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Beilage zu No. 40. Sonnabend, den 2. April 1898. Zur Asusirmation. Volk des Herrn bring dein Geschlechte Nach dem alten Licht und Rechte Herr zum König aller Knechte; Sprich: „Herr, hier ist dein Geschöpf! Laß sie nicht dem Satan dienen, Nicht in Fleischeswillen grünen! Ziehe sie durch dein Versöhnen, Eh sie sterben, an dein Herz!" Kommt, ihr Kinder, die wir haben Als vieltheure Gottesgaben! Nehmt vom Schatz, dran wir nn? laben, Ten euch zugedachten Theil. Einen Theil am Liebesbande Mit dem ewgen Vaterlande, Aber anch am Krenzesstande llvd am Weltverleugnnngssinn! Wollet ihr euch binden lassen? uesu Kreuz mit Freuden fassen wid die falsche Ruhe hassen? Willst du, liebes Kindervolk? ^Ach die ewig treue Liebe Schenk euch ihre selgen Triebe, Daß ein jedes Glauben übe, Bis ihr seht, was ihr geglaubt! Ein Aprilscherz. Humoreske von Robert Bonflers. Deutsch von Wilhelm Thal. (Nachdruck verboten.) Ware übertrieben, wollte man behaupten, daß alle verschwunden sind. Einige existiren zu diesen zählen in erster Reihe die Aprilscherze, kAdem Freundeskreise der Madame Ehalumean waren besonders beliebt. Diese ehrenwerthe Dame hatte zA unsern Tagen ihre Gewohnheiten ans dem Jahre . Mährt. Die Einrichtung ihrer Wohnung, ihre A'ö, ihre großen, weißen Locken, die ihr das Gesicht je?» deuteten bei ihr auf eine innige Liebe und ein .Bedauern einer verschwundenen Epoche hin. kn "e Ehalumean lebte also wie gesagt nach der k>Node. Sie kaufte ihren Zucker in Hüten, machte i Wuchte zu bestimmten Zeiten ein, und bestellte ^chuhwerk sechs Monate vorher, damit das Leder Zeit h sWzutrocknen. Man braucht wohl nicht hinzuznfügen, M-Zm bestimmten Lieferanten hatte und daß die alte ^äunette, die Fräulein Dorothea hatte geboren werden üs.W'ii Chalumeau, einen ehemaligen Hauptmann der G >. hatte sterben sehen, — sich nach dreißig k jk" >?uer Dienste mit einer kleinen Pension zurückzog, l >, M Herrin aussetzte. dasBild der Wittwe Chalumeau zu vervollständigen, bemerken, daß sie, um einen würdigen Gatten W^ochter zu finden, von Zeit zu Zeit kleine Abend- yANn gab und jeden Sonntag Abend einige alte W. der Familie zum Diner einlud. »t Ulem Dorothea Chalumeau — ein großes, schönes "seidenes Mädchen hatte sich die Grundsätze der U und Sparsamkeit, in denen ihre Mutier sie er- voll und ganz angeeignet. Sie versprach, eine «nA^iu Zu werden! denn ihre Frau Mutter hatte sie der alten Schule erzogen und die alte Dame wollig gegen die moderne Erziehung, die die jungen andern, nur nicht zu güten Hausfrauen halber wurden diese achtungswerthen Ideen der Madame Au von den Sonntagsgästen weidlich verspottet, und erste April nahte, so ermangelten sie niemals, die Hm Freundin auf die Probe zu stellen. Das klh sg HMe dabei war, daß Madame Chalumeau sich , N» W vorsehen mochte; sie ging doch stets in die Falle. "Wem Abend rief Madame Chalumeau, anstatt Mi, gewöhnlich nach dem Diner an ihre Stickarbeit zu , UL mi einem oder dem anderen Tage in ein Paar ^kln i sür den Onkel des Fräuleins Dorothea ver- Mg.wuten, — sie rief an diesem Abend, es war ein Me, ihre Tochter und ging, die Brille auf der An Salon, um wie an jedem Donnerstag die „K.^chzusehen, die die Waschfrau eben gebracht hatte. Dorothea", rief sie, „wie wollen die Wäsche erwiderte die junge Dame gehorsam sich nur die harmlose Bemerkung: ich Salon bleiben, Mama, fürchtest Du da zuviel Unordnung machen?" AA"! Kind, durchaus nicht! . . . Uebrigens ist H um er Empfangstag; wir erwarten niemand, Lj»- es sich ja auch nur um einige Minuten ..." s^ichchort veranlaßte Frl. Dorothea zu schweigen; eine kleine Hausschürze vor, die sie sich U ,Wtte und fünf Minuten später konnte man Chalumeau und ihre Tochter sehen, wie sie beim Scheine der Lanipe ihre WäscheWurchsahen. Die Mutter hielt das Heft, während die Tochter die Stöße der Taschen tücher und Servietten zählte und mit unerschütterlicher Ruhe^ausrief: K? „Sechs Paar Laken!" W „Sechs Paar Laken!" widerholte Frl. Dorothea. Z „Drei Bettbezüge!" g „Drei Bettbezüge!" „Zwölf Taschentücher, gezeichnet O. c., acht ge zeichnet 0. 0." Plötzlich, mitten in dieser häuslichen Beschäftigung, das heißt, in dem Augenblicke, da die sämmtlichen Möbel und Sessel mit Wäschestücke belegt waren, trat die alte Annette erschreckt ein und meldete: „Madame, der Kohlenhändler ist da . . ." Madame Chalumeau ließ das Wäschetuch fallen und rief mit lebhafter Ueberraschung: „Der Kohlenhändler? Zu dieser Stunde?" „Was!" setzte Frl. Dorothea hinzu, „um 8'/- Uhr Abends!" „Ja, Fräulein! .... Er hat sogar Handschuhe au und möchte mit Madame sprechen!" Diese letzte Bemerkung vermehrte noch die Verwunder ung der Chalumeau. „Er hat Handschuhe?" fragten sie beide zusammen. Das war in der That etwas sehr unwahrscheinliches. Er lieferte allerdings seit 15 Jahren der Familie Ehalumean ihr Holz und ihre Kohlen, dieser gute Herr Foumillat; man hielt ihn für einen fehr würdigen Mann; doch man war nicht wenig überrascht, als man erfuhr, daß er auf seine alten Tage noch so kokett war, Handschuhe anzuziehen. „Nun!" fuhr Frau Chalumeau äußerst würdevoll fort; „dann mag er mit seinen Handschuhen eintreten!" Daraus wandte sie sich zu ihrer Tochter und fragte: „Er kommt vielleicht wegen einer Rechnung!" „Aber wir sind ihm doch garnichts schuldig!" versetzte Frl. Dorothea und setzte mit einer gewissen Verlegenheit hinzu: „Der Salon ist in einem Zustand!" „Das ist wahr!" bestätigte die Mutter und wollte Annette bereits rufen, um dem Kohlenhändler zu sagen, er möchte am nächsten Tage wiederkommen, als dieser in ganz merkwürdigem Kostüm erschien. Herr Foumillat War in der That nicht wieder zuerkennen. Mit hochrothem Gesicht und blödem Lächeln trat er in einem Zustande verhältnißmäßiger Reinlichkeit ein, mit weißen Handschuhen, in einem Hemde mit hohem Kragen und mit einem schwarzen Frack mit kurzen Schößen, einer schwarzen Hose und dito Weste bekleidet. Bei seinem Erscheinen wandte sich Frl. Dorothea zur Seite, um ein Lachen zu unterdrücken. Die Mutter nahm ihre Brille ab, um den seltsamen Gast genauer betrachten zu können. Was die gute Annette betras, so fand sie den Kohlenmann so drollig, daß sie hinter der Salonthür ihrer Fröhlichkeit freien Lauf ließ. Indessen wünschte Madame Ehalumean zu wissen, welchem Umstande sie diesen Besuch zu verdanken hatte. Sie wollte eben den Kohlenhändler ausfragen, als dieser sich tief verneigte und zu sprechen begann. „Guten Tag oder vielmehr gnten Abend, Madame und Fräulein; ich komme wohl ein bischen früh?" Bei diesen Worten sahen sich Madame Chalumeau und ihre Tochter verdutzt an und fragten: „Ein bischen früh?" „Na, ich denke", fuhr Foumillat fort, „Sie werden mich entschuldigen . . . ich gehe nicht so viel in Gesellschaft". Madame Chalumeau hütete sich wohl, den Kohlen händler zu unterbrechen, der augenscheinlich verrückt geworden war. Sie wußte, daß man Wahnsinnigen nie widersprechen darf und begnügte sich mit den Worten: „Gewiß, lieber Mann, gewiß . ." Foumillat drehte seinen schornsteinartigen Cylinder in den Händen hin und her und fuhr fort: „Na, ich kann ja auch warten! Uebrigens bin ich Ihnen sehr dankbar! Ich habe nicht viel Kunden, die so liebenswürdig zu mir sind." „Was er sagt, klingt gar nichts so dumm!" dachte Madame Chalumeau; „und er steht auch gar nicht verrückt aus!" „Liebenswürdig?" fragte sich Fräulein Dorothea ihrer seits erstaunt: „ja, wo will er denn nur hinaus?" Da das Beuehmen der beiden Damen dem Kohlen händler etwas sonderbar erschien, so trat er auf sie zu, sah ihnen ins Gesicht und sagte mit lautem, dummen Lachen: „Sie scheinen mich nicht zu erkennen! Ich bin Foumillat!" „Ja, ja, gewiß!" versetzte Madame Chalumeau, „der . . . der Kohlenhändler?" „Na; natürlich, Ihr Kohlenhändler Foumillat!" „Ja, aber . . ." sprach die Kundin verlegen weiter: „ich begreife nicht recht . . . warum Sie sich . . . die Mühe gemacht haben? . ." Sie hatte keine Zeit auszusprechen; es klingelte wieder . . . Annette erschien schnell im Salon und meldete: „Herr von Fontenelle!" Diesmal verwandelte sich die Fröhlichkeit des Fräulein Dorethea in Entsetzen, und sie wiederholte bestürzt: „Herr von Fontonelle?" Dieser Name hatte die lebhafteste Aufregung hervorge rufen, denn der Herr, dessen Besuch man iu diesem Augen blick meldete, war Niemand anders, als der Zukünftige des Fräulein Chalumeau. Ihn in einer solchen Unord nung, in Gegenwart des verteufelten Kohlenhändlers zu empfangen, das hieß ihm auf immer die Lust benehmen, sich mit einer Familie zu verbinden, in der die gewöhn lichen häuslichen Arbeiten vor Fremden mit solcher Unge- nirtheit behandelt wurden. Frl. Dorothea war außer sich. Sie stieß einen leichten Schrei aus und verschwand eiligst. Auch Madame Cha lumeau folgte, nachdem sie sich bei dem Kohlenhändler ent schuldigt, dem Beispiele ihrer Tochter, um Toilette zu machen und ihren Besuch empfangen zu können. Foumillat sah sich also allein in dem Salon, wo infolge der überall herumliegenden Wäsche die größte Unordnung herrschte. Die Verwunderung seiner Kundinnen, ihr seltsames Benehmen und ihre erschreckten Mienen reizten seine Neugier aufs höchste. „Ja, ja," sagte er melangolisch, „das ist seltsam! Ich hätte nie geglaubt, daß es so bei den vornehmen Leuten zugeht und daß sie vor ihren Gästen ihre Wäsche durchsehen! . . Das ist wirklich merkwürdig! Während der brave Mann sich diesen Betrachtungen überließ, begann er schon zu bedauern, daß er gekommen war und den Anforderungen seiner Frau nachgegeben hatte. . . . Aber trotzdem war er etwas enttäuscht; er hatte sich die „feine Gesellschaft" ganz anders vorgestellt. „Na," dachte er bei sich, „vielleicht wirds noch hübscher, wenn's erst 'was zu essen giebt." Kaum hatte er diese Worte vor sich hingemurmelt, als Herr von Fontenelle eintrat. „Aha"! sagte sich der brave Mann, „da kommen ja schon die Leute!" Dabei ging er auf den neuen Gast zu und machte ihm eine tiefe Verbeugung. Herr von Fontenelle gab ihm seinen Gruß kühl zurück. Dann machte er einige Schritte durch den Salon, blieb stehen und flüsterte: „Ich täusche mich!" Foumillat, der sich inzwischen gefaßt hatte, trat auf den Fremden zu und fragte ihn mit liebenswürdiger Miene: „Der Herr kommen wohl auch zu der Soiröe?" „Allerdings!" . . Sie anch?" „Ja, ich auch!" versetzte der Kohlenhändler kühn. Die Aussicht, mit diesem seltsamen Jndividium dKi Abend znbringen zu müssen, schien Herrn von Fontenelle nicht besonders Spaß zu machen. Er glaubte, das Opfer einer Mystifikation zu sein. Es fand jedenfalls gar keine Gesellschaft bet Madame Chalumeau statt. Vielleicht hatte er sich im Stockwerk geirrt, und darum fragte er den ein zigen anwesenden Gast: „Verzeihung . . . sind wir hier ... bei Madame Chalumeau?" „Gewiß, mein Herr", sagte Foumillat. „Ich kenne sie ganz genau; ich bin ja ihr Kohlenlieserant." Diese Enthüllung versetzte Herrn von Fontenelle in die größte Bestürzung. „Wie!" sagte er sich, „Madame Chalumeau hat ihren Kohlenhändler eingeladen? ... Ja, was soll das heißen? . . . Und dazu diese Unordnung' Das ist ein fauler Witz! Ich bin das Opfer einer Mystifikation!" In diesem kritischen Augenblick erschienen Frau Chalumeau und deren Tochter wieder im Salon, und zwar in etwas gewählterer Toilette, als vorher. Als die beiden Damen Herrn von Fontenelle bemerkten, verneigten sie sich und suchten ihre Verlegenheit zu verbergen. Was sie ganz besonders qnälte, war die Anwesenheit dieses unaussteh lichen Kohlenhändlers, dessen Erscheinen sie sich nicht zu erklären vermochten. Was Herrn von Fontenelle betraf, der mit Frack uud mit weißer Kravatte erschien, so konnte man annehmen, daß er irgend wo eingeladen war und den Damen Chalumeau vorher irgend etwas wichtiges mit- zutheilen hatte. „Madame . . . mein Fräulein!" begann Herr von Fontenelle, „ich habe die Ehre, Ihnen meine Huldigungen darzubringen". „Ja, der Herr ist auch schon eine Weile da, wie ich!" warf Foumillat plötzlich dazwischen. „Allerdings, gnädige Frau,"fuhr der elegante Besucher fort. „Entschuldigen Sie!" unterbrach Madame Chalumeau; „entschuldigen Sie nur die Unordnung . . ." „Gewiß, gnädige Frau, gewiß!" „Wir glaubten heute nicht mehr auf Sie rechnen zu dürfen . ." ' „Aber auf mich rechneten Sie doch!" unterbrach Fon- millat. „Auf Sie?" riefen Frau und Fräulein Chalumeau erstaunt. „Na, Sie haben mir doch diesen Brief geschickt!" Madame Chalumeau nahm aus den Händen des Kohlenhändlers ein zerknittertes Schreiben, das derselbe aus der Tasche gezogen hatte, und las: „Frau Chalumeau und ihre Tochter bitten Herrn Kohlenhändler Foumillat, sie am 1. Apil Abends 8*/-.. Uhr beehren zu wollen . . ." „Das ist ein Witz!" rief Frl Dorothea. „Was! ein Witz?" schrie Herr v. Fontenelle. „Gewiß! Wir haben diesen Brief nicht abgeschickt!" „Aber, gnädige Frau," fuhr der Zukünftige fort, „ich habe denselben Bries bekommen,"