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Welt Im Vila. 1^L^^X2I>^^L-^L ilnter Stürmen. . Roman 2 von Otto Bergmann. (For 1 sehun g.) dinür fühlte mit richtigem Takt die maßgebende Triebfeder für die winzige Bevorzugung seiner Person heraus und diese Er kenntnis schmg ihm noch mcniger eine Brücke zur Aunäheruug. Von Sehnsucht gequält, hielt er sich möglichst weit ent fernt von dem Stern, um welchen das ganze Leben des Salons seine Wirbel trieb. So kam es, daß er allein nur wahrnahm, wie Wera ihr unsichtbares Fangnetz immer da hin warf, wo Kleeberg sich aufhielt. Glühend beneidete er den Kameraden um dieses Inter esse der schönen Kurczag; mußte er es nach seinem Gemütszustand doch für ein unver gleichliches Glück halten. Die Wogen des Amüsements gingen noch hoch, als Kleeberg.sich von den liebenswür digen Gastgebern verabschiedete, um zu gehen. Der Abend war ihm förmlich verleidet und selbst di« lieblichsten Tanzweisen verloren heute die Anziehungskraft auf ihn, der sonst dem heiteren Kultus der leichtgeschürzten Muse keineswegs platonisch gegenüber stand. Wladimir begleitete den Freund bis in die Garderobenräume. „Warum wollen Sie uns eigentlich so zei tig entschlüpfen, Kleeberg?" gab er seiner Verwunderung über den in der Tat unge wöhnlich frühen Aufbruch des Barons Aus druck. . „Ich bin nicht so recht disponiert," wich Peter aus und zog die Uhr, „übrigens ist's schon Mitternacht vorüber." „Sie sind doch sonst kein Philister. Und heute lachte Ihnen doch eine besondere Chance." Peter drehte sich hart auf dem Absatz herum. Er hatte eben den Säbel umgeschnallt und ließ das Metallende der Lederscheide jetzt klirrend auf die Diele niederrasseln. „Was haben Sie denn dabei im Auge, Wladimir?" fragte er langsam. „Nun, ich dachte an die schöne Kurczag." „Ich aber nicht, den ganzen Abend nicht, Korolenko, wenigstens durchaus nicht in der Art von Gedanken, welche Sie wohl anzudeu- len beabsichtigten," antwortete Peter kühl. „Verzeihen Sie, Kleeberg, aber das das begreife ich nicht!" stammelte der andre verwirrt, während ihm die Wangen heiß wurden, „wäre ich an Ihrer Stelle gewesen — ah !" Peters Züge nahmen wieder einen ernst freundlichen Ausdruck an. Er faßte den Jün geren vertraulich bei der Schulter. „Ich will Ihnen etwas sagen, Leber Wla dimir," versetzte er eindringlich, „mit Bezug auf mich befinden Sie sich in einem gründ lichen Irrtum. Glauben Sie mir's. Aber nachdem ich jetzt eben Ihr heißes Gesicht ge- schu, möchte ich Sie lieber freundschaftlich warnen. Springen Sie nicht. nach einem glänzenden Punkt, der im ungewissen schwebt. Drei Worte darüber noch unter strengster Diskretion. Ich weiß aus guter Quelle, daß vor Jahresfrist schon einmal ein hoffnungs voller Offizier wegen dieser schönen Wera Kurczag fast um die Ecke gegangen wäre. Den Namen kenne ich selbst nicht. Aber denken Sie mal darüber nach. Und nun gute Nacht, lieber Freund." — Am Morgen darauf suchte Peter seinen Kameraden und speziellen Freund Wulkoff in dessen Wohnung auf. Durch die Züge des jungen Barons zit ¬ terten die Schwingungen einer starken inner lichen Erregung. Fedoip Wulkoff, der heut ebenfalls dienst frei war? hatte sich soeben erst aus den Fe dern erhoben und saß noch vor dem dampfen den Samowar, sein Morgengetränk berei tend. Aromatischer Teeduft durchzog das Zimmer und breitete eine Atmosphäre von Behaglichkeit darin aus, in welche der lange Fedor mit seinem rotbraunen Schlafrock und der Rauchringe kräuselnden Zigarette vortreff lich hineinpaßie. „Ah, Peter!" rief er gemütlich, „es trifft sich ja prächtig, daß Du mir gerade in den ersten Teeaufguß fällst! Nimm Dir einen Sessel, Freundchen, und laß Dich mir gegen über an der edelsten Quelle chinesischer Da seinsgenüsse nieder." Peter kam der Aufforderung mit einiger Zerstreutheit nach. Er wurde von dem hchen Wogengang seiner Gedanken zu sehr hin und hergxschleudert, um auf den scherzhaften Ton des Langen einzugehen. Sein erregtes Wesen fiel Wulkoff erst jetzt auf. „Bringst Du etwa eine Neuigkeit, wie ich nach Deinem Gesicht schließen möchte?" fragte er nun mit einem Schlage wieder ernst werdend. „Nicht eine, sondern zwei. Die erste be trifft Rußland und die andre mich selber." „Dann ohne diplomatisches Einleitungs zeremoniell los. Was ist Dir?" „Erst frage, was mit Rußland ist!" rief Peter erregt,Mwir haben doch vorgestern den japanischen Gesandten zu Lamsdorff fahren sehen. Nun wohl, Kurino hat den Grafen nicht umsonst in so ungewöhnlicher Stunde zu einer Konferenz aufgesucht und Deine Ahnung, mein Freund, ist prophetisch ge wesen. Lies hier die heutige Nummer des Regierungsboten — Japan hat die diplo matischen Beziehungen zü unsrer Nation ab gebrochen, wie Graf Lamsdorff bereits durch eine Zirkulardepesche unsern Geschäftsträgern an den fremden Höfen mitgeteilt hat. Das war vorgestern Kurinos dringende Mission!" Fedor Wulkoff verlor bei dieser Eröff nung den letzten Rest von gemütlicher Be haglichkeit. Hastig griff er nach dem ihm über den Samowar hingereichten Zeitungs blatt und durchflog mit fiebernder Eile den Leitartikel. „Das heißt nun also dennoch Krieg, allen Friedenshoffnungen zum Trotz!" sagte er, das Blatt hinlegend, in starker Bewegung^ „Wenigstens haben die letztern jetzt kaum noch so viel Boden unter den Füßen, daß sie mühsam balanzieren können!" antwortete Peter achselzuckend, „auf den Prospekten drau ßen stehen die Leute in erregten Gruppen bei sammen und diskutieren eifrig die Frage, ob der Krieg jetzt unvermeidlich ist oder doch noch nebelhafte Friedensmöalichkeiten existie ren. Die Zeitungen glauben noch eine oder die andere andeuten zu können." „Alles Papierweisheit — nichts weiter!" warf Wulkoff lakonisch ein. „Ganz meine Auffassung von der Sach lage, Fedor!" bestätigte Peter lebhaft, „Ku rino soll bereits alle Anordnungen treffen, um nach Berlin abzureisen, da er auf dem Land wege durch Rußland und Sibirien feindselige Zwischenfälle befürchten mag. Die Mobil machung erlangt steigende Dimensionen, nicht minder auch der Abschub aktiver Truppen teile. Heute morgen sind auf der Kasan- Bahnstrecke von Moskau bereits wieder vier Schützenkompagnien nach der Mandschurei abgefahren und die Verschickung von Ver ¬ bandszeug nach dort nimmt den Charakter wahrer Massentransportc an." „Dann stehen also blutige Zeiten bevor. Nun, Altrußland soll uns unsrerAbstammung würdig finden, denn auch Du, wenngleich Du aus den baltischen Provinzen stammst, bist vom nationalen Geist durchdrungen, wie es ein Vollruffe nicht mehr sein könnte. Krieg also! Na, da haben jetzt die Draufgänger ihrcn Willen. Korolenko dürfte aus den Wolken fallen oder vielmehr schon gefallen sein und Jspenhan, der tolle Hitzkopf, wird sich freuen." Bei der Nennung dieses Namens um- düsterten sich sogleich Peters bisher nur von einem erregten Ernst beherrschten Züge.' „Jspenhan," wiederholte er gedankenvoll, „da Du von ihm sprichst, so können wir gleich zu meiner zweiten, mich selbst betreffenden Mitteilung übergehen." „Ihr habt wahrscheinlich während Eurer gemeinsamen Urlaubsreise Streit mit einan der gehabt, was? Es fiel mir gestern schon auf, wie fremd Ihr k^pch behandelt!" warf der lang« Leutnant aufhorchend dazwischen. „Streit, jawohl. Aber nicht einen Streit, der weiter nichts als ein paar Wochen gegen seitigen Anbrummens im Gefolge hat, son dern eine Auseinandersetzung bösester Art. Sie hat unsre Freundschaft vernichtet und zum vollständigen Zerwürfnis zwischenJspen han und mir geführt. Mehr noch! Ich glaube sogar, Jspenhan ist dadurch mein unversöhn licher Feind geworden." Fedor schüttelte mißmutig den Kopf. „Die Menschen sind Narren, wahrhaftig. Müssen sich ewig katzbalgen. Beabsichtigst Du mir die Ursachen mitzuteilen?" „Freilich, darum kam ich ja. Der Grund zu unserm Zerwürfnis — ja Du lieber Him mel, da kommen wir auf jenes dunstige Ge biet, wo es kein allgemein gültiges Urteil gibt, sondern alles Sache der persönlichen Auffassung ist." Der Lange kniff ein Auge zu und blin zelte dabei den andern über die Dampf wölkchen des siedenden Wassers hinweg an. Sein intelligentes Gesicht erhielt dadurch et was Ueberlegenes. Ter Tee hatte inzwischen die richtig« Farbe erlangt. Fedor goß die beiden Taffen voll. „Ich will Dir alles gleich selbst erzählen, mein Lieber," erklärte er dann gelassen und schob dem Baron das Ziqarettenkistchen hin. „Ihr seid um Deine Cousine in Liaojang- an einandergeraten, nicht wahr?^E^, soll ein sehr hübsches Mädel sein, wie Du mir sagtest. Wahrscheinlich habt Ihr beide der jungen Dame wütend den Hof gemacht und sie hat einen von Euch sichtlich begünstigt, den an dern ebenso merklich abfallen lassen. Hab' Wohl richtig geraten, wie?" „Allerdings verhält sich die Geschichte so; ich bewundere Deine Kombinattonsgab«," be stätigte Kleeberg überrascht, „ohne Zweifel würde sich die schöne Pawlowna Djergent- scheff bittere Vorwürfe über ihre bestimmte Haltung machen, wenn sie je von dem Zwist zwischen Jspenhan und mir erfahren sollte. Und das dann noch dazu ohne jegliche Not wendigkeit." „Wohl möglich, denn Du sagtest mir ja, Deine Cousine'sei ein Mädchen von sanftem Naturell und weicher Gemütsanlage," bemerkte Fedor, „doch wer von Euch beiden ungeschick ten Courmachern ist denn nun der auf den Schild erhobene Glückliche?" „Ich. Und aus diesem Grunde begann Jspenhan in seinem Groll Streit mit mir zu suchen. Ich kam in die peinlich« Lag«, ihm ein« scharfe Zurechtweisung erteilen zu müssen