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Zweites Blatt. WtMM für Nlvkllfs Tharandt, Aossen, Sieömteßn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Huhndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neu» tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Rshrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff- — Verantwortlich sür die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 62. Sonnabend, den 26. Mai 196». S8. Jahrg. Juni Ssnntag« Lxandi. UGal. 5, l8: Regieret euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz. Der heutige Sonntag ist der Thürhüter des Pfingst festes. Sinnen und Sehnen eines Christen gehen nach dem heiligen Geiste. Sofern wir uns mit ganzer Seele unserm Heilande ergeben haben, haben wir den heiligen Geist, haben ihn freilich in verschiedenem Maße. Wir W^en "7s darauf macht Petrus aufmerksam — eine Herr- I. » vertauscht: wir sind aus Knechten des Gesetzes Unterthanen des heiligen Geistes geworden. kAch em glückseliger Tausch! Mit königlicher Freiheit stehen echte evangelische Christen allen jenen druckenden und hemmenden Verordnungen gegenüber, in die andere Religionen und Confessionen ihre einzuschnüren genöthigt sind. Blickt hinüber ins römrsche Lager oder in das der orthodoxen Israeliten oder in das der Anhänger des Islam oder in das der jetzt Mieder so viel gepriesenen Buddhisten — nicht eine Stunde hieltet ihr es mehr aus in den Fesseln und Banden, die dort Leib, Seele und Geist sich gefallen lassen müssen. Und wenn katholisirende Protestanten uns ein neues Joch auf den Hals legen wollen — Wein zu trinken, sei Sünde, ein Concert zu besuchen, sei Sünde, eine Beethoven'sche Sonate Sonntags zu spielen, sei Sünde, ein Kruzifix auf dem Schreibtische zu haben, sei Sünde u. s.w. - Da er innern wir uns, daß wir Protestanten sind und erwehren uns solchen neuen Joches für uns und alle, die wir zu berathen haben, mit der apostolischen Mahnung: Laßt euch nicht fangen mit Satzungen! Christen m denen Christus lebt, leben als freie Leute; sie smd nicht mehr unter dem Aber sie stehen unter der Regierung des heiligen Geistes, der treibt sie, führt sie, straft sie, erinnert sie, bewahrt sie vor Zügellosigkeit und Jrrthümern der Seele. Freilich, in wesem Königreiche regiert nicht die Furcht, sondern die Liebe Willig und voll Freuden folgen wir den bald sanften, bald starken Zügen unseres göttlichen Regenten. Nicht um uns vor Strafe zu sichern, auch nicht, um uns himmlischen Lohn zu verdienen, geschweige um ver schwommener ethischer Prinzipiell willen thun, reden und danken wir das Gute, sondern daß wir mit unserm ganzen Leben uns dankbar gegen Gott für seine Wohlthaten er zeigen und er durch uns gepriesen werde. Und der milde Fürst, der uns regiert, schenkt auch zum Wollen das Voll bringen und hilft uns allmählich aus dem Wunsche zur That. Der heilige Geist kommt gegenwärtig mehr mit stillem, sanftem Sausen zu Seinen Unterthanen, als mit Sturmes- brausen und mit Feuerzungen. Aber darum ist er doch da und keineswegs ans der Welt verschwunden, wie Klein gläubige klagen. Die aus der Wahrheit sind, hören sein Sausen wohl, und auch die hören es, die mit ganzem Ernste um Wahrheit ringen. Unter seinem Scepter sind wir frei: in unserer Gebundenheit an Ihn liegt unsere Freiheit! Das deutsche Haus aus der pariser Weltausstellung. NN Bauten der verschiedenen auf der Pariser Weltausstellung vertretenen Nationen hebt sich das deutsche b^fo,"s-Haus ganz besonders hervor. In vor- bs deutsche Art zum Ausdruck, sodaß ^us" in des Wortes vollster Be- besteht, Kaiser Wilhelm hat selbst den M gewählt, der von dem Regierungsbau melster Radke-Berlm, stammt, und die prächtigen Nürn- T^We^mte" deutscher Renaissance zum Vorbilde hat. Got hlsche und romanische Anklänge finden sich in der Gruppen ¬ anordnung der Ost- und Westfront. Dächer in bunten Ziegeln, Thürme mit vergoldetem Kupfer, Holzarchitektur und Wandmalerei verleihen dem Ganzen einen dem Auge wohlthuenden Eindruck. Mit seinem 62 Meter hohen Thurme ist . das Gebäude schon von Weitem kenntlich und bildet einen der hervorragendsten Anziehungspunkt der Ausstell- .seinem Innern birgt das deutsche Haus, das in ... ^ der Vertretung der Reichsregierung dient, mehrere Emzelausstellungen, die den deutschen Fortschritt m der Kultur darstellen. So finden wir in diesen Aus- Erzeugnisse der deutschen Buchdruckerkunst, der graphischen Künste usw.; die Fortschritte in der sozialen Fürsorge sind ebenfalls in einem sogenannten sozialen Museum, das sich im Erdgeschoß befindet, veranschaulicht. Auch eine Ausstellung von deutschen Uniformen und deutschen Weinen beherbergt das Gebäude. Aas Wmnl dn MilM. Erzählung von E. v. Linden. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung). Nach einer langen Pause erhob der Kapitän das gesenkte Haupt und blickte seinen Leutnant groß und ruhig an. „Und für diese Anklage verlangt Ihr den Judaslohn von hunderttausend Gulden, Leutnant Falk?" fragt- er mit fester Stimme. Falk erröthete und biß sich zornig auf di- Lippen. „Ich muß das Geld haben und brauche keinen Räub-r zu schonen," stieß r: kurz und trotzig hervor. Ich hielt Euch bisher für einen braven, ehrliche» Mann," sagte der Kapitän und seine hager- Gestalt schien zu wachsen, „ich meinte es gut mit Euch und gedacht- noch vor einer Stunde das Geld, welches Mynheer van Scherendyk als Be dingung gesetzt, Euch zu schenken. Jetzt ist das mit einem Schlage anders geworden, abtrotzen laste ich mir nichts, den Judaslohn hol-Dir wo Du willst, Verräther! Hältst Du mich sür einen Feigling oder Dummkopf, der sich selber die Schlinge um den Hals legt? —" Er wandte ihm verächtlich den Rücken und setzte sich ruhig an seinen Schreibtisch. Falk stand einige Minuten in regungslosem Schweigen, dann hob er trotzig den Kopf und verließ ohne Gruß di- Kajüte. Als sich die Thür hinter ihm geschlossen, wandte sich der Kapitän langsam nm, alles Blut schien aus seinem Antlitz ge wichen zu sein. Lange starrte er nach der Thür, seufzte dann tief und schwer und erhob sich, um, die Hände auf dem Rücken gelegt, lange aus- und abzuwandern. „Dämon Gold!" murmelte er, „sei verflucht, ou Kind der Hölle, — Gott hat mit dir nichts zu schaffen. Du hast mich verlockt und verblendet, und zeigst mir jetzt mein Ziel: Tod und Schande." Er zitterte heftig und ließ sich wieder an seinen Schreib tisch nieder, um aufs neue zu grübeln und zu denken. An seinem Geiste zog die Vergangenheit vorüber, jene ferne Jugend, welche ihm die Heimath, das freundliche Dorf der Kindheit zeigte, wo die Eltern lange schon auf dem stillen Friedhöfe schlummerten, ohne jemals Nachricht über sein Leben und seine Schicksale erhalten zu haben. Wie lange war eS her, seit der Capitän die Heimath ver lasten, um in die weite Welt zu gehen und auf der See sein Glück zu versuchen. Er hatte viel durchlebt und war vom Leben tüchtig umhergeworfen worden, bis er in die holländische Marine eingetreten und hier durch Muth und Tapferkeit es zum Kapitän gebracht hatte. Die Sucht, reich zu werden, welche den Jüngling schon fortgetrieben, hatte ihn unablässig verfolgt bis zum letzten ver hängnitzvollen Pfade, zum Verbrechen. Jetzt war er reich und in dieser Stunde, wo der Dämon hohnlachend sein Geschick zu vollenden schien, zeigte er ihm die Heimath bei jenen Menschen, die ihn geliebt auf Erden, mit denen er verbunden war durch die heiligen Bande des Bluts. — Eine unsäglich- Wehmuth und Reue überkam den unglücklichen Mann, er stützte den Kopf mit beiden Händen und seufzte: „O, wäre ich nie von Euch gegangen!" Eine Schwester hatte er daheim gelasten, gewiß mutzte sie mit Noth und Armuth kämpfen wie die Eltern. Ob sie noch lebte? Es war möglich, doch waren ihre Nachkommen ebenfalls Tagelöhner, mit der Noth des täglichen Lebens unablässig ringend. Und er, der nächste Berwandte, ohne Weib und Kind, wurde vielleicht von fremden habsüchtigen Menschen beerbt, wenn das Schicksal ihn rasch abrufen sollte. Und dafür hatte er sein Gewissen mit einer Todsünde beschwert! Der starke Mann schauerte in sich zusammen und athmete schwer, legte dann mit festem Entschlusse einen Bogen Papier zurecht und begann zu schreiben. Es war sein Testament. Plötzlich hielt er inne und starrte mit weit geöffneten Augen vor sich hin. „Es ruht ein Fluch auf diesem Golde," murmelteer, „wäre es nicht besser, si- in ihrer glücklichen Armuth zu lasten? Auch für sie wird's ein Dämon werden, der Unglück über sie bringt — Neid, Haß, Zwietracht, Jammer aller Art, gegen welche der Hunger nichts bedeutet. Aber kann es nicht auch Glück bringen? Wird Gott an meinem Opfer sich nicht vielleicht genügen lassen? Wenn nun in diesem Augenblick ein harter Gläubiger ihr Letztes gepfändet, st- aus der elenden Hütte ver jagt? — Nein, keine Schwäche, mag meine Sünde auf diese Weise in etwas gesühnt werden." Mit einer Art Freudigkeit begann er jetzt zu schreiben und legt- die Feder nicht eher nieder, bis Alles vollendet war, das Testamenl mit Siegel und Namensunterschrift versehen, fertig vor ihm lag. 4. Kapitel. Die Anklage. Am nächsten Morgen, als Kapitän Lüders das Verdeck