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Für die nach Siebenbürgen ausgewanderte, zuletzt hier wohnhaft gewesene Auguste Lmilie Jentzsch, geb. Hilbert aus Niedermuschütz bei Meißen ist Herr Hotel besitzer Rudolf Ernst Gast hierselbst als Abwesenheitsvormund in Pflicht genommen worden. Königliches Amtsgericht Wilsdruff, den 19. Dezember 189k. Bekanntmachung. Auf mehrfach anher gerichtete Anfragen wird hierdurch bekannt gegeben, daß am die Sparkasse nivkt geöffnet ist. Wilsdruff, am 23. December 1896. Der Stadtrat h. Bursian, Bgmstr. Weihnachten Die Welt da draußen ist still geworden; längst sind die Blätter gefallen, die Blumen verblüht, Eis und Schnee deckt Wiesen und Fluren, Sang und Lust ist draußen ver stummt; die Natur liegt in der Starre des Wintertodes, und melancholisch wird der Mensch gestimmt, wenn er sich hinausbegiebt aus der Häuser drückender Enge in's Freie. Aber ein jeder Mensch lebt ein Doppelleben, ein äußeres und ein inneres; und wenn das äußere ihn mahnt an Absterben und Wintertod, so erblüht ihm ganz im Gegen satz dazu gerade jetzt in seinem Innenleben ein neuer Frühling. Das Kirchenjahr hat vor Kurzem mit der Adventszeit begonnen; da wuchs und grünte es von neuem Leben und nun zu Weihnachten ist die Rose ans Jesse's Art erschlossen „mitten im kalten Winter". Weihnachten! welch ein eigener Zauber liegt in diesem Wort. Der Schreiber dieser Zeilen sah öfter ein kleines Mädchen ihren jüngsten Bruder in den Schlaf wiegen. Das Kind hatte sich selbst ein Wiegenlied gedichtet, und das ganze Lied bestand in dem einen Wort „Weihnachten". Das sang sie dem Brüderchen vor als das Schönste und Beste, als den Inbegriff aller Freude, die ihr kleines Herz zu fassen fähig war. Und „Weihnachten", ist das nicht uns der Inbegriff des Besten und Schönsten, was mit diesem Kinde alle Christenmenschen haben? Hat „Weihnachten" nicht erst unserm Leben Werth und Inhalt gegeben? Bis zum ersten Weihnachtsfeiertage führten Erde und Himmel ein gesondertes Dasein. Eine tiefe Kluft war zwischen ihnen befestigt. Das Weihnachtswunder, das Christkind hat diese Kluft ausgefüllt, hat das Band zwischen Himmel und Erde geknüpft und die Himmelsleiter ausgestellt, auf der die Engel Gottes niedersteigen. Nun klingt es jubelnd von der Erde empor „Ehre sei Gott in der Höhe". Ehre dem Gott, der nicht mehr als Rächer und Richter der Menschheit erscheint, sondern der sich mit ihr auf das Innigste verbindet, indem er in dem Christkinde, in seinem Sohne, eine Blutsverwandschaft mit dem Menschen herstellt, der ihnen zu Weihnachten das Theuerste schenkt, was sein allmächtiges Vaterherz besitzt. Und dem „Ehre sei Gott in der Höhe" antwortet von droben her das „Friede auf Erden". Das Christkind führt den Namen Friedefürst in der That; es bringt der Welt den Frieden. Freilich kann man sagen: wir sehen von diesem Frieden noch immer nicht viel. Wir sehen im Gegeutheil um uns her soviel Kampf und Streit, soviel Haß und Neid, soviel Jammer und Elend. Jawohl und dennoch behält der Engelsgruß recht, „Friede aus Erden". Den Streit und Kampf, ihn sehen wir, sein lautes Toben hallt in unsern Ohren wieder. Der Friede Gottes, der Weihnachtsfriede zieht sich zurück in die Stille. Dort, wo in armer Hütte oder im mächtigen Schlosse um den strahlenden Weihnachtsbaum her in kindlichem Sinne sich die Hände falten, die Kniee beugen vor dem Weihnachts wunder, dort wo die Gläubigen dankbaren Herzens die große himmlische Weihnachtsgade empfangen, dort gilt es: Friede auf Erden! Und wer will sie zählen, sie Alle, zu denen dies himmlische Friedensgeschenk auch in diesem Jahre zu Weihnachten kommt. Es ist kein Wahn; es giebt Weih nachtsmenschen, Menschen, an denen Gott sein Wohlgefallen hat. O, daß doch Niemandem in unserm ganzen Volke das edelste Weihnachtsgeschenk, das Wohlgefallen Gottes, fehlen möchte! Tagesgeschichte. Der Kaiser nnd "die Kaiserin sind durch das in Dresden erfolgte Hinscheiden des von ihnen besonders ge schätzten Generalmajors v. Lippe, Abtheilungschefs im kaiserlichen Militärkabinet, schmerzlich berührt worden. In einem herzlichen Telegramm hat das Kaiserpaar der Wittwe des Verstorbenen seine Theilnahme an dem erlittenen Ver lust ausgesprochen. Außerdem entsandte der Kaiser den Kommandanten des kaiserlichen Hauptquartiers und dienst- thuenden Generaladjutanten v. Wessen, infolge des Ab lebens des Generals v. Lippe nach Dresden. Der Einfluß des Weihnachtsfestes macht sich auf dem Gebiete der inneren Politik sehr entschieden bemerklich. Von erwähnenswertheren Neuigkeiten liegt so gut wie gar nichts vor, und was die schwebenden bekannten Fragen und Angelegenheiten anbelangt, so haben sie vor dem Strahlenglanze des herrlichsten Festes des Jahres einst weilen ihr Interesse verloren. Nur gegenüber dem Aus stande der Hamburger Hafenarbeiter vermag sich der weih nachtliche Friede noch nicht Geltung zu verschaffen. Die Nachgiebigkeit, zu welcher bereits ein Theil der feiernden Arbeiter angesichts der Festigkeit des Arbeitgeber-Verbandes und weiter auch des bedenklichen finanziellen Standes des Streiks neigte, hat unter dem Einflüsse hetzerischer Machen schaften wieder neuer Entschlossenheit zum Aushalten in dem entbrannten Lohnkampfe Platz gemacht. In den am Montag abgehaltenen abermaligen Versammlungen der feiernden Hafenarbeiter ist dieser Entschluß nochmals be siegelt worden, obwohl doch der Ausstand schon jetzt als verloren gelten muß. — Das wird ein trauriges Weih nachten für die Streikenden und ihre Familien geben! Die Veruntreuungen nud Unterschlagungen bei der Nebenstelle der Reichsbauk in Konstanz sind durch den langjährigen kaufmännischen Agenten derselben, Ludwig Heaele begangen worden. Die veruntreute Gesammtsumme betrügt 610000 Mark, wovon Hegele 260000 Mark bei sich führen dürfte. Der Rest von 350000 Mark wurde von Hegele wahrscheinlich in der Art unterschlagen, daß er diesen Betrag, unter dem Vorwand, den Gegenwerth in Papieren empfangen zu haben, flüssig machte. Hegele hat eigene Börsenspekulationen bei Berliner Firmen gemacht, denen seine Eigenschaft als Agent der Reichsbank unbe kannt war. Wahrscheinlich haben die Verluste Hegele's aus diesen Geschäften ihn zur Veruntreuung geführt. Die Unterschlagungen wurden im Laufe der vorigen Woche in Karlsruhe entdeckt. Hegele, dem bereits auf den 1. Februar sein Posten gekündigt war, flüchtete Freitag Vormittag nach der Schweiz. In dieser Zeit, wo sich Tausende von Händen regen, um für die Hilfsbedürftigen den Christbaum zu schmücken und nach Kräften Noth und Elend zu lindern, hat es das Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie für ange messen gehalten, den Gebern und den zu Beschenkenden die Freude zu vergällen, lieber die Weihnachtsbitten, die in den letzten Wochen, wie regelmäßig im Monat Dezember in bürgerlichen Blättern veröffentlicht werden, schreibt der „Vorwärts": „Die Weihnachtsbitten, die in so starken Ausdrücken von dem Elend der Besitzlosen reden, sind viel fach von Leuten mitunterzeichnet, die zu anderen Zeiten ge- wohnheits- und gewerbsmäßig über die Begehrlichkeit des niederen Volkes schreien und womöglich jeden Nothstand ableugnen möchten. Warum gerade zu Weihnachten von dieser Gewohnheit abgewichen wird — ? Augenscheinlich will mancher dieser „edlen Wohlthäter", die sich um Weih nachten herum auf einmal auf die sogenannte christliche Nächstenliebe besinnen, weniger den Armen eine Weihnachts freude bereiten, als sich selber die Weihnachtsfreude nicht stören lasten. — — Darum öffnet der Bourgois um die liebe Weihnachtszeit sein Herz und sein Portemonnaie et was weiter als sonst, auf daß er, nach Opferung einiger Mark für die Armen, guten Gewissens seine Kinder mit einem Berg von Geschenken überschütten kann, von deren Erlös ein paar Proletarierfamilien den Winter hindurch ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten." — Es giebt zwei Möglichkeiten: entweder die Verfasser und Verbreiter kennen die Art nicht, wie das Wohlthun oraanisirt ist, dann sprechen sie wie der Blinde von der Farve, aber dennoch ist es eine Vermessenheit sondergleichen und ein Verbrechen gegen die Armen, über Dinge, von denen sie nichts ver stehen, herzufallen; oder sie haben einen Einblick in diese Dinge bekommen, dann ist die Schuld noch größer, weil sie wider besseres Wissen urtheilen. Es mag ja Leute geben, denen das Wohlthun nur ein Mittel ist, sich selber herauszustellen, und wir stehen nicht an, sie zv verurtheilen, obgleich man ihnen immerhin der Sozialdemokratie gegen über noch mildernde Umstände bewilligen kann, denn jemand, der aus Eitelkeit trachtet, einem andern zu nützen und der aus Selbstsucht Gutes thut, ist, soweit es sich um die Wir kung handelt, immer noch dem vorzuziehen, der aus Selbst sucht versucht, den Armen in eine noch schlimmere Lage zn drängen. Aber was wollen schließlich die paar Egoisten des Wohlthuns gegen die Zehntausende, welche als Sam melnde und Gebende, von ihrem Herzen gedrängt, nach bestem Können sich der bedürftigen Umgebung erinnern. Die Sozialdemokratie hat ja ost genug eine Umfrage ver anstaltet, um zu ermitteln, wie es in den Wohnungen der Arinen aussieht, in den Arbeitsstätten und mit der Arbeits gelegenheit. Wie wäre es, wenn sie auch in eine Unter suchung darüber einträte, in wie vielen Häusern und Ver einen ohne den leisesten Nebengedanken, lediglich aus edlen, uneigennützigen Beweggründen heraus, seit Wochm darüber nachgedacht wird, wie man am besten dem Bedürftigen eine helfende Hand reichen kann. Eine solche Untersuchung wäre allerdings nicht nach dem Geschmack der Sozialdemokratie. Wie der „Vorwärts" gezeigt hat, halten sie es für ihre Aufgabe, alles dasjenige zu verkleinern und zu beschmutzen, was dazu dient, das Loos der Armen zu lindern, damit auch die Willigsten schließlich die Flinte ins Korn werfen. Wenn dieses Ziel erreicht und das Wohlthun aus der Welt geschwunden ist, wenn die Armen in Wahrheit Ursache haben, sich darüber zu beklagen, daß sich niemand ihrer erinnere, dann ist es nach der Ansicht der Herren Bebel, Liebknecht und Singer gut, denn dann sind Kreise, die heute noch getröstet in die Welt blicken, thatsächlich zum hoffnungs losen Proletariat hinabgedrückt. Bis dahin aber hat es noch gute Weile. Noch lehnt sich bei den Weihnachtsbe- scheerungen der Armen das gesunde Empfinden der Be theiligten gegen alle Verunglimpfungen auf. Diejenigen, welchen opferfreudige Freunde und Wohlthäter die helfende Hand bieten, empfinden den Segen dieser Hilfe so sehr, daß das Hetzen von dritter Seite sie nicht irre machen kann. Die Festfreude der armen Beschenkten ist so groß, daß der Haß nicht an sie heranreicht. Die Frage der Entschädigung unschuldig Verur- theilter, schreibt die „B.B.-Ztg.", kann mit dem Scheitern unmöglich als vorläufig abgethan gelten. Die Pflicht des Rechtsstaates, die Justizopfer, soweit es durch Geldmittel möglich ist, für daß ihnen durch staatliche Organe zugefügte Unrecht zu entschädigen, ist eine so selbstverständliche, daß es füglich Erstaunen erregen darf, wenn diese Materie nicht schon lange ihre gesetzgeberische Erledigung gefunden hat. Dieser beschämende Zustand kann nicht etwa damit ent schuldigt werden, daß im Verwaltungswege vielfach den Opfern der Strafrechtspflege Entschädigung gewährt werde. Denn solche Entschädigungen zeigen unter dem gegenwärtigen Rechtszustande den Charakter von Gnadeuerweisen, während es zweifellos ein gutes Recht des unschuloig Verurtheilten ist, für die ihm widerfahrene schwere Unbill volle Ent schädigung zu fordern und diese Entschädigung auf dem gewöhnlichen Rechtswege nöthigenfalls durch Klage gegeu den Fiskns geltend zn machen. Da für absehbare Zeit die Wiedereinbringung der Jnstiznovelle nicht zu erwarten steht und die Einführnng der Entschädigung der Justizopser einen Aufschub nicht duldet, so muß das Volk an die Re gierung die dringende Forderung um Vorlegung eines die Materie behandelden Spezialgesetzes stellen, welchen, wenn seiner Verabschiedung nicht wieder von vornherein schwere Hindernisse bereitet werden sollen, frei von allem ornamen- tirenden Beiwerk sein muß. Vaterländisches. Wilsdruff, 24. Dezember 1896. — Unserem Versprechen gemäß bringen wir heute unsern verehrten Lesern einen verkleinerten Plan über das von Dresdner und Leipziger Banken pro- jektirte Eisenbahnunternehmen zur Ansicht. Um den Ueberblick zu erleichtern, theilen wir aus dem ausführ licheren Bericht in Nummer 149 nochmals folgende kurze Ausführungen mit: „Die projektirte Eisenbahn soll nor malspurig angelegt und init elektrischem Betrieb versehen werden. Der Weg von Leipzig an gerechnet wird folgender sein: Leipzig, Probsthaida, Trages, Otterwisch (Halte stelle der Leipzig-Chemnitzer Staatsbahn), Großbuch, Groß- bardau, Grimma, Zschoppach, Ablaß, Mügeln, Ostrau, Lommatzsch, Zehren, Meißen. Von Meißen aus folgt die Bahn, nachdem am südlichen Ausgange der Stadt eine Trace gesucht ist, der Straße bei Bockwen, Spittewitz, Riemsdorf, Ullendorf, Röhrsdorf, Sora, Klipphausen, Sachsdorf und mündet dann in den Bahnhof Wilsdruff ein. Bei Wilsdruff werden die mäßigen Höhen durch Erdarbeiten ausgeglichen und es folgt nun die Linie dem Communikationswege durch Kaufbach, Steinbach, Pennrich, Gompitz, legt sich bei Gorbitz an die Chaussee und folgt derselben bis Löbtau, von wo aus iie in das Innere der Stadt Dresden führen wird. Um das Durchschneiden werthvoller Grundstücke zn vermeiden, soll die Trace thun- licbst neben Chaussee und Wege gelegt werden. Zu diesem Zwecke sollen fünf Kraftstationen, nämlich bei Wils druff, Lommatzsch, Mügeln, Grimma und in der Nähe von Rötha errichtet werden. Der Güterverkehr bleibt nur Lokalverkehr. Die Kraftstationen werden so groß angelegt, daß nicht allein Kraft für die Bahn er zeugt wird, sondern auch now Kraft tür Lichterzengnng und industrielle Anlagen in der Umgegend der Bahnlinie abgegeben werden kann. Der Personenverkehr ist so ge dacht: Aller Stunden fährt ein Motorwagen womöglich mit Anhängewagen von Dresden nach Leipzig und milge kehrt. Außerdem fahren eine Anzahl Wagen im Laufe des Tages als sogenannte Schnellwagen und zwar halten diese außer in Leipzig und Dresden nur in Wilsdruff, Meißen, Lommatzsch, Ostrau, Mügeln und Grimma. Dies großartige Projekt hat überall sensationell gewirkt mW dürfte die Unterstützung eine allgemeine, große werde». Also, vorwärts mit frischem Bluth!