summe als Ab gabe liefern, und die Vertheilung und Eintreibung derselben ward den Griechen selber überlassen; wiewohl in dcr Folge diese Abgaben willkürlich cingctticben wurde», so wart» sie doch nicht willkürlich augcsctzt. Unter einem Drucke, den man in Europa eben so als entehrend wie gesetzlos bclrachtcte, scheint die Lage dcr Raja's sich allmälig verbessert zu haben. Als selbstständiges Volk batte» die Griechen alle» Sinn zu Handel und Unternehmungen gänzlich verloren; als Sklaven erwarben sic sich jenen Geist wieder und brachten den Han del zu einem unglaublichen Grabe der Vollendung. Jur Zeit des Kaiserreichs floh die Literatur in die Bibliotheken von Konstantino pel und die Klöster auf dem AthoS; jetzt hat jedes Dorf seine Schu len. Die Unterdrückung bat den Nalional-Charakter geläutert, näm lich bei der Masse des Volks; denn ich rede hiev nicht von den Mäklern in Smyrna, f>en Dolmetschern in Konstantinopel und allen denen, welche in persönliche Berührung mit Türke» und Europäern komme,, mußte». Die Einsammlung des Tributs war der Ursprung und ist stets der Zweck dcr Munizipalitäten gewesen, die daher aus gleiche Weise im ganzen Lande bestehen, wenigstens in allcn unbedingt unterwor fenen Distrikten. Die Bewohner mußten, aus ihrer Mitte Personen wählen, die zu den, Amte vou Beisitzern, Sammler» und Kassirern sich eigneten; da nun unter' dem gemeinsamen Joche kein privilcgir- tcr Stand Einfluß genug besaß, um diese Armier für sich allein in Beschlag zu nehmen, so gab es auch keine zurückgcsetzte Klaffe, die