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dem aber blieben von 51 nur 6 übrig. Erst 1806 trat Kursachsen wiederum auf den Kriegsschauplatz, das deutsche Reich war aufgelöst (6. August 1806). Den Kaisertitel hatte nun Oesterreich an sich genommen. Napoleon trat als Protektor des Rheinbundes (12. Juli 1806) an die Spitze von fünf Fürsten des südwestlichen Deutschlands. An die Spitze von Norddeutschland stellte sich Preußen, und Kursachsen war zum Anschluß genöthigt, zu näherer Erörterung war keine Zeit, und ehe der Bund gereift, kam es zuin Kriege. Als nun Preußen rüstete, stellte Kur sachsen 22,000 Mann zu dem preußischen Heere in Thüringen. Napoleon führte seine Truppen eben dahin. Den 8. Oktober 1806 erzwang der Großherzog von Berg den Uebergang über die Saale und warf die Sachsen zurück. Den 9. nahm Marschall Soudt in Hof die preußischen Magazine, den 12. October war Dawoust in Naumburg, den 13. streiften seine Borposten bis Leipzig, den 14. Ort. war die Doppelschlacht von Jena und Auerstädt; das preußische Heer flüchtete nach Magdeburg und der Elbe, und die Sachsen wurden größtentheils gefangen, nachdem sie tapfer fechtend den Preußen den Rücken gedeckt. (Fortsetzung folgt.) Das Geheimniß der Schlucht. Roman von E. Heinrich-. (Nachdruck verboten) (Fortsetzung.) E- war am Nachmittag dieses Tages, an welchem der Assessor von Lingen und unser wackerer Doktor, welcher zugleich als Gefängnißarzt fungirtc, jene überraschende Mittheilung er hielten, wonach sich der alte Riehl als Mörder seines Enkels bekannte, und der Diebstahl bei dem Baron Reischach mit dem spurlosen Verschwinden des Volontärs Hamburt in folgerechte Verbindung gebracht werden mußte. MU wachsender Ungeduld erwartete der Assessor den Detektiv im Gefängnißgebäude und empfing ihn, als er endlich erschien, mit einem strengen Verweis. „Um Verzeihung, Herr Assessor," vertheidigte sich Lange etwas g-kränkt, „ich bin seit heute früh 4 Uhr auf den Beinen, und wäre viel eher gekommen, wenn ich mich nicht bei dem kleinen Olsen aufgebalten hätte, der todtkrank ist. Der Arzt, welcher gerade anwesend war, sagte mir, daß es mit ihm vorbei sei und er jedenfalls in dieser Nacht noch sterben werde." „Ach, Sie meinen, daß er uns in der Riehl'schen Sache noch nttzen könne," warf Herr von Lingen mit spöttischer Be tonung ein. „Allerdings, Herr Assessor, noch ist er vernehmungsfähig, weshalb ich zur schleunigen Protokollaufnahme rathen möchte." „Ganz unnöthig, mein lieber Lange," sagte der Assessor achselzuckend, „lassen wir den alten Säufer ruhig sterben, da wir den Mörder hinter Schloß und Riegel haben." Der Detektiv erblaßte und sah seinen Vorgesetzten mit dem Ausdruck fassungslosester Ueberraschung an. „Das verstehe ich nicht —" stotterte er nach einer Weile. „Ec hat bereits ein Geständniß abgelegt," setzte Herr von Lingen mit sichtlichem Triumphe hinzu, „das ich indeß noch als Geheimniß behandeln will." Lange verbeugte sich schweigend und unterdrückte seinen Anger, sowie seine Neugierde mit gewohnter Energie. „Ich habe eine andere Aufgabe für Sie, die Ihnen vielleicht ein lohnendes Resultat einbringen wird," fuhr der Assessor in lässigem Tone fort. „Beim Baron Reischach auf Rautcnhof ist ein Diebstahl verübt, der nur von einem Bekannten oder Hausbewohner ausgeführt sein kann. Es handelt sich um die bohe Summe von zehntausend Mark in Banknoten. Ich Hobe Ihnen hier die nöthigen Notizen über die vermuthliche Aus führung des Raubes gemacht. Höchst wahrscheinlich steht das unerklärliche Verschwinden des dortigen Volontärs Hamburt damit in Verbindung." Der Assessor batte dem Detektiv ein Blatt eingehändigt, das dieser rasch überflog. „Wann ist der Diebstahl ausgeführt worden, Herr Assessor?" fragte Longe ruhig. „Jedenfalls in der letzten Nacht, ich erhielt die Anzeige heute Natmittag. Der Baron, welcher erst gegen Nachmittag von einer Reise helmgekehrt war, brachte sie mir persönlich, hatte den Diebstahl aber daheim noch verschwiegen, was ich ihm auch noch ferner anempfabl. „Sehr wohl, Herr Assessor! Ich werde mich dann erst informiren müssen, nach welcher Richtung hin der Dieb das Weite gesucht hat. Glaubt der Herr Baron an die Schuld des Volontärs?" „Es muß wohl, obgleich es ihm schwer fallen mag, weil er dem Patron nur Wohlthaten erzeigt hat." „So soll ich also seiner Spur vorerst folgen?" „Wären Sie etwa anderer Meinung?" fragte Herr von Lingen überrascht. „Nein, Herr Assessor, im Gegentheil," erwiderte der Detek tiv mit einem flüchtigen Lächeln. „Ich bin vielmehr sehr da mit einverstanden, und ich freue mich, der Fährte dieses Wildes endlich einmal nach Herzenslust folgen zu dürfen." „Gut, das Wild ist jetzt vogelfrei," bemerkte der Assessor nicht ohne Spott, „ich brauche Ihnen, dem geübten Jäger, ja keine Vorsicht onzuempfehlen. Ich will Ihnen die nötige Voll macht zu seiner etwaigen Verhaftung mitgeben." „Giebts für Sie dann auch keinen Mörder, so doch noch mindestens einen Dieb einzufangen." Er hatte bei diesen Worten ein Schema zu einem gerichtlichen Verhaftsbefehl, sowie das Siegel aus seiner Brusttasche genommen, während alles übrige sich auf einem Schreibtisch vorfand. „So, lieber Lange, und nun wünsche ich Ihnen glück lichen Erfolg," Der Detektiv steckte den Verhaftsbefehl zu sich und verließ rasch das Gebäude. Während er seinem Gasthof zueilte, überlegte er, ob der Assessor in seiner Mittheilung hinsichtlich des Mörders völlig aufrichtig gegen ihn gewesen, oder ob das Geständniß nur eine Finte sei, um ihn durch die willkommene DiebyahlSgeschichte auf die Fährte des wahren Thäters senden zu können, ohne sich vorher die Blöße geben zu müssen, sich zu seiner Meinung be kehrt zu haben. Wer in aller Welt sollte so plötzlich den Mord tingestanden haben? — Der alte Riehl oder seine Tochter, sonst wae Niemand bis jetzt verhaftet worden, und aus eigenem An trieb würde sich wohl keiner zu einer solchen That bekennen. — Als er am Hause des Stadtsekretärs oorüberkam, sah er diesen gerade aus der Thür treten, um anscheinend einen Spazier gang zu machen. Seine Tochter stand am Fenster und blickte dem Vater nach. Lange ging einige Schritte weiter, bis jener um eine Ecke verschwunden war, dann kehrte er um und trat entschlossen in das Brandnersche Haus, dessen Thür nach alter Weise noch mit einer Glocke versehen war. Er wurde, als er seinen Wunsch, das Fräulein zu sprechen geäußert, von der Magd gemeldet und angenommen. In der nächsten Minute stand er vor Klara, die ihn höflich begrüßte und nach seinem Anliegen fragte. „Es ist eine Bitte und eine Frage, die ich an Sie richten möchte, mein gnädiges Fräulein!" versetzte Lange, der sich eine gewisse weltmännische Gewandtheit angeeignet hatte, „die er gebenste Bitte zunächst, meine Dreistigkeit, als Fremder Sie ohne weiteres zu belästigen, mir freundlichst verzeihen zu wollen." „Meine Verzeihung haben Sie, Herr Dietrich, so heißen Sie ja wohl," — Klara warf einen Blick auf seine Karte, — „kann ich Ihre Frage beantworten, so sehe ich nicht ein, warum ich es nicht thun sollte." „Ich danke Ihnen von Herzen, meine Gnädige — Sie kehrten heute morgen ganz früh von einer Reise zurück —" „Das ist richtig, „fiel Klara lächelnd ein, „ich glaube Ihnen auf der Promenade begegnet zu sein, oder waren Sies nicht?" „Ja, ich sah Sie dort, und möchte Sie nun fragen, ob Sie auf Ihrer Reise vielleicht einem Bekannten aus hiesiger Stadt oder Umgegend begegnet sind, beziehungsweise einen solchen auf irgend einer Station gesehen haben?" Klara blickte ihn befremdet an, eine solche seltsame Frage schien sie allerdings nicht erwartet zu haben. Klaras schönes Antlitz, das sich mit einer flüchtigen Nöthe bedeckt hatte, nahm einen stolz abweisenden Ausdruck an. „Ich verstehe Sie nicht, mein Herr," versetzte sie kalt, „und weiß nicht, was Sie mit Ihrer inquisitorischen Frage bezwecken." Lanze sah sie bittend an. „Ich bat von vornherein um Ihre Verzeihung, meine Gnädige!" sagte er, seine Stimme dämpfend, „weil ich diese Antwort fürchtete. Und doch handelt cs sich dabei um mehr, als Sie zu ahnen vermögen, vielleicht um Tod und Leben, Freiheit oder Verurtheilung armer Menschen, an deren Unschuld ich stets fest geglaubt." „Sie sind nicht der, wofür Sie sich hier ausgegeben," sprach Klara mit sichtlicher Aufregung, „ich hab es gleich ge ahnt, mein Herr." „Allerdings bin ich ein anderer, als der Rentner Dietrich, gnädiges Fräulein, ich will es Ihnen mit der Bitte, es selbst ihrem Herrn Vater zu verheimlichen, im Vertrauen mittheilen, da ich zu viel Vortheilhaftes von Ihnen gehört habe, um nicht ganz sicher zu sein, mein Vertrauen nicht getäuscht zn sehen." „Sie haben Vortheilhaftes von mir gehört?" fragte Klara mit einem bitteren Lächeln. „Ach, jene alberne Verleumdung wird wie der Nebel vor dem Sonnenlicht vergehen. Darüber werden Sie sich wohl keinen unruhigen Augenblick gemacht haben, gnädiges Fräulein! Ich bin also ein Kriminalbeamter, ein sogenannter Detektiv, Namens Lange, und in der Riehlschen Sache heimlich thätig," erwiderte Lange ruhig. „Sie halten den alten Mann für schuldlos," unterbrach ihn Klara erregt, „nicht wahr?" „Gewiß, ihn und auch die Tochter, obgleich nicht zu leugnen ist, daß sehr belastende Verdachtsgründe gegen beide vorhanden sind. Von Anfang an verfolge ich eine andere Spur, bei welcher Sie vielleicht jetzt im Stande wären, mir einen Fingerzeig zu geben, meine Gnädige, wenn Sie die Güte hätten, meine Frage von vorhin zu beantworten." „Sie wollen wissen, ob bekannte Personen von hier oder der Umgegend mir auf irgend einer Station begegnet sind?" fragte Klara zögernd, ihn mit einem ängstlichunschlüssigen Aus druck anblickend. „Sie würden mir, beziehungsweise auch beiden Gefangenen vielleicht einen großen Dienst damit erzeigen." „Gut denn, auf der Haltestotion Z., wo ich ausstieg, begegnete mir der Volontär Hamburt von Rautenhof." In Langes Augen blitzte es freudig auf. „Er fuhr mit dem Berliner Zug weiter?" fragte er hastig. „Ja, ich sah ihn abfahren," erwiderte Klara, den Detektiv entsetzt anblickend. „Ihn verfolgen Sie also? Großer Gott, haben Sie Beweise für seine Schuld?" „Hm, dann hätte ich ihn längst abgefaßt." „Gründe genug sind da, meine Gnädige; er ist erwiesener maßen der heimliche Geliebte der kleinen Riehl, deren Geld ihm gut zu statten käme, wenn der Alte verurtheilt und die Tochter alleinige Erbin geworden wäre. Hat er doch mehr Schulden als Haare auf dem Schädel, darunter riesige Spielschulden, die bekanntlich unweigerlich bezahlt werden müssen. Meinen aufrichtigen Dank, gnädiges Fräulein, ich muß eilen, um den nächsten Zug nicht zu versäumen. Da man den Herrn Volontär mit der Verleumdung gegen Sie in Verbindung gebracht hat, so werde ich jetzt auch diese Sache zu der meinen machen, den Verleumder finden und zur Rechenschaft ziehen. Empfehle mich Ihnen ergebenst, meine Gnädige!" Er verließ rasch das Haus, Klara in einer unbeschreiblichen Aufregung zurücklassend. Als Lange nach dem Bahnhof kam, war soeben ein Zug von M. eingetroffen. Die Laternen waren bereits angezündet. Er löste sich eine Fahrkarte und sah sich plötzlich beim Umwenden dem Assessor Steinmann gegenüber. — „Ah, guten Abend, Herr Assessor!" „Sie sinds, mein lieber Lange?" — Wollen Sie abreisen? — Wie stehts denn eigentlich hier?" Lange warf einen Blick auf seine Uhr. „Habe noch bei nahe eine Viertelstunde Zeit, freut mich sehr, Sie noch getroffen zu haben, Herr Assessor! Wollen Sie mich draußen anhören?" Steinmann nickte und schritt hinaus. — Hier theilte der Detektiv ihm mit leiser Stimme das Neueste und den Zweck seiner Reise mit. „Der Elende," sprach der Assessor halblaut. „Es kann kein Zweifel darüber walten, daß er dec Dieb und wahrscheinlich ein noch größerer Verbrecher ist." „Sie thcilen also auch darin meine Meinung, Herr Assessor?" fragte der Detektiv. „Ja, es ist bei mir sogar zur Ueberzeugung gelangt. Woher aber wissen Sie, daß er diese Richtung genommen hat?" „Durch eine Dame," erwiderte Lanze lächelnd; „apropos, Herr Assessor, ist Ihnen die Verhaftung der kleinen Riehl bekannt?" „Ich Habs in den Zeitungen gelesen; das war ja ganz unausbleiblich, vielleicht hat sie dem Geliebten in irgend einer Weise bei der Unthat geholfen, wer kannS wissen? — Ist die Dame, von welcher Sie jene Mittheilung empfangen, mir bekannt?" „Gewiß, Herr Assessor!" versetzte der Detektiv, ihn scharf beobachtend, „es ist Fräulein Brandner, die Tochter des Stadt sekretärs, brauche wohl nicht um Diskretion zu bitten." „Selbstverständlich," sagte Rudolph Steinmann mechanisch, — sein Gesicht hatte sich plötzlich ganz seltsam verändert, es war leichenblaß geworden, während die Augen einen unheimlich starren Ausdruck angenommen hatten. „Fräulein Brandner, welche in letzter Zeit recht viel Un angenehmes hat erdulden müssen," fuhr der Detektiv rasch fort, „war, wenn ich nicht irre zu einer Verwandten gereist und kehrte heute früh mit dem Nachlzuge wieder heim, sicherlich, um sich den neugierig-boshaften Blicken der lieben Nachbarn zu entziehen. Ich begegnete ihr, als sie vom Bahnhofe kam, auf der Promenade, wo sic mit dem alten Schuhflicker Weide sprach, der sie für die Beste aller Frauen erklärt. Als nun Herr von Lingen mir heute Abend diesen Auftrag gab, fiel mir das Fräulein wieder ein. Ich ging zu ihr, erklärte ihr im Vertrauen meine Aufgabe uud die junge, prächtige Dame, welche sich anfangs natürlich ablehnend verhielt, sagte mir schließlich, als ich den alten Riehl ausspielte, daß sie den 'Volontär Hamburt ans der Station Z., wo sie auf einige Minuten ihr Koupee verlassen, mit dem Berliner Zuge habe abfahren sehen." „Sie soll ja sehr befreundet mit ihm gewesen sein," be merkte Steinmann bitter; „hätte die Dame nicht für so rach süchtig gehalten, ihn jetzt zu denunzieren." „Üm Vergebung, Herr Assessor!" sagte Lange sehr ernst und nachdrücklich, „Sie werden die junge Dame von Kindheit an gekannt haben, wie ich glaube, während sie mir ganz fremd ist, da ich sie nur dieses einzige mal gesprochen habe. Dessen ungeachtet würde ich mich nicht bedenken, für ihre Frauenehre und Tugend mit meinem Leben einzustehen und den schändlichen Verleumder zur Rechenschaft zu ziehen, wie ichs mir auch fest gelobt. — Ah, da läutet es zur Abfahrt," setzte er hinzu, „empfehle mich Ihnen, Herr Assessor!" Fort war er, Rudolph Steinmann mit dem unbehaglichen Gefühl einer soeben empfangenen wohlverdienten Lektion zurück lassend. — Im Klub der jungen Lebemänner, welche bekanntlich im „weißen Roß" sein Trink- und Spielgelage feierten, ging es an diesem selben Abend lehr lebhaft und erregt her. Ein junger Gutsbesitzer, welcher viel auf Rautenhof verkehrte, hatte soeben die Nachricht gebracht, daß Herr Adolar Hamburt seit dem vorigen Tage spurlos verschwunden sei und Baron Reischach heute Nachmittag eine lange Konferenz mit dem Assessor von Lingen in der „Sonne" gehabt haben solle. „Dann ist er ausgerissen," schrie der Sohn des reichen Bankiers Levison, „und ich bin um die Summe von fünf tausend Mark, die er mir auf Ehrenwort schuldet, geprellt. Der Lump, der!" „Wird wahrscheinlich das Reisegeld aus des Barons Kasse mitgenommen haben," meinte ein anderer lachend. „Wie sollte er sonst fortgekommen sein?" „Na, dem Reischach ists zu gönnen," setzte ein dritter spöttisch hinzu, „eine solche Gemächlichkeit ist strafbarer als Dummheit. Sich diesen Burschen aufzuhalsen!" „Laßt eS gut sein," bemerkte der Gutsbesitzer, ich dulde kein Wort gegen Boron Reischach, diesen Edelmann vom Kopf bis zur Sohle. Sie, meine Herren, haben doch keinen Augen blick beanstandet, dem entlassenen Offizier, der sich mit dem neugebackenen Adel seines Vaters aufjpielte, in Ihren exklusiven Kreis aufzunehmen. Weshalb haben Sie ihm so lange kreditiert? Uebrigens ist Ihr Verlust, meine Herren, als Spielschuld betrachtet, doch eine Bagatelle gegen die Verluste armer Handwerker, die ihm auf Glauben und Wort gepumpt haben. Diese Unglücklichen zu betrügen, ist eine bodenlose Gemeinheit." „Unsinn!" rief der Bankierssohn, „solchen Leuten verpfändet man doch nicht sein Ehrenwort, wie es in unserem Kreise der Fall ist." „Wozu der Streit um Dinge, die längst eine feste Regel in der guten Gesellschaft bilden," mischte sich jetzt Malten em; „ich bedauere den armen Hamburt, der durch die Verhaftung der kleinen Riehl jede Aussicht aufgegeben und dann vollständig den Kopf verloren zu haben scheint. Ein Kerl, wie er, konnte überall anklopfen, ich begreife ihn gar nicht, Sie Härten ihm die Spielschuld doch jedenfalls gestundet. Uebrigens glaube ich auch nicht, daß er des Barons Kasse erleichtert hat, bin vielmehr überzeugt, daß er mit seiner ehemaligen Liebsten, der Klara Brandner, das Weite gesucht hat, die ihn wohl über den Verlust der kleinen Riedl trösten wird." Ec stieß ein frivoles Gelächter aus, taumelte aber im nächsten Augenblick, von einem Schlag ins Gesicht getroffen, mit einem Wuthschrei zurück. Es war Rudolph Steinmann, der unbemerkt eingetreten und schon seit mehreren Minuten mit sehr finsterer Miene Zeuge der Unterhaltung gewesen war. Bei MaltenS nichts würdiger Aeußerung hatte er seine Selbstbeherrschung verloren, die auf einem Seitentischchm liegende Reitpeitsche des jungen Gutsbesitzers ergriffen und den elenden Lügner auf frischer That gezüchtigt. „Bube!" rief er mit donnernder Stimme, bevor einer der bestürzten Gesellschaft ein Wort hervorzubringen vermochte, „ich bin hierher gekommen, um den Verleumder einer der achtungö- werthesten Damen unserer Gesellschaft zu entlarven, ihn zur Rechenschaft zu ziehen und nach Gebühr zu züchtigen. Man hatte ihm mir bezeichnet und ich kam gerade zur rechten Stunde, um den Lügner bei einer neuen Verleumdung zu fassen." Malten, der sich mittlerweile aufgerafft hatte, besaß in der That das Aussehen eines Gezeichneten, da ein feuerroter Streifen ihm quer übers Gesicht lief. Malten sah aus wie ein wüthender Stier, fürchtete sich aber doch, dem mit der Rei'peitsche bewaffneten Assessor zu nahe zu kommen und blickte sich nur wild nach einer anderen Waffe um. (Fortsetzung folgt.)