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/reitag. ^16 24. Februar 1854. Erscheint Dienstags und Freitag». Zu beziehen durch alle PostaNstal- teN. Preis pro Quart. lONgr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Sandmann. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Weißeritz-Zeituug Inserat« werden mit 8 Pf. für die Zeise berechnet ^u. tn allen Ex peditionen an« genommen. Rußland und die Türkei, 18V5—1853. Der „Moniteur" enthält unter obigem Titel eine bemerkenSwerthe historische Zusammenstellung, der wir folgende Stellen entnehmen: „ES ließe sich ein sehr lehrreiches und sehr merkwürdiges Buch schreiben: nämlich die vollständige und wahrhafte Geschichte der russischen Diplomatie. Man würde daraus ersehen, wie ein noch so jugendliches Reich sich zu so vieler Macht erhoben hat durch den geschickten und beharr lichen Gebrauch zweier sich gegenseitig unterstützenden Kräfte: der List und der Gewalt. Das Schicksal hat diesem Reiche das Glück geschenkt, schwache und schlecht coustituirte, in Anarchie und Verfall liegende Staaten zu Nachbarn zu haben. ES hat dies zu benutzen ge wußt, um sich auf ihre Kosten zu vergrößern und zu befestigen.' Die Geschichte der Theilung Polens ist der der allmäligen Vergrößerungen Rußlands aus Kosten der Türkei, Georgiens und PersienS auffallend ähnlich. Was Rußland gegen Polen unternommen und auSgeführt hat, dies hat eS unternommen und sucht es völlig auszuführen auch gegen die Türkei. ES ist dasselbe Verfahren und dieselbe Sprache. Wenn Europa und besonders Frankreich und England es- 1774 gewollt hätten, so wäre die erste Theilung Po lens vermieden worden. Wenn bisher die Unabhän gigkeit und Integrität des osmanischen Reichs von den bei seiner Erhaltung interessirten Mächten besser geschützt worden wären, so wurde Rußland für dieses Reich und das Gleichgewicht Europas weniger be drohlich. Auch heute wieder steht eS nur bei Euro pa, es steht nur bei Frankreich und England, Ruß land auf lange Zeit in den Bahnen seiner eroberungs süchtigen Politik zurückzudrängen." Hier wird nun zum Beleg der von jeher verfolgten Plane Rußlands ein Artikel aus dem Moniteur des Jahres 180., ab gedruckt, worin unter Andern, unter der Aufschrift: „Konstantinopel, 23. Juli", gemeldet wird, daß ein Agent deS russischen CabineiS dem ReiS-Effendi eine Forderung folgenden Inhalts zugestcllt hat: „Alle Nnterthancn des türkischen Reichs, die sich zur grie chischen Religion bekennen, treten unter den Schutz Rußlands, und so oft sie durch die Türken belästigt werden, ist die Pforte gehalten, den Vorstellungen deS russischen Gesandten Genüge zu leisten." Auch da- malS fiel Rußland alsbald in die Donaufürsteiuhü- mer ein und zwang die Pforte, ihm den Krieg zu er klären. Aber obschon sie auch England gegen sich hatte und sogar der Admiral Duckworth am 20. Febr. »807 vor Konstantinopel erschien, eS mit einem Bom bardement bedrohend, wenn der Sultan nicht sogleich den französischen Gesandten, General Sebastiani, fort schicke, so rettete sie sich dennoch durch die von Letz term geleiteten kräftigen Maßregeln, und die englische Flotte mußte sich mit Verlust durch die Dardanellen zurückziehen. „Jetzt haben sich die Zeiten sehr geän dert", fährt der Moniteur fort; „auch heute will zwar Rußland noch an die Unabhängigkeit des osmanischen Reichs, eS ist in sein Gebiet eingebrochen und hat einen ungerechten Krieg mit ihm angefangen; aber Rußland hat nicht mehr England zum Bundesgenos sen und Beistand. England ist nicht mehr der Feind Frankreichs, sondern sein Bundesgenosse, und diese beiden Mächte geben de: Welt daS edle Schauspiel der Einheit ihrer Politik und ihrer Streitkräfte, die zur Vertheidigung veS Schwachen gegen den Star ken, zur Beschützung der Souveränetät und Integri tät der Türkei gegen die Anmaßungen und Uebergriffe Rußlands zusamMengesellt sind. England verlangt nicht mehr von der Pforte, daß sie an Rußland die Donaufürstenthümer abtrete, die eS gegen alles Recht besetzt hält, sondern im. Einuerständruß mit Frankreich fvrdert eS, daß diese Provinzen ihrem Souverän zu rückgegeben werden. Eine englische Flötte hat die Dardanellen und den Bosporus überschritten, aber auf den Wunsch deS Sultans, und diesmal um nö. thigenfallS seine Hauptstadt zu verteidigen : sie hat sie im Verein mit einer französischen Flotte über schritten und die beiden Geschwader sind im Augen blick im Schwarzen Meere, sowohl um der osmani schen Pforte eine wirksamere und entscheidendere Un terstützung zu gewähren, als um durch diese Okkupa tion des Pontus Eurinus im Gegensätze zur Okkupa tion der Moldau und Walachei ein Pfand zu liefern, das die Wiederherstellung des Friedens auf Grund lagen, Vie den Rechten der Türkei wie den großen Interessen des europäischen Gleichgewichts gemäß sind, erleichtern kann." TageSgefchichte. Leipzig» 20. Febr. Ein Mädchen, im Alter von 18'/« Jahren, welches sich einer Veruntreuung im Dienste und einer Fälschung ihres GesinbebucheS schuldig gemacht hatte, wurde dicserhalb zu einer zwölf tägigen Gefängnißstrafe verurtheilt und nach deren Verbüßung am 17. d. MS. mittelst ZwangSpäß in ihre Heimath gewiesen. Die Scham, mit beflecktem Rufe in ihrem Geburtsorte zu erscheinen, trieb sie zu einem verzweifelten Entschlüsse. Siechielt sich noch den Tag über in Leipzig auf, vergeblich auf einen Aus weg aus ihrer trüben Lage sinnend, und sprang am folgenden Morgen bei der Brandbrücke in den Floß- graben. Der Vorgang wurde bemerkt; da die