Volltext Seite (XML)
Adorker Wochenblatt. - —L———- Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sechzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung de« Blattes durch Botengelegenheit: 2L Ngr. — . ... > , ... > , > ^VF 14. Mittwoch, den ». April 1851. „Revolution und Reaction" heißt ein bcachtenswerther Arlikel der, bekanntlich nichts weniger als radicalen, „Augsb. Allg. Ztg.", der vollständig in unserm Sinne geschrieben ist. Wir neh men für einige Stellen die Aufmerksamkeit unserer Le ser in Anspruch. Mögen immer Machthaber der Neu- jru, weil sie sich frei wissen von so blutigen Gräueln, wie sie Tacitus und Suclonius von den Cäsaren be richtet haben, nach Art der Pharisäer von sich sagen: ich bin nicht wie Jene; ein großer Theil der charakte ristischen Züge, welche von den genannten Schriftstel lern zum Abscheu aller Zeiten ausgezeichnet wurden, sinder sich auch in den Annalen neuerer Epochen. Die Verfolgungen und Zurücksetzungen wegen bloßen Ver dachts mangelnder Treue und Anhänglichkeit, oder anch nur wegen Betätigung einer unabhängigen, manncswürdigen Gesinnung, die Verdächtigungen we gen einzelner, frcimüthiger, grobkörniger oder sarkasti scher Acußcrungen, oder wegen Umgangs mit mißlie bigen Personen, die Einrichtung oder Ermunterung der schimpflichen Angeberei, die Lohnspendungen an Hör- eher und Lobhudler, die Vergiftung des geselligen Ver kehrs, die Propaganda der Laster der Heuchelei und Schmeichelei, die Gcrcchtigkeitsfalschmünzcrci durch Be- setzung der Tribunale mit feilen Gunstbuhlern oder mit Fanatikern des Servilismus, all dieser Staals- und Rcgicrungsaussatz ist aus den Tagen des Tiberius bis auf Zeiten überliefert worden, welche für das heutige Geschlecht nicht außer Mcnfcbengcdenken liegen. ... Reaction und Revvlulion sind nur verschiede, ne Arlen derselben Gattung; der Reaclionär ist nichts Anderes als ein Revolutionär, nur in umgekehrter Rich tung. Revolutionär heißt mir jedes gewaltsame Ab reißen des Fadens naturgemäßer geschichtlicher Ent wickelung, sei cs um sprungweise zu ganz neuen Ge. staltungcn überzugehen, oder um zu Veraltetem, Ab gelebtem zurückzukehren, um, wie Tieck's Prinz Zerbi. rio, das Stück (hier ein Stück Weltgeschichte) zurück zuschieben, so daß die abgespielten Auftritte und Auf züge wieder in Scene kommen. Man mißverstehe mich nicht: rcactionär heiße ich nur das Beginnen, abge fallene Blätter wieder an den Baum zu heften, nicht aber das Unternehmen, den ausgetretenen, verheerend über Fluren und Wiesen strömenden Fluß wieder in sein Bett zu dämmen und durch geeignete Vorrichtung gen ferneren Ueberflulhungen vorzubeugcn .... Di» Reaction muthet dem Manne zu, sich wieder in die Kleider des Knaben zwängen zu lassen, sie will die Foim, welche der entwickelte Geist gesprengt hat, wie der zusammenleimen, sie unternimmt eS, die abgestor benen ins Leben zurückzuführen. . . . Wiederherstel lung der reinen Monarchie! lautet heutzutage das Feldgeschrei der nach rettenden Thatcn verlangenden Reaction. Der Weg soll über die Trümmer der Lan desverfassungen gehen, nicht blos der im RevolulionK- sturme den Fürsten abgezwungenen Institutionen, fon» dern auch über die Ruinen der von den Fürsten selbst in bessern Tagen verliehenen, von den Volksstämmeu dankbar angenommenen, durch feierliche E'de der Mo narchen wie aller Staatsbürger und Staatsdiener be kräftigten, durch mehr als dreißigjährige Uebung im Rechtsbewußtsein der Staatsgenossen festgewurzelten Verfassungen. An dem Ziele, welchem die Reaction zusteuert, wird der konstitutionelle König wieder „Eigenthümer von Land und Leuten", die Staatsbürger kehren in die Stellung von Lchnleuten, Hörigen und Hintersasse« zurück, die Volksvertretung muß sich mit der Zustän digkeit der Liechtensteinischen Landschaft begnügen, „wel che sich weder in politische, bürgerliche noch peinlich« Dinge zu mischen, auch nicht zu berathcn hat, ob, sondern nur wie sie das geforderte Geld aufbringen mag." Bollblutreactionäre führen wohl auch im Schil, de, das gutsherrliche Verhältniß in der Weise zu re- stauriren, das neue, wenigstens analoge Geltung erhält, was Baron Kreittmayr in den Anmerkungen zum bai rischen Landrecht Thl. Il, Cap 11, h. 7, Nr. 2, lit. « bezüglich ungemessencr Frohndienste bemerkt: „Obwohl demnach die Herrschaft nicht so gebundene Hände hie, rin hat, so darf sie doch verwegen nicht allzu frei ertravagiren und dem Unterthan die Haut schlechter dings über den Kopf ziehen, als welches nicht nutz dem Rechte, sondern der Prudcnz und Klugheit entge» gen ist, indem man sich selbst den größten Schaden dadurch thut, wenn der Unterthan ganz ausgemergelt und zum Bettler gemacht ist."