Volltext Seite (XML)
Großenhainer MtelhMungs- L Anzeigeblatt. Aiiäsl-lait iler Römgk. Amt8^auptniann^a^, lies Rönigl AmtWnclik unä lieg Ataäirai^s zu Großenhain. Redaction, Druck und Verlag von Herrmann Starke in Großenhain. Dienstag den 30. December Inserate werden Tags vorher bis früh 9 Uhr für die nächste Nummer angenommen. ROT v "X/* Erscheinen: Dienstag, Donnerstag, Sonnabend. LvO« Abonnement vierteljährlich 1 Mark. Wegen des Neujahrstages wird das Donnerstagsblatt schon Mittwoch früh ausgegeben werden, wozu wir uns etwaige kleinere Inserate bis heute Mittag erbitten. Viv LxperUH»» Dienstag, den 30. December 1879, nachmittags 5 Uhr: öffentliche Sitzung der Stadtverordneten. Tagesordnung: Ein Pachtvertrag. Vorschläge bez. der Wahl eines stellvertr. Bezirksvorstehers. Die Erbauung einer Schleuße. Die Aufstellung einer Gaslaterne. Das Regulativ für Erhebung communlicher Abgaben bei Besitzveränderungen. Drei Rechnungssachen. Politische wettschau. Wie gewöhnlich, so ruhte auch in diesem Jahre während ' des Weihnachtsfestes die hohe Politik. Es ist deshalb heute nur wenig zu berichten. Was unser Deutschland an langt, so haben wir zunächst der letzten Sitzung des Bundes- rathes zu gedenken, worin eine Verlängerung der Handels verträge mit der Schweiz und Italien bis Ende Juni 1880 beschlossen wurde. Der Vorsitzende theilte ferner mit, daß ' in Folge eines früheren Bundesrathsbeschlusses eine Ueber- - einkunft mit Großbritannien wegen gegenseitiger Hilfeleistung bei der Ergreifung von Deserteuren der Handelsmarine bereits abgeschlossen worden. Die Versammlung trat dem nächst auf Grund der Verträge der mit der Berichterstattung beauftragten Ausschüsse in die Berathung von Zollangelegen heiten ein. Insbesondere wurde dem Entwürfe des amtlichen Waarenverzeichnisses zum Zolltarif des deutschen Zollgebietes vom 15. Juli d. I. die Genehmigung ertheilt. Mit den Weihnachten ist auch für Oesterreich die stille Zeit in der Politik eingetreten. Die verschiedenen Gesetze, welche im ersten Abschnitt der Session vereinbart wurden, haben die kaiserliche Sanction erhalten, darunter auch das lange bestrittene Wehrgesetz. Graf Taaffe soll sich geäußert haben, der Reichsrath werde nach seinem Wiederzusammentritt noch über zwei Monate tagen. Die Landtagssession würde im April und Mai sich abwickeln. — Die Czechen mit ihren Forderungen an die gegenwärtige Regierung haben die Nationalitätenfrage wieder in Fluß gebracht und werden dabei namentlich von den Polen sehr unterstützt, welche ihre Selbstständigkeitsträume noch immer nicht verlernen können. Namentlich statten die Polen Galiziens, die unter dem Schutze des deutschen Oesterreich eine autonome Stellung erhielten, jetzt ihren Dank dadurch ab, daß sie nicht nur die ruthenische Bevölkerung Ostgaliziens mit wahrhaft russischen Mitteln terrorisiren, sondern auch Schritt um Schritt das Deutschthum aus dem Lande hinaus drängen. Gelingt es den Czechen, Polen und Slovenen, die ausschließlichen Herren in den Landstuben von Prag, Lemberg und Laibach zu sein, die deutsche Amts- und Schulsprache ganz oder theilweise zu verdrängen aus den besagten Kronländern, so wird sich das Oesterreich des 19. Jahrhunderts das traurige Verdienst erworben haben, > ein Förderer historisch und politisch abgewirthschafteter oder , völlig unreifer Slavenstämme und ein Vernichter der i deutschen Vorposten im Süden geworden zn sein. Die Nachrichten ausItalien sind keineswegs erfreulich. ! Der Nothlage des Landes, welche sich in Folge des un- ! gewöhnlich strengen Winters noch vergrößert hat, Rechnung . tragend, hat das Ministerium alle in seiner Macht be findlichen Mittel angewendet, um der Noth zu steuern, den j Hungernden beizustehen und den Darbenden Arbeit und Erwerb zu verschaffen. 20 Millionen wurden erst kürzlich angewiesen, um Straßen- und Eisenbahnbaue durchzuführen, bei denen Tausende ihr Brod finden, und dem bedrängten Landmanne wurde mit Getreide für die nächste Saat unter die Arme gegriffen, um mit besserer Hoffnung der nächsten Ernte entgegenzusehen. Eme eigene Commission von er probten Fachmännern wurde eingesetzt, um die Lage zu studiren, die Ursachen der in erschreckender Weise wachsenden Theueruug zu ergründen und die geeigneten Maßregeln zur Bekämpfung derselben und zur Linderung der herrschenden Noth vorzuschlagen und durchzuführen. Leider liegen die öffentlichen Wohlthätigkeitöanstalten und sogar auch der öffentliche WohlthätigkeitSsinn in Italien arg darnieder; aber leider sind auch die Mittel der Regierung sehr be schränkt. In Frankreich nimmt die Ministerkrisis alle Auf merksamkeit in Anspruch. Der bisherige Verlauf derselben ist ungefähr folgender: Da der Präsident Grevy der Ansicht war, daß das von Freycinet vorgeschlagene politische Pro gramm und die von demselben für das neue Cabinet in Aussicht genommenen Persönlichkeiten der gegenwärtigen Parlamentarischen Lage in der Deputirtenkammer und dem Senate nicht völlig entspreche, so hat Freycinet den ihm gewordenen Auftrag, .das neue Cabinet zu bilden, abgelehnt. Grevy ersuchte darauf Waddington, die Posten des Justiz ministers und Kriegsministers, die ihre Entlassung erbeten haben, neu zu besetzen. Waddington erachtete es indessen für besser, daß der Finanzminister Leon Say mit diesem Auftrage betraut würde. Letzterer wollte jedoch das Prä sidium nicht übernehmen. Waddington war deshalb bemüht, eine andere ministerielle Combination herzustellen und berief Challemel-Lacour, welchem er das Ministerium des Innern anbot. Am 24. d. kam Challemel-Lacour nach Paris und es fand eine Conferenz zwischen ihm und Waddington statt, welche jedoch ebenfalls resultatlos verlief, da Challemel-Lacour aus Gesundheitsrücksichten das Portefeuille ausschlug. Dar auf berief Waddington nochmals Freycinet und einige andere Minister, um über die augenblickliche Lage zu be- rathen. Und wenn inzwischen nicht ein Widerruf eintrisit, so lautet nunmehr die neueste Nachricht über den Stand der Krisis: Der Arbeitsminister Freycinet hat den Auftrag zur Bildung des neuen Cabinets übernommen. Gutem Vernehmen nach würde die Mehrzahl der bisherigen Mi nister, unter ihnen namentlich aber Say und Waddington, ihre Portefeuilles behalten. Die Richtung eines Ministeriums Freycinet ließe sich als gambettistisch bezeichnen. Waddington und Say würden nur aus Patriotismus und Ergebenheit für Grevy bleiben, denn der politische Charakter dieses Cabinets wäre eine entscheidendere Schwenkung nach links. In den Kreisen Gemäßigter zeigt man sich vollständig ein verstanden mit dem Versuch einer Politik der Union republi- eaine, damit die gouvernementale Fähigkeit dieser Partei vor den allgemeinen Wahlen ihre Probe bestehe oder nicht bestehe. Nach der Aufnahme, welche die Idee eines Bei behaltens des Ministeriums Waddington oder Say in der Majorität der republikanischen Kreise und der Presse fand, hätte ein solches freilich kaum Aussicht auf parlamentarische Existenz. Darum ist jetzt eine Combination in obigem Sinne, vielleicht noch mit einigen Personalveränderungen, die wahrscheinlichste Lösung. Die innere politische Lage in Rußland ist noch immer dieselbe: alle Welt fühlt, daß es in dieser Weise nicht weiter geht, und doch weiß ^Niemand, was geschehen soll. In St. Petersburg gehen die abenteuerlichsten Gerüchte, man spricht von Abdankung des Kaisers, von definitiven Forderungen der Nftnister nach konstitutionellen Reformen, von der sich immer höher steigernden Spannung zwischen Kaiser uud Thronfolger u. s. w. und malt Alles mit den lebhaftesten Farben aus. Man kann daraus ersehen, welche Aufregung alle Klaffen beherrscht und wie man heute nicht weiß, was der Morgen bringen wird. Tagesnachrichtm. Großenhain. Eine unverhoffte Weihnachtsfreude wurde zwanzig ärmeren Familien der hiesigen Stadt durch Herrn Fabrikbesitzer Bodemer zu Naundorf insofern bereitet, als er denselben am Weihnachtsheiligenabende je 1 und bei größerer Bedürftigkeit 2 Hectoliter Kohlen, sowie zwei bis drei Körbe llargespaltenes Holz verabreichen und durch sein Geschirr bis an ihre Wohnung tranSportiren ließ. ES verdient diese edelherzige Handlung um so dankbarere An erkennung, als Herr Bodemer schon früher oft im Stillen in wohlthätiger Weise gewirkt und sich auch sonst an den Uuterstütznugswerken in unserer Stadt vielfach betheiligt hat. — Auch unsere städtische Behörde hat nicht verabsäumt, Schritte zur Linderung des Nothstandes, in welchen manche Familie durch die strenge Winterkälte des MouatS December gerathen war, zu thun, denn sie hat an 198 Haushaltungen, in welchen der Mangel Einkehr gehalten, je Vr Hectoliter Stein- und V2 Hectoliter Braunkohlen für Rechnung der Armenkasse verabfolgen lassen. Sachsen. Ihre königlichen Majestäten wollten Montag den 29. December die Villa zu Strehlen verlassen und das königliche Residenzschloß zu Dresden beziehen. Beim Landtage haben 23 sächsische Fleischerinnungen eine Petition eingereicht, in der sie verlangen, daß Jeder, der ein Stück Vieh schlachten will, angehalten werde, sich in den Besitz eines vorschriftsmäßig gebauten Schlachthauses oder anderer zum Betriebe der Bankfleischerei für nöthig erachteten Räume zu setzen. Die Tendenz der Petition richtet sich gegen das sogen. Hausschlachten. Die Petitions- Deputation der zweiten Kammer schlägt aber vor, über die Petition zur Tagesordnung überzugeheu. Im Interesse der Besitzer von 100-Mark-Noten der Weimarischen Bank wird wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß diese Noten mit Ablauf dieses Jahres un widerruflich werthlos werden. Unter Anwesenheit der Spitzen der königlichen und städtischen Behörden, sowie unter großer Betheiligung der Bevölkerung fand am zweiten Weihnachtsfeiertage im Hotel zum „Deutschen Kaiser" in Zwickau die von den Kindern Leipzigs veranstaltete Weihnachtsbescheerung statt. Der Saal war schön decorirt und an drei in Hufeisenform aufgestellten langen Tafeln, auf denen unter den vielen lichterstrahlenden Christbäumen die Gaben in reicher Fülle ausgebreitet lagen, standen 173 vaterlose Kinder mit ihren Müttern, die mit Dank und Freude das ihnen aus Kinderhänden Gespendete entgegennahmen. Am 24. December ist in Leipzig eine etwa 31 Jahre alte Wirthschafterin, welche am Abend vorher durch die Connewitzer Ortsbehörde wegen Selbstvergiftung durch Phos phor in das städtische Krankenhaus eingeliefert worden war, daselbst unter furchtbaren Schmerzen verstorben. In Meißen hat am zweiten Feiertage Abends ein junger Jutespinnereiarbeiter in seiner Wohnung eine Qantität Pe troleum in das Ofenfeuer gegossen und wurde durch dieses leichtfertige Gebühren ein Kamerad des Arbeiters derart an Armen und Hals verbrannt, daß er in das städtische Krankenhaus transportirt werden mußte. In Porschdorf bei Schandau ist der Handarbeiter Hohlfeld durch eigene Unvorsichtigkeit um sein Leben ge kommen. Derselbe hatte sich bei geöffneter Ofenthüre in unmittelbarer Nähe des Ofens niedergelegt und war ein geschlafen. Herausgefallene Kohlen hatten indeß einen Dielenbrand verursacht, infolge dessen der Betreffende er stickt vorgefunden wurde. In der Nacht zum 24. December sind auf dem Ritter- gute Staucha dem dasigen Pächter gegen 50 Stück Christ stollen, ein ausgeschlachtetes Schwein und aus dem Back ofen drei Braten gestohlen worden. Trotz sofortigen eifrigen Nachforschens Seitens der Gendarmerie hat man eine Spur von den frechen Dieben noch nicht gefunden. Am 22. December ereignete sich in Lengenfeld im Hause des Bäckermeisters Schwabe ein die Weihnacht störendes Unglück insofern, als ein defectes Rohr der Gasleitung die Wohnung des genannten Herrn mit Gas erfüllte, wodurch mehrere Familienglieder erkrankten, die Stube aber, in die Herr Schwabe mit brennendem Licht trat, ausbrannte. Deutsches Reich. Bezüglich eines von der deutschen und auswärtigen Presse erwähnten, die Abrüstungsfrage' betreffenden, angeblichen Briefes des Reichskanzlers an den italienischen Senator Jacini ist die „Nordd. Allg. Ztg." in der Lage, constatiren zu können, daß der Reichskanzler nie mals mit einem Herrn Jacini in Correspondenz stand und namentlich niemals seinerseits ein Schreiben an einen Herrn dieses Namens gerichtet hat. Der Kaiser hat, wie der „Magdeb. Ztg." mitgetheilt wird, bei Gelegenheit eines Diners, welches vor mehreren Tagen beim Prinzen August von Würtemberg stattfand, dem Cultusminister v. Puttkamer gegenüber seine Anerkennung für dessen entschiedenes Eintreten für die religiöse Erziehung der Jugend in der Elbingsr Schuldebatte Ausdruck gegeben und den Minister wegen des glücklichen Abstimmungsresultats beglückwünscht. Die „Wes.-Ztg." erfährt aus Kassel, daß der Abschluß eines Vergleiches zwischen der Krone Preußen und den hessischen Agnaten unmittelbar bevorstehe. Prinz Wilhelm von Hessen-Philippsthal-Barchfeld sei wegen seiner weit gehenden Forderungen überhaupt nicht zu den schwebenden Verhandlungen hinzugezogen worden. Am königlichen Hofe zu Berlin ist das Weihnachtsfest in üblicher Weise gefeiert worden, doch ging es etwas stiller zu, wie gewöhnlich. Die Abwesenheit der Frau Kronprin zessin und der kronprinzlichen Kinder, zumal der Unfall des Prinzen Wilhelm, warfen Schatten auf die Feststimmung. Das Befinden des Kaisers ist ein fortgesetzt ganz vorzüg liches. Bayern. Der Kriegsminister hat den Kammern zwei Gesetzentwürfe zugehen lassen, betreffend die Bewilligung eines weiteren außerordentlichen Credits von 1,467,454 M. und eines Vorschußcredits von 4,102,565 M. für militärische Bauten. Die Deckung des letzteren soll aus dem Erlös für zu veräußernde Militärrealitäten und durch einen Zuschuß aus dem ordentlichen MilitLretat erfolgen. Baden. Einen erschreckenden Beitrag zur Wucherfrage liefern einige Ziffern, welche der Abg. Birkenmayer kürzlich in der zweiten Kammer zur Kenntniß brachte. Hiernach be trugen die bei den Amtsgerichten des Landes anhängigen Wechselklagen im Jahre 1871: 1569, im Jahre 1878: 6249. Die Wechselproteste betrugen 1871 erst 4741, 1878 dagegen stiegen sie auf die riesige Ziffer von 17,642. Mit Obigem hielt ziemlich gleichen Schritt die Zunahme der amtögericht- lichen Processe, welche 1871 sich auf 26,995, 1878 aber auf 46,859 beliefen; sowie die Zunahme der Zahlungs befehle, die bei den Amtsgerichten von 92,444 auf 131,005,