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Zweites Blatt. Tharandt, Aossen, SieöenL'eßn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und del: Stadtrath zu MilsdrE sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtsbausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Druck und Berlaq von Marlin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Ro. LSI. SvnnabenV, den 21. Dezember 1W1. Vb. Jadrs Inm 4. Adventssonntage. Luc. 10, 23: Jesus sprach zu seinen Jüngern: Selig sind die Augen, die da sehen, was ihr sehet! Wer halte nichl schon den Wunsch gehegt: Ach, daß ich in den Tagen Jesu gelebt und ihn gesehen hätte, den schönsten unter den Menschenkindern! Wie köstlich muß das gewesen sein für seine Jünger, daß sie immer um ihn sein durften, alle seine Wunderthaten mit ansehen, alle seine holdseligen Worte mit anhören konnten. Wer's doch auch so gut gehabt hätte! Gewiß, die Jünger haben's gut gehabt, daß sie täglich in der Gemeinschaft ihres Meisters sein durften. Und auch Jesus preist sie darum selig iu unserem Textwort. Aber das Sehen allein, das thuts doch noch nicht! Wieviele haben Jesum gesehen in den Tagen seines Fleisches, und sie 'haben ihr Herz vor ihm zugeschlosseu, sie haben ihn verfolgt und verstoßen. Hat nicht Judas auch alles gesehen, was der Herr gethan? Und es Hal ihm doch nichts genützt! Und wer weiß, weiß, ob du eher zum Glauben gekommen wärest in den Erdenlagen Jesu! Ich glaube es nicht! Da konnte man sich erst recht an seiner Nied rigkeit stoßen, da konnte man an seiner Armulh irre werden — und wie viele sind's geworden! Es gehörte doch da mals wie heute der gleiche Entschluß dazu, an diesen armen, geringen Heiland zu glauben, in seine Nachfolge einzutreten und sein Kreuz auf sich zu nehmen. Aber wenn du das thust, wenn du dich deinem Heilande auslieferst und über- gicbst, dann bekommst du ihn auch in gewissem Sinne zu tehen, dann gehen dir deine Glaubensaugen auf, dann thust du Blicke in seine Herrlichkeit, daß dir die Augen übergehen vor Freude und Dank. Freilich, das rechte Schauen, das kommt für uns, wenn wir unsere Augen hienieden schließen. O die Herrlichkeit, wenn wir Ihn sehen, wie Er ist! Wie wird's sein! Je mehr wir von Menschen, an denen wir unsere Lust sahen, verlassen werden, je mehr wir uns allein und einsam Vorkommen in der Welr, desto mehr freuen wir uns des Advents unseres Herrn, und desto mehr geht ein Heimweh, ein Sehnen und Verlangen durch unsere Seele: ^Laßt mich geh'u, laßt mich gch'n, Daß ich Jesum möge seh'n! Meine Seel' fft voll Verlangen Ihn auf ewig zu umfangen Und vor seinem Thron zu steh'n!" Dornröschen. Weihnachtsnovelle von F. Sutau. (Nachdruck verboten j (Fortsetzung.) Am nächsten Tage war die Frau Hauptmann von Ledendorf rastlos thätig, Alles zu der Festfeier am Abend herzurichten; erst am Spätnachmittag, während ihr Mann und Benno die Tanne schmückten, kam sie dazu, noch einige nothwendige Besorgungen zur Bescheerung zu machen. Leichten, beflügelten Schritts eilte sie durch die Straßen, hier und da vor dem Schaufenster stehn bleibend. Wie viel Schönes gab es doch auf der Welt. Hatte sie denn bisher gar keinen Blick gehabt für all' die reichen Kunst schätze, die überall in den Schaufenstern ausgestellt waren. Es war ihr, als schaute sie heute zum ersten Mal mit den rechten Augen in die Welt der Kunst und Schönheit. Wie herrlich diese Landschaftsbilder waren, die dem Be schauer sonnige Lenzes- und schwüle Sommertage vor Augen zauberten, ihn in die herrlichste Gebirgswell, an das Seegestade führten, und dort wieder in jenem großen Laden die Marmorbilder, die alten Griechengötler, die in ihrer ewigen Schönheit bleich und fremd in dieses Weih nachtstreiben blicken. Sollte sie ihren Gemahl mit einer dieser Statuen überraschen? doch nein, diese griechischen Götterbilder gehören nicht auf einen christlichen Weih nachtstisch, die sixtinische Madonna, die sie vorhin gesehen, die würde sich dazu besser eignen, und überdies war es ein Lieblingsbild ihres Gemahls. Sie erinnerte sich noch sehr gut, wie entzückt er gewesen, als sie auf ihrer Hoch zeitsreise nach der sächsischen Schweiz damals iu Dresden in der berühmten Blldergalleric vor dem Original ge standen. Sie hatte lange, lange nicht jener glücklichen Tage gedacht, ob er auch die Erinnerung daran verloren, in all der Alltäglichkeit, mit sie ihn umgeben? — Ach, es war damals doch Alles ganz anders gewesen. Wie ist es nur gekommen, daß sie so geworden, so allen Sinn verloren hatte für die Poesien des Daseins, wie Benno gestern gesagt halte. Sie kaufte das Bild und ging sinnend weiter. Ihr Weg führte sie an einem Modcwaarengeschäft vorüber, in welchem sie ihre Garderobe anfertigen ließ, halb schon im Vorübergehen besann sie sich, daß sie sich, da sie ein mal hier war, wohl nach dem Kostüm erkundigen könne, das sie vor einiger Zeit in dem Geschäft bestellt. Die Direktrice war sehr beschäftigt. Wie in allen größeren Geschäften zur Weihnachtszeit, war auch hier ein beständiges Kommen und Geyen, das Kostüm sei fertig, theilte die Direktrice der Frau Hauptmann in aller Eil fertigkeit mit, aber noch in den Händen einer ihrer Ar- beiterinnen, die sozusagen dem Ganzem erst noch den letzten Schliff geben müsse. Das junge Mädchen habe eine so leichte Hand, jede Garnirung, jede Schleife hätte ein an deres Ansehen, wenn sie es unter den Händen gehabt. Vielleicht bemühe sich die gnädige Frau selbst einmal herauf zu ihr, es sei ein feines, gebildetes Mädchen, jedenfalls aus sehr gutem Hause, und sie könne ja dann selbst noch ihre Wünsche äußern, betreffs der Garnirung der Kleidung. Frau Elise hatte nur noch sehr wenig Zeit zur Ver fügung, und das neue Kostüm brauchte sie durchaus nicht so nothwendig, aber sie ging, wie von einer geheimen Macht getrieben, jetzt die hell erleuchtete Treppe hinauf. Vor der ihr bezeichneten Thür blieb sie verwundert stehn, sie war wohl falsch gegangen. Eine große Familie schien sich hier schon mitten in der Weihnachtsfeier zu befinden. Helle Kinderstimmen sangen das schöne Weihuachtslied: Stille Nacht, heilige Nacht. Wie hübsch und feierlich das klang! Lauschend blieb sie stehen, was war das für eine wundervolle Sopranstimme, die den Gesang leitete. Gott im Himmel, war das nicht Susannens Stimme! Dieser weiche, schmelzende Klang, den man, einmal gehört, nie vergessen konnte! — Sie hatte, ohne recht zu wissen, was sie that, die Thür leise geöffnet und starrte nun wie geblendet auf das Weihnachtsbild vor ihr. Niemand hatte die Eintretende bemerkt, halb verhüllt von dem Thürvorhang konnte sie ungesehen Alles beobachten! War es kein Traumbild, war das wirklich Susanne Alten, die da umringt von einer Schaar Kinder im Hellen Lichte des Weihnachtsbaumes stand. Arme Kinder waren es, das sah man an deren ärmlicher Bekleidung, aber welche glückstrahlenden Gesichter, die ganze echte kindliche Weihnachtsfreude leuchtete darin. „So, nun kommt und schaut, was Euch das Christ kind gebracht," sagte Susanne jetzt und führte die Kinder um den Tisch herum, ein jedes an seinen Platz. Es waren nur kleine, einfache Gaben, die da auf dem weißgedeckten Tische lagen, aber die Geberin verstand in so holder Weise zu geben, daß sie dadurch mehr Werth erhielten, als wenn es kostbare Sachen gewesen wären. Ja, das war noch dieselbe alte herzige Susanne, die da gar nicht anders konnte, als geben und beglücken, und Benno hatte recht gehabt mit seiner Vermuthung, daß sie, wo sie auch heute weilen mochte, Weihnachts freude um sich verbreiten würde. — O, nun durfte sie ihm ja heute noch seinen Herzenswunsch erfüllen, ihm die Jugendgeliebte zuführen. Etwas befangen trat Elise jetzt aus ihrem Verstecke hervor, — „Susanne" — sagte sie leise, und nun wandte sie die strahlenden braunen Augen ihr zu, aber großer Gott, welche Wandlung vollzog sich mit dem lieblichen Gesicht, nein, das war sie doch nicht mehr, die alte Susanne! „Du bist es! Du Elise!" kam es kalt, fast rauh von ihren Lippen, stolz und verächtlich sah sie auf sic herab. „Was führt Dich hierher?" „Man wies mich hier herauf meine? Kostüms wegen, aber ich muß wohl falsch gegangen sein," stammelte Elise. „Nein, Du bist ganz recht hier, ich bin hier im Ge schäft angestellt, Schneiderin bin ich, nichts weiter. Mein Verdienst reicht aber so weit, daß ich mir den Luxus einer solchen bescheidenen Bescheerung noch gestatten kann; ohne eine derartige Weihnachtsfreude kann ich nun einmal nicht leben. Die Kinder habe ich mir überall aus den Hofwohnungen hier und in der Nachbarschaft, wo es so viele Arme giebt, zusammengcrufen. Ich muß sie aber nun fortschicken, die Stunde der Freiheit, die ich mir ver gönnte, ist um. Du kommst Deines Kostüms wegen, es ist ein grünes, gesticktes Kaschmirkleid, nicht wahr?" „O laß das, Susanne, ich fragte ja nur im Vor übergehen danach, und als man mich hier herauf wies, da dachte ich schon gar nicht an das Kleid mehr, es trieb mich etwas hier herauf, ein Ahnen voll großer, unver hoffter Freude!" Sie wollte die Arme um Susanne legen, diese aber trat einen Schritt zurück, und das liebliche Gesicht sah eben noch so kalt auf sie herab, wie vorhin. Ein Helles Roth stieg in Elisens Gesicht empor. „Du hast mir viel zu verzeihen, Susanne," sagte sie dann leise, „aber Du wirst und mußt es thun. Komm, begleite mich in unsere Wohnung. Feiere mit uns Weih nachten, wie in früheren glücklichen Jahren. Benno ist auch bei uns, er hat Dich nie vergessen, überall Dich gesucht, und vergebens nach Dir geforscht. War es denn nur garnicht möglich, daß Du ihm einmal ein Lebenszeichen zukommen ließen? Ihr könntet nun schon lange Jahre glücklich sein. Heute aber werde ich Dich ihm zuführen!" — Susanne schüttelte abwehrend den Kopf. „Davon kann nicht die Rede sein," erwiderte sie, und wandte sich dann an die Kinder, sie half ihnen ihre Ge schenke zusammenpacken, und schickte sie dann mit freund lichen Worten zu Haus. „Grüßt Eure Eltern von Tante Susanne, und übers Jahr, Wills Gott, kommt Ihr wieder," sagte sie, indem jedes ihr noch dankend das Händchen reichte, und sich dann, mit einem scheuen Blick auf die fremde Dame, zur Thür hinaustrollte. Der weißgedeckte Tisch war nun all seiner bunten Sachen beraubt, nur die grüne Tanne strahlte noch darauf, und gab dem Zimmer ein festliches, weihnachtliches Ge präge. „Susanne, sei nicht so hart, nicht so unversöhnlich," bat Elise. „Du warst Doch sonst nicht so schroff." „Sonst!" erwiderte Susanne, „ja, sonst war wohl auch Alles anders, bis zu jenem fürchterlichen Tag, wo Du mir so mitleidlos die Augen öffnetest, und mir das grause Alltagsgesicht der Welt zeigtest. Ich armes thörichtes Ding hatte ja damals noch gar keinen Begriff von Rang und Standesunterlchieden, ich beurtheilte die Menschen nur als Menschen. Ihr nahmt mich ja auch Alle so, Ihr hattet mich auf alle Weise verwöhnt, verhätschelt, und darum kamen auf einmal diese grausamen Worte aus Deinem Munde. Da war es, als ob ein Lavastrom sich über die blühenden Gefilde ergießt, Alles tödtend, Alles vernichtend, nicht eine arme Blüthe verschonend. Ich war ein so le bensfrohes, glückliches Geschöpf, hatte Welt und Menschen so lieb, einen so reichen Glauben an das Glück. Du hast mir aber Alles genommen und auch an Bennos Liebe konnte ich nicht mehr glauben. — Als dann bald daraus