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Beilage zu Nr. 72. Donnerstag, den 21. Juni 190V Kann der Arzt für freiwillig geleistete Hilfe Honorar verlangen? Von Arthur Brückmann. (Nachdruck verboten.) Das menschliche Leben bringt es mit sich, daß der Kreis unserer Geschäfte oft, — sei es, daß wir um unserer Vortheile willen, sei es, dav wir in Nochlage uns entfernten, — in der einen oder anderen Hinsicht, manchmal auch vollständig verlassen liegt. Die Rechtsordnung fand hier erst allmählig und in schwerem Ringen das Hülfsmitiel der Stellvertretung, das uns gestattet, durch Beauf tragung eines Fremden unseren Willen wenigstens mittel bar auch da durchzusctzeu, wo uuser körperliches Ich nicht weilen kann. Wie aber, wenn uns die Buntheit und Mannigfaltigkeit des Lebens nicht einmal Zeit und Möglich keit gewährt, einen Stellvertreter zu bestellend Wie auch, wenn Ereignisse uns betreffen, von denen wir uiclus wissen noch ahnen, die aber eine Wahruahme der durch sie ge schaffenen Sachlage für uns dringend erforderlich machend — Hier haben schon die römischen Juristen in einer in vielen Beziehungen für alle Zeiten mnstergiltigen Weise die maßgebenden Prinzipien entwickelt, die sich zu dem Institut „GeschäftSführuug ohne Auftrag" verdichteten. Diese liegt dann vor, wenn sich Jemand, ohne von uns beauftragt oder uns gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, in irgend einer Weise unserer Angelegenheiten anuimmt, sei es nun, daß er z. B. ein höchst gewinnbringendes Ge schäft für uns abschließt, fei cs, daß er unser dem Einstürze nahes Gebäude in unserer Abwesenheit für uns repariren und stützen läßt. Erläßt die Rechtsordnung ein allgemeines Verbot des Inhalts, daß Jeder nur vor seiner eigenen Thür zu kehren habe, oder — was im praktischen Erfolge dem gleich käme, — daß solch ein „Eindringling" Ersatz seiner Anfwendungen, die ihm unter Umstünden in be deutendem Maße erwachsen sein können, nicht verlangen dürfe, so ist es Niemanden zu verdenken, wenn er sich mrserer Geschäfte auch in der größten Noth nicht annimmt. Lagt umgekehrt der Gesetzgeber, daß solch ein „Geschäftsführer ohne Auftrag" eine' angemessene Belohnung für seine Menschenfreundlichkeit zu'fordern berechtigt sei, wir wären vor Schwärmen „gefälliger" und aufdringlicher Nachbaren nicht sicher. — Das Gesetz hat nun den trefflichen Mittel weg gefunden, daß es solch einem Besorger fremder An gelegenheiten Belohnung zwar in keinem, Ersatz seiner Auf wendungen aber in dem Falle verheißt, daß die Ucber- uahme des Geschäftes unseren Interessen und unserem wirklichen odermuthmaßlichcn Willen entsprach. Darin liegt, daß E' nicht genügt, daß der Geschäftsführer objektiv mein Bestes gefördert, sondern daß diese Förderung auch wirklich oder muthmaßlich meinem Willen eutlprochcn haben muß. Kennt der Andere mich also als einen so thörichten Menschen, daß ich mein Bestes nicht gefördert sehen will, oder kann er, falls er meinen Willen nicht kennt, aus äußeren Um ständen muthmaßen, daß ich meine Angelegenheiten nicht oder nicht von ihm besorgt haben will, selbst wenn diese Besorgung mich nnr fördern würde, — so soll er ruhig die Hand davon lassen ooer auf eigene Gefahr handeln: „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich". Von diesen Gesichtspunkten ist auszugehen, wenn wir die im Thema gestellte Frage entscheiden wollen. Hierbei ist vor allem festzuhalteu, daß die menschenfreundliche Hilfe des Arztes durchaus nicht in allen Fällen einer plötzlichen Erkrankung, z B. auf der Straße, dem Willen des Patienten entspricht. Man macht öfters z. B. bei Epileptikern, die in einen ihrer häufigen Krampfanfälle verfallen, die Er fahrung daß sie den Ersatz der Droschkengelder ec. ablehnen, mit der Bemerkung, sie hätten keiner Hilfe bedurft. Wenn sie jedes Mal wenn sie iu Krämpfe verfielen, derartige Un kosten hätten,'so könnten sie dabei arm werden. „In solchen Fällen wird gerade der knndige Mediziner wffsm, daß er ouf Ersatz nicht zu rechnen habe, und auch der hussfreudlge Laie mag es sich überlegen, wie es mit der Honorarsrage steht, ehe er zum Arzte läuft. Wie aber steht es mit ihr in den anderen häufigen Fällen, wo wirklich oder muthmaßlich die ärztliche Hilse, ohne daß sie vom Kranken oder einem Angehörigen gerufen werden konnte deren Willen entsprach und gleichzeitig in ihrem dringendsten JMereffe lagd Daß der Arzt in diesen Fällen zunächst seine aufgewendeten Kosten ersetzt verlangen kann (z. B. Droschken-, Arzueimittclgelder usw.), soweit er nc den erforderlichen Umständen nach für erforderlich halten durfte, ist sjch^. FM aber unter den Gesichtspunkt der „Aufwendungen" der Anspruch auf Honorar, angemessene Vergütung? Oben sahen wir, daß „Belohnung" zu ver- herßen, die Rechtsordnung abgelehnt hat, —mit Fug! Und viele wollen auch das Honorar des Arztes unter dem Gesichtspunkt der „Belohnung" betrachten und ge langen folgerichtig zu einer glatten Verneinung. Andere mrinen, daß dem Arzt durch die anfgewendcie Kranken- hülfe ein anderer Verdienst entgangen sein könnte, wenn er z. B. inzwischen einem Rufe nicht hatte Folge leisten können. Diese Ansicht gewährt also dann nicht das Honorar, wenn ferne Thätigkeit inzwischen nicht verlangt wurde. Wir halten beide Anschauungen für ver fehlt. Der Arzt braucht sich den kleinlichen und engherz igen Gesichtspunkt des „Sonst-Nichts-Verdieuthabens" kei nesfalls in Rechnung stellen zu lassen. Der Arzt hat eine Zeit lang seine berufliche Thätigkeit in den Dienst eines Anderen gestellt. Diese ist doch nun einmal die Quelle seines Eriverbes, — es sind die ärztlichen Handlungen für ihn die Mittel, sich Unterhalt und Vermögen zu schaffen. Aus rciuer Menschenfreundlichkeit wird nur sehr selten ein Arzt die Heilkuust ausüben. Wir können ruhig sagen: in erster Linie ist ihni die Ausübung seines Berufes Erwerbsquelle. — Mit idealen Phrasen ist hier wenig ge- thau. Das Honorar des Arztes ist keine Belohnung für Meuschenhilfe, sondern eine angemessene Vergütung für oft mühev olle, oft kostbare aufgewendete Thätigkeit. Stellt sich der Arzt einmal ungerufen in unsern Dienst, so ist zu prüfen, ob dies unserem Interesse und Willen entspricht. Dies wird bisweilen nicht der Fall sein; z. B. auch würde ein armer Teufel selbst in den Fällen höchster Noth nicht die theure Kapazität zuzieheu, die füc den Gang 50 Mark verlangt. — Liegt sie aber im Interesse und enspricht sie dem Willen des Patienten, so liegt die Meuschenhülfe des Arztes eben darin, daß er sie unge rufen ausübte. Ja, wir sehen nicht einmal Grund zu der Annahme, daß, wie manche meinen, im Allgemeinen der Wille des Arztes, Ersatz zu verlangen, fehle oder nicht zu vermutheu sei. Weshalb soll der Arzt mit einem Male das thun wollen, was er sonst nie thut: in Schenkungs absicht seine berufliche Thätigkeit ausübend Nein, wir müssen uns die Anschauung, die noch unbewußt in vielen Herzen lebt, abgewöhnen, die empört darüber ist, wenn der Arzt die Rechnung schickt! Wir meinen also, daß die aufgewendete ärztlicheThätigkeit alsQuelle des Erwerbes zum Begriff der Aufwendungen gehört, für die, wenn alle anderen Voraussetz ungen zutrefseu und Schenkungsabsicht nicht vor liegt,Ersatz inGestalt vonHonorar zu gewähren ist. — Es sei noch darauf hingewiesen, daß die hier ent wickelten Gedanken für alle ähnlichen Dienstleistungen Gültigkeit besitzen: so für die des Rechtsanwaltes und aller technischen Dienste, die entgeltlich geleistet zu werden pflegen. Die Ansicht wird auch vou sehr namhaften Juristen z. B. Kohler, mit Entschiedenheit vertreten. Vaterländisches. Wilsdruff, 20. Juni 1900. — 10 ins 20 Prozent alftr für den Ortsseikchr be- (Ummt-rr Postkarte» werdin noch mU 5-Pfennigmarken beklebt, während doch eine Z-rechfennigmarke dieselben Zwecke erfüllt. U ngekchrt aber könmn viele Briefschreiber sich nicht daran ge wöhn-» zwschen Postbez-rks-Pfttkacten und Postbezirks-Briefen einen Unterschied in der Frank rung zu machen, sie senden auch die Briese mit 2-Pfennigmarken beklebt ab und verursachen eniwedir den Empfänger unnütze Kosten oder bereiten sich leibst Lerdiuß oder Schaden. Zu Nutz und Frommen sehr Vieler sei es darum nochmals wiederholt: Ein Brief im Postdezirksgebicte kostet 5 eine Postkarte ,m Post dezirksgeb ete nur zwei Pfennige. U ser Postbrärk lusteht austr der Stadt ads den Ortlchofien: Birken- Ham, Limbach, H-lbigsdorf, Lampersdorf, Lotzen, Sora, Röhrs- dorf, Klipphausen, SachLLorf, Kaufbach und Kneipe. Aus vor stehenden Ortschaften unseres jetzigen Postbezirks ersteht man bedauerlicher Weise, daß unser nächstgelezener größerer Ort Grumbach von oem BRigkeitslystem für Briefe und Postkarten für unser Wilsdruff auSgelchlvssen ist. Nach den entfernter liegenden, also unftiem Postbczirke mcht anzehörenden Ort schaften, als Grumbach, Tanneberg, Kess iedorf, Hühnsorf, H rzozswalde, Blankenstein u. s. w. kosten Briefe 10 und Karten 5 Pfg. nach wie vor. Gleichzeitig geben wir das Porto für DruckiNchen an dieser Stelle wiederum einmal bekannt. außerhalb des Postbezirks Postbezirk Wilsdruff bis 50 F 3 Pfg. 2 Pfg. , 100 8 5 . 3 , , 250 10 „ 5 , , 500 Z 20 , 10 „ „ 1000 8 30 , 15 „ — Die Papierfrage wird für die Buchdruckereibe sitzer und namentlich für die Zeitungsverleger eine immer brennendere; denn wie jüngst veranstaltete Erhebungen ergeben haben, sind die Papierpreise zum Theil um 30 Prozent gestiegen, und da die Papierfabrikanten Ringbe strebungen im amerikanischen Genre zusteuern, so dürste der Höchstbestand der Papierpreise noch nicht einmal er reicht sein. — Die Fälle, in denen Postsendungen, insbesondere Ansichtspostkarten, tHeils gänzlich ohne Adresse, theils ohne Angabe des Bestimmungsortes in die Briefkasten geworfen werden, sind nach einer Mittheilung der Postbehörde trotz wiederholter Hinweise in den öffent lichen Blättern noch immer recht zahlreich. Da derartige Sendungen, sofern sich der Absender nicht genügend be zeichnet hat, später vernichtet werden, so liegt Veranlassung vor, von neuem auf die Nachtheile hinzuweisen, welche den Absendern durch das Weglassen der Adresse, bezw. durch unvollständiges Niederschreibcn derselben unter Umständen entstehen können. , — Wirkt der Biß einer Kreuzotter tödtlichd Zu dieser Frage schreibt der „Vogtl. Anz.": Wir haben schon vor einiger Zeit davor gewarnt, übertriebene Be sorgnisse in Fällen zu hegen, in denen Menschen von Kreuzottern gebissen werden. Gewiß, der Biß einer Kreuz otter kann unter besonderen Umständen nicht unbedenkliche Vergiftungen Hervorrufen, uns ist indeß im letzten halben Jahrhundert kein Fall bekannt geworden, in denen durch den Biß einer Kreuzotter der Tod eines Menschen wirklich und nachweislich verursacht worden wäre. Dagegen haben wir öfter die Wahrnehmung machen können, daß Kreuz otterbisse zwar starke Anschwellungen zur Folge hatten, aber, wenn der Gebissene sich nicht unnöthig aufregte, bald ohne Schaden vorübergingen. So oft auch in den Blättern Todesfälle infolge des Bisses einer Kreuzotter gemeldet wurden, stets hat sich auf unsere Nachforschungen, die wir grundsätzlich nicht unterlassen, herausgestellt, daß die Nachrichten falsch waren. Verschiedene sächsische und böhmische Blätter wußten in diesen Tagen aus Falkenau i. B. (andere Blätter verlegten den Fall irrig nach Klingen thal) Folgendes zu melden: „Der Kutscher -cs Mühlen besitzers in Leipa kehrte in den letzten Tagen auf dem Wege von Leipa nach Falkenau in einem Gasthause ein, um die Pferde zu füttern. Beim Wegnehmen der Futter mulde verspürte der Mann plötzlich einAr Stich im Finger, ohne jedoch weiter darauf zu achten. In Kürze stellten sich jedoch heftige Schmerzen ein und als das Geschirr in Falkenau eintraf, war der Arm schon stark angeschwollen, daß ein Arzt hinzugezogen wurde. Dieser stellte Vergiftung durch Kreuzotternbiß fest. Das Reptil wmde denn auch noch in der Futtermulde vorgefunden. Der Verletzte wurde sofort dem Krankenhaus Leipa zugeführt: auf dem Wege dahin verstarb jedoch der Mann bereits an den Folgen des Bisses." — Wir haben uns, als wir diese Meldung gelesen hatten, an die Verwaltung des Krankenhauses in Böhmisch-Leipa gewandt, worauf uns vou dem dortigen leitenden Arzte unter dem 3. Juni geschrieben wird: „Er laube mir mitzutheilen, daß der von einer Kreuzotter ge bissene Kutscher des Mühlenbesitzers Herrn Heinrich in Böhmisch-Leipa am gestrigen Tage das Krankenhaus geheilt verlassen hat." — Wir würden dankbar dafür sein, zu erfahren, ob nach sicherer Feststellung von ärztlicher Seite bisher überhaupt eininal infolge des Bisses einer Kreuz otter der Tod eines Menschen eingetreten ist; auf eine gleiche Anfrage, die wir früher wiederholt öffentlich gestellt haben, ist, wie wir bei dieser Gelegenheit bemerken, eine Antwort bisher nicht eingegangen. — Oybin, 9. Juni. Nahezu zwei Ceutner Ansichts postkarten sind den „Z. N." zufolge an den beiden Pfingst- fciertagen auf dem Postamte Oybin zur Abstempelung gelangt, denn es wurden dort rund 28,000 solcher Karten aufgeliefert. Da 100 Postkarten durchschnittlich 340 Gramm wiegen, so ergiebt sich ein Gesammtgewicht von 92,2 Kilo- gramm oder beinahe 2 Centner. Ms Ummt des Kapitäns. Erzählung von E. v. Linden. (Nachdruck verbot«!.) (Fortsetzung.) 13. Kapitel. Eine Hand wäscht die andere. Es machte dem reichen Bauermeister Lüde keine Schwierigkeit, die verlangten Legitimationspapiere seines tobten Vetters von dem betreffenden Pfarrer zu erhalten, da es nicht denkbar war, daß Konrad Hellvorf, als jetziger Schwiegersohn der Wittwe Seiler, die in seinem Besitze befindlichen Dokumente gutwillig hergeben werde. Man hielt es auch für gerathencr, die ganze Sache so geheini als möglich zu halten, was um so leichter zu bewerkstelligen war, als Johann Lüde in einem vonBre- denberg ziemlich weit entfernten Dorfe geboren war und der alte Pfarrer sehr an Gedächtnißschwäche litt. Jetzt galt es, dein Mandator die gerichtliche Beglaubig ung zu verschaffen, waS ebenfalls für die drei Verbündeten, bei welchem der Bauermeister Lüde allerdings nur die Nolle des Affen, welcher die Kastanien aus dem Feuer holen sollte, spielte, nicht allzuschwer war. Führte Letzterer nicht den Namen Lüde als wirklicher Vetter des Testatorsd — Konnte er als Bauermeister, also gerichtlich bestellte Persönlichkeit zu Bredenberg und der Bürgermeister Ruland zu D. nicht mit Fug und Recht den ehrenwerthen Herrn Dransfeld zum Mandatar der Lüdeschen Erben ernennen und gerichtlich autorisiren d Wenn auch der Name der Wittwe Seiler nicht auf dem Dokument stand, was schadete das, Vetter Lüde ge hörte von Rechtswegen mit zu den Erben, und konnte sich mit gutem Gewissen als solchen neunen, hätte er das viele Geld doch lieber den Holländern gegönnt, als dem ver haßten Schulmeister, der ihn zum Gespött des ganzen Dorfes gemacht und ihn jetzt als Förster erst recht ver lachen würde. So hatten die klugen Herren denn die Karten auf's Beste gemischt und konnten mit der größten Zuversicht den letzten' Trumpf ausspielen. Weder in Bredenberg noch in D. hatte kein Mensch die geringste Ahnung von diesem kühnen Plan, der schon eher einem verwegenen Raubzuge glich; doch gingen die beiden Hauptinteressenteu von dem Grundsätze aus, daß ein großer Diebstahl schon in die Klasse der Eroberung gehöre. Herr Dransfeld hatte am Sonntag als guter Christ das Abendmahl genommen, als er am Dienstag in seiner geheimen Mission abreiste; er machte überhaupt öfters Reisen, sodaß solches nicht weiter auffiel.