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Kuer Tageblatt Dienstag, 2i. September 1989. Mt M ZSSN uMM MMM! Nr. 219. Bierter Jahrgang. und Anzeiger Mr das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: seit, Krnhois. Für di« Inserate verantwortlich: Witter Nr»»». Bride in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntag« nachmittags von 4—s Ahr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Au«. — Fernsprecher U. Für unverlangt eingesandte Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag M«r vruck,.0trl,„«rt«!i»<d^ m. b. S. in Aue >. Lrzgeb. Vezugsprets: Durch unser« Boten frei ins Kau» monatlich so Pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich VO Pbz. und wöchentlich ,0 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich «.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich 1.92 Mk. — Einzeln» Nummer 10 Pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Lrschemt täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens 9'/, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmt« Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn ste am Tag» vorher bei «ns eingehen. Jnsertiousxreis: Vie fiebengespalten« Aorpuszeile oder deren Raum lo pfg., Reklamen rs pfg, Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese Nummer umfaßt 6 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Der deutsche Reichskanzler v. Bethinann-Hollweg wurde gestern vormittag in besonderer Audien, von Kaiser Franz Joseph empfangen. (S. pol. Xgssch.) Der Zeppelin III unternahm gestern mittag von Düsseldorf aus eine F a h.rt n a ch Es s e n. A b e n l- s erfolgte die Rückfahrt nach Düsseldorf, wo das Luftschiff auf der Landungsstelle in der Golzheimer Haive glait nieder ging. (S. Sport.) j Die Reichsbank hat den Diskont auf 4 Prozent und den Lombardzinsfuß auf 5 Prozent erhöht. I verschiedenen Städten der Mandschurei liegen Meldungen über die zunehmende Boykottbewe- gnng gegen die japanischen Waren vor. In Eharbin sind neue deutsche und englische Ge treideexportkontore eröffnet wordeu. , IM' Mutmaßlichste Witterung am L2. September: Süd- Mad, heiter, warm, vorwiegend trocken. Der sozralvemokrattsche Parteitag. Eine volle Woche hat man kn Leipzig getagt, in <» einzelnen Sitzungen sind die Wellen recht hoch gegangen und die Aussprache war ziemlich gründlich. Ob man aber sehr < frohen Herzens nach Hause gegangen ist, dürfte auf einem anderen Blatte stehen. Der Kampf zwischen den Anhängern der alten Doktrin und den Revisionisten köderte mehrfach in Hellen Flammen empor. Indessen ist cs .zu solchen Szenen, wie man sie in Dresden erlebte, nicht gekommen, wenn cs auch zuweilen recht stürmisch zuging und scharfe Worte gegeneinander prasselten. Dagegen ist ein Moment ausgefallen, das mehrfach im Laufe der Verhandlung M Tage trat: Verschiedentlich machte sich eine seltsame Direktionslosigkeit bemerkbar, man faßte Beschlüsse, die einander vollständig entgegengesetzt waren und man konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, als ob eine gewisse Unklarheit in die Reihen eingcrissen sei. Es läßt sich eben nicht leugnen, daß die Revisionisten langsam aber sicher an Terrain gewinnen, wenn man cs auch nicht wahrhaben möchte. In weiten Kreisen kommt man zur Einsicht, daß mit der großen Negierung nichts erreicht wird, sondern daß es auch notwendig wird, positive Arbeit zu leisten. Interessant war es, daß ein Mann wie Bebel selbst bekannte, die Reichstagsfraktion wäre löricht gewesen, wenn sie in der dritten Lesung gegen die Erbschaftssteuer gestimmt hätte. Damit hat sich also auch der alte Führer der Sozialdemokratie im Grunde genommen von seinen bisherigen Prinzipien los gesagt, wenn auch nur für den einen Fall, wie ja auch ein großer Teil der Reichstagsfraktiou den gleichen Standpunkt eingenommen hat. Allerdings wäre es verfehlt zu glauben, daß die revisio nistische Richtung einen vollen Sieg errungen hat. Man wird trotzdem die alten Prinzipien nicht aufgeben, immerhin aber vielleicht doch hier und da aus Nützlichkeitsgründen wie aus taktischen Ursachen Konzessionen machen. Ebensowenig ist an eine Annäherung an die linksstehenden bürger lichen Parteien zu denken, höchstens daß man vielleicht einmal bei einer Stichwahl für eine der bürgerlichen Parteien, als dem kleineren Uebel, stimmt. Was sonst außer der allgemeinen Debatte über die Tätigkeit der Reichstags fraktion verbandelt wurde, war für die Außenstehenden von minderem Interesse, höchstens war es bemerkenswert, mit welcher Energie mau gegen die Branntweinsteuer zu Felde ziehen will, nämlich durch Verhängung desSchnaps- b 0 l) k 0 tts. Auch verdient hervorgehobcn zu werden, daß bei der Kritik über die V e r sich e r u n g s r e f 0 r in eine Ab schwenkung von der Verelendnngstheorie wahrzunehmen war, indem das weibliche Mitglied des Parteivvrftandes, Frau Louise Zietz, in ihrer Rede erklärte, daß die Sozial demokraten keineswegs Freunde der Verelendungstheorie wären und daß der materiell sichcrgestellte Arbeiter kampfesfreudiger sei, als die. welche dem Elende anheim fallen. Auch die Debatte über die Maifeier bot wenig Neues, und die H 0 f g ü ng e raf f ä r e, in der man ursprünglich den Haupt- dcbattepunkt des ganzen Parteitages erblickt hatte, wurde durch Verhandlungen hinter den Kulissen bcigelegt, indem man sich mit einer Erklärung der Sieben Schwaben begnügte, die darin pater peccavi sagten- Ein unerwartetes Resultat hat dagegen die beschlossene A bündernng desOrg a n i s a t i 0 n s st a t u t s ergeben, indem das bekannte Mitglied Ealver seinen Austritt aus der sozialdemokratischen Partei erklärt hat. Calver hat ja schon manchen Strauß mit seinen Parteifreunden wegen seiner volkswirtschaftlichen Artikel gehabt, und man war wohl schon mehr wie einmal daran, ihn aus der Partei auszuschließen. Calver hat nun selber das Tischtuch zerschnitten, weil in dem neuen Statut Parteischädigung als Ausschluß grund hinzugefügt und überdies allen Parteiinstanzen das Recht der N ü g e n e r t ei l u n g zugesprochen wird. Calver hat in einem Schreiben diese Bestimmung des neuen Statuts als eine Bedrohung des persönlichen Rechtes und der freien Meinungsäußerung bezeichnet und daraus die Konsequenzen gezogen. Allzuviel Nachahmung wird sein Beispiel wohl kaum finden, selbst nach den schärfsten Differenzen auf anderen Parteitagen hat man sich nachher immer wieder friedlich in gemeinsamer Arbeit zur Bekämpf ung der bürgerlichen Weltanschauung zusammengefunden und so wird es auch nach der diesjährigen Leipziger Tagung sein. Politische Tagesschau. Nur, 21. September. Ein Kaiserbrics und seine Folgen. Dem N. Rott. Cour, werden aus Berlin auf Grund von Mitteilungen eines früher im Haag beglaubigten Diplomaten noch einige Einzelheiten über den Brief des Deutschen Kaisers an die Königin Wilhelmina vom Winter 1903/04 mitgeteilt. Es war ein ganz vertrauliches Schreiben heißt es da, in dem der Kaiser in sehr höflicher Form der Königin zn ver stehen gab, daß er genötigt sein würde, Holland mili tärisch zu besehen, wenn nicht von der holländische» Re gierung die nötigen Verteidigungsmaßregel» längs der Küste getroffen würden. Dieses Schreiben erweckte natürlich am Hofe große Sensation; die Königin entbot den Minister präsidenten Kuyper zu sich, weigerte sich aber, ihm den Na men des Briefschreibers zn nennen, da es ein vertrauliches Schreiben sei. Erst später wurde der Namen des Schreibers durch eine Indiskretion Küppers bekannt, der ihn aus an derer Quelle erfahren hatte. Als der Kaiser später die Königin besuchte, sagte e„ wahrscheinlich um den Eindruck seines Briefes wieder gut zu machen, er habe die Nord- seeeuteute als et« spezielles Geschenk »ür dir Königin 00» Holland bestimmt: dies wiederholte er gegenüber dem Prinzen Heinrich später beim Stapellauf der Nassau. Um den Wert > Der verschmähte Wald. «tue peinlich wahr« ««schichte aus de« Mederbayerischen. Bon W. Schüller. (Schluß.) «Nachdruck verboten.» Die notarielle Urkunde, daß die Waldparzelle am Eichen hain in der Gemeinde Oberhaching, dein Herrn Professor Geisenhofcr in Regensburg als Eigentum gehörte, mochte ungefähr ein Jahr alt geworden sein, als sie der Geistliche aus dem Sekretär seines behaglichen Studierzimmers nahm und sie noch einmal durchlas, gerade, als ob er sich vergewissern wollte, daß der Kleophassche Wald heute wirklich sein eigen wäre. Schwarz auf weiß hatte er es. Da gab es keinen Zweifel. Dann griff er nach einem Schreiben, das geöffnet am Tisch lag. Es trug den Poststempel des k. bayerischen /WForstamtes Eggenhofen, in dessen Mnchtsphäre der Cichcnraiu gehörte und lautete: Dem k. Professor am Lyeeum Dr. Matthias Geisenhofcr in Regensburg. 1 Nachdem der derzeit im Eigentum des K. Professors Dr. Matthias Geiseuhofer stehende Wald am Eichenrain, Gemeinde Oberhaching, laut den Akten vor 23 Jahren mit Erlaubnis des k. Forstamtcs Eggenhofcn nach und nach gänz lich abgeholzt wurde, und nachdem, vorliegenden Aktcnmaterials zufolge, seit dieser Zeit bis auf den heutigen Datum eine ent sprechende Aufforstung des Waldbestandes in vorschriftsmäßiger Weise nicht stattgefunden, fordert das k. Forstamt Eggenhofcn den derzeitigen Eigentümer auf, den bislang versäumten Pflichten des Waldeigcntümcrs nachzukommen und mit der sofortigen Anpflanzung von mindestens 200 Fichten zu be ginnen. Im Wcigerungs- oder Verzögerungsfalle macht das k Forstamt den zuwiderhandelndcn derzeitigen rechtmäßigen Eigentümer auf die aus den einschlägigen Artikeln des Aus führungsgesetzes vom k. b. Forstgesetze zu ziehenden Konsequenzen ^ aufmerksam. Außerdem fügt man bei, daß die nötige An pflanzung am besten und zweckmäßigsten durch die k. Kreis baumschule in Eggenhoseu ausgcführt würde. Das k. Forstamt Eggenhoseu, Bezirk Eggeuhofen. Dr. Matthias kratzte sich verlegen hinter den Ohren. Also darum hatte sich der Vetter so energisch geweigert, den Wald zu nehmen, der einmal ein Wald war und vielleicht in 30 Jahren wieder einer sein könnte, falls er, der Herr Lyeealprofcssor, jedes Jahr soundsoviel kleine Fichtenstämmchen nachsetzt. O, der Schlaumeier Xaver! Der hatte natürlich gewußt, wie wenig Schatten der Wald des Kleophas spenden konnte, lind er, der Studierte, der von Rechts wegen der Gescheitere Hütte sein müssen, hatte sich übertölpeln lassen! lind nun war es einmal nicht zu ändern, und der Professor schickte sich mit einem Seufzer ins Unvermeidliche, schrieb an die in Eggenhofen befindliche Kreisbaumschulc, sic möge sofort 200 junge Stämmchen auf dem fraglichen Gebiete nachsetzen und glaubte, damit hätte fick) die Angelegenheit behoben. Dem sollte aber nicht so sein. Etwa zwei Monate später wurde er wieder an seine Eigentumsrechte am Eichenrain erinnert. Die Kreisbaumschule schickte ihm eine ansehnliche Rechnung. Der geistliche Herr wunderte sich, was die kleinen Fichtenknirpse teuer wären, schrieb aber dann die Postanweisung nach Eggen hofen. Wiederum glaubte er seine Pflichten als Waldeigen tümer seien erfiillt und er brauchte nun nur seine Rechte abzuwarten. Wiederum sollte er sich getäuscht sehen. Als der Frühling wieder ins Land zu ziehen sich anschickte, als ein Jahr nach der Aufforstung und zwei Jahre nach seinem Besuche in Ober haching, bei dem er den verhängnisvollen Wald bekam, ver gangen, brachte die Post wieder einen Schreibebrief, vom k. Eggenhofen, der sich von dem vorigen nur dadurch unter schied, daß in ihm eine Aufforstung von weiteren 300 Stück verlangt wurde. Das war nun eine netle Bescherung! Was tun? Er schrieb wieder einen Brief, aber diesmal an seinen Vetter Xaver. Zwei Tage später saß der geistliche Herr wieder in einem Abteil zweiter Klasse des Zuges nach Oberhaching. Wie vor zwei Jahren wurde er von dem Bahnhofsbeamten ehrfurchtsvoll begrüßt und von seinem Vetter empfangen. Xaver Geisenhofcr wußte aus dein Brief des Vetters schon, warum er den Besuch bekam. Diesmal wartete er, bis der Vetter mit der Sprache herausrückte, was auffallend rasch geschah. Er wäre nun, meinte dieser, in einem Alter, in dem man die Schlagbarkeit eines Waldes nicht mehr abwarten könne. Für ihn lohne sich der Wald am Eichenrain ganz und gar nicht. Bei ihm, dem Xaver, aber läge die Sache ganz anders. Wenn er nicht selber noch, so könne sich doch sein ältester Sohn des Waldes erfreuen. Aus diesen Gründen heraus, und damit der Wald im Geisenhoferschen Besitz bliebe, habe er sich entschlossen, wie er ja bereits brieflich angedeutet, den Wald seinem Vetter geschenkweisc zu überlassen. Er wartungsvoll blickte der geistliche Herr auf den Bauern. Jetzt mußte es sich zeigen, wer der Schlauere von den beiden Geisen- hofern war. Dr. Matthias triumphierte. Der Vetter lächelte, was selten geschah, und bedankte sich recht herzlich. In bester Laune fuhren dann die beiden wie vor drei Jahren zu dem nächsten Notar, und dem Matthias hüpfte das Herz vor Freude, als die Schenkungsurkunde ausgestellt und er den teuren Wald los war. Aber merkwürdig! Kaum war der offizielle Schenkungsakt vollzogen, da regte sich stn Dr. Matthias das Gewissen. Hatte er nicht seinen Vetter angeschmiert, wie nur ein Bauer den andern anschmieren konnte. Der Gedanke be drückte ihn von Minute zu Minute mehr Noch hatte er eine Stunde Aufenthalt, bis sein Zug ging. Der Vetter in seiner Dankbarkeit ließ es sich nicht nehmen, ihm noch Gesellschaft zu leisten. Soviel auch der Professor ihn bat, auf ihn nicht Rücksicht nehmen 'zu wollen, Xaver ließ sich nicht abhalten. Und von Minute zu Minute wuchs das Gewissen in Dr. Matthias. Sollte er es gestehen? Er fürchtete aber den verhängnisvollen und teueren Besitz des Waldes und hatte Angst vor dem Zornausbruch des Bauern, der vielleicht recht massiv sein konnte. So schwieg er. Endlich kam sein Zug. Er stieg ein und forderte oen Xaver auf, nunmehr an seine