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Zweites Blatt. ThmM, Uchen. Menlehn und dir UmgeMden No. Sonnabend, den 4. September 18S7 Aber auch weiter bleibt der Soldat Nachts nicht über den Zapfenstreich ans, sondern er „ruppt eine Platte", wird dabei nicht arretirt, sondern „gealgt", kommt nicht in Arrest, sondern in den „Schatten" (schwarzer — strenger, grauer — Mittel-, weißer — gelinder Arrest). Sodann ißt der Soldat kein Kommisbrot, sondern „kloppt Hanf", trinkt keinen Kaffee, sondern „schwächt Schlamm". Graupen giebt es nicht, sondern „Gamaschenknöpfe", Weißkraut find „Fußlappen" und sonstige Sachen weiter, die aber alle von gesundem Humor unserer Vaterlandsvertheidiger zeugen. — Aus dem Plauenschen Grunde wird berichtet: „Wie jetzt nicht mehr bezweifelt werden kann, daß der durch die Weißeritzhochfluth entstandene Mobiliar- und Geschäftsfchaden aus den, dem Landeshilfskomitee zur Verfügung stehenden gesammelten Geldern in sehr nam hafter Höhe und zwar den Aermsten aller Wahrscheinlich keit nach bis zum vollen Betrage des Schadens ersetzt werden wird, so blicken nunmehr auch die geschädigten Grundstücksbesitzer mit vollem Vertrauen in die Zukunft, da, wie Seiten des Vorstandes der Verwaltungsbehörde in einer am letzten Montag mit Vertretern der politischen Gemeinden und der einzelnen Ortshilfskomitee's abge haltenen gemeinschaftlichen Sitzung bekannt gegeben wurde, die Staatsregierung den Betroffenen die erforderlichen Mittel bis zu einem sehr namhaften Betrage bereits jetzt zur Verfügung stellt, um ihnen zu ermöglichen, noch während der hierzu günstigen Jahreszeit mit dem Wieder aufbau und der Instandsetzung ihres Grundstückes be ginnen zu können, ohne hierbei lediglich auf fremde Hilfe augewiesen zu sein." Die auch in diesem Vorgehen wieder zu erblickende Fürsorge der Staatsregierung wurde all seitig anerkannt. — Plauen i. V. Den Umfang der Turnarbeit bei dem zweiten sächsischen Turnfeste 'hier bezeichnen die folgenden Zahlenaugaben, die soeben veröffentlicht werden. Es haben theilgenommen: 3349 Turner am Gauwett turnen, 439 Turner am Einzelwettturnen, die bis zu Ende geturnt haben; 73 sind nicht angetreten oder haben das Turnen abgebrochen. Ringer gab es 32; Hindernißläufer 222, 100 m-Läufer 465. — Dem Mühlenbesitzer FriedM in Grünhain ge lang es, einen ungewöhnlich großen Fischotter zu schießen; er wog 10 Kilogramm und hatte eine Länge von 1,20 m — In der letzten Stadtgemeinderathssitzung in Dahlen wurde der bisherige Gemeindevorstand Rauten strauch aus Cossebaude einstimmig zum Bürgermeister von Dahlen gewählt. — Freiberg, 31. August. Eine schwere, aber wohlverdiente Strafe erhielt der Wirthschaftsgehilfe Richter aus Kleinschirma, welcher am 16. Juli ein werthvolles Pferd durch einen Mefferschnitt am Bauche derart verletzte, daß das Thier verendete. Richter wurde vom Landgericht Freiberg am Sonnabend zu 1 Jahr 6 Monaten Gefäng- niß verurtheilt. — Hinter der Treiber'schen Muhle m Tharandt wurde am Sonnabend ein Raubanfall ausgeführt. Ein Bauarbeiter packte den anderen plötzlich an der Kehle, drückte ihn rückwärts nieder und stahl ihm fein Geld täschchen mit 9 Mk. Inhalt aus der Tasche, worauf er im Dunkel der Nacht, trotz bald erschienener Hilfe, entfloh. Der Räuber ist aus Freiberg gebürtig und hat erst kürz lich eine viermonatlige Strafe hinter sich. — Löbtau. Ziemlich 11 Millionen Staatspapier reste werden am Sonnabend, den 4. September in den Oefeu der Siemens'schen Glasfabrik den Flammen über wiesen. Soweit Platz vorhanden ist, kann jedermann dem feurigen Schauspiele beiwohnen. Zur Verbrennung ge langen die in Staatsschuldbuchforderungen umgewandelten Staatsschuldverschreibungen über dreiprozentige Rente. — Gorbitz. Nächsten Sonntag findet hier der Vev- bandstag der Feuerwehren statt. — Deuben. Vielfach begegnet man im Publikum Aeußer- ungen darüber, daß die vom Wasser geschädigten Ortschaften noch keine Quittungen über die von Dresden und anderswo aus eingegangenen Liebesgaben veröffentlicht haben. Wir können beute mittheilen, daß die Gemeinde Deuben in acht bis vierzehn Tagen öffentlich quittiren wird und daß unterdessen ihr Hilfs komitee gewissenhaft und fleißig die Vertheilung an die Noth leidenden betreibt. — Plauen i. V. Der Kaufmann Hugo August Karl Schulze in Zwickau, Halter eines von seinen Hauptgeschäften in Dresden und Zwickau abgezweigten Wanderlagers inHerren- und Kindergoderobe in Markneukirchen, hat in der Zeit vom 39. Januar bis 12. März d, I. in Markneukirchen Prospekte in zahlreichen Exemplaren ausgelegt und auf den Straßen ver theilt, in welchen er sein Waarenlager als »Riesen-Ausverkauf* bezeichnete und behauptete, er führe nur durchaus reelle, solide Waaren, keine Zuchthausarbeit, sondern von freien Schneidern gut und sauber verarbeitete Waaren, und sein Geschäft sei das einzige, das seine Waaren zu solch' billigen Preisen abgebe. Schulze wurde am 28. August d. I. von der Ferienstrafkammer L des hiesigen Londesgerichts wegen Vergehen gegen § 4 des Ge setzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zu 75 M. Geldstrafe kostenpflichtig verurtheilt. Das Gericht sah auf Grund der Aussagen der Sachverständigen für erwiesen an, daß Schulze mit der Mittheilung, die Waaren seien gut und solid gearbeitet, unwahre, zur Irreführung geeignete Angaben thatsächlicher Natur gemacht hat. Es hatte sich um Hosen gehandelt, die in Berlin von Zwischenmeistern das Stück zu 60—70 Pf. angefertigt werden. Der Stoff hierzu bestand aus Baum- und Kunstwolle. Verkauft wurde eine Hose"für 6,50 Mark. — Lückendorf. Unter den Kindern grasstrt gegenwärtig der Keuchhusten außerordentlich stark. Von den 103 Schul kindern in unserer Gemeinde leiden 70 an Keuchhusten, von den 24 Schülern der 3. Klaffe sind allein 23 erkrankt. — Bautzen, 28. August. Der Mörder der 13jährigen Emma Schmidt in Blumberg bei Ostritz, Johann Bittner aus Johnsdorf in Böhmen, der erst kürzlich aus der Landesanstalt Waldheim, wo er wegen seines Geisteszustandes beobachtet worden, hierher zurückbefördert und ärztlicherseits für geisteskrank erklärt worden war, ist mit dem gestern früh 8 Uhr 42 Min. von hier abgelassenen P-rsonenzug über Wilthen, Schandau nach Bodenbach stark gefesselt transportirt worden, um nunmehr in der Landesirrenanstalt Kosmanos in Böhmen untergebracht zu werden. Die „Zitt. Mgztg." schreibt hierzu: Mit der Ueber- weisung des Mörders Johann Bittner an die österreichische Irrenanstalt in Kosmanos hat ein Drama seinen Abschluß ge funden, das im April d. I. in der Ostritzer Gegend alle Ge- müther aufs Höchste erregte. Gleichzeitig ist damit die seit jener Zeit auch in der Oeffentlichkeit viel ventilirte Frage, ob der Mörder die entsetzliche Blutthat an dem unglücklichen Schul kinde Emma Schmidt aus Blumberg im Zustande der Geistes verwirrung ausgesührt habe, seitens der Gerichtsärzte bejaht und sonach endgültig entschieden worden. Die Ansicht, daß Bittner ein dem Wahnsinn verfallener Mensch sei, stieß besonders in der ersten Zeit nach dem Morde im Publikum vielfach auf leb haften Widerspruch und die Erregung war so stark, daß der Ruf nach Vergeltung die Meinung übertönte, welche jetzt durch die Aerzte und das Gericht bestätigt worden ist. Das war menschlich und daher verständlich. Heute, nachdem über vier Monate seit jener grausigen That verflossen sind, wird man die Dinge ruhiger beurthcilen. Schon wenn man sich die Art und der Ausführung der Mordthat ins Gedächtniß zurückruft, muß man an die Zurechnungsfähigkeit des Thäters Zweifel setzen. Am Hellen Tage in den Morgenstunden hatte er das arme Opfer buchstäblich abgeschlachtet, und zwar an einer Stelle, die von Ostritz aus leicht zu übersehen und nicht weit von einem um die genannte Zeit viel benutzten Wege belegen ist. Ein Motiv für das Verbrechen konnte nicht gefunden werden. Der Mörder verwischte nicht die Spuren, die ihn sofort verrathen mußten, er schleppte vielmehr die Leichmtheile mit sich herum und versuchte seinen Hunger damit zu stillen. »Hunger!* das war auch das einzige Wort, das er auf die Frage, weshalb er den Mord begangen, als Antwort hatte. Er floh auch nicht nach der That von der Stätte des Mordes, sondern hielt sich stets in der Nähe derselben auf und bettelte bis er am anderen Tage durch den Förster Lippitsch auf der Landstraße angehalten wurde. Dabei hätte er doch genug Zeit gehabt, über die Grenze zu entkommen und alles, was ihn verrathen konnte, zu beseitigen. Er wäre dann wahrscheinlich, wie so oft vor dem, wieder als Vagabund aufgegriffen worden, aber der Mord hätte ihm viel leicht gar nicht nachgewiesrn werden können. Alle diese That- sachen sind sicherlich von den Sachverständigen in Erwägung gezogen worden und haben in Gemeinschaft mit den Resultaten der monatelangen irrenärztlichen Beobachtungen des Bittner zu Imlsblull für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk.55Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. ZUM 12. Sonntage nach Trinitatis. Apostelgesch. 14, 17: Gott hat sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat uns viel Gutes gethan und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, unsere Herzen erfüllet mit _, Speise und Freude. . Dies Apostelwort, ein Gottesgruß zum Erntefeste, ist ursprünglich an Heiden gerichtet worden. Auch die Heiden, meint Paulus, hätten ahnen können, daß es droben eine sur sie sorgende Liebe gebe und fühlen können, daß ihre Gotterder rechte Ausdruck für diese Liebe nicht seien. Auch ihueu hat Gott so manche Wohlthat erwiesen, ihnen die tägliche Nothdurst an Essen und Trinken beschert, ja alles uni sie her in der Natur so herrlich gemacht, daß sie auch einen Genuß, eine Erquickung hatten. Ernsteren Heiden wenigstens hätte der Gedanke an den einen wahren Gott, der sich in der Natur offenbart, wohl kommen sollen. Wie Plato's Beispiel zeigt, ist er ihnen auch gekommen. Will der Geber alles Guten demnach schon von den Heiden anerkannt und gepriesen werden — wie viel mehr wird er es von den Christen verlangen? Wer du auch seist, du sollst Ihm danken heute für die gnädige Erhörung deiner täglichen Bitte: Unser tägliches Brot gieb uns heute! Bist du Landwirth und Landmann — o vergiß über be rechtigter Klage heute des Dankes nicht gegen den, der Hüter der Saat und Wächter der Ernte gewesen ist. Lebst du in der Stadt, in der Weltstadt, hast vielleicht das ganze Jahr kein Getreidefeld zu Gesicht bek-"nmen, so hast du dich doch vom Brote nähren dürfen, zMal wenn du die 22 Stücke, die Luthers Katechismus unter tägliches Brot befaßt, mit in Anschlag bringst. „Sollt' ich meinem Gott nicht singen, sollt' ich Ihm nicht dankbar sein?" Wie ist Er wieder ein Jahr lang der Vater der Waisen, der Anwalt der Witwen, der Hort der Armen gewesen! Danke Ihm dafür heute von Herzensgrund in der Kirche und im Kämmerlein daheim und draußen. Es ist viel Brotnoth, viel Erwerbssorge in unseren Tagen und in Deutschland vielleicht noch mehr als anderswo. Aber es ist auch viel Undank in unseren Tagen, viel Blindheit gegen Gottes Vatergüte, und daß der Sorge so viel ist, liegt großentheils daran, daß der Sünde so viel ist. Wer dem lebendigen Gott die Anbetung und den Dank weigert, wer vom Gebete nichts mehr wissen will und seine Zuversicht statt auf Gotteshilfe in erster Lime aus Staatshilfe und Selbsthilfe setzt, der darf nicht ver wundert sein, wenn er in der Noth stecken bleibt. Man kann nicht Feigen von den Dornen lesen. Seine Kinder läßt der liebe Gott nicht verhungern, bas ist auch heute noch wahr. „Hilft Er nicht zu feder Frist, Hilst Er doch, wenn's uöthig ist." Erprobe Seine väterliche Liebe, du Sorgender, und dir wird geholfen werden. Hat Er dir aber gelwlfeu, so vergiß des Dankes nicht, der Ihm ge- bschrt- Mache einen guten Anfang damit heute am Ernte- Vaterländisches. — Spitznamen der verschiedenen Truppentheile in der sächsischen Armee: Vorerst werden sämmtliche Linien-Jn- fanterie-Regimenter des rothen Kragens usw. halber mit »Ziegeldecker" benamset, halten jedoch durchaus nichts hinter dem Berge, als Antwort auf diese Uzerei begegnenden Grenadieren „Gsch-Gsch-Gsch-Haas, Haas, Haas" zuzu rufen Sind es Husaren, so tönt es: „Bindfaden- oder „Pfefferkuchenreiter", den Ulanen wird ein „Kaffeemühlen- kopp" an den Kopf geworfen. (Wegen der viereckigen Forni der Czapkas.) Die Gardereiter und Carabiniers (früheren 3. Reiter) heißen - „Fleischhacker", jedenfalls als Anerkennung des Kampfesmuths in früheren Schlachten. lPrerau, 1866 nsw.) „Gußlanzer" ist die gemüthliche An rede für den Train, welcher aber darob sehr ungemüthlich werden kann. Die Bezeichnung „Sieacker" der Zittauer l02er leitet ab von der dort üblichen Redensart „Sieh ack her" (Sie doch her). Die der 103 er in Bautzen als »Woiacker" ist überhaupt nur das Wort Wovacs (Soldat) >n der wendischen Sprache. A'E"r den genannten Regi- wentern hat nur das Regiim T,,r. 106 (Leipzig) einen Spitznamen, und zwar „BreßeUnänner". Dies bezieht nw auf die Form des Namenszugs der Achselklappen. —