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MMl!i, MÄn^ii Beilage zu Nr. 26. Donnerstag, den 1. März 1900. Auf dm Monat MW- März "W8 werden Bestellungen auf das FoihcilbU für Msdruff clc.' mit „landwirthschaftl und ttl»»strirter 8seitigcr Sonntagsbeilage mit Mobenbeilage", sowie „Ziehungslisten-erRgl. Sachs Landeslstterie" für die Stadt Wilsdruff bei unterzeichneter Geschäftsstelle zu 44 jpfg, für auswärts bei allen Kaiser!. Postämtern und Landbriefträgern zu 54 Lsg. angenommen. Geschäftsstelle des Amts- und Wochenblattes für Witsdruff. Vaterländisches. Wilsdruff, 28. Februar 1900. — Zur Vorbereitung auf dieSchulzeit! Seit dem es feststeht, daß Hänschen zu Ostern dieses Jahres in die Schule gehen soll, wird der kleine Schlingel von der ganzen Familie noch mehr verzärtelt, als dies bis jetzt schon ge schehen war. Jeder Wunsch wird ihm erfüllt, jede Unge zogenheit darf er sich erlauben, denn alles wird mit der Thatsache entschuldigt, die goldene Zeit der Freiheit höre ja nun bald für ihn auf, zu Ostern muß er in die Schule! Wie fehlerhaft eine solche Erziehung und derartige Aeußer- ungen sind, überlegen sich leider viele Eltern garnicht. Sie be denken nicht, wie sie damit sich, ihrem Kinde und der Schule schaden. Anstatt, daß man die Kinder schon vor der Schul zeit an Gehorsam, Ordnung und Pünktlichkeit gewöhnt, da mit sie die nothwendige Schulzucht weniger schwer empfinden, verhätschelt man sie noch. Ja, es sind leider wenig Eltern, welche ihre Kinder in zweckmäßiger Weise auf die Schul zeit vorzubereiten suchen. Und doch kann hierin das Eltern haus viel Gutes stiften. Worin soll nun diese Vorbereitung bestehens Zweierlei soll ein Kind mit in die Schule bringen: eine Reihe sittlicher Eigenschaften und ein geringes Maß von Können und Wiffen. Hierauf hat sich auch die Vorbereitung des Kindes zu beziehen. Dem Kinde sollen Von Haus aus eine Reihe sittlicher Eigenschaften anerzogen sein, die es zunächst an sich selbst zeigen muß. Fleiß, Rein lichkeit und Ordnungsliebe sind die Tugenden, die wir hier zunächst im Auge haben und die das Haus schon vor dem ersten Schnlgange dem Kinde angewöhnen muß. Ferner- Hat das Kind eine Reihe von Eigenschaften gegenüber dem Lehrer zu zeigen. Es muß gehorsam, höflich, dankbar, ge fällig, dienstfertig, wahrhaftig sein. Wie oft bietet sich gerade zur Bethätigung dieser Gesinnungen im Hause Ge legenheit! Auch gegen die Mitschüler hat das Kind mit dem Eintritt in die Schule eine Reihe von Pflichten zu erfüllen, woran das Haus es frühzeitig gewöhueu muß. Wir denken dabei an Artigkeit, Sittsamkeit, Gefälligkeit und Thcilnahme. Einem so erzogenen Kmde wird der Eintritt in die Schule nur Freude und Wohlgefallen be reiten; denn die so nothwendige Zucht ist schon von Haus aus geübt worden und in Folge dessen dem Kinde nichts Neues. Bezüglich des zu fordernden Maaßes von Können und Wissen kann sich dasselbe — mit Ausnahme der Sprache — nur in den bescheidensten Grenzen bewegen. Je richtiger ein Kind spricht, je deutlicher es vor allen Dingen die einzelnen Laute hören läßt, desto leichter lernt es lesen, desto leichter lernt es aber auch die gehörten Wörter in ihre einzelnen Laute zu zerlegen und richtig zu schreiben. Rian gewöhne darum das Kind sobald als möglich an richtiges Aussprechen der Wörter. Man halte immer auf vollständiges Antworten. Hierin liegt für das Kind nicht nur eine größere Nöthiguug zum lauten Richtigsprechen, es gewöhnt sich dadurch auch an ein vollständiges, klares Denken. Eine gute Anregung für die Kleinen ist auch der Umgang und das Spiel mit anderen Kindern. Hierdurch wird das Juteresse des Kindes geweckt, das immer wieder ^"/ut angeregt werden soll. Jeder Spaziergang und jedes gute Bild, jedes Kindermärchen und fröhliche Kinderlieb bletet dazu Anlaß, wenn nur seitens der Eltern der gute Wllle rmmer da fft, auf alle Fragen des Kindes einzu gehen. Ueberall bietet sich mannigfache Gelegenheit, das Kind zum Anschaneu, zum Beobachten, anzuregen. Hierbei übt es sich im Gebrauche aller seiner Sinne und gewinnt eine Menge klarer, werthvoller Anschauungen, welche ihm später die Thcilnahme am Unterricht wesentlich erleichtern. Bei diesen Uebungen vermeide man jedoch allen Zwang. Man nehnie sie nur gelegentlich vor. Der Segen solcher Uebungen und Vorbereitungen wird nicht ausbleiben: Das Kind kommt fähiger zur Schule, macht in Folge dessen bessere Fortschritte und, was nicht unerwähnt bleibe, es ge winnt Schule und Schularbeit lieb! — Die Königliche Generoldirektion dkl Staatseisenbahnen gewährt den Besuchern der vom 26. Februar bis zum 12. März in Dresden statchndenden Morine-Äusstellung eine besondere Fahrpreisermäßigung. E« gellen nämlich die in der Z-it vom 3 dis IUM 12. März im sächsischen Staatsbahnbere'che gelösten einfachen Schnellzug- u«d Personenzugsahrkarten I., II. und III. Klaffe nach Dresden zur freien Rückfahrt noch der Abgangs station bis zum 12 März Mitternachts, und zwar die Schnell zugkarten zu allen fahrplanmäßigen Zügen — zu O- und O- Zügen, jedoch nur gegen Nachzahlung des tarifmäßigen Zu schlags —, die Personenzugkarten zu gewöhnlichen Personenzügen und gegen Nachlösung von tarifmäßigen Ergänzungskarten auch zu Schnellzügen. Die Personenzugkarten können übrigens gegen den gleichen Zuschlag schon auf der Hinfahrt in Schnellzügen benutzt werden. Die Vergünstigung der freien Rückfahrt kann nur dadurch erlangt werden, daß der Besuch der Ausstellung auf dem Ausstellungsplatze durch Abstempelung der Fahrkarte bescheinigt wird, wofür der Reisende selbst zu sorgen hat. Auf dem Hin- wie Rückweg ist je eine Fahrtunterbrechung gegen Bestätigung durch den StationSbeawten gestattet. Kinder im Alter bis zu 10 Jahren oenicßen außerdem die tarifmäßigen Vergünstigungen. Freigepäck wird nicht gewährt. — Von der Jagd. Mit dem 1. März beginnt in Sachsen sowohl für weibliches, als auch männliches Edel- und Damwild, sowie für Krammetsvögel die gesetzliche Schonzeit. Dagegen dürfen Schnepfen und Hähne von Auer-, Birk- und Haselwäd vow 1. März bis 15. Mai, wilde Enten aber noch bis zum 15. März geschaffen werden. Der Verkauf der Ein gangs bezeichneten Hochwildsorten dauert jedoch noch volle zwei Wochen, und es ist Wildpretfreunden noch genügend Gelegenheit geboten, sich saftige Braten zu erwerben. Im benachbarten Preußen beginnt ebenfalls mit vem 1. März die Schonzeit für Rehböcke, sowie für dos männliche Roth- und Domwild, während in Oesterreich die Jagd noch bis zum 31. März andauert. — Potschappel, 24. Febr. Auch der vierte religiöse Vortrag hatte ein überaus zahlreiches Publikum im Versamm lungslokal sich einfiliden lassen. Handelte das vorige Thema von erdrückender Schuld, so das gestrige von erlösender Huld. D-r Vortragende, Herr k. Or. Roch-Leipzig, behandelte das Thema: „Gubt es eine Erlösung?' Der Vortragende be gründete zunächst die Form sein s Themas, das die Frage ent hält: Giebt's eine Erlösung? Denn es giebt Viele, die das Dasein Gottes und die Schuld der Sünde leugnen. Bei solcher Leugnung könnte weder von der Nothwendigkeit noch von der Möglichkeit einer Erlösung die Rede sein. Auf die Wider legung der Gottesleugner ging er nicht näher ein, weil schon in einem früherem Vortrage die Beweise für das Dasein Gottes behandelt worden waren. Er erinnerte nur an das Gewissen, besten Stimme vornehmlich das Dasein Gottes dem Menschen bezeuge. Nun ging er dazu über, aus der Heiligkeit und Ge rechtigkeit Gottes die Nothwendigkeit einer Sühne und aus lewer Liebe die Möglichkeit der Erlösung abzuleiten. Er zeigte ferner, wie weder die Natur mit ihrer Herrlichkeit, noch die Kunst mit ihrer Schönheit, noch der Tod mit seiner Herrschaft, noch das eig ne Selbst mit seiner Sünde und Schuld die Er lösung bringen konnte, wie es vielmehr nur eine Erlösung von der Schuld und der Macht der Sünde gebe, nämlich die, so durch Jesum Christum geschehen ist und fordert mit dringlichen, zu Herzen gehenden Worten die Versammelten auf, das Heil in Christo gläubig zu ergreifen, damit die Sünde sowohl ihre Verdammlichkeit bei Gott, als auch ihre Herrschaft im Herzen verliere. — Diesen Ausführungen folgte die Zuhörerschaft mit steigendem Interesse, und dankte der Leiter der Versammlung dem geschätzten Herrn Redner für den gehörten Vortrag. Die Belastungszeugin. Aus den Erinnerungen eines Vertheidigers. Nacherzählt von Wilhelm Thal. (Nachdruck verboten). (Schluß). Ich rief Miß Naseby noch einmal auf. „Sie behaupten, außer der Angeklagten, hätte Niemand Zugang zu Ihrem Zimmer gehabt. Aber Nancy Luther konnte doch wohl hineiukommen, wenn sie wollte?" „Die allerdings; ich meinte natürlich, kein Fremder konnte hinein." „Wußte Ihre Köchin vielleicht, wo sich Ihr Geld befand?" „Ja wohl; sie war oft in dem Zimmer und ich gab ihr Geld, um auf den Markt zu gehen und einzukaufen." „Noch eine Frage: hat die Angeklagte auffallend viel Geld ausgegeben, seit Ihnen die 100 Dollars gestohlen worden?" „Nicht, daß ich wüßte." Ich rief nun Nancy Luther wieder auf, und sie be gann etwas zu zittern, obwohl ihr Blick noch ebenso keck und herausfordernd war, wie vorher. „Miß Luther", sagte ich, „warum haben Sie Ihre Herrin nicht sofort von dem unterrichtet, was Sie angeblich geseh.n, ohne erst zu warten, bis sie Sie nach dem ver lorenen Gelde fragte?" „Weil ich das arme Mädchen nickt so ohne Weiteres anzeigeu wollte", erwiderte sie schnell. „Sie behaupten also, Sie hätten durch das Schlüssel loch gesehen, wie sie das Geld nahm?" Ja!" Mo stellte sie denn die Lampe hin, während sie das that?" „Auf den Schreibtisch." „Sie sagten vorhin, sie hätte sich gebückt, um die Lampe hochzuschrauben. Die Angeklagte ist aber eine kleine Person und der Schreibtisch ziemlich hoch, da er, wie Miß Naseby erklärt, einen Aufsatz hat!" der Sie in diesem Staate ob einer Pause: Elisabeth's Koffer fand, das Banknoten waren gezeichnet." „Wollen Sie mir sagen, geboren sind?" fuhr ich fort Ja." ^Jn welcher Stadt?" Die Zeugin wurde blaß, faßte sich jedoch und erklärte, sie könne nur sagen, Elisabeth habe die Lampe hochge schraubt. „Nun gut," fuhr ich fort; „ich will das glauben. Eine andere Frage: „Wie lange dienen Sie bei Mistreß Naseby?" „Nicht ganz ein Jahr!" „Wie viel Lohn erhielten Sie wöchentlich?" „Ein und dreiviertel Dollars." „Haben Sie Ihren Lohn ausgegeben?" „Ja!" „Wieviel haben Sie ausgegeben?" „Das weiß ich nicht!" „Warum wissen Sie das nicht?" „Wie sollte ich? Ick habe das Geld ausgegeben, wenn ich mir etwas zu kaufen hatte." „Hatten Sie etwas gegen die Angeklagte und war es Ihnen nicht möglich, 25 Dollars in ihren Koffer zu legen!" „Stets!" lautete die Antwort. „KönnenSie mir nicht eine solcheQuittung verschaffen?" Sie erklärte sich sofort dazu bereit, verließ den Ge richtssaal und kehrte niit 4 Quittungen zurück, die sie mir überreichte. Ich betrachtete sie genau und sagte dann, mich zur Belastungszeugin wendend: „Nancy Luther, wollen Sie dem Gerichtshof und mir jetzt sagen, wo Sie die 75 Dollars her haben, die Sie in einem Briefe an Ihre Sckwester in Somers geschickt haben?" Die Zeugin wurde kreideweiß und zitterte am ganzen Leibe. Ich ließ eine Zeitlang verstreichen, dann wieder holte ich die Frage. „Ich habe nie Geld fortgeschickt," erklärte sie zitternd. „Sie lügen!" rief ich erregt. „Ich — lüge — nicht!" stotterte sie mit schwacher Stimme. Sie zögerte und versetzte z.^ch „In Somers, Montgomrey County." Ich wandte mich zu Mistreß Naseby und fragte: „Haben Sic sich von Ihren Mädchen eine Quittung geben lassen, wenn Sie ihnen den Lohn zahlten?" „Nein," versetzte sie entrüstet. „Sie halten also kein Geld?" „Nur das, was ich von Mistreß Naseby bekam." „Dann hatten Sie also kein Geld, als Sie hierher kamen; ich wiederhole die Frage?" „Nein, und außerdem war das Geld, das mau in Mistreß Naseby. Die „Hoher Gerichtshof," fuhr ick nach einer Pause fort, „ich kam hierher, um einen jungen Menschen zu verthei- digen, der der Beihilfe an einem Postraube beschuldigt war und auf diese Weise erhielt ich Kenntniß von den Briefen, die erbrochen und bestohlen worden waren. Als ich in den Fall eintrat, fiel mir der Name der Zeugin auf und ich ließ mir von dem Herrn Staatsanwalt den Brief geben, den ich hier in der Hand halte, denn ich erinnerte mich, die Unterschrift Nancy Luther gelesen zu haben. Dieser Brief ist aus der Postkutsche entwendet worden und enthielt 75 Dollars. Bei näherer Betrachtung des Post stempels werden Sie bemerken, daß er am Tage nach dem Diebstahl abgeschickt worden ist. Zum noch deutlicherem Verständniß will ich das Schreiben vorlesen: „Liebe Schwester Dorcas! Ich sende Dir anbei 75 Dollars, welche Du für mich aufbewahren sollst. Ich kann es hier nicht, denn ich fürchte, sie werden mir hier gestohlen. Sprich kein Wort darüber, denn ich möchte nicht, daß man es erfährt, daß ich Geld habe. Mir geht's gut, nur ärgere ich mich, daß diese Katze von Elisabeth noch immer hier ist, doch wird es mir schon gelingen, sie aus irgend eine Manier fortzubringen. Weiter weiß ich nichts. Sei gegrüßt von Deiner Schwester Nancy Luther." „Hoher Gerichtshof", fuhr ich fort, „Sie werden sich überzeugen, daß der Brief an „Dorcas Luther, Somers, Montgomrey County" adressirt ist. Und Sie werden auch bemerken, daß die Quittungen und der Brief von derselben Hand geschrieben sind. Ick will jetzt nur noch erwähnen, was aus den 100 Dollars geworden ist. 75 Dollars sind in den Brief gelegt worden, während die übrigen 25 in Elisabeth Madworths Koffer versteckt wurden, um ihre angebliche Schuld zu beweisen." Der Gerichtshof zog sich zurück und erkannte selbst verständlich auf „Nichtschuldig". Nancy Luther wurde zu ihrem Glück auf der Stelle verhaftet, sonst hätte das Publikum an ihr Lynchjustiz geübt; sie wurde späterhin zu zu 6 Monaten verurtheilt. Der junge Mann, der mich zuerst gebeten hatte, Elisa beths Vertheidigung zu übernehmen, erschien zwei Stunden später bei mir und überreichte mir als Honorar sein ganzes Vermögen, 50 Dollars; doch bat ich ihn, das Geld zu behalten, und es später zur Einrichtung zu verwenden, wenn er sich mit Elisabeth — sie war seine Braut — ver- heirathe. Beide besuchten mich neulich, er ist jetzt ein wohlhabender Tischlermeister und ersreut sich ebenso wie seine Gattin allgemeiner Hochachtung.