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M«: Tageblatt ftr Unterhaltung und Geschäftsverkehr Druck und Sigenthum der H«au»geb«r Itepsch ck Netchardt ln Dresden. Verantwort!. Redaeteur: ÄUliv» Ntichardt. Rrr 252. Achtzehnter Jahrgang. ,»n»d ^Äd n Der «»um einer ei»- «,E»cn Petiijette k»»«t I» Psq. «tnaeinndt d«, ^Zeile v Rzr iktne «Larantic Nie I,-, nLchlltäaiae Cvüi' > neu der Inserate wi-', nicht gegeben. Auswärtige Annoncen» Luslräge von uns uuü«. kan itte» ftirme» ». Pcr> sauen inserkcn wir nur gegen Bränuincrando- Zabtung dncch Drtcf- marlcu oder Pasietuzag. lung. u Silbe» tasten >>, Ngr. kluiwärlige können die Hahlnila auch aus ein» DretdnerMrma auweiscu. Dle «r». »>«»„. Dresden, Dienstag, H^Septemver 1873. Für das Feuilleton: Luckeel» Nlurtu»»»». , Politische-. Mit einer ihnen wohlzugönnenden Befriedigung blicken die Franzosen darauf mrück, daß sie nach 2 Jahren 4 Monaten, seitdem «in furchtbarer Krieg ihre Gefilde verwüstet und 2 steuerkräftige Provinzen ihnen entrissen hat, trotz aller Zerstörungen der Commune in Paris, rm Stande waren, loyal und pünktlich 5 Milliarden Kriegscontribution nebst Zinsen zu zahlen. Trotz dieses enormen Aderlasses ist der französische Credit nicht geschwächt, der CourS der franz. Rente fest und hoch. Frankreich hat jene in der Geschichte noch nicht erlebte Summe mit einer verhältnißmäßigen Leichtigkeit aufgebracht, hat mehr geleistet, als die Vereinigten Staaten Nord amerikas, deren Schuldentilgung nach dem furchtbaren Bürgerkriege bisher als das non plus ultra der finanziellen Leistungen eines großen Volks galt. Es muß anerkannt werden, daß Fürst Bismarck die Zahlungsfähigkeit Frankreichs seiner Zeit richtiger zubeurtheilen verstanden hat, als mancher gewiegte Finanzmann, der klar ausrech nete, daß die Franzosen eine solche märchenhafte Summe unmöglich würden aufbringen können. Man muß cs ferner rühmen, daß Bis marck, als er Anfangs einige Milliarden mehr von Frankreich ver langte und sie ihm im Friedensschlüsse erließ, einen hoheir Grad von Mäßigung an den Tag legte. Wir von unserem Standpunkte dan ken es ihm doppelt, daß er uns nicht 8 oder 7, sondern nur 5 Mil liarden in's Land brachte. Es giebt nicht wenige recht verständige Leute, welche die plötzliche Kapitalüberfluthung Deutschlands für einen Nachtheil erklären. Deutschland ist in der Lage eines Mannes, der plötzlich das große LooS in der Lotterie gewonnen hat. Wir sind aus unserer soliden Lebensweise herausgerissen worden; alle Werthe sind im Preise gestiegen, Alles ist theurer geworden, nur das Geld billiger, dafür hat sich ein Spekulationsfieber rmserer sonst so beson nenen Denkart bemächtigt, welches unsere wirtschaftlichen und socia len Verhältnisse mit schweren Erschütterungen heimsucht. Wir schweigen davon, daß der größte Theil der Milliarden lediglich wie derum militärischen Zwecken zugeströmt ist, daß für productive Aus gaben verflixt Wenig übrig bleibt, daß nur wenig Schulden getilgt und nirgends die Steuern ermäßigt wurden. Wir sage« nur: e« witd des Aufgebots aller edlerer Richtungen des deutschen VolkS- oeistes.bedürfen, um die 5 Milliarden zu verdauen und. in unseren Erwerbs- und Wirthschaftsverhältnisien wieder in geordnetere Bah nen einzulenken. Etwas Fatalere« hätte für die Reise de» König« Victor E«a- nue! nach Wien und Berlin kaum pasfiren können, als daß an ihrem Vorabend der frühere italienische Ministerpräsident General Lamar- mora in einem Buche: „Ein wenig mehr Licht über die politisch militärischen Ereignisse des Jahres 1866" die Vorbereitungen Bis marcks zum Kriege von 1866 in einem höchst pikanten Lichte ge schildert hätte. Die Ultramontanen aller Länder sehen diese Reise als den Vorläufer einer italienisch-österreichisch-deutschen Allianz gegen Frankreich und die Jesuiten an. Sie setzen Alles in Beweg ung, um dem italienischen Könige diesen Besuch zu vergällen. Das Pariser ,',Univers" nennt ihn die „größte Schande des Hauses Habs burg": der Erzbischof Rauscher in Wien hofft, daß wenigstens die Kaiserin Elisabeth dem-König-Ehrenmanne den Rücken drehe, da sie doch nicht mit einem Menschen freundlich verkehren werde, der ihre leibhaftige Schwester, die Königin von Neapel, vom Throne gestoßen habe; das clericale „Vaterland" sucht ihm die angenehmen gastlichen Tage in Wien dadurch zu versalzen, daß es ihm ankündigt, die ent thronten Fürsten von Parma, Modena u. s. w. würden dem „Usur pator" Unannehmlichkeiten in der Hofburg bereiten und wie könne gar Victor Emanuel das schneeweiße Palais des Erzherzogs Albrecht, der ihn bei Custozza besiegt, die Trophäen des Seehelden Tegethoff von Lifla und im Arsenal den lorbeerumwundenen Marschallstab de» alten Radetzky ohne Scham sehen, der seinen Vater, Carl Albert, so oft auf den lombardischen Ebenen geschlagen Hab«? Indessen alle diese, mit, wenn nicht Gift, so doch ätzendem Safte getränkten Pfeile würden in Wien abprallen, wenn nicht Lamarmora in jenem Buche dem Fürsten Bismarck einen wahren Teufelsstreich gespielt hätte. Auf Grund der Aktenstücke und Depeschen, die Lamarmora noch von seiner Amtsführung her besitzt, läßt er darüber nicht den mindesten Zweifel, daß Bismarck den Krieg von 1866 planmäßig angezettelt und den widerwilligen König in denselben Hineingetrieben hat. Eine Menge Dokumente bestätigen es, daß Bismarck sich in größter Ver legenheit befand, „seinen vasus delll mit Oesterreich zu finden", daß er äußerst verlegen ist, welchen Grund zum Kriege er vom Zaune brechen solle, daß er „sehr unzufrieden ist über die friedliche Wen dung, die der Conflict mit Oesterreich zu nehmen schien", „daß er Me« aufbieten wird, um den König fortzureißen" u. s. w. Diese Enthüllungen werden in Berlin sehr böses Blut machen; in Wien wird es aber schwer kränken, durch authentische Dokumente zu erfah ren, daß Bismarck mit „italienischenRevolutionären undungarischen Emigranten" einen Plan ausarbeitet, Ungarn zum Treubruch gegen Oesterreich zu verleiten und in Hellen Aufruhr zu setzen. „Dieser seltsame Kauz von einem Diplomaten", wie Bismarck einmal ge nannt wird, hat einmal ausgerufen: „Die Würfel sind gefallen, haben wir Vertrauen, doch vergessen wir nicht, daß der allmächtige Gott launenhaft (onprioisux) ist." Im Mgemeinen sagt das Lamarmora'sche Buch nichts Neues; aber als Beitrag zu der geheimen Geschichte von 1806 ist es äußerst interessant. Wir denken hierüber also: Es ist nunmehr klar, daß nicht der deutsche Bund den Krieg gegen Preußen plante. Die Re sultate des 66er Kriegs stehen aber unverrückbar fest, sie haben zur Gründung des glorreichen deutschen Reichs geführt. Wohl aber sind alle die bitteren Gefühle, die der Bruderkrieg von 1866 erregt hat, ausgelöscht in der brüderlichen Waffengemeinschaft aller deutschen Volksstämme 1870/71, da Preußen, Sachsen, Baiern, Schwaben und Hessen hinter sich liegen ließen, was sie sich einander Böses an- gethan und ihr -Herzblut gemeinsam vergossen, um den Reichsfeind zurückzuweisen. Ob der Schatten, den Lamarmora aufBiSmarck ge worfen, stark genug sein wird, die Reise Victor Emanuel» nach Ber lin um ihren Erfolg zu betrügen, wissen wir nicht. Das aber wissen wir, daß ein Bündniß mit einem Staate wie Italien für Deutsch land eine sehr riskante Sache ist, dessen Staatsmänner, wenn sie nicht mehr im Amte sind, die schwersten Jndiscretionen begehm. Ein zweites Mal läßt sich Bismarck gewiß nicht von einem Italiener in ferne Karte sehen. Vor der Wichtigkeit dieses Lamannora'schen Buchs treten alle sonstigen Ereignisse zurück. Locale- und Sächsisches. — Nach dem „Dr. I." wird an unserem Hofe der auf längere Zeit auszudehnende Besuch I. Kgl. Hoheit der Frau Herzogin von Genua erwartet. — In die hiesige k. k. österreichisch-ungarische Gesandtschaft ist neuerdings als Secretär der Fürst Raoul Wrede eingetreten. — Die National liberalen rüsten sich gewaltig zum Wahlkampf. Welche Gesinnungen über Sachsen und dessen Ver fassung diese Herren erfüllen, da» mögen folgende beiden Sätze aus dem Anna Löhn-Siegel'schen Organ zeigen: „Im Allge meinen kann man sich nicht verhehlen, daß im Volke das Interesse für die Speciallandtage sehr im Schwinden begriffen ist" und ferner in einer Schloßstraße 22 hier verfertigten Correspon- drnz aus Zwickau heißt es: 4. September. „Während die Er innerung an unser heutiges Verfassungsfest immer mehr in den Hintergrund tritt u. s. w." Man braucht kein großer Interpret zu sein, um hier zwischen den Zeilen zu lesen. Nun, das sächsische Volk wird am 15. September zeigen, welchen es den Vorzug giebt, denen, welche ein kräftiges deut sches Reich, aber auch ein möglichst unabhängiges Sachsen wollen, oder denen, welche anno 66 unter dem Schutze preußischer Bajo nette in Leipzig auf einer sog. Landesversammlung die Annexion unsres engen Vaterlands verlangten. — lieber die Wahlbewegung erfahren wir folgendes Zu verlässige: Im Dresdner Landkreise haben sich die einflußreichsten Personen der Landgemeinden für Wiederwahl de« Abg. Bmckh- Radebeul erklärt, der sich durch sein mamchastes Auftreten in der KrisgSeinqnartierungsentschäditzung große Sympathien erwor-, hat, In der Rochen Schänke zu Döhlen fand «v S«m- eine von fannntlichen Gemetüdeveetretern der Gerichksämter rn und Tharandt besucht« Versammlung statt, die ohne Wi derspruch einstimmig den allseitig geschätzten Direktor der Guß stahlfabrik zu Döhlen al« Candidaten aufstellte. Auch die, welche ursprünglich für Hofrath Ackermann hatten stimmen wollen, über zeugten sich, daß Direktor Grahl dem Standpunkt des Elfteren nicht fem stehe. Im Stadtbezirk Dresden (linkes Ufer) beabsich tigten zwar einige Handwerksmeister den früheren Bürgermeister Hainichens, vr. Fischer, wegen dessen großer Zuneigung zu dem Gewerbestand aufzustellen; man versieht sich jedoch gleichfalls zum Kaufmann Walter, daß er die Interessen des Handwerkerstandes gebührend wahrnehmen werde. In Neustadt gewinnt die Candi- datur des geh. Justizrath Gebert täglich an Anhängern. In Bautzen und Camenz hat man dem bisherigen Abg. Staatsan walt Petri sowohl seine Haltung in der Lausitzer Eisenbahnfrage als den Umstand sehr verdacht, daß er sich den Annaberger Wahlkreis gleichsam als Reserve ausgesucht hat. Candidat ist der Wasserbau-Inspektor v. Wagner. In Annaberg hat eine Wahlversammlung für den Seminardirector Schmidt sehr gute Aussichten ergeben. Da der Wahlkreis Grimma-Colditz-Gerings- walde mit dem bisherigen Abg. Amtmann Mosch wegen seiner Haltung in der Eisenbahn- und Gerichtsämterfrage nicht allent halben einverstanden ist, so findet am Dienstag eine Wahlver sammlung statt, die eine energischere Persönlichkeit als Candidaten proclamiren wird. In den Landkreisen Meißen- und Rochlitz finden die von der Dresdner Versammlung empfohlenen bis herigen Abgg. Klopfer und Knechtet Gegencandidatcn in dem Oeconomie-Commissar Schiffncr. und Amtshauptmann v. Ehren stein. An Knechtet wollen namentlich die Gutsbesitzer festhaltcn, da sich derselbe als ein charakterfester Mann bewiesen hat. In Plauen wird dem nationalliberalen Kirbach eine Persönlichkeit entgegengestellt werden, die auf viele Freunve rechnen kann. Auch in Leipzig wird auf die Aufstellung von Candidaten gegen die Nationalliberalen gerechnet, was in Glauchau und Chemnitz un terbleiben wird. In den Landbezirken Großenhain, Waldkirchen und Limbach stehen die Sachen für Richter, Graßlitz, Heymann und v. Welck sehr günstig, ebenso für Professor Richter in dem vom Abg. Schubert vertretenen Bezirke. Auch die Wahl der Abgg. Günther, Starke, Barth-Stenn und Mlmert ist gesichert. Im Chemnitzer Landbezirk steht dem Gemeind-.", erstand Lorey eine achtenswerthe Persönlichkeit in einem Chcwmi-er Stadtrath entgegen. Zu Gun sten des Brzirksgerichtsdinetm Starke fand in Pegau eine stark besuchte Wählerversammlun: . :. Endlich gewinnt die Candi- datur des Apotheker Curt S< ' , eines der Fortschrittspartei an- gehörigcn, allgemein geachtet. Se.nneS gegenüber dem Carneval- helden Sparig im Leipziger L n Kreise täglich an Terrain. . — Die Uebersicht über den communlichenHaushalt und den Vermögensabschluß der Stadt Dresden für das Jahr 1872 stellt sich unerwartet als ein höchst erfreulicher heraus. Einen besonders günstigen Einfluß haben die ziemlich ansehnlichen Besitz veräußerungen des Vorjahres ausgeübt und so ist eS möglich ge wesen, daß der Zuschuß zu den Schulen statt der vorgesehenen 141,124 Thlr. um 33,775 verringert wurde; denn es brauchten aus erwähntem Grunde nur 106,722 Thlr. bezahlt zu werden. Ebenso blieb der Bedarf des Feuerlöschwesens gegen frühere Jahre zurück, wo er durchschnittlich etwa« über 7000 Thlr. betrug. Der mit 37,585 Thlr. angenommene Zuschuß zu derArmenversorgungS- behörde fiel ganz aus, da dieselbe 92^04 Thlr. aus den Käufen er hielt, also einen gewaltigen Ueberschuß erzielte. — Di« stetige Stei gerung der Bevölkerung hat auch eine Mchreinnahme zur Folge gehabt. Es wurde mehr getrunken und gegessen als früher und so stieg die Trank- und Malzsteuer um 9557, die Schlachtsteuer um 9893 und auch die Abgaben auf Mehl und Backwerk um 3007 Thlr. Nun waren aber auch, eider nur zu sehr bekannt, die Miethen colossal gestiegen, so d .i den Steuern für Grundbesitz und die berühmte, oft verwünfi Miethzinssteuer 25,145 Thlr. mehr ein kamen. Der Staat nah:. 2226 Thlr. mehr ein und außerdem einen Plus auf Sporteln von 4669 Thlr. — Der Vermögens st and der Stadt betrug 1. Januar 1873 5,128,912 Thlr. 2 Ngr., die Schulden beliefen sich zur selben Zeit auf 3,553,000 Thlr. — In Bezug auf den Gebrauch der sog. Kreuzzügel haben die Ministerien der Finanzen und des Innern beschlossen, die intz 1 der Verordnung, den Verkehr auf den öffentlichen Wegen betreffend, bezüglichen Bestimmungen aufzuheben und an deren Stelle folgende treten zu lassen: Wer zur Leitung eingespannter Pferde, sobald die selbe vom Wagen oder Schlitten aus erfolgt, sich nicht der Doppel zügel (sog. Kreuzzügel) bedient. Von dieser Vorschrift find Acker fuhren (worunter alle Fuhren nach und von dem Acker, mithin ins besondere auch Dünger- und Erntefuhren zu verstehen sind) aus genommen. . — Der k. sächsische Münzwardein Göldncr ist seit einiger Zeit auf Ersuchen des Reichskanzleramtes in Straßburg thätig, um die dort zu errichtende Reichsmünzanstalt mit einzurichten. Es hat sich bekanntlich herausgestellt, daß die k. sächsische Münze eine der vor züglichsten ist. — In der Zeit vom 7. bis 8. dieses Mittags ist an der Cholera Niemand weder erkrankt noch gestorben, aber auch Nie mand genesen, so daß noch 4 Choleratrankc in der Stadt find, und zwar 3 im Stadtkrankenhaus und 1 in Privatpflege. — Wir hatten neulich über den verunglückten Versuch berichtet, einen hiesigen protestantischen Lehrling für den katholischen Ge sellenverein einzufangen. Wie uns dieser Verein mitthei't, steht er jenem Unternehmen absolut fern, würde auch den Betreffenden gar nicht haben aufnehmen können, da nur Gehilfen ledigen Standes beitrittüfähig sind. Gern bestätigen wir auch dem Vereine, daß in ihm politische und gehässige Erörterungen über Religion statutenmäßig verboten sind. Auch wissen wir au-> eiguer Beobachtung, daß in diesem Vereine es nicht auf Pross- lytenmacherei abgesehen ist, daß derselbe vielmehr nur das Hand werkerleben auf religiöser Grundlage aufbauen und junge Ge hilfen nicht dem koddrigen Kneipenleben verfallen lassen, ihnen vielmehr möglichst die Familie ersetzen will. Hingegen beharren wir betreffs der versuchten Seelenkaperei, die also von anderen Personen ausgegangen ist, als VereinSmitgliedern, auf unsrem ersten Berichte. Der Schlofferlehrling ist mit der Frage, ob er nicht ein Glas gutes Bier trinken wolle, vom Georgplatze 6 aus in den Gasthof zu-den 3 Schwänen gelockt und dort in ein reli giöses Gespräch verwickelt worden. Dieser Gasthof wird zahlreich von Socialdemokratcn und ihnen nahestehenden Freireligiöse« besucht. Sobald das Gespräch auf Religion gekommen, haben zwei der letzteren sich hineingcmengt und in einer Weise sich über Gott, Unsterblichkeit und Religion geäußert, daß dem Lehr ling der Eintritt in den katholischen Gesellenvcrcin, als einzige Rettung vor solchen Ansichten geschildert wurde. Sollte dies die höhere Art des religiösen Bauernfanges sein, der die Frei religiösen als Abschreckungsmittel verwendet? Man sieht so häufig gottesleugnende Socialdemokratcn die Geschäfte der Ultra montanen besorgen, daß diese Bermuthung nicht so ganz ohne ist. Daß der Lehrling, ohne überzeugt worden zu sein, sich ent fernte und die Herren sein Bier bezahlen ließ, haben wir schon gemeldet. — Die namentlich unter sächsischen Arbeitern seiner Zeit viele Anhänger findende „Colonie Saxonia" in Nordamerika stellt sich immer mehr als ein riesiges Prello gewissenloser Agenten heraus. Das Clima in der Ansiedlung der „Saxonia" ist so rauh, daß es Mitte Juli fror und eiste. Infolge dessen zieht die Colonie weiter; wohin ? ist noch nicht genau bekannt. Es ist traurig, daß sich immer noch brave deutsche Arbeiter finden, die auf die nichtswürdigen Ver sprechungen von solchen Vvlksbeglückern hören! — Wie man hört, beabsichtigt ein Privatmann eine Pserdc- eisenbahn in Neustadt zu erbauen Dieselbe soll über die Haupt- und Königsbrückerstraße (eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt) entlang den großartigen neuen Militäretablisse- ments, also auch die bevölkerte Alaunstraße und Oppcllvorstadt streifend, dann etwa die Buchenstraße hindurch zum neuen Friedhöfe laufen; von dort würde, den Trachenberge» entlang, ein höchst ge sundes großes Bauland als Vorstadt erschlossen, eventuell die Löß nitz erreicht. Eine Bahnüberschreitung (wie sie andere Pro jekte erheischen) findet nirgends statt. Der Stadtrath hat nun aber das Bauvorrecht der Continental-Pferdebahn für immer eingeräumt, welche ihrerseits eine andere Linie über die Bahngleise der Leipziger straße gehend, erst nach Errichtung einer (für jetzt unstatthaften) Pferdebahnverbindung von Alt- nach Neustadt, beabsichtigt. Wie wird man sich nun einigen? Zu den vielen Verkehrsstörungen, welche jetzt unsere Stadt heimsuchen, gehört auch die Sperrung des Trottoirs auf der Augustusstraßc. Das Malergerüste dort wankt und weicht nicht von der Stelle und nach der bisherigen Zeit zu rechnen, scheint es noch viele Jahre lang dort sitzen bleiben zu sollen. — Bei Baugerüsten läßt man wenigstens einen Durch gang für die Fußgänger, jenes Gerüste ist aber so undurchdring lich verschlossen, als wenn die wichtigsten Staatsgeheimnisse da hinter verhandelt würden. Vielleicht verträgt die Arbeit d,chinlc> den Luftzug nicht, oder vielleicht werden die Künstler gestört, wenn Jemand zusieht, oder vielleicht wollen sie ihre Geheimnisse nicht verrathen — dem Publikum kann da« gleichgiltig sein, allein einen Durchgang sollte-man doch ermöglichen können. Z in 1t , !-