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Zweites Blatt Tharandt, Fassen, Sieöenteßn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptrnannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burk ardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Huhndorf, Käuflich, Kesselsdorf, Kleinschhnberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, OberhermSdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdors, Schmiedewalde. Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn. Secügstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, WeMropp, Wildderg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens mittags 12 Uhr angenommen. — Znserlionspreis 15 Pfg. pro viergespaltene Korpuszelle. Druck und Verlag von Marlin Berger in WWdrun. — BerarmvoEch für die Reirakwa Mariiu Berger »aielbst. Nv. 131. Dienstag, den 22. Dezember I9n3 62. Jahrg Das Werk der Freu e. Ein Stückchen Erlebnis aus der Vorbereiiungszeit zum Weihnachtsfeste. Von Friedrich Sieck. (Nachdruck verboten.) Es war ein kalter Dezembertag. Droben in der dritten Etage eines Hauses der Großherzoglichen Resioenz sitztim abgetragenen, aber doch vornehmen Kleide eine Frau am Nähtische. Wie bleich ist ihre Wange, wie die Rosen an den Fenstern, Vie seit mehreren Tagen schon nicht aafge- taut sind! Einst muß diese Frau schön gewesen sein und sie ist es noch, trotz ihrer Armut, deren eiskalte Hand die Blüten der Menschen lebend knickt und Jugend und Schön heit zu früh sonst raubt. Dann und wann, wenn ihre erstarrten Finger den Dienst versagen, blickt sie von der Arbeit auf und läßt den sorgenvollen Blick durch das Zimmer gleiten, dessen Einrichtung auch noch von besseren Zeiten zu reden weiß, oder sonst auch gespannt auf den Atemzug ihrer Kleinen im Nebenzimmer, immer fürchtend, daß das eine oder andere erwachen könnte und nach Brot rufen — und ach! Wie groß auch die Not schon gewesen und wie manche Träne auf ihrer Wange schon bei der grimmigen Kälte erstarrt sein mag, so hat die Ver zweiflung, die so häufig im Gefolge der Armut sich findet, doch noch keine Herrschaft über ihr Herz erlangt. Noch immer blinkt ihr durch die Nacht der Sorgen der Stern der Hoffnung auf bessere Zeilen. Ein großes edles Men- schenhcrz richtet sich an sich selbst aus und — die Not veredelte große Herzen. Wenn sie in's Auge ihrer Kinder schaute bei der Ver teilung des mageren Brotes, dann hatte sie sür jedes ein Lächeln. Mutig rang sie sich los aus den Fesseln der Not und holte aus ihrem Herzen, aus dem tiesen Quell des Mutterherzens die Labe sür ihre Kinder: das Glück im Mutterauge. Was schafft sie denn so emsig am Nähtisch? — Das Weihnachtsgeschenk für ihre Kleinen. Da sehen wir für den Albert ein Röckchen, geschmackvoll hergestellt aus einem Rock des Vaters, ebenso sind das Höschen und die Pelz mütze aus alten Stoffen so reizend gefertigt, das es eine Lust ist. Weiter sehen wir Puppenktcidchen für die beiden kleinen Mädchen Aus allen längst zurückgelegten Stoffm so niedlich geschaffen, verziert mit allerlei Bändchen und Flitter, wie sie noch aus eigener Jugendzeit aufbewarl, als habe sie geahnt, daß es eine Zeit geben könne, wo Wertloses wertvoll werden kann. Wie freut sich das Mutlerherz im Anblick dieser ärmlichen Sachen! Wohl ist alles ärmlich, wohl sind es nur Lappen und Läppchen, aber Harmonie und Geschmack herrscht in der Zusammen stellung dieser Zeichen der Armut. Aber was vor allen Dingen das Weihnachtsgeschenk der Mutter den Kindern wertvoll machen wird, das sind — die unsichtbaren Zierden daran: die Gebete und Tränen der Mutter — die Hoff- nungen und Wünsche, die die erstarrten Finger mit hinetn- geflochten haben in das Weihnachtsgeschenk für ihre Kinder. Und wie werden sie glänzen, alle diese Perlen, wenn erst der heilige Strahl des Weihnachtssternes aus sie herab fällt aus der lichten Engelwelt, wo sie gewiß erhört weroen die Gebete, und die Tränen gezählt werden, die eine Mutter weint, wenn sie mit den Goldfäden der Liese ihre Armut zum schönsten Reichtum im Auge der Unschuld am- zuputzen versteht! Auf der Treppe wurden Schritte vernehmbar. Schnell sprang sie aus und eilte auf die Tür zu, wo ihr Mann ihr entgegen trat. „Guten Abend, lieber Anton!" rief sie ihm freudig entgegen. Tonlos war sein Gegengruß. Stumm nur drückte er ihre dargebotene kalte Hand und brach dann auf einem Stuhl zusammen. goldener Foden. Noinan von M. Friedrichstein. Auch die Musik war weniger kunstgerecht und wohllautend «l? in Teunchiand und nnwisltüUich drängte sich Reinhard r» Berg., ich e. zwilchen dieser Ballfestlichkeit und derjenigen iw Hause de? Herrn von Gattersheim: und trotz seiner No. ueigung gegen den letzteren mutzte er sich geliehen, das; die Auibäusnng dieier pomphaften Schaustellungen etwas Protzen- hastes an sich batte und gegen die wahrhaft vornehmen Ein richtungen des Oberst bedeutend verlor. Der Abend verlief zn allgemeiner Befriedigung. Nur Reinhard konnte sich im Verlaufe desselben eines unbehag lichen Gefühls nicht erwebren: denn die Herrin des Hauses zeigte ihm ihre Bevorzugung fo unverblümt vor alten Gästen, daß man ihn unbedingt sür ihren Erwählten halten mutzte, und al? er, einer verletzten, ihr die Hand zum Abschiedreichle, sagte: „Die Deutschen sind eine auserlesene Nation, aber schwer fällig von Begriffen, Mister Göpelmann. Ich hoffe Sie mit Ihren vielen Vorzügen noch ganz zum Amerikaner zu stempeln." „Es wird Ihnen nicht gelingen, Miß Astor. Mein Herz »nkert zu fest in der Heimat." Sie lächelte überlegen und erwiderte mit siegreicher Miene: „Bian muß versuchen, den Anker zu lichten. Hoffen wir vas Beste! Leben Sie wohl sür heute!" „Meinen Dunk sür den schönen Abend! Auf Wiedersehen!" „Auf Wiedersehen!" -» Mit ritterlichem Handkuß verabschiedete sich Reinhard. Die Amerikanerin stand wieder in der Mitte des Saales und schaute ihm nach, als wollte sie sagen: Mein mußt Du werden. Ich will es! Ihr Liebling zog es vor, zn Fuß nach Hanse znrückzu- kehren: denn der schwere Wein, die Hitze und der Tanz halten seine Nerven aufgeregt: die kühle Nachtlujt tat ihm wohl. Vor dem Hanse wendete er sich noch einmal nach .dem Feenpalast zurück. Wieder schaute er, wie vor Jahren, zurück in einen Ballsaal. aber nicht als Ausgestotzener, sondern als Vielbegehrter hatte er inmitten der Festlichkeit gestanden, er brauchte nur die Hand ausznstrecken, nur zu wollen, und er war der Besitzer unermeßlicher Reichtümer und eines entzück enden Weibes. Der Versucher nabte sich ihm in der Vorspiegelung seines künitigen glänzenden Lebens, welches ihn erwartete, wenn er Miß Ästor's deutlich zur Sckau getragene Zuneigung erwidern konnte; sein Blut wallte heiß bei der Vorstellung, das be rückend schöne Weib sein nennen zu dürfen; aber — plötzlich verblaßte vor seiner Seele ihr Bild und die Erinnerung zauberte ihm die jungfräuliche Gestalt seiner Gespielin in deutscher Einheit und Sitte vor dieselbe. „Irma!" flüsterte er leise in die Nacht hinein; er fand es jetzt nicht vermessen, die Hand nach dem zarten, hochge borenen Wesen anszustrecken, ihre Mutter hatte ja gesagt. Nicht wer wir sind, sondern was wir sind, sichert uns den Platz in der menschlichen Gesellschaft. Und er würde etwas sein! Der größte Fabrikant von Dernbach wollte er mit Hilfe seines Vaters werden. 14. Kapitel. , In zuversichtlicher Stimmung eilte Reinhard seinem Heime zu; es war nicht übermäßig spät. Der griesgrämige Onkel Miß Astor's duldete keine Austbarkeit bis an den Hellen Morgen. Bald war der müde Tänzer in jugendlich festen Schlaf gefallen. Da erhob sich leise eine vermummte Gestalt vor seinen Fenstern auf der Gallerie des Hauses. Es war dte verlotterte Erscheinung des Mannes, welcher am vorhergehenden Abende die Oertlichkeit auSgekundschaitet hatte. Er war eben im Begriff gewesen, einzusteigen, als die Ankunft des jungen Herrn sein Vorhaben unterbrach. „Donnerwetter!" hatte er gemurmelt. „Das ist Pech!" „Armer Mann, Du bist krank," sprach sie leise fürch tend und bückte ihm besorgt in das bleiche Gesicht, wo hinein die Hand der Sorge ihre geheimnisvollen Runen gezeichnet hatte. „Ja, ja, mein Weibchen, ich bin krank —" antwortete er tonlos. „Hoffnungsärmer als ich ging, kehre ich zu rück und trauriger als je ist die Lage, in der ich Euch wiedcrstnde. Ich sehe Euch leiden und kann Euch nicht helfen; ich sehe Euch im Elend versinken und kann Euch nicht retten — das bricht mir das Herz. Was fange ich an? — Was antworte ich meinen Kindern, wenn sie er wachen und um Brot bittend — Der nächste Morgen ver zehrt den Rest meiner Habe. Was dann ? „Dann hilft Gott weiter — verzage nicht! Nur wer den Glauben an sich selbst verliert, hat alles verloren." Sanft legte sie ihren Arm um seine Schulter und drückte sein sorgenschweres Haupt an ihre Brust, wo sein Ohr ihren Herzschlag vernehmen konnte, der immer aufs neue ihm zurief: „Verzage nicht!" „Sieh nur, mein Anton, was ich alles für unsere Kleinen zum heiligen Feste vor bereitet habe!" rief sie freudig, die Tränen in ihrem Auge erstickend, und hielt ihm die Puppe entgegen. — - Er wagte nicht aufzusehen. — Ein namenloser Schmerz schnürte ihm die Brust zusammen — sein ganzes Elend stand vor ihm und eine gewaltige, erschütternde Sprache redeten die Lappen und Läppchen — zum Weih nachtsgeschenk seiner Kinder. „Armes, armes Weibchen ." „Armd — Wie sollte ich arm sein! Mein Mann ist Künstler, der das Höchste und Herrlichste in der Kunst zu schaffen versteht ." „Leonore!" Der Ruf klang wie ein Schrei — dann zuckte es wie Hohn über sein Antlitz. „Laß mich, mein Anton, laß mich! — Sind wir auch beute noch arm an irdischen Gütern, so sind wir doch reich Nasch duckte er sich auf der Gallerie nieder, geschützt durch den Schatten, ivelchen das überhängende Dach verbreitete. Der Einbrecher hatte bereits eine Scheibe eingedrückt und konnte den Fensterflügel bequem öffnen, nnd als er annehme» konnte, daß der Ankömmling, welcher sich waleich zur Ruhe begeben hatte, sest eingejchlafen sei, wagte er sich wieder hervor. Leiber mußte er, um ins Wohnzimmer und zum Schreibtische des Inhabers zn gelangen, dessen Schlafzimmer durchschreiten. Der Vagabund handelte mit dem Mute der Verzweiflung. Von allen Mitteln entblößt, hungernd und stierend, mußte er Geld haben, und hier war Geld! Ein so eleganter Herr mußte bemittelt sein! Elend und obdachlos, wie er war, hatte er wenig zu verlieren. Also vorwärts! Leise öffnete er das Fenster und stieg verwegen und so geräuschlos wie möglich ein. Jedoch durch den kühlen Luftzug und in der instinktiven Empfindung einer Gefahr erwachte Reinhard und richtete sich plötzlich im Beit empor. „Wer ist da?" fragte er mit lauter Stimme. Er bekam keine Antwort; aber mit dem Sprung einer Tigeriatze war der Einbrecher an seinem Bette umkrallte ihm die Kehle und versuchte ihn zn würgen. Der Dieb hatte aber nicht mit der Gewandtheit nnd Körperkraft des Schläfers gerechnet. Dieser kämpfte wie ein Löwe, und als der Angreifer ihm sür einen Augenblick di« Kehle frei gab, nm seine Hände zn fesseln, stieß Reinhard einen lauten Hilferuf aus. Im nächsten Moment riß Poppel die Tür auf und kam unbekleidet mit brennender Lampe herein gestürzt. Di« ver- zwenelte Lage seines Herrn erkennen und sich anf den Gegner stürzen, war sür den treuen Diener das Werk eines Augenblickes. „Verfluchter Lmupenhunv!" schrie er. „Kerl! Hast Du nichts Besseres zu tun, als meinen jungen Herrn zu erdrosseln? Ich will Dich* lehren, den Leuten in bie Fenster zn steigen! Ich will Dir'? beibringru, soliden Leuten die Nachtruhe zu stören, Du Kanaille!" - . _ - - -