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30 Wesen vorstellte-, sie sah, wie er sich langsam nach dem Sorgenstuhle fortbewegte, von dessen geschnitzter Lehne er die Staubkörner fortblies, die natürlich gar nicht da waren, denn die Mutter war eine Todfeindin alles Staubes gewesen, ihr Leben war ein hoffnungsloser steter Kampf gegen Alles, was sich nicht gehörte, gegen widerspenstige Gardinenfalten, unpassende Papierschnitzel, blinde Thürklinken und Staubansammlungen in den Ecken und Winkeln der Wohnung.. . . Mathilde stieß sie etwas derb an. „Aber Luise!" flüsterte sie. Nein, es war keine Zeit mehr, am Grabe zu träumen, die schwarzen Kreppschleier wurden naß, und die Leidtragenden beeilten sich, fortzukommen. Man mußte viele Hände schütteln und danken und Lebewohl sagen. Die Pferde zogen an, und die Kutsche rasselte über das schlechte Straßenpflaster fort. Mathilde bemerkte, der Herr Oberregierungsrath sei nicht da ge wesen, und der junge Assessor habe sich während der Leichenrede fort während umgesehen und den Regen von seinem Cylinderhut abgewischt: aber Luise entgegnete nichts. Sie dachte an den todten Vater, der nun im Dunkel des Friedhofes allein dalag, an die nasse Lehmerde, welche die Kirchhofarbeiter über ihm aufhäuften, an den rauhen Wind, der Eine Reihe von Wochen war vorüber; der November da und hatte die letzten Sommerspuren schonungslos verE Sohst hatte an einem recht kühlen Morgen eine Eisenbahn^! nommen. In der Abtheilung des Wagens, den sie bestiegen,, ein altes Ehepaar, das fortwährend energisch aß oder schliü um sie nicht bekümmerte. Sie war allein mit ihren Geda^ Einen bestimmten Grund, um fortzureisen, hatte sie sie fühlte, daß es das Richtige war. Sie wollte sich mH' Herrschaft der kleinlichen Tyrannei des gesellschaftlichen HB lebens in der Stadt beugen, sie wollte nicht in dem KlaO pseisend mit den letzten Blättern spielte. Er hatte Nässe, > Kälte immer so verabscheut, und nun. . . Mit einem jähen Ruck hielt der Wagen an. Sie waren § und Alles war vorüber ; auch die Glocken schwiegen. Aber i" zigen Seele, die am Grabe an den Todten gedacht hatte, Glöcklein der Erinnerung noch lange fort, während MatlM Mutter nachgeartet, bereits an demselben Abend emsig StB Tas Ballspiel der Jntrigue und unter der gemeinen, oft so geringfügigen Bosheit der Nadelstiche verkümmern, sie wollte nicht die Kaffeegesellschaften und Theeabende bei der Frau Präsident und der Frau Rath als einzige Lichtpunkte im Dasein betrachten lernen, wie ihre Schwester. Mathilde war nur sechs Jahre älter als sie selber, aber sie war gänzlich ver knöchert und gab nur auf Aeußerlichkeiten etwas; sie häkelte Deckchen und stickte Lampenteller für den Viktoriabazar und nähte Leibchen für die Kleinkinderbewahranstalt, im klebrigen lebte sie von den Zinsen des kleinen Vermögens, das der Landgerichtsrath hinterlassen hatte. Für eine Person reichten die dürftigen Groschen zur Noth aus, für zwei Nichtsthuerinnen nur dann, wenn sie Beide darbten. Doch nicht die knappen Mittel allein waren es, die sie fürchtete; weit mehr scheute sie sich vor dem thatenlosen Hindämmern in der wenig zusagenden Atmosphäre, vor dem geistigen Verkommen in der Eintönigkeit der Kleinstadt — es schrie in ihr nach Luft und Licht und Freiheit, sie wollte hinaus in die weite Welt und die Hände rühren und fleißig arbeiten und etwas erfahren und erleben. Davon hatte sie Mathilde nichts gesagt, auch der Frau Justizrath nicht, welche die beiden Waisen bemutterte. Sie hatte heimlich an eine Tante geschrieben, eine Base ihres verstorbenen Vaters. Frau Merkel war ein- oder zweimal im Jahr in der Stadt erschienen und hatte Kaukasier. (S. 32) die Eltern Luisens flüchtig besucht, sie war die Frau eines GB HZ Als ihr Mann an der Cholera gestorben war, hatte sie einens M, Gutsbesitzer, einen Herrn v. Peplinski, geheirathet, der in einer "entlegenen Ecke der Provinz nahe der russischen Grem Auch dieser Ehegemahl war ihr bald durch den Tod entriss^ W und nun schaltete sie als Herrin auf den Gütern ihres zweiük Das war Alles, was Luise wußte, es war wenig, doch eine Anknüpfung, und sie wollte es versuchen; viell^ sW ihr die Frau helfen und rathen, vielleicht konnte sie von dort W wohin gelangen als Erzieherin oder Wirthschafterin, Hausfrau oder Gesellschafterin. Frau v. Peplinska hatte uMM antwortet, kurz, doch nicht unfreundlich, Luise möge wenn ihr das einsame Landleben nicht mißfiele. Wenn psi W Vormittagszuge reise, würde sie zwischen zwei und drei AM mittags auf der Station eintreffen, und ein Wagen stehen, sie brauche nur nach dem Kutscher von Orchowo W Mathilde war höchlich erstaunt über die Selbstständig^. M Wagemuth der Schwester; aber sie konnte doch nichts dagegen Natürlich nur auf ein paar Tage, meinte sie. Ja, das B abzusehen, und Luise nickte nur schweigend. E-nB