Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff Beilage zu Ro. 73. Donnerstag, den 24. Juni 1897. OOGGGGOOOOO Abonnements - Einladung. Mit dem 1. Juli d. I. beginnt das dritte Quartal und laden wir hiermit zum Neu-Abonnement auf das MlmlM M WMll Ikai'anck, K0886N, 8i6b6n>6kn u. ckk Umgegenllen Amtsblatt für die Kgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt freundlichst ein. Dasselbe erscheint drei Mal wöchentlich mit der allsonntäglichen Jllnstrirten Unterhaltungsbeilage und der 14tägig erscheinenden Landwirthschaftlichen Beilage. Das Bestreben der unterzeichneten Expedition wird auch ferner darauf gerichtet sein, den geehrten Lesern durch unparteiische politische Leitartikel und aus der Tagesge schichte und den vaterländischen Ereignissen stets das Neueste zu bringen; gute und sittlich reine Romane und Novellen sollen namentlich den geehrten Leserinnen reichlichen Stoff zur Unterhaltung bieten. Bestellungen nehmen alle kaiserlichen Postanstalten, sowie unsere Geschäftsstellen entgegen. Der Preis stellt sich für ein Vierteljahr durch die Post bezogen frei in's Haus auf 1 M. 55 Pf., für die Stadt Wilsdruff durch unsere Expedition bezogen 1 M. 30 Pf. Die ergebenst unterzeichnete Expedition erlaubt sich deshalb, die geehrten Bewohner unserer Stadt und Um gegend durch recht zahlreiches Neu-Abonnement umsrennd- llche Unterstützung zu bitten und zeichnet mit größter Hochachtung Expedition des Ämts- uud Wochenblattes für Wilsdruff. GGGGGGGGGGG Jur Entwickelung des deutschen Genoffrn- schaftswesens. Der praktische Blick und die menschenfreundlichen Bestreb ungen umsichtiger VolkSwirthe haben schon lange erkannt, daß für die wirthschaftlich schwächeren, mittleren und kleineren Land- wirthe und Gewerbetreibenden, welche nicht von großen Banken Credit und Geld erhalten können, die genossenschaftliche Selbst- Hilfe der besteWeg zur Lösung der Creditfrage ist, und Schultze- Delitzsch und Raiffeisen haben dann die Creditgenoffenschaften nach ihren klug durchdachten Systemen gegründet. Ganz be sonders erfreulich ist es nun, d-ß m der gegenwärtigen Zeit der übermäßigen Entwickelung des Großkapitales und der Groß betriebe niclN nur die Spar- und Vorschußbanken nach dem System Schultze-Delitzsch, sondern auch die Raiffeisen scheu Ge nossenschaften und Vereine einen großen Zuwachs zeigen, also in vielen Orten die Hebung des Kredites der durch genossen schaftlichen Zusammenschluß gestärkten Gewerbetreibenden und Landwirthe gegen übermächtige Concurrenz des Großkapitals erreicht worden ist. Die Jahresversammlung des Verbandes der deutschen Raiffeisenvereine, welche vorige Woche in Berlin stattfand, bot für die Hebung dieser mannigfaltigen Art von Genossenschaften, welche besonders für die Landwirthe geeignet sind, ein lehrreiches Bild. In dem Jahresberichte führte der Kcneralanwalt des Vereins, Herr Cremer, aus, daß der Ver band zur Zeit 2466 Genoffenschaften, die sich in 25 Verbands- bezirke und 152 Unterverbände gliedern, umfaßt. Die weitaus größte Zahl (2564) sind Spar- und DarlehnSkaffen, der Rest vertheilt sich auf Molkerei-, Obstverwerthungs-, Pferdezucht-, Fettviehverkaufs, Rohstoffe-, Tabakverkaufs-, Spiritusverkaufs-, KornhauS-, Ein- und Verkaufs-, Konsum-, Brennerei-, Wvhl- fahrtSgenossenschaftcn, Winzeroereine und eine Schlächterei ver einigter Landwirthe. Auf die einzelnen Theile des Reiches ver- theilen sich die Genossenschaften wie folgt: Rheinprovinz 401, Hessen-Nassau 466, Provinz Sachsen 51, Provinz Branden burg 124, Provinz Westpreußen 158, Provinz Ostpreußen 175, Provinz Schlesien 229, Provinz Posen 86. Provinz Pommern 12, Hannover 4, Hohenzollern 5, Fürstenthum Birkenfeld 7, Sachsen- Meiningen 28, Sachsen-Coburg 27, Schwarzburg-Rudolstadt 3, Schwarzburg-Sonderhausen15, Unterfranken 22, Mittelfranken 68, Oberfranken 43, Oberpfalz 13. Niederbayern 2, Ober bayern 14, Schwaben-Neuburg 58, Rheinpfalz 137, Großherzog- thum Hessen 37, Großherzogthum Baden 20, Großherzogthum Mecklenburg 48, Oberelsaß 87, Untcrelsaß 175, Lothringen 19, Königreich Sachsen 11, Schleswig-Holstein 2, Königreich Württemberg 1, HerzogthumBraunschweig 2. Dieneug-gründeten Verbände in Posen, Mecklenburg-Schwerin, Baden und Lothrin gen, sowie 60 Unterverbände wurden ohne Erörterung bestätigt. Die Berichte der einzelnen Verbandsanwälte betonten durchweg das überraschend schnelle Anwachsen der Organisation und der Umsätze, wie auch das Entgegenkommen der Behörden, nament lich der geistlichen. Der nächste VerbandStag soll 1899 zugleich mit dem 50jährigen Jubiläum von Raiffeisen-Vereinen und der Enthüllung des Raiffeffendenkmals in der Rheinprovinz statt finden. Ganz besonders lehrreich erachten wir in dem Berichte über die Raiffeisenvereine den Umstand, daß sich diese Genossen schaften nicht mehr auf Spar- und Vorschußkassen beschränken, sondern eine Menge Zweige der Landwirthschaft genossenschaftlich besser ausnutzen. Chronik der Stadt Wilsdruff. (Nachdruck verboten.) Ereignisse der Stadt Wilsdruff von 1763 bis 1789. (Fortsetzung.) Noch schlimmer erging es im Jahre 1772, da kostete der Scheffel Korn 8 Thlr., die Gerste 7 Thlr., der Hafer 4 Thlr. und war oft noch nicht einmal zu bekommen, und landete an der Elbe ein Getreideschiff oder kam auf irgend einem Markte ein dergleichen Wagen, so gab dies nicht selten Veranlassung zu Schlägereien, denn Jeder wollte haben und der Erste im Einkauf sein. In Döbeln kostete das Korn 9 Thater, in Chemnitz gar 12 Thaler. Im Monat Juli, August und September soll das Getreide in Dresden gegolten haben: ein Scheffel Korn 12 Thaler, Weizen 13 Thlr, die Gerste 9 Thlr, Hafer 8 Thlr. Wenn ein Bauer so unklug war, die allerdings sehr zu dringlichen und lästig werdenden Bettler mit Strenge ab zuwehren, so stand er in Gefahr, sein Gehöfte in Feuer aufgehen zu sehen, wovon die Geschichte jener Zeit viele Beispiele aufzuweisen hat. — Eine ganz besondere Auf merksamkeit widmete die Behörde den Getreidehändlern, es wurde mit unerbittlicher Strenge darauf gesehen, daß Getreidesorteu nicht auf Spekulation gekauft und verkauft würden. Ebenso durfte kein Kornbranntwein gebrannt werden, weshalb man alle Blasen versiegelte. Ein Groschen- brod wog 23 Loth, das Achtgroschenbrod 57r Pfund. — Bei der am 20. Oktober, als am 21. Sonntage nach Trinitatis, über Jeremia 8, 20 gehaltenen Erntepredigt betrachtete der hiesige Pfarrer den Satz: daß ein christ licher Hausvater auch bei einer mißlichen Ernte an Gottes Fürsorge nicht zweifeln dürfte. In selbiger Zeit wurden viele Diebstähle verübt und mehrere Personen vom Hunger überwältigt todt auf den Straßen gefunden. Es waren dies: 1. am 6. Juli ein Reisender, Namens Schulze, 2. am 10. Juli Ferdinand Schallert in Grumbach, 3. ein Mann, unbekannt von Namen, in der Struth und ein anderer bei Blankenstein. Die in Folge dieser Hungers noth ausgebrochenen epidemischen Krankheiten rafften in, Jahre 1772 in Sachsen 65,000 Menschen dahin, nach Engelhardt's Angaben waren es gar 151,000. Den Haus armen hier wurde in dieser schweren Zeit erlaubt, sich Sonnabends ein Almosen zu erbitten. Auch kamen in demselben Jahre die Cassenbillets auf, und 1773 wurde, um das zahlreich herumschwärmende Ge sindel aufzugreifen und in Verwahrsam bringen zu können, in Torgau und 1775 in Zwickau ein Zuchthaus errichtet. Der 1774 in Dresden unternommene Bau des Landhauses, au dessen Stelle das Prinzen-Palais stand, verschaffte vielen Personen unserer Stadt und Umgegend Erwerb. Und kaum hatten 1775 Hagel und Schloßen in unseren Fluren alle Früchte total niedergeschlagen, als 1778 der bayrische Erbfolgekrieg ausbrach, welcher nach Versicherungen des Herrn Bürgermeister Renatus August Gerber auch uw erer verarmten und bedrängten Bürgerschaft durch häufige Militär-Prästanda und Winterquartiere viel zu schaffen machte. Das Ende dieses Krieges führte 1779 der Friede zu Letschen in Böhmen herbei. Sachsen erhielt für seine wohlbegründeten Ansprüche von Bayern sechs (6) Mill. Gulden, welche zum allgemeinen Besten des Landes ver wendet wurden, und die Landeshoheit über die Schön- burgischen Besitzungen Glauchau, Lößnitz, Hartenstein, Waldenburg rc. — Auch die Bauernunruhen bedrängten die hiesige Gegend, und wir können nicht umhin, zu be merken, daß dabei des Dorfes Kaufbach sehr rühmend ge dacht wird, und das dem damaligen Richter, dessen Namen ich nicht ausgezeichnet fand, die silberne Ehrenmedaille und der ganzen Commun eine Belobigung zuerkannt worden ist. Auch diese große Noth blieb nicht ohne gesegnete Folgen, denn man bemühte sich nun, die Landwirthschaft besser zu betreiben, unbedeutende Waldungen auszuroden, nasse Felder auszutrocknen und Wüstungen und Sandsteppen durch Einsäung von Heidekorn in fruchtbare Fluren um zuwandeln. Auch wurden mehrfache Wohlthätigkeitsan- stalten, besonders durch die Freimaurer, eingeführt, unter denen die Speisungs-Anstalten in mehreren Städten des Erzgebirges und des Freimaurer-Instituts zu Dresden die vorzüglichsten sind. Insbesondere fand nun auch der Kar toffelbau allgemeine Einführung. Die Kartoffel, welche 1586 Franz Drake aus Amerika zu uns nach Europa brachte, wurden zuerst in England mit glücklichem Erfolg angebaut. Ein junger Voigtländer, welcher die Knollen (Erdäpfel) in England kennen lernte, brachte sie Ende des 17. Jahrhunderts zu uns und machte die ersten Versuche mit ihrer Erbauung auf einem Felde des Dorfes Würschnitz, zwischen Adorf und Oelsnitz im Voigtlande. Da der Versuch gelang, so sanden sich sehr bald Nachahmer, besonders zu Stützengrün im Erzgebirge, wo man anfänglich den Samen aller 2—3 Jahre aus dem Dorfe Würschnitz holte, weil man sonst Abnahme und Verschlechterung der Frucht befürchtete. Im Meißnischen und auch in unserer Gegend lachten die Bauern lange über die voigtländischen Knollen und nannten die Geistlichen, welche selbst von der Kanzel zu ihrem Anbau riethen, Knolleuprediger, dankten aber Gott, wie sie in der vorbe schriebenen Theuerung die Erdäpfel zu essen hatten, und durch sie den Hunger mit Wohlbehagen stillen konnten. Die ersten Erdäpfel genoß man im Voigtlande und Erz gebirge wie Butter zu Brod; im Jahre 1712 unternahm der Pächter des Gutes Zabeltitz bei Großenhain den ersten Versuch mit dem Kartoffelbau, und in der Gegend von Leipzig rühmt man dem Pastor Ungebauer im Städtlein Naunhof nach, daß er sich für den Anbau der nützlichen Frucht in dortiger Gegend mit Lebhaftigkeit verwendet. — Im Jahre 1840 wurde auch in Machern von der ökonomischen Gesellschaft die Jubelfeier ihrer vor hundert Jahren geschehenen Einführung gefeiert. Der Professor Dr. Völker m Erfurt hat 1826 den Versuch gemacht, aus Erdbirneu Bier zu brauen, welches zu allen Zeiten bereitet, gut gehalten und mit Nutzen ge braucht werden kann, es mag aber die Fortsetzung solcher Versuche ganz unterblieben sein, denn ich habe lange nicht wieder vom damals sehr belobten Kartoffelbier gehört. Der französische Krieg. Ereignisse von 1789—1815. Niemand iu Sachsen und Wilsdruff hatte geahnt, daß die gräßliche Revolution, welche in der Nacht vom 4. bis 5. August 1789 in Paris ausbrach und ihr Schau spiel mit der Zerstörung der Bastille, einem allgemein ver haßten Gefängnißhause, eröffnete, Ereignisse in ihrem Ge folge haben könnte, die selbst unser Land und unsere Stadt mannigfach und nur auf traurige Weise berühren würden. Leider aber war es soi — Hören wir, wie sich jenes Un wetter uns allmählich näherte. Der König von Frankreich, Ludwig XVI., der durch seine Schwäche zu vielfacher Unzufriedenheit Anlaß gegeben, wollte sich durch die Flucht den Ereignissen entziehen, welche auch ihn betreffen würden, allein er wurde eingeholt, ge fangen gesetzt und endlich am 23. Januar 1793 durch die Guillotine enthauptet, welches Schicksal auch der Königin widernihr. Frankreich wurde nun zur Republik erklärt und von drei Konsuln regiert. Und um alles Heilige zu vernichten, wurde im November 1793 sogar die christliche Religion abgeschafft und auf den Altären statt des Krucifixes eine Puppe ausgestellt, welche man die Göttin der Ver nunft nannte, bei deren Einweihung ein französischer Ge lehrter in seiner Rede sogar zu sagen sich erdreistete: „Fürchtet euch nicht mehr vor den Blitzen des Gottes, den wir zeither verehrt, sondern demüthigt euch vor dieser Göttin." — Kann Raserei wohl noch weiter gehen? Möchte bei solchen Ereignissen uns nicht der Verstand erstarren? — Die Gottheit und Unsterblichkeit wurde gauz geleugnet und erst am 7. Mai 1794 durch Conventsdekret das höchste Wesen in seine ursprünglichen Rechte wieder eingesetzt, weil man sich überzeugt hatte, daß die Menschheit ohne Glauben an ein allerhöchstes Wesen und an eine ewige Fortdauer des Geistes nicht bestehen könne. — Um der finanziellen Noth abzuhelfen, schuf man Papiergeld, und zwar in ungeheurer Menge, weshalb der Werth dieser An weisungen so herabsank, daß ein Paar Stiefeln gegen 20,000 Francs solchen Geldes zu stehen kam. Dieses System aber vernichtete sich selbst. Schon 1804 wurde das Reich wieder Monarchie und zu seinem Regenten am 18. Mai der Konsul Bonaparte als Kaiser Napoleon I. erklärt. Alle diese Ereignisse waren viel zu groß und wichtig, als daß ihnen die Mächte Europas mit Ruhe zu zusehen vermochten, sie traten sämmtlich gegen Frankreich auf, wodurch alle Staaten mit Napoleon in Krieg geriethen. Das erste Ereigniß, was sich damals in Sachsen er eignete, war der im Jahre 1791 am 25., 26. und 27. Ang. zu Pillnitz zwischen dem Kaiser Leopold II. von Oesterreich und Friedrich Wilhelm II. von Preußen nebst ihren Kron prinzen uud dem Grafen von Artois, welcher später als Karl X. in Frankreich regierte, abgeschlossene Vertrag, nach welchem die französische Republik gestürzt und die französische Königsfamilie der Bourbons wieder in ihre Rechte eingesetzt werden sollte. Obschon unser König Friedrich August III. diesem Bunde nicht beitrat, so stellte er doch als Mitglied des deutschen Reiches sein Kontingent. Es brachen daher am 10. Februar 1793 unter dem General v. Lindt 6000 Sachsen nach dem Rhein auf, theilten getreulich das Unglück, welches das Heer dort traf und nahmen Antheil an der Belagerung von Mainz und Kaiserslautern. Als aber 1795 die Franzosen den Rhein überschritten, rief der Churfürst von Sachsen seine Soldaten zurück, worauf er am 13. August 1796 mit Frankreich einen Vertrag schloß, zu Folge dessen er seine Neutralität erklärte. Von jetzt an nahm das sächsische Militär seinen Standpunkt an der südlichen Grenze des obersächsischcn Kreises. An den Reichstagsverhandlungen jener stürmischen Zeit, wo man in Deutschland selbst diejenigen deutschen Fürsten zu ent schädigen suchte, die jenseits des Rheines Gebiete verloren hatten, nahm Friedrich August lebendigen Antheil, nament lich wirkte ex kräftig für Erhaltung der Reichsstädte, trotz-