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WMatt siir Mlslirii Beilage zu Nr. 77. Dienstag, den 3. Jnli 1900. Ansichten ans Peking und Tientsin. Wir bringen heute untern Lesern Ansichten aus den beiden arg bedrohten «Städten Peking und Tientsin. Die erste Ansicht verbildlicht uns die Straße der Gesandtschaften in Peking, in welcher sich auch auf der Zeichnung, rechts sichtbar, die deutsche Gesandtschaft befindet. Die Straße sicht mit ihren Häusern für europäische Begriffe richt arm selig aus, dafür ist aber das Innere der Häuser um so reicher ausgestattet. Das nördliche Stadtthor in Peking ist in zweiter Zeichnung dargestellt. Dieses Thor ist zu gleich das Hanptthor. Bor demselben wird Markt abge- Jin brennen-en Bergwerk. «Nachdruck verboten.) Ich war Oberinqcmeur bei einer der pennsylvanischen Kohlenbergbaugesells^ die besonders im Distriete von Harrisburg verschiedene reiche Ausbeute gewährende große Gruben besaß. Zu meinen Obliegenheiten gehörte es mit, die einzelnen Gruben der Gesellschaft hinsichtlich ihres gc- sammten Zustandes, soweit es sich um den bergtechuischen Betrieb, die Instandhaltung der Gruben und Schächte u. s. w. handelte, v n Zeit zu Zeit zu untersuchen. Bei Erfüllung dieser meiner Berufspflichteu war es mir in jüngster Zeit ausgefallen, daß die „Lincoln"-Grube" ver schiedene bedenkliche Erscheinungen aufwies, namentlich aber war die in ihr angebrachte Ventilation derart mangel haft, daß infolge dessen leicht ein großes Unglück entstehen konnte. Ich beschloß daher, die „Liucoln"-Grube" noch mals speziell ans diesen gefährlichen Mangel bin zu unter suchen und dann sofort eingehenden Bericht hierüber nnd über die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung einer besseren Ventilation an die Grubengesellschaft zu erstatten. An einem frischen Junimorgen fuhr ich in Begleitung des Grubenverwaltcrs und eines der Aufseher mit dem Förd.rzeng durch den gewöhnlich zur Einfahrt dienenden Schacht wiederum iu die Grube ein, um dann in derselben meine neulich abgebrochenen Untersuchungen erneut aufzu- nehmen. Etwa vier Stunden hatte ich, unterstützt von dem Verwalter und dem Aufseher durch Erläuterungen über dicscn oder jeuei^Punkt hierbei zugebracht, als wir einen starken dumpfen Schall vernahmen, der offenbar von einer Explosion schlagender Wclter^herrührte, doch war keiner meiner beiden Begleiter im Stande, bestimmte Angaben über die muthmaßliche Stelle der Explosion zu machen. Es blieb nns daher nichts anderes übrig, als der Richtung zuzugchen, von welcher der dumpfe, unheilverkündende Schall an unsere Ohren gedrungen war; doch kaum waren wir iu derselben etwa dreißig Schritte vorgedtungen, als unsere Grubenlichtcr anfingen drüber zu brennen, auch wurde das Athemholen mit einem Male beschwerlich. Trotzdem drangen wir weiter vorwärts, aber an einer Ecke vcs Stollens, in welchem wir uns befanden, stießen wir auf mehrere andere Aufseher, welche uns ernstlich schleunigste ^Ehr anriethen, indem sieZiarauf hinwiesen, daß keine Möglichkeit vorhanden sei, die Stelle der stattge fundenen Explosto,, zu erreichen. Wir gingen denn auch rasch an den von uns soeben erst verlassenen Punkt des Stollens zunick, wo eine kurze Berathung abgehalten wurde; die selbe ergab den einmüthigen Beschluß, daß ein Versuch gemacht werden soll, auf einem andern Wege die Unglücks stätte zu erreichen. Unter Führung eiues der Aufseher drangen wir nun in einer anderen Richtung abermals vorwärts, wobei es mannigfaltige Schwierigkeiten zu überwinden gab. Da vermeinte ich einen mir nicht unbekannten eigcnthümlicheu rauschenden oder brüllenden Ton zu höreu, von Neuem drang derselbe jetzt bestimmter an mein Ohr und nun wußte ich, daß die Grube in Brand gerathcn sein müsse. Ich Weilte diese meine Mltthmaßung meinen Gefährten mit, die jedoch in düsterem Schweigen verharrten; ich hatte es aber wahrlich nicht nöthig, meine Vermuthuug näher zu begründen, denn die uns umgebende Luft wurde immer warmer, und mit einem Male sahen wir gar nicht soweit von uns entfernt die Hellen Flammen emporschlagen. halten, bei welchem ein äußerst bewegtes Leben pulsirt. Dann führen wir die Audienzhalle des Kaisers vor, die jetzt allerdings verödet daliegt, seit der Kaiser durch die Kaiserin-Wittwc gefangen gehalten wird. In letztem Bilde sehen unsere Leser die Gordon-Halle im Thiergarten, welche den enropäischen Frauen und Kindern vor den Kugeln der Chinesen Zuflucht gewährt hat. Vielleicht liegt auch dieses gewaltige Bauwer. langst iu Tcümmern. Nunmehr erklärte uns endlich der Aufseher, welcher bisher den Führer gemacht hatte, daß uns die Rettung auf diesem Wege abgeschnitten sei, worauf uns erst das Furchtbare unserer Lage voll klar wurde. Denn von den zwei Wegen, welche es uns vielleicht ermöglichen konnten, die Grube zu verlassen, war der eine uns infolge der Menge von Kohlenstoff, welche die Explosion erzeugt hatte, unzugäuglich, während der andere durch die Flammemnassen versperrt war. Leute, die gewohnt sind, Kohlen nur im Ofen hell und heftig brennen zu sehen nnd welche nie daran gedacht haben, warum wohl der Verbrennungsprozeß unter diesen Verhältnissen so schnell vor sich gehe, werden vielleicht glauben, daß die Wuth der Flammen in der Kohlengrube eine noch unendlich größere sein müsse; aber dem ist nicht. Von Weitem war der Anblick der züugclden Flammen allerdings schrecklich; als wir jedoch aur meinen Wunsch näher herangingen, nm uns zu v.rgewisscrn, ob das Feuer bis an einen Punkt vorgedrungen sei, wo uns alle Aus sicht auf Rettung genommen wurde, fanden wir, daß in folge der vorhandenen geringen Quantität Luft das Feuer nur matt nnd träge brannte. Obgleich letzterer Umstand es wahrscheinlich machte, daß viele Stunden, ja sogar Tage vergehen konnten, ehe das Feuer bis zu uns sich seinen Weg gebahnt haben würde, so änderte derselbe doch nichts an der Tatsache, daß wir zwischen Flammen und der drohenden Erstickung eingeschlossen waren. Wir schauten einander, wie gegenseitig Trost und Beistand suchend, an, doch jedes Antlitz trug den Ausdruck hoffnungsloser Verzweiflung. Nach einer Weile machte ich den Vorschlag, ob es nicht besser wäre, wieder nach dem größeren, offenen Raume zurückzukehren, den wir verlassen hatten, und da er wirklich das Beste, ja sogar das Einzige war, was wir in unserer Lage thnn konnten, so wandten wir uns um und begannen abermals denselben ermüdenden Weg. Es hatten sich an verschiedenen Stellen einige Männer und zwei Knaben zu nns gesellt, welche gezwungen gewesen, sich vor dem Feuer zurückzuziehen, so daß wir jetzt im Ganzen elf bis zwölf Personen zählten, llnser Vorrücken war langsam gewesen, aber unsere Rückkehr war noch bei Weitem langsamer; denn wir wurden jetzt nicht mehr durch die Hoffnung angespornt. Ich war vor Ermüdung und Aufregung gänzlich erschöpft, als wir an der Stelle an langten, wo wir die Explosion gehört hatten; da es jedoch rathsam war, daß wir einen Versuch machten, uns zu über zeugen, ob und wie weit der Nachduust vorgedrungen, so bat ich die Aulseher, sich über diesen Punkt zu unterrichten, damit wir wüßten, ob unser Tod augenblicklich erfolgen müsse. Sie berichteten, daß sie im Stande gewesen seien, bis innerhalb wenig Fuß von der Stelle zu dringen, zu welcher wir das erste Mal vordrangen. Obgleich wenig Hoffnung auf eine schließliche Rettung vorhanden war, so hielt ich es doch fürs Beste, daß wir jede Vorsichtsmaßregel ergriffen, um nicht unsere Lage durch eigene Vernachlässigung zu verschlimmern. Deshalb fragte ich die Leute, ob sie Schwefelhölzchen bei sich hätten, indem ich ihnen zugleich zu verstehen gab, daß ich dies nicht zu wissen wünsche, um darüber zu berichten, da nur sehr geringe Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß ich über haupt am Leben bleiben würde, um meinen Bericht zu machen, sondern um mir zu wissen, ob wir, falls unsere Lampen ausgingen, die Mittel besäßen, sie wieder anzu zünden. Wie ich erwartete, hatte Jeder von ihnen Schwefel hölzchen in der Tasche, obgleich es Gesetz ist, daß keine solchen in eine Kohlengrube gebracht werden dürfen. (Fortsetzung folgt.) Aas Womit des KpiM- Erzählung von E. v. Linden. (Nachdruck v«boten.) (Fortsetzung.) Warnthal starrte in tiefen Gedanken vor sich hin, sein Antlitz war todtenbleich, ier schwieg lange, als jener seine Erzählung längst beendet. Endlich fuhr er wie erschreckt vor seinen eigenen Ge danken empor und fragte hastig: „Hattest Du denn diese Abschrift des Testaments nicht gesehen, Konrad? Ein Blick darin hätte Dich doch jedenfalls von der Nutzlosigkeit jener Reise überzeugen müssen." „Ich habe sie vorher nicht gesehen, meine Anna be kam dieselbe mit den übrigen Papieren eingesiegelt vom Herrn Bürgermeister Ruland, gerade als sie den Post wagen besteige» wollte." Die beiden Männer schauten sich an, fast erschrocken über das, was soeben laut gesprochen worden, dann sagte Warnthal leise, als fürchte er sich vor seinen eigenen Worten „Und der eine jener Erbschleicher, welche Euch um Alles betrogen haben, ist todt? Konrad, bei Deiner Freundschaft für mich und die Meinen, Du lässest diesen Unglücklichen iu Frieden ruhen." „Das beschwöre ich bei dem Leben meiner Kinder, theuercr Herr!" versetzte der Förster, feierlich die Rechte erhebend. „Ich danke Dir, Konrad! Gute Nacht!" Er reichte ihm mit einem unbeschreiblichen Ausdruck die Hand, welche jener festhielt und küßte, — eine Thräne fiel darauf. „Konrad, närrischer Kerl!" „O, lieber Herr! Wollen Sie die Stelle im Oberon beherzigen?" bat der Förster lcise. „Das verspreche ich Dir. mein Freund!" versetzte Warnthal ernst, „selbst Deinen Glauben will ich suchen mir anzueignen, — gute Nacht!" „Gute Nacht, Herr Warnthal!" Die hohe, schlanke Gestalt des noch immer schönen Maunes war bald unter den dichten Bäumen verschwunden, es wurde ganz dunkel, langsam zog der Mono herauf, um den Wald mit seinem magischen Lichte wunderbar zu beleben, — ein leises geheimnißvolles Rauschen durch zitterte ihn urplötzlich, als huschten Geister durch die Blätter. Noch immer saß der Förster an derselben Stelle und starrte dorthin, wo die Gestalt des Gutsherrn verschwunden war. Wie ein finsterer Alp hatte es sich plötzlich auf seine Brust gewälzt, doch vor dem geistigen Blick wars Helle ge worden, blendent Helle, und aus innerster Seele seufzte er: „Mein armer, armer Herr! so war auch dieser bittere Kelch Dir doch nicht erspart. O, Fluch dem höllischen Golde!" Da legte sich ein Arm sanft um seine Schultern, er fuhr empor und schaute in das getreue Antlitz seines Weibes. „Du bist traurig, mein Lieber!" sagte sie, „sprich, darfs ich nicht wissen, was Dich quält?" „Heute Abend noch nicht, liebes Kind! — doch wird die Zeit für Dich kommen, das Unvermeidliche zu erfahren." „Und Angela?" „Sie muß vergessen, was unerreichbar für sie ist." Anna schwieg und drückte ihr trübes Gesicht an des Gatten Schuller, sie war es gewohnt, seiner Einsicht zu vertrauen, welche noch immer das Rechte gefunden. Zum ersten Male schien ihnen der Mond verhüllt, der Wald von einem unheimlichen Zauber durchzogen, — denn der getrübte Blick sieht Alles düster und grau. 17. Kapitel. O, daß sie ewig grünen bliebe! Ein herrlicher Abend, gerade so duftig, so mondex-- hellt und romantisch, wie an jenem Äaldseste vor 25 Jahren krönte das ländliche Fest zu Schattenburg, zu welchem ebenfalls wie damals die ganze Honoration der Stadt D. und Hingebung geladen worden war. Die noch immer schöne und stattliche Frau Warnthal hatte ihre Kinder dorthin begleitet und war hauptsächlich Angelas halber mitgefahren, um ihren Liebling, den sie aus der Taufe gehoben, des Vergnügens nicht zu berauben, hauptsächlich aber auch, den beiden Liebenden noch einmal ein ungestörtes Beisammensein zu ermöglichen. War es doch ihr höchster Wunsch, Angela als Gattin des Sohnes zu sehen, ein Wunsch, der so mit all' ihren Gedanken, ja, mit ihrem ganzen Leben verwachsen schien, daß sie die plötzliche Vernichtung desselben nicht ertragen konnte. So sehen wir zum ersten Male die zweite Generation unserer Erzählung vor uns, — Waruthals Söhne, Robert und Wolfgang, beide der Stolz, die Freude ihrer Elteru! während Robert der Erstgeborene, sich mit Vorliebe der Landwirthschaft ergeben, hatte Wolfgang die Rechte studirt, sein Examen glänzend bestanden, und als unbesoldeter Assessor die Staatskarriere ergriffen. Konrad Hellbergs Sohn Richard war mit Waruthals Söhnen erzogen worden und hatte mit diesen ganz gleicksM