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Zweites Blatt. WchMt fir WW Marandt, Wossen, Siebenkehn und die Hlmgegendm. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, .. <. Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Huhndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Rohrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsvorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Bit. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 54Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Trutt und Verlag von Marrin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berber daieibsl. No 33. Sonnabend, den 16. März LWL. 6V. Jayrg. Zum Ssuntage Lätare. Phil. 2, 1ö: Seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich unter dem un- fchlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt. Seitdem Paulus das geschrieben hat, ist vieles anders geworden in der Welt. Wir sitzen nicht mehr beim Talg- lichte und beim Kienspahn, sondern beim hellleuchtenden Gasglüylichte oder auch schon beim elektrischen Lichte. Wir machen weite Wege nicht mehr mühsam zu Fuße oder zu Wagen ab, der V-Zug verbindet die entferntesten Orte mit einander. Es ist ein großer Fortschritt und Aufschwung geschehen auf den verschiedensten Gebieten; — aber die Welt ist Welt geblieben. Der Fortschritt der Kultur hat die Menschen nicht besser gemacht. Es ist auch heute noch ein „unschlachtiges und verkehrtes Geschlecht." Und ob das die aufgeklärten Leute auch nicht eingcstehen, es ist dennoch die Wahrheit. Das wird so recht offenbar, wenn ein Kind Gottes mit diesem unschlachtigen Geschlechte zusammenkommt. Ein Kind Gottes, das recht steht und in lebendiger Verbindung mit Jesus ist, das ist ein Licht. Und wo Licht ist, da ist auch Schatten, da zeigt sich auch die Finsterniß. Ganz freundliche und höfliche Leute können sehr unfreundlich und sehr unhöflich werden, wenn sie mit Gotteskinderu zu thun bekommen. Sie können sogar ihre „Bildung" ganz vergessen und recht ungebildet sich betragen. Man scheut sich nicht, zu Schimpfworten und Spottreden zu greifen, obwohl das doch sonst nicht zum guten Tone gehört. Es ist eben ein unschlachtiges Geschlecht. Und darum müssen Kinder Gottes sehr vorsichtig sein, daß sie keinen berechtigten Anstoß geben. Schon das bloße Vorhandensein von Gläubigen ist ja ein Anstoß und ein Aergerniß für die Welt. Aber es soll kein begründeter Tadel sein, den man gegen uns ausspricht. Deshalb mahnt Paulus: Seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder und unsträflich, damit die Welt nichts an euch auszusetzen findet, als euren Glauben; damit die Welt die Sache Jesu nicht verachten und verspotten kann, weil ihr Anlaß dazu gebt. Auf einem weißen Kleide sieht man jeden Flecken und jedes Stäubchen. Ihr Brüder und Schwestern, die ihr durch Gottes Gnade das weiße Kleid der Gerechtigkeit Christi bekommen habt, befleckt es nicht, nehmt euch in acht. Tausend Augen schauen auf euch, um etwas zu finden wider euch und wider den HErrn. Und wenn eins sich eine Blöße giebt, dann ertönt das Triumph, geschrei: So sind sie alle. . . , , , . „ Um Jesu willen, der die Schande davon hat, dessen Name verlästert wird - bedenkt eure heilige Pflicht: Seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt! Tointesz Aathrein. Roman von B. v. d. Lancken. (Nachdruck verboten.) - . . (Fortsetzung.) «Ler H emer durchwachten Nacht tritt Kath'rin' am nächsten Morgen ins Zimmer; sie hat all' die langen Stunden mit weit offenen, brennenden Augen dagelegen und gekämpft gegen das starke, heiße Gefühl, gegen diese große, leidenlchaftuche Liebe, die fietödten, vernichten, aus ihrem Herzen reißen möchte, und die doch wie mit tausend Wurzeln ihr ganzes Sein durchdringt. Diese Nacht ist die furchtbarste in Kath'rin' Neyschütz' Leben. Sie erscheint fast gealtert, das Gesicht schmal, spitz und gelblich, als sie, am Kaffeetisch stehend, Erich seine Milch eingießt und sein Brödchen schneidet; Stunden, wie die, dieKath'rin' durchlitten, machen alt, um Jahre alt — aber die Frauenstirn, in die sie ihre feinen Linien ziehen, trägt dann unsichtbar ein Diadem, das nur der Schmerz verleiht, einen Zug des Leidens, der sich fast nie mehr ganz verwischt und der diese Frauen hoch emporhebt über die, die nie gelitten um ihrer Liebe willen. So oft Kath'rin' ein Geräusch hört, zuckt es zwischen ihren Brauen, so oft ihr Blick auf die Portieren von Eli sabeths Zimmer fällt, pressen ihre Lippen sich im Schmerz zusammen. Gegen das Kind ist sie liebreich und gm, wie immer. Jetzt bewegen sich die Vorhänge und Elisabeth tritt ein; sie ist bereits zum Ausgehen angekleidet; das dunkel blaue Tuchkostüm mit dem schmalen Leinenkragen und der kleinen, tiefrothen Cravatte steht ihr wunderbar, sie sieht schön und ruhig und vornehm aus, wie immer, Hut und Handschuhe und den zierlichen Regenschirm hält sie in den Händen und Alles zur Benutzung bereit. „Guten Morgen," sagt sie unbefangen, nimmt ihren Platz ein und schiebt Kath'rin' ihre Tasse hin, dann streckt sie den Arm über den Tisch und legt dem Knaben ihre Hand hin zum Einschlagen. „Nun Bubi, und wie geht's uns?" fragt sie, die kleine Kinderhand flüchtig drückend; „gut? das freut mich." Dann fragt sie Kath'rin' etwas Gleichgiltiges, bekam eine glcichgiltige Antwort und griff nach der Zeitung, die Kath'rin' hielt, der Annoncen wegen; während sie las, ruhten Kath'rin's Angen auf ihr, bohrten sich förmlich fest an ihrem Antlitz, ihrer Gestalt. Das also war heute noch, wie vor neun Jahren; das Weib, das Hans Frobenius liebte; das Weib, das ihn aufgegeben, um die Gattin des reichen Mannes zu werden und diesen nur verrieth, um ihm anzngehören. Diese Frau genügte ihm, das war also das Ideal, dessen Besitz er heute noch erstrebte! Ein wilder Zorn und etwas wie Verachtung loderte in ihr auf; gegen Beide. Zorn und Verachtung — und daneben war noch ein anderes Empfinden, ein Geiühl, dessen sie sich geschämt hätte, hatte man's ihr gesagt, und das doch da war — es ließ sich nicht fortleuguen: der Neid. Ja sie beneidete Elisabeth, beneidete sie, weil sie das ihr eigen nannte, das eine Einzige, was zu erringen Kath'rin's größtes, seligstes Erdenglück gewesen wäre. Hans Frobenius' Liebe! Immer höher loderte ihr gereiztes Empfinden, jeder Gedanke gebahr eine neue Qual, es war ihr unmöglich, noch länger neben dieser Frau zu bleiben — sie wollte, sie mußte fort und für immer. Sie schob ihren Stuhl zurück; Elisabeth sah von ihrer Zeitung auf. „Gehst Du fort?" iWohin?" „Wegen einer Stellung." „Stellung? was soll das heißen," rief die Andere, sichtlich nicht angenehm berührt, „ich denke Du willst Stunden geben — dauernd." „Nein — ich habe mich anders besonnen." „Und Erich?" Kath'rin' richtete sich kampfbereit auf. „Bist Du denn nicht da? Du mußt dann eben mehr zu Hause bleiben und vielleicht hier Privatstunden geben." Im ersten Moment hatte es den Anschein, als ob Elisabeth eine heftige Entgegnung aus der Zunge schwebe, aber sie besann sich. „Gut," sagte sie, „es wird sich einrichten lassen." Die dauernde Trennung von dem Kinde bereitete Kath'rin' ein neues Weh, aber in diesem Moment deuchte ihr ein Weiterleben neben jener Frau und ein wahrschein liches häufiges Zusammentreffen mit Frobenius so un möglich, daß sie trotzdem bei ihrem Entschluß beharrte. „Kath'rin', wohin gehst Du, nimm mich mit," bat der Knabe, als sie in ihrem kleinen, gemeinsamen Schlaf zimmer sich den einfachen Filzhut aufsetzte und nach ihrem Paletot griff. „Du kannst heute nicht mitkommeu, Liebling, Du bleibst bei Frau Hiesler und spielst mit Deinen Bleisoldaten." Das Kind war's zufrieden und Kath'rin' ging noch einmal in die Küche, der Aufwärterin einige Anweisungen zu geben. Sie war zwar die Herrin, aber doch die Ler nende, denn sie stand gänzlich hülflos und unwissend den Anforderungen gegenüber, die das Leben jetzt an sie stellte. Sie war ja nicht dafür erzogen, Niemand hatte sie in der Häuslichkeit angeleitet und wenn auch ein natürlicher Blick für das Praktische und ein intelligentes Denken ihr zu Hilfe kamen, es war doch schwer, sehr schwer für die kleine Comtesse und sie mußte täglich und stündlich lernen — aber sie lernte, weil sie mußte und weil sie den guten Willen dazu hatte. Draußen pfiff ein scharfer Wind, es war schon em pfindlich kalt und Kath'rin' fröstelte; die Dame, welche ein junges Mädchen zur englischen und französischen Con- versation und zur „Gesellschaft" suchte, wohnte in der stillen, vornehmen Voßstraße. Als Kath'rin' über den „Ziethenplatz" beim Kaiserhof vorbeiging, mnßte sie schnell zur Seite treteu, um sich vor dein Ueberfahrenwerden zu schützen. Es war ein tiefhängender, eleganter Halbwagen; sie kannte die schönen Rappen, die Livree, sie kannte die breitschultrige gedrungene Gestalt mit dem über die Maßen hochmüthigeu Ausdruck auf dem Gesicht. Philipp Egloff- stein; ein klein wenig Bitterkeit regte sich doch in ihr, als sie dem Wagen nachsah, nicht daß sie das alles freiwillig aufgegebeu, lhat ihr leid, aber der, für den sie es gethan, der erschien ihr seit gestern ebenso gering, wie Jener, über den sie ihn so hoch emporgehoben. Ec stand aber eigent lich gar nicht höher, im Gegentheil, und daß er das nicht mehr that, daß sie nicht mehr zu ihm cmporsehcn konnte, das schmerzte, und daß sie ihn trotz alledem immer und immer noch liebte und immerfort nach einer Entschuldigung für ihn suchte, darin begriff sie sich zunächst selbst nicht, aber es war so und echt weiblich konzentrirte ihr Zorn sich auf die glückliche Nebenbuhlerin. Mit der Stellung in dem Hause ist es nichts. Eine Gräfin — nein unter keinen Umständen; schon ein adliges Mädchen — da würde man sich besonnen haben, aber eine Gräfin, unmöglich. Man sagt das auch ganz osien; Kath'rin' macht noch zwei vergebliche Besuche, und kehrt müde, frierend, todesmatt heim. Sie ist sehr entmuthigt und sehr unglücklich; es bleibt ihr eben Zeit, ihr frugales Mittagessen einzunehmen. Elisabeth ist fort, wie meist — dann muß sie auch wieder gehen. Sie hat eine französische Stunde zu geben. Die ganze Misere und das abhetzende, abmattende Leben des um seinen Erwerb ringenden Mäd chens tritt an sie heran, und sie ist nicht daran gewöhnt, nicht dagegen gestählt, sie empfindet all' die kleinen und großen Häuslichkeiten, die damit verknüpft, tiefer und peinlicher, sie, mit ihrer von Reichthum und Sorgfalt -umhegten Kindheit und Jugend; und jetzt doppelt mit ihrem verwundeten, verbitterten, stolzen Herzen. 11. Kapitel. Die berühmte Tragödin sitzt in ihrem Boudoir, desseu Wände mit riesigen Lorberkranzen, Widmungsschleifen und Photographien zeitgemäßer Künstler und Künstler innen dekorirt sind, die Fünfzigjährige ist noch immer eine schöne Frau von königlicher Haltung mit einem feinen Rassekopf, dessen stolz geschnittene Züge vielleicht nur etwas zu scharf erscheinen; neben ihr auf einem Sessel hat Elisabeth Mangold Platz genommen, ihre Blicke hingen mit fragendem, fast begierigem Ausdruck an dem Munde der Schauspielerin: „Ich will den Versuch mit Ihnen machen, Liebste," sagte diese, „aber ich kann Ihnen heute noch keine, gar keine Hoffnungen erwecken. Sie bringen zunächst für den Beruf, dem Sie sich widmen wollen, eine schöne Erschein ung und eia angenehmes Organ mit, das ist viel aber längst nicht Alles, um etwas Großes zu leisten, auch denken Sie sich den Weg, den Sie gehen wollen, nicht leicht. Werden Sie den moralischen Muth und die Aus dauer haben, ihn unbeirrt zu verfolgen?"