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endet worden. Wie wir seinerzeit berichteten, verließ der kühne Seefahrer in einer kleinen Schaluppe am 18. Juni d.sJ. Gloucester im Staate Massachusetts, um sich nach der gleich namigen Stadt in England zu begeben. Nach einer 62tägigen einsamen Fahrt über das Weltmeer ist Blackburn slücklich in King Road angelangt, von wo er sich sogleich nach Gloucester begab. Das Boot, in dem der unternehmende Reisende ganz allein den Ozean durchkreuzt hat, ist genau nach seinen An gaben für den Zweck gebaut worden. Es weist eine Länge von 30 Fuß und eine Breite von 8^ Fuß bei einer Tiefe von 4^/z Fuß auf, ist mit einem Deck versehen und w'e ein Kutter ge takelt. Blackburn glaubte die Ueberfahrt in 40 Tagen machen zu können, versah sich aber auf alle Fälle mit Proviant für SO Tage. Die mitgenommenen Nahrungsmittel bestanden größtenthcils aus konservirten Flüchten und Büchsensteisch. Einen Tag, nachdem der einsame Reisende die heimathliche Küste verlassen hatte, wurde er von einer merkwürdigen Krankheit be fallen. Sein rechtes Fuß- und Kniegelenk schwoll an und ver ursachte ihm große Schmerzen und Unbequemlichkeiten. Acht Tage hindurch quälte er sich mit dem Leiden herum und konnte daher nur wenig vorwärts kommen. Seine gesammte Nahrung bestand während dieser Zeit in einer Flasche Malz-Milch. So lange er sich in diesem ziemlich hilflosen Zustande befand, hielt er sich so fern wie möglich von der allgemeinen EchiffSlinic. Er wollte nicht, daß ungünstige Berichte über ihn nach Amerika zurück gelangen sollten. Kaum fühlte er sich wieder wohler, als er die verlorene Zeit durch doppelte Anstrengung einzubringen suchte. Oft stanv er Tag und Nacht ohne Unterbrechung am Steuerrade, einmal sogar 38 Stunden hintereinander. Bei guter Witterung schlief er während des Tages und dirigirte sein Fahrzeug bei Nacht. Das erste Land, das er in Sicht bekam, waren die südwestlich von England gelegenen Scilly-Jnseln. Nur einmal unterwegs rief er ein ihm begegnendes Schiff um Auskunft an. Das glücklich auSgesübrte Wagestück Blackburns ist um so bemerkenswerther, als Blackburn gewissermaßen ein Krüppel ist. Er hat nämlich den Verlust sämmtlicher Finger zu beklagen, die ihm vor mehreren Jahren während einer im Wintcr mit einem Freunde unternommenen Ozeanfohrt buch stäblich abgefroren sind. * Für den Manöverdienst stehen dem Kaiser zwei Wagen zur Verfügung. Es sind Viktoriawagen mit oufzuklappenden Verdeck. Abgesehen von ihrer Leichtigkeit und Eleganz, unter scheiden sie sich von den anderen Viktoriawagen dadurch, daß unter dem Kutscherbock eine Lade angebracht ist, die herausge zogen werden kann und dann die Platte eines Schreibtisches bildet. Papier, Umschläge Siegellack usw. vervollständigen die Einrichtung. Plätze hat der Wagen, abgesehen von denen für den Kuscher und den Leibjäger auf dem Bock, nur zwei im Fond. Der Anstrich der Wagen ist hellbraun. Aurze Lhrsnik. Die Besitzungen des Reichskanzlers in Posen und Baden sind durch Feuersbrünste heimgesucht worden. Zunächst zündete ein Blitz auf dem Gute Grabow eine dreitennige Scheune an und äscherte sie mit sämmtlichen Erntevorräthen in kurzer Zeit vollständig ein. Sodann entstand auf dem großen Oeko, nomiegut des Fürsten zu Niederstetten in Baden Feuer, welches das ganze Gut fast vollständig vernichtete. Der Schaden be läuft sich auf annähernd 100000 M. In Hamburg erschoß sich der Journalist Buchmüller. Kurz'vorher hatte ein dortiges Blatt einen Brief B's empfangen, daß der Abdruck der von ihm emgesandten Novelle unnöthig wäre, da er sich das Leben nehmen würde. Ueber einen diebischen Chef wird der Frkf. Ztg. aus Elberfeld berichtet: Der Chef der großen Speditionsfirma Joh. Ackermann ist wegen großer Diebstähle verhaftet worden. Der große Berliner Spielerprozeß beginnt am 2. Oktober. Es ist eine ganze Woche für die Verhandlung, zu der etwa 100 Zeugen geladen worden sind, vorgesehen. An geklagt sind Regierungsreferendar v. Kayser, Leutnant der Reserve v. Kröcher und Kaufmann v. Echachtmeyer. 152 Mill. Mark geschenkt hat die Wittwe eines kalifornischen Goldkönigs, Frau Jane Stanford, der Universität in der von ihrem Mann begründeten Stadt Bland-Stanford. Das ist wohl das größte Vermögen, welches noch je einer Hoch schule zugewendet wurde. Eine Bedingung hat die großherzige Schenkerin gestellt: Frauen müssen als Studirende zugelaffen werden, wenn sie die nöthize Vorbildung nachweisen. Pößneck, 4. September. In der Heiligenstraße stürzte ein dreijähriges Kind des Handarbeiters Stube, als es der Mutter die Schlüssel herunter werfen wollte, aus dem Fenster des zweiten Stockwerks herab und war sofort todt. Letzte Nachrichten. Rennes, 7. September. Ganz plötzlich sind wirbe- reits unmittelbar vor die Entscheidung des Kriegsgerichtes zu Rennes gestellt. Einen vollen Monat hindurch nahm der Prozeß trotz vieler aufregenden Einzelheiten einen im Großen und Ganzen doch überaus schleppenden Verlauf und erst in den letzten Tagen schien das Ende durch Laboris Anrufung der Auslandszeugen noch auf eine Woche oder länger hinausgerückt. Nun hat man plötzlich, wie aus der Pistole geschossen, den Schluß des Beweisverfahrens ver fügt, und der Regierungskommissar Carrisre hat bereits gestern, am Donnerstag, für das Schuldig des Angeklagten plaidirt. Das Plaidoyer des Regierungsvertreters Carrisre: Der Saal ist dicht besetzt. In dem Augen blick, als Carrisre sich erhebt, verlassen sämmtliche als Zeugen anwesenden Offiziere den Saal, um von Rennes abzureisen und sich in ihre Garnison zu begeben. Der Regierungscommissar erklärt inmitten lautloser Stille des ganzen Zuhörerraums: Die Frage an die Kriegsrichter ist die: Hat Dreyfus im Jahre 1894 einer auswärtigen Macht die im Bordereau erwähnten Schriftstücke ausgc- liefert? Die Aufgabe des Kriegsgerichts ist mithiu die selbe wie diejenige des Kriegsgerichts von 1894; es hat ruhig und mit Mäßigung seine Aufgabe, der Gerea zu dienen, zu erfüllen. Die menschliche Gesellschaft kann verlangen, als absolute Gerechtigkeit. Der Ausschli Ocsfentlichkeit sei unumgänglich uöthig gewesen,dieselbe! volleAufhellung nicht beeinträchtigt. „Die Vertheidigun! Alles, wir sind für Jndiscretionen, die daraus ! könnten, nicht verantwortlich." Carrisre giebt soda» Ueberblick über die „Affaire". Er erinnert an deiV schmetternden Eindruck, welchen unter den Offizie» Feststellung der Thalsache hervorrief, daß DreyV Verräther sei. „Man hat gesagt," ruft Carrie! „wir sind schlichte Menschen. Nun wohl, wir sii! auch Menschen, denen Gerechtigkeitsgefühl und EW inne wohnen." Darauf wendet sich der Regierung! mächtigte dem Bordereau zu. Was die Handschrift der M Stücke desselben betreffe, so bemerke er, daß die HanW von Esterhazy, von Dreyfus und von Mathieu Drei des Bordereaus ähnlich seien. (Heiterkeit). DreyfV um die Schrift zu verstellen, sie derjenigen seinesM oder Esterhazys nachmacheu können. Carrisre W ferner, einen Wechsel in der Schrift von Dreyfus W sestgestellt za haben. Redner, der sehr langsam sp« dar, daß die Documente, die sich ans die fraW Eisenbahnen bezögen, nicht von Esterhazy ausgelil könnten. Hierauf spricht der NegiernngscommissarV schiedenen Schriftstücken, die nur mit Nummern V und bezüglich deren das Gericht allein auf dem LV sei. Er wolle daraus nur den einen DreM treffenden Satz festhalten: „Man hat sich hier M „Wissen Sie, wer das geschrieben hat?" fragiM^ (Bewegung.) Ich stndirle — so fährt der commissar fort — die Affaire ganz unpartciischM an das Studium der Geheimacten ging, hatte ich W abgeschlossene Meinung; ich fand, daß die von M gegen Esterhazy erhobene Anklage vortrefflich W war, und ich hatte einen Augenblick die HoffuM man Dreyfus frcisprechen und einen UnschuldiM bilitiren könne. (Bewegung.) Aber dazu wärM uöthig gewesen, und der Aufbau Picquarls lM- Riß. Meine Ueberzeugung von Dreyfus Unschuld« das Gcgentheil umgewandelt und ich bin in dieser me» mehrigen Ueberzeugung von Dreyfus' Schuld durch die» Vernehmungen bestärkt worden. Bei meiner Seele und! Gewissen, ich sage Ihnen: Dreyfus ist schul« ich beantrage, daß auf ihn Artikel 76 des Stra^M angewendet werde. (Anhaltende Bewegung.) M Die weitere Verhandlung wird hierauf um M auf morgen früh 6'/z Uhr vertagt. M Als Dreyfus, bevor er abgeführt wird, sM, theidigern die Hand schüttelt, ruft ihm Labo^M, Muth! Nur Muth!" Dieselbe»WortewcM> auch von mehreren anderen Personen mit durchaus ruhiger Micue au ihnen Die Leerung des Saales vollzieht sich ohne