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- Erscheinungsdatum
- 1897-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189702188
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18970218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18970218
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1897
-
Monat
1897-02
- Tag 1897-02-18
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Monat
1897-02
-
Jahr
1897
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sammelten werden nicht eher ruhen und rasten, bis ihre Forder ungen erfüllt sind. Dazu ist in erster Linie ein geschlossenes Vorgehen in der Organisation nothwendig; sie ist die beste Gewähr, daß unsere Forderungen an die Gesetzgebung mit Nachdruck vertreten werden." Der Reichstag setzte am Sonnabend dieBerathung des Militäretats in der begonnenen breiten Weise fort, so daß es auch an diesem Tage noch zu keiner Erledigung einer Position kam. Der Antisemit Dr. Förster kritisirte scharf die häufigen Pensionirungen noch ganz rüstiger Offi ziere, ja selbst jüngerer Offiziere, wandte sich gegen den Duellunfug und sprach den Wunsch aus, daß die Mili tärverwaltung bei ihren Bestellungen die Landwirthschaft nach Kräften mit berücksichtigen und daß sie ferner mög lichst direkt vom Produzenten kaufen möge. Der preußische Kriegsminister von Goßler und der Generalmajor von Gemmingen entgegneten auf verschiedene Punkte in den Ausführungen des Borredners, worauf der Centrumsführer Abg. Dr. Lieber u. A. den kriegsgerichtlichen Spruch gegen den Lieutenant v. Brüsewitz zur Sprache brachte und es namentlich als unfaßlich erklärte, wie dem Verurtheilten hätten mildernde Umstände bewilligt werden können. Der Sozialdemokrat Psus wetterte namentlich gegen die nach seiner Meinung viel zu weitgehenden Eingriffe der Mili tärverwaltung in die bürgerlichen Erwerbsverhältnisse, wobei er sich auf verschiedene, von ihm als Beispiele heran gezogene Vorgänge zu stützen suchte. Daneben unternahm er es, die energische Bekämpfung der sozialdemokratischen Agitation im Heere durch die Militärbehörden als zweck los und ganz verfehlt hinzustellen, auch sonst noch hatte Herr Pöus allerhand sozialdemokratische Schmerzen in Bezug auf unser Heereswesen zu offenbaren. Konservativer seits charakterisirte Abg. Graf Roon die Rede des Abge ordneten PZus als aus „Phantasie und denunciatorischem Hang" hervorgegangen, und sprach im llebrigen der Heeres verwaltung das vollste Vertrauen der konservativen Partei aus. Dann nahm Kriegsminister v. Goßler nochmals das Wort, um hauptsächlich der Sozialdemokratie derbe Wahr heiten zu sagen, außerdem verbreitete er sich wiederum über das Urtheil im Prozeß Brüsewitz. Abg. Dr. Hasse (nat.- lib.) erinnerte an das von einem Regierungsvertreter im englischen Unterhause kürzlich gebrauchte Wort von der im deutschen Heere angeblich herrschenden „Sklaverei", welche Aeußerung Abg. Hasse als eine Unverschämtheit und zu gleich als eine Lächerlichkeit bezeichnete. Abg. v. Stumm (freikons.) erklärte sich für die nachdrückliche Zurückweisung der sozialdemokratischen Propaganda in jeder Hinsicht, worauf der bayerische Sozialistenführer v. Vollmar den Beleidigten spielte und seine nationale Gesinnung betheuerte. Nach kurzen Bemerkungen des Generalauditeurs v. Itten bach und des Abgeordneten Dr. Förster wurde die Sitzung geschlossen. Der neue Gesetzentwurf über die Organisation des Handwerks. Die „Frkf. Ztg." ist wieder einmal in der Lage, vor der amtlichen Veröffentlichung, ja wohl vor dem end- giltigen Beschlusse des Bundesrathes aus dem abgeänderten Entwürfe deö Handwerksorganisationsgesetzes die Hauptsachen mitzutheilen: Der Grundsatz der Zwangsinnung soll fallen gelassen und der Handwerksausschuß vollständig beseitigt worden. Der Kreis der Rechte und Pflichten, die Aufnahme- und Mitglieds bedingungen, die Wahl- und Stimmberechtigung ist nicht wesentlich geändert. Auch der Gesellenausschuß ist beibehalten worden. Es soll aber ein Versuch mit »freiwilligen Zwangs innungen" gemacht werden. Es sollen nämlich Zwangsinnungen auf den Antrag Betheiligter eingerichtet werden, wenn die Mehrheit der Einrichtung zustimmt, wenn der Jnnungsbezirk s, abgegrenzt ist, daß kein Mitglied der Innung behindert wird, am Jnnungsleben Theil zu nehmen, und wenn die Zahl der Handwerker im Bezirk zur Bildung einer leistungsfähigen Innung ausreicht. Der Antrag kann von einer bestehenden Innung oder von Handwerkern gestellt werden, die eine neue bilden wollen. Abzelehnt werden kann der Antrag, wenn die Antragsteller nur einen kleinen Bruchtheil der Handwerker bilden oder wenn innerhalb der letzten 3 Jahre ein gleicher Antrag abgelchnt worden ist. Für die so gebildeten Zwangs innungen treten alle Bestimmungen des ersten fallen gelassenen Entwurfes in Kraft. An den Bestimmungen über Jnnungs- ausschüsse und Jnnungsvcrbändc ist nichts Wesentliches geändert worden, wohl aber an denen über die Handwerkskammern. Die Errichtung soll durch eine Verfügung der Landcsbehörde er folgen; dabei kann die Bildung von Abtheilungen für Bezirkö- theile oder Gewerbegruppen angcordnet werden. Die Kammer- Mitglieder werden gewählt von den Innungen, von den Ge- werbcvereinen und sonstigen Vereinigungen, die die Förderung der gewerblichen Interessen des Handwerks verfolgen und mindestens zur Hälfte aus Handwerkern bestehen. Der Ge sellenausschuß bei der Handwerkcrkammer ist beseitigt worden. Die Kammer hat das Recht, durch Beauftragte eine Hand- werksinspektion auSzuüben, die sich auf Einrichtung der Betriebs räume und Unterkunftsräum: für Lehrlinge bezieht. Die Landescentralbehörden der Staaten, in denen schon Gewerbe kammern oder ähnliche Einrichtungen bestehen, können diesen Körperschaften die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Handwerkskammern übertragen. Die Theile des früheren Ent wurfs, die von den Lehrlingsverhältnissen sowie vom Meister titel handeln, haben keine wesentlichen Aendcrungen erfahren. Wie es bei sozialdemokratischen Begräbnissen in Berlin zugeht. Ein Sozialdemokrat schreibt dem „Vor wärts": „Ich bin noch nicht lange in Berlin und mit weltstädtischen Gebräuchen unbekannt. Mag man nun auch hier in manchen Dingen freierdenken als an kleinen Orten, so wollte mir doch eine Gepflogenheit, von der ich vorige Woche mit Befremden Kenntuiß nehmen mußte, in sehr hohem Maße ungehörig erscheinen. Ich sah durch eiue Straße im Norden der Stadt einen Leichenzug ziehen. Anscheinend war es ein Parteigenosse, dem die letzte Ehre erwiesen wurde; ein recht zahlreiches Gefolge marschirte zu Fuß hinter dem Trauerwagen und ich bemerkte unter den Kränzen auch solche mit rother Schleife. Dies wäre Alles erhebend gewesen, wenn ich unter den Leidtragenden nicht manche Person gewahr geworden wäre, die durch die brennende Zigarre, die ihnen aus dem Munde heraushiug, den ganzen Eindruck roh gestört Hütten. Ich bin gewiß nicht kirchlich gesinnt, aber durch diese Erscheinung wurde mein Empfinden tief verletzt. Bremen, 13. Februar. Der Rector aller Deutschen ist wieder da! Der Reichstagsabgeordnete AHIwardt ist mit dem Lloyddampfer .Oldenburg" als Passagier zweiter Kajüte von New-Jork zurückgekehrt. Die Wiener Blätter heben die bewährte Einmüthigkeit der Mächte hervor und äußern ihre Befriedigung darüber, daß die durch das griechische Abenteuer heraufbeschworene Gefährdung des europäischen Friedens beseitigt sei. Die meisten Blätter betonen die Nothwendigkeit eines energischen Druckes auf die Pforte für die Sicherung und Beschleunigung der Reformen. — Das „Fremdenblatt' erklärt, die Mächte können nicht zu geben, daß der Friede im Orient gestört und gefährlichen Möglichkeiten ein Weg geöffnet werde. Man ist nicht so weit, an neue Abgliederungen türkischer Provinzen vom türkischen Reiche denken zu müssen. Indem Europa einmüihig gegen die Griechen auftritt, giebt es ein weithin leuchtendes Zeichen, das man auf dem ganzen Balkan verstehen wird. Etwa auftauchende Regungen werden schon im Keime erstickt. Die entschlossene Haltung der Mächte wird auch in Konstantinopel ihre Wirkung nicht verfehlen. Der Sultan sieht, er kann sich auf das Wort Europas verlassen, das um so fester für das, was es als uner läßlich erkannt hat, bei dem Sultan eintreten kann. Die „Köln. Ztg." schreibt aus Paris: Die kretenstsche Frage hat über Nacht zu einem ernstlichen, möglicher Weise inzwischen beschworenen Ausbruch geführt. Ein griechisches Kriegsschiff griff am Freitag einen türkischen Transportdampfer mit einer Ladung von Kriegsvorräthen und einer kleinen Truppenverstärkung an und zwang ihn durch Geschützfeuer, zurückzukehren. Auf diese Nachricht kündigte der Großvezier einigen Botschaftern die Absicht der Pforte an, diesen Friedens bruch mit einem sofortigen Einmarsch türkischer Truppen in Thessalien zu beantworten. Die Botschafter erwiderten be schwichtigend und von diesem Vorgehen entschieden abmahnend. Es folgten schleunige Verhandlungen dec Botschafter, Depeschen wechsel mit den Kanzleien und die abermalige Zusage, daß die Mächte dem Vorgehen Griechenlands Einhalt thun werden, und wirksame Abmahnungen an die Pforte. Inzwischen bom- bardirte ein griechisches Schiff einen in türkischen Händen be findlichen Hafen. Gleichzeitig war jedoch zum Glück die sehr erwünschte Einigung der Mächte erfolgt und bestimmt festge stellt worden, daß Griechenland Niemand, weder Rußland noch England, bei dem jüngsten Abenteuer hinter sich habe. Seit gestern Abend haben sämmtliche Geschwaderchefs in den kreten- stschen Gewässern die Weisung in den Händen, unter allen Umständen und mit allen Mitteln einen weiteren Zusammen stoß zwischen Griechen und Türken zu verhindern, so daß zur Stunde eine unmittelbare Gefahr von dieser Seite als abge wendet gelten darf. Es steht zu hoffen, daß die angesichts der plötzlichen Gefahr eingetretene schnelle Einigung der Mächt- oorhalten und weitere Gefahren verhüten werde. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Nachdem sich die Großmächte von der Wirkungslosigkeit weiterer politischer Schritte m Athen überzeugt haben, fand auf dem russischen Flaggschiff in den kretensischen Gewässern eine Berathung der Komman danten sämmtlicher anwesenden Kriegsschiffe über die Maßregeln statt, um die Landung griechischer Mannschaften und Munitionen auf Kreta, sowie die Kämpfe zwischen Griechen und Türken zu vermeiden. Hiernach würden sämmtliche europäische Kriegs schiffe mit Gewalt vorgehen, wenn trotz vorausgegangener Ver- Warnung die griechischen Kriegs- oder Handelsschiffe Truppen auf Kreta landen oder Kämpfe in den Küstenvrden sich ent- spinnen sollten. Athen, 16. Februar. Oberst Vassos richtete vomKloster Gonia aus nachstehende Proklamation an die Kreter: Die Leiden, denen ihr durch die Ausschreitungen des fanatischen Pöbels ausg-setzt seid und in dem gegenwärtigen Zustande der Anarchie erduldet, erweckten das nationale Bewußtsein und riefen eine tiefe Bewegung im hellenischen Volke hervor. Dieser beklagenö- werlhe Zustand eines Volkes von derselben Rasse und derselben Religion, dessen Schicksal das unsrige ist, konnte nicht länger ertragen werden. Der König beschloß, dieser Lage durch eine militärische Besetzung Kretas ein Ende zu machen. Indem ich die Besetzung den Bewohnern der Insel ohne Unterschied der Religion und Nationalität kundthue, verspreche ich namens des Königs, daß ich die Ehre, das Leben und Vermögen der Be wohner beschützen und die religiösen Ueberzeugungen achten werde, indem ich ihnen Frieden und Gleichheit bringe. — Einer Depesche aus Kreta zufolge wurde das Fort Aghia von den griechischen Truppen angegriffen und genommen. Vier hundert Türken, darunter hundert Soldaten, wurden gefangen. Petersburg, 13. Februar. Aus allen Theilen des Reiches laufen Meldungen über heftige Stürme und starken Frost ein. In und um Odessa hat, dem „Regierungsboten" nach, ein starker Sturm, verbunden mit Regen und Frost, sämmtliche Telegiaphenlinien beschädigt. Obgleich Odessa mir Kiew und Warschau wiederum telegraphisch verbunden sei, so seien doch neue Beschädigungen des Telegraphennetzes durch den andauernden Frost zu befürchten. Wie die „Nowoje Wremja" berichtet, hat der Sturm in Odessa so gewüthet, daß die Tele phon- und die Telegraphenleitung vollständig zerstört sind. Sämmtliche Telegraphenpfosten seien umgebrochen, zwei Menschen erschlagen, viele verletzt worden. Einzelne Straßen seien durch umgebrochene Pfosten und Leitungsdrähte für den Verkehr gesperrt. Vaterländisches. Wilsdruff, 17. Februar. Den Besuchern des am Dienstag Abend im „Hotel zum goldnen Löwen" seitens des Gesangvereins „Sängerkranz" veranstalteten Fastnachts vergnügens wurde ein reicher musikalischer und theatralischer Genuß zu Lheil. Unter den zahlreichen Mitgliedern nebst An gehörigen und Gästen war auch unser Herr Bürgermeister Bursian zu bemerken, der sich in wohlwollender Weise unter den Anwesenden bewegte. Das zahlreiche Nummern aufweisende Programm war reich an Abwechslung und waren es namentlich einige Männerchire und Solis, welche mit peinlicher Accuratesse zu Gehör kamen. Die humoristischen und theatralischen Auf führungen aber zeugten von vielem Fleiß, weshalb auch leb hafter Beifall gespendet wurde. Die Musikstücke unserer Stadt kapelle waren, wie schon so oft gesagt, schneidig und fein. Gleiches Interesse nahmen auch die so aus dem Leben gegriffenen 6 lebenden Bilder in Anspruch. Den Veranstaltern aber dieses Abends und namentlich dem Liedermeister, Herrn Lehrer Hillig mit seinen wackeren Sängern kann man nur Glück wünschen zu den beobachteten Fortschritten hinsichtlich des Gesanges. I Nachdem das Programm seine Erledigung gefunden hatte, ver einigten sich die Besucher zu fröhlichem Tanze und stärkten sich mit den vom Wirthe verabreichten vorzüglichen Speisen und Getränken. — Vorsicht vor jüdischen Stoffneppern! Auch unsere Gegend wird jetzt von solchen Leuten unsicher gemacht, die durch ihren Handel ganz dazu angethan sind, den soliden Geschäftsmann zu ruiniren. Unsere reellen Schneidergeschäfte haben unter dieser unsoliden Konkurrenz, welche ihnen nament lich von Berlin droht, sehr zu leiden. Einen solchen Fall von unsolidem arg zu mißbilligendem Geschäftsgebahren hatten wir heute in einem hiesigen Restaurant zu beobachten Gelegenheit. Ein solcher jüdischer Herr bot einem anwesenden Gast 3 Meter Stoff (?) für 19 Mark 50 Pf. an, der Gast dagegen bot 8 Mark, und nachdem man hin und her gefeilscht, sogar auch von einem anderen anwesenden Gast dem Händler unverhohlen gesagt worden war, daß dieser Stoff, wenn er ihn für 8 Mark ließ, sodann nicht 3 Mark werth sei, wurde man doch handels einig und der Kauf fand mit 8 Mark seinen Abschluß. Ehe dieses Geschäft zustande kam, mußte der Händler erst einige „Kräftige" zu sich nehmen und äußerte jodann, heute einmal etwas „Außcrgewöhnlichrs" zu thun. Wir danken für so etwas Außergewöhnliches und bitten im Interesse des soliden Ge schäfts um Beherzigung dieser Zeilen. Dresden, 16. Februar. Von einer furchtbaren Katastrophe ist heute, am 400jährigen Geburtstage unseres großen Kirchenlehrers Melanchthon, unsere altehrwürdige Kreuz- kirche heimgesucht worden: Der stolze prächtige Bau ist heute eine Ruine! Während einer Trauung, die Herr Archi- diakonus Neubert vollzog, zeigten sich Plötzlich, etwa Uhr am Ostende der Kirche unterhalb der Sakristei kleine Rauch wolken. Wenige Minuten später erschienen dergleichen aber auch am Dach und nach kaum einer Viertelstunde drangen aus allen Fenstern am Dachrande geringere und stärkere Rauchmassen. Gegen ^4 Uhr entstieg dem Dachstuhl in seiner ganzen Ausdehnung eine mächtige Rauchsäule, aber noch war keine Helle Flamme sichtbar. Diese zeigte sich erst nach 4 Uhr, zuerst wieder am östlichen Dachrande, von wo der Brand überhaupt seinen Ausgang genommen zu haben scheint. Vecmuthlich ist derselbe durch einen Defekt in der Central heizung entstanden; es ist wahrscheinlich, daß der erste Brand herd schon lange Zeit glimmend bestanden hat. Unmittelbar nach den ersten Wahrnehmungen von dem Brande war die Feuerwehr in voller Stärke mit allen Gerätschaften unter dem Kommando des Herrn Branddirektor Thomas am Platze erschienen und hatte die Löscharbeiten mit bewunderungswürdiger Energie in Angriff genommen. Aber das massige, zum Theil sehr trockene Holzwerk und Gebälke unter dem Dache hatte dem Brande so viel empfänglichen Stoff geboten, daß auch die gewaltigsten Wassermassen, welche durch das Dach im Innern der Kirche niederströmten, sich wirkungslos zeigten. Weiter wurden die Löscharbeiten in hohem Maße erschwert durch die furchtbare Gluth, welche von der schmelzenden Zink- und Kupferbedachung ausging. Die Hauptaufgabe der Feuer wehr lag darin, den Zusammenbruch des Daches nach innen zu verhindern. In einer von Herrn Oberkonststorialrath Ist. Dibelius und Oberbürgermeister Beutler mit Herrn Brand direktor Thomas auf dem Brandplatze ^5 Uhr abgehaltenen Besprechung wurde die Frage erörtert, ob nicht mit der Räu mung der Kirche, namentlich mit der Bergung der kostbaren Kirchengeräthe, des Archivs und der Bibliothek begonnen werden sollte; Herr Branddirektor Thomas sprach indeß die Hoffnung aus, den Brand auf den Dachstuhl lokalisiren zu können. Inzwischen freilich loderten wechselnd an verschiedenen Stellen die Hellen Flammen empor, während an anderen mächtige Helle und dunkle Rauchwolken dem Dachstuhl entquollen. Der nach Tausenden zählenden Menge, welche sich in den auf die Kirche ausmündenden Straßen angesammelt und durch die Kgl. Gendarmerie sowie die Wohlfahrtspolizeibeamten unter den Herren Hauptmann de Rudder und Major v. Bock in Schranken gehalten wurde, bot sich in dem brennenden Gotteshause, welches erst vor 2 Jahren auf das Prächtigste renovirt worden ist, ein furchtbares Schauspiel, dessen erschütternde Wirkung noch durch den Gedanken gesteigert wurde, daß oben auf dem Thurme noch zwei Menschen, ein Feuerwächter und ein Calcant (Bälgetreter bei der Orgel) weilten, denen infolge ihres zu langen Ausharrens auf ihrem Posten der Weg vom Thurme durch den Rauch versperrt war. Ja dieser war nicht nur in den Glocken- und Uhrraum und die Gänge deö Thurmes ein gedrungen, sondern das dort befindliche Balkenwerk war gegen 3/,5 Uhr auch bereits vom Feuer ergriffen worden, und so mußte den beiden Leuten, die an dem eisernen Geländer in der großen Laterne des Thurmes immer wieder sichtbar wurden, nun von außen Hilfe gebracht werden. Hierzu wurden von der Straße aus mittelst Stricken Steigleitern auf das Dach gezogen. Nach 5 Uhr gelang die Rettung des Thürmers. Es waren Augenblicke voll höchster Aufregung. Der Thurm hüllte sich immer mehr in dicke, qualmende Wolken; undurchdringlich, un- athmenbar füllten sie die Treppenaufgänge. Oefter wurde der Thürmer oben über der Uhr sichtbar, unten aber auf dem Flur eines Hauses der Pfarrgasse lag in Krämpfen seine Frau, während sein Schwiegervater, der bisherige Thürmer Schindler seinem Schwiegersöhne Sohr (?) hinaufrief: „Blitzableiter!" Immer unheimlicher wurde die Lage. Die Feuerwehrleute auf dem brennenden rauchenden Dachstuhle riefen endlich vereint hinauf: „Am Blitzableiter herunter!" Und der wackere Mann thates. Er schwangsich, ein gewandter Turner, über das Gitter und kletterte vorsichtig, bisweilen in Rauchwolken gehüllt, herab bis auf den Dachstuhl. Als er dort angelangt, erschöpft, rauchgeschwärzt in die Arme der Feuerwehrleute sank, entrang sich unwillkürlich den auf dem Altmarkt Stehenden ein: Gott sei Dank! und ein vielhundertstimmiges Bravo! drang zu dem pflichtgetreuen städtischen Beamten empor. Unten aber ver sicherte sein Schwiegervater, der alte Thürmer: „daß nun doch sein Traum bei seinem neulichen Jubiläum in Erfüllung gehen werde — nämlich daß er noch eine neue Kreuzkirche bauen sehe." — Gegen '/^6 Uhr ordneten Oberbürgermeister Beutler und Oberkonststorialrath Dibelius das Fortfchaffen der Kirchen bücher aus der Sakristei an, was sehr bald erfolgte. Hoffent lich erweist sich der eingemouerte Kassaschrank als wirklich „feuer fest." Kurz darauf sahen die Feuerwehrleute vom Jnnenschiff der Kirche aus ein Loch in der Decke; das Feuer hatte durch gebrannt und einzelne feurige Holztheile fisten zum Altar nieder. Die Oeffnung erweiterte sich immer mehr und mehr, schon leuchteten die Kirchenfenster von außen und 7 Minuten vor 6 Uhr stürzte mit einem furchtbaren Krach der Dachstuhl ein
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