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Anlage zu Ar 2 des Wochenblattes für Witsdruß. Das Gold der Sünde. Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Hartmuty hatte den letzten Satz langsam, mit erhobener Stimme gesprochen, jetzt schwieg er. Starr, wie eine Bildsäule, mit leichenblassem Gesicht und weitgeöffneten Augen hatte Ferdinand zugehört; bei den letzten Worten seines väterlichen Freundes sprang er empor und ries mit dem Ton richterlicher Ueberzeugung: .Nicht mein Vater gab sich selber den Tod. Der Bruder hat ihn an der Leiche der Mutter ermordet!" — Der alte Capitän schrie entsetzt auf, während Hartmuth bejahend den Kopf neigte. „Und der Mörder hat sich meiner Rache durch den Tod entzogen," sprach der junge Mann dumpf, „vergieb, Mutter, ich kann den Schwur nicht halten!" „Gott selber hat ihn gerichtet, mein Sohn!" versetzte Hartmuth, „meine Seele freut sich dessen. Nun wohl, der Mörder Deines Vaters ist todt, — der einzige Erbe wahr scheinlich ebenfalls durch mörderische Hand vernichtet. Du trittst in seine Stelle! Sogt, lieber alter Freund, wer hat die Erb schaft des Commercienrathes ongetreten?" „Zuerst die Wittwe, — jetzt ihr Nater, dec Doktor Wolff. Sv sagte mir der Polizei-Inspektor." „Ist die Wittwe denn auch todt?" „Ach, das sind böse Geschichten," versetzte Brandt kopf schüttelnd, „dies- Frau scheint sehr leichtsinnig/ wenn nicht gar böse gewesen zu sein. Sie bat Mann und Kind bald ver gessen, ist nach Paris gegangen und hat dort ein großes Haus geführt. Ein vornehmer Graf hat sich um sie beworben, sie hat ihn geheirathet und ist dann auf geheime Denunciation hin der Bigamie angeklagt, weil der Leichnam des ersten Gatten nicht aufgefunden ist, sie also sich noch nicht als Wittwe be trachten konnte. Sie hat fürchterlich viel Geld gebraucht, der Polizei-Inspektor sprach von einer halben Million, dann ist eines schönen Morgens der saubere Graf auf und davon gewesen, hat Alles mitgenommen an Geld und Geldeswerth, er soll gar kein Graf, sondern nur ein frecher Abenteurer ge wesen sein. Die neugebackene Gräfin hat just an dem Tage vor Gericht erscheinen sollen, da wird sie vor Schreck und Aerger krank, legt sich hin und stirbt richtig innerhalb 4 Wochen. Nun war ihr Vater letzter Erbe laut vorhandenen Testaments, und der listige Advokat ist Herr des ganzen großen Vermögens." „Der letzte also, gottlob!" sprach Hartmuth, „mit diesem Menschen abzurechnen, macht mir die größte Freude, er ist der Urquell all' dieses Bösen! — Nun noch eine Frage, theurer Freund! Wißt Ihr nicht, ob die Mutter des Commercienrathes noch lebt? Doch was frage ich, sie muß ja todt sein, wäre dieser Wolff sonst der Erbe?" „Die Mutter des Commercienrathes?" fragte Brandt er staunt, „starb denn Ferdinands Vater nicht an ihrer Leiche?" „Sie war scheintodt, lag im Starrkrampf, als das Schreckliche geschah, sie allein ist die Zeugin des Mordes, denn sie vernahm in ihrer schrecklichen Lage, welche sie zu jedem Lebenszeichen unfähig machte, die letzten Worte des Opfers. Als sie erwachte, in der Nacht vor ihrem Begräbniß, war ich Zeuge, wie sie dem entsetzlichen Brudermörder das Verbröchen vorwarf. Versteht Ihr jetzt seinen Haß und die That, welche gegen mich verübt wurde? Konnte ein Gebrandmarkter wider ihn zeugen, ihn anzuklagen wagen?" »Ja, jo, jetzt wird mir Alles klar," rief der Capitän, „heiliger, gerechter Gott! Du konntest solange dem Frevel ruhig zuschauen?" „Sein Gericht hat schon getroffen," sprach Hartmuth feierlich, „denn das ist der Fluch der bösen That, daß st- fort- zeugend Böses muß gebären." Der Brudermörder liegt auf feuchtem Grunde, unbestattet den Raubfischen zur Beute, denkst Du hierbei nicht an das Grab Deines gemordeten Vaters, mein Sohn? Dieses furchtbare Gericht ist mir Bürge, daß auch Dir Dein Recht noch wird, daß die Firma „Steinhöfel" dem wirklichen Erben zufällt. Auf d'rum, nach Europa! noch einmal will ich, wenn auch als ein vom Gesetz Verfolgter, die alte Heimath betreten, um meine liebste und höchste Mission zu erfüllen und dann zurückkehren, um hier in meiner friedlichen Einsamkeit zu sterben." „Nun, das findet sich," meinte Brandt, „der Ferdinand ist auch alt genug, seine verschwundene Schwester zu suchen, eine kleine Spur ist schon durch den Polizei-Inspektor gefunden, — eine alte Kupplerin hat das arme Kind bis zum zehnten Jahre erzogen, worauf sie mit einem tollen Musikanten in die weite Welt gezogen s-in soll." „Ich suche sie bis an's Ende der Welt!" rief Ferdinand, fieberhaft erregt. „Auch dos findet sich," lächelte Brandt, „es giebt jetzt durch die Zeitungen Mittel und Wege genug, die Verlorene, wenn sie noch am Leben ist, zu finden. Jetzt aber möchte ich um ein Lager bitten, ich bin sehr müde, Ihr könnt derweil Eure Sachen ordnen, ich denke, morgen soll's losgehen — der Polizei- Inspektor meinte, er sei einem Menschen auf der Spur, welcher eine sonderbare Aehnlichkeit mit einem gewissen Frank habe, der verfolgte Dieb und Brandstifter in Amerika thäte wohl daran, sobald als möglich heimzukehren, Frank würde von ihm über wacht, er hoffe, den rechten Dieb zu fangen, um dem unschuldig Verfolgten Genugthuung zu verschaffen. Der Mann war von Ihrer Unschuld überzeugt, lieber Freund!" I Hartmuth lächelte und sagte ironisch, „ich werde mir trotz polizeilicher Ueberzeugung doch lieber einen andern Namen bei legen. Als Vater und Sohn werden wir Beide nach Europa zurückkehren und das Feld sondiren. So lange der Wolff im Besitze des Reichthums ist, hoben wir ihn zu fürchten, da in den meisten Fällen nur der Arme zum Verbrecher gestempelt und bestraft wird. Also, mein lieber Capitän, reinen Mund halten, Hartmuth und Ferdinand Steinhöfer kehren mit Eurem Schiffe nicht zurück!" 16. Kapitel. In einer der ersten Restaurationen zu Paris saßen mehrere Elegants um einen Tisch, sich eifrig über die neuesten Erschein ungen des Tages unterhaltend. Pikante Bonmots flogen wie glänzende Raketen von hüben und drüben, und die skandalösesten Geschichten wurden mit einer Ruhe erzählt, als gehörten sie zur Tagesgeschichte der Menschheit. Die Hauptunterhaltung dieser vornehmen Kavaliere drehte sich um einen neuen Stern am Kunsthimmel der großen Oper und das einstimmige Urtheil lautete: „Mademoiselle Clara Stein ist ein Phänomen, eine Nachtigall an Kehle, eine Juno an Gestalt!" „Aber ein Stein, wie ihr deutscher Name andeutet," rief ein junger Offizier dazwischen. „Pah, wer kann das behaupten?" lachte der alte Graf Samt-Hsrem spöttisch, „es finde sich nur der rechte Pygmalion, diesen Stein zu beleben. Doß sie Leidenschaft besitzt, beweist ihre Valentine, ich habe sie mit größerem Glück noch nicht dar stellen sehen. Parbleu! Der Raoul war ein deutscher Spieß bürger gegen diese Valentine." „Ah, Saint-Hsrem redet sich selber in Feuer und Flamme!" lachte ein Anderer, „es soll mich nicht wundern, wenn er bei dieser Galathee die Rolle des Pygmalion zu spielen versucht." „Es ist eine deutsche Galathee!" bemerkte der Osficier. „Saint-Härem hat, irre ich nicht, gerade bei Solchen Glück, wie lange ist es her, seit Ihre Gemahlin gestorben ist, mein Lieber?" Der Graf errithete und biß sich auf den Schnurrbart. „Sie reden von meinem Bruder," versetzte er kalt, „ich war niemals verheirathet." „Dann sind Sie jedenfalls Zwillinge," rief der Vorige, welcher die verfängliche Frage aufgeworfen hotte, malitiös, „Eie sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Ah, meine Herren, da« war eine pikante Geschichte, geben Sie sie doch zum Besten, Herr Graf!" „Sie werden beleidigend, wein Herr!" brauste Saint-Hsrem auf, „es betrifft die Ehre meiner Familie." „Thorheit!" schrieen die Herren durcheinander, „wir wollm die Geschichte hören, je pikanter, desto besser!"