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Zweites Blatt. NchMM Wkdq Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar DienS^ tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis Viertels, s Mk. 30 j)f., durch die j)ost bezogen j Mk.53j)f. Einzelne Nummern 10 j)f. Tharandt, Ma, Sitbealeha md die Umgegendra. Amtsblatt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. Insertionspreis 10 s)f. pro dreige spaltene Lorpuszeile. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt- Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst No. 113. Donnerstag, den 20. Dezember 1804. Lutherbilder. Sv. Kaiser Karl am Grabe Luther s. MJn Wittenberg, der starken Lutherfeste, Ist Kaiser Karl, der Sieger eingedrungen. Wohl ist den Stamm zu fällen ihm gelungen, Doch neue Wurzel schlagen rings die Aeste. In Luther's Feste Hausen fremden Gäste, Doch Luther's Geist, der bleibet unbezwungen; Da, wo des Geistes Schwert er hat geschwungen, Da ruhen billig auch des Leibes Reste. Am Grabe steht der Kaiser tief gerühret. „Auf denn, und räche dich an den Gebeinen, Den Flammen gieb sie Preis, wie sich gebühret!" So hört man aus der Diener Troß den Einen. Der Kaiser spricht: „Den Krieg hab' ich geführet Mit Lebenden; um Todte laßt uns weinen." s s Das wahre Glück. MWE Weihnachtserzählung von lv Hogarth. (Fortsetzung). (Nachdruck verboten.) „Die gnädige Frau läßt den Herrn Kommerzienrath bitten, sich in den Salon zur Beschcerung zu bemühen." Mit diesen Worten trat der Diener herein und der Herr antwortete: „Ja, ganz recht, ich komme sogleich." Trotz der Versicherung, gleich zu kommen, sank der viel beneidete Kommerzienrath wieder in seinen Sessel zurück, seinen Gedanken hingegeben, welche so wenig gemein hatten mit dem großen Freudenfest. Erst als seine Gattin selbst hereinrauschte, und ibn sehr erregt mit Vorwürfen überhäufle, daß er so lange auf sich warten lasse, entschloß er sich, die Festräume aufzu suchen. Man nannte in der Stadt den Kommerzienrath Kronberg mit voller Berechtigung einen Günstling des Glücks. Als junger Mann mit geringen Mitteln fand er eine gute Stellung bei seinem reichen Stiefbruder. Vor langen Jahren gerade auch am Weibnachtsabend hatte ihn dieser zum Theilhaber in seinem großen Bankgeschäft ausgenommen. Der Stiefbruder starb in den besten Jahren aus Gram über den Tod seiner über alles geliebten Frau. Auf dem Sterbebett legte er dem jüngeren Bruder seinen einzigen Sohn an's Herz. Das Testament des Verstorbenen machte Kronberg zum Besitzer des Geschäfts und zum Vormund des verwaisten Knaben, bis dieser, sobald er vierundzwanzig Jahre alt geworden, Theilhaber werden oder sich sein Vermögen auszahlen lassen sollte. Des hinterlassenen Sohnes großes Vermögen sollte in dem Bankgeschäfte bleiben. Frau Kronberg stammte aus emer vornehmen aber un bemittelten Familie. In der Meinung, einesjreichen Mannes Frauzu sein, gab sie sich einem übermäßigen Luxus hin. Kron berg suchte nun durch gewagte Spekulationen einzubringen, was sie verausgabte. Bald gewann er bedeutende Summen, bald batte er Verluste zu verzeichnen, welche ihn an den Bettelstab bringen mußten, sobald er in die Lage kam, seinem Neffen das Erbtheil auszahlen zu müssen. Sobald dieser das vierund- zwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, blieb dem Kommerzienrath kein Recht, dem jungen Manne das Vermögen voczuenihalten, was ihm sein Vater hinterlassen hatte. Daß er dies nicht er fuhr, daß er in der Meinung lebte, er sei mit seiner Person und seinem Vermögen an das Geschäft gebunden, sollte des Oheims Sorge sein. Vor sechs Jahren hatte ihn sein Neffe um eine Unterredung gebeten. Sie ward ihm am Weinachts abend vor der Beschcerung bewilligt. Mit ruhiger Bestimmt heit hatte der Neffe dem Onkel seinen unumstößlichen Entschluß mitgethcilt, daß er als Arzt studiren wolle, da er gegen den Be ruf des Kaufmanns und Banquiers geradezu Abneigung habe. Mit Güte und Drohungen suchte der Onkel den Neffen von seinem Vorhaben abzubringen. Es war vergeblich. Als zwei erbitterte Gegner standen die nahen Verwandten sich damals gegenüber, während draußen von den Kirchenthürmen die Glocken dos hohe Fest einläuteten und fröhliche Kinderstimmen im Hause Weihnachtslieder sangen. „So geh!" hatte der Kommerzienrath damals im höchsten Zorn gerufen. „Du kannst thun, was Du willst, aber Dein Vermögen bleibt im Bankgeschäft, welches Dein Vater und ich mit vieler Mühe gegründet haben. Du kennst wie ich Deines verstorbenen Vaters letzten Willen und ich werde danach handeln." „Du lügst," hatte der Neffe ihm beinah fassungslos ent gegnet, „denn wenn ich auch in der Vermögensverfügung bis zum vierunvzwanzigsten Jahre nach dem Willen meines Vaters beschränkt bin, so konnte er doch nicht so weit gehen, mir meinen 'Beruf vorschreiben zu wollen. Laß mich das Testament lesen!" „Du hast jetzt kein Recht dazu!" hatte ihm aber der Onkel und Vormund entgegengedonnert. Im Uebrigen kenne ich meine Pflicht. Du wirst bis zu Deinem vierundzwanzigsten Lebens jahre ein Checkbuch von mir erhallen, welches Dir eine monat liche Rente von fünfhundert Mark sichert. Magst Du nun mit dem Gelde Deinem vorgeblichen Studium obliegen oder Dich als Abenteurer in der Welt herumtrciben, mir ist es gleich." „Ein Jahr ist es immer noch bis der Herr Neffe vier undzwanzig Jahr ist. Ich hoffe bis dahin das Vermögen zu verdoppeln, mir bleibt dann noch genug," sagte Kronberg und ging mit geglättetem Gesicht zur Bescheerung. Seit jenem Abend waren sechs Jahre verflossen, der junge Mann hatte dem Onkel nie wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben und er blieb so gut wie verschollen. Verschiedene Male schon bemühte sich der Onkel bei der Behörde, ihn als todt zu erklären, er erlangte die Erfüllung dieses Wunsches aber nicht, da auf das Checkbuch, welches der Neffe hatte, bei großen Bankhäusern zuweilen noch große Summen erhoben wurden und damit bewiesen schien, daß der Neffe noch irgendwo lebe. Immer stand deshalb vor dem Kommerzienrath Kronberg wie ein furchtbares Gespenst die Drohung des Neffen: „Ich halte Abrechnung mit Dir." Er hörte sie, wenn die Weihnachts- glockcn läuteten, mit glühenden Farben schienen sie ihm vom Christbaum zu leuchten. — Ein Ueberfluß von den prächtigsten Weihnachtsgaben be deckte die langen Tafeln eines großen Saales in Kronberg's Hause. Doch der rechte herzliche Weihnachtsjubel und die glücksstrahlmden Kinderaugen fehlten. Die beiden Töchter des Kommerzicnraths, Lieschen und Marka, zehn und neun Jahre alt, musterten bereits mit sehr kritischen Blicken und mit großer Selbstgefälligkeit und Eitelkeit ihre Geschenke und tauschten ihre Ansichten aus, ob ihre Korallenkettcn kostbarer, ihre neuen Wmtermäntel moderner, ihre Puppen eleganter gekleidet seien, als die ihrer Bekannten. Weit glücklicher nahm die siebenjährige Tochter des Haus meisters unten in der kleinen Stube die Puppe an ihr Herz, welche von den vornehmen Kindern längst verächtlich in den Witikel geworfen ward, sic sah in ihr eine glänzende Gabe des Christkindes, und gelobte ganz besonders artig zu sein, um solche Liebe zu verdienen. Unter allen Beschenkten im Hause des Kommerzienraths war jedenfalls Fräulein Werner, die Gouver nante am meisten b-friedigt. Die funkelnden Goldstücke sollten der guten Mutter die Wirthschaftssorgen erleichtern helfen, und die Chokolade und da« feine Weihnachtsgehäck morgen Abend im heitern Familienkreis verzehrt werden. Die arme Gouver nante fühlte sich heute so beglückt in dem Gedanken an die Freude der Ihrigen, für sich selbst nur den kleineren Theil be anspruchend. Zum Abendessen stellten sich noch mehrere Gäste ein, denn die Frau Kommerzienrath liebte es nicht, den Abend nur in der Familie zu verleben. Das festliche Mahl nahte bereits seinem Ende, als im Vorzimmer sich Stimmen vernehmen ließen. Der Diener er schien im Rahmen der Thür, ward aber von einem jungen Mann bei Seite geschoben, welcher mit großer Sicherheit eintrat. Seine Gestalt war schlank, das etwas gebräunte Gesicht von gesunder Frische umgab ein voller Bart, das volle braune Haar trug er von der Stirn zurückgestrichen. Ein Glück, daß die Aufmerksamkeit sich auf den Fremden richtete, es blieb so dem Hausherrn Zeit, seinen Schreck zu bemeistern. Der Kommerzienrath Kronberg bot in der That ein Bild vollstän diger Fassungslosigkeit. Sein Gesicht war bleich, seine zitternden Hände umklammerten krampfhaft den Tisch. Aber nach wenigen Augenblicken war er wieder Herr seiner selbst; er trat dem Fremden mit ziemlicher Unbefangenheit entgegen, als dieser mit klangvoller Stimme sagte: „Ich denke doch, es bedarf keiner Anmeldung, wenn ich nach langer Abwesenheit Sehnsucht trage, das Weihnachtsfest in der Heimath im Kreise meiner Ver wandten zu feiern." „Nein, nein! Du bist uns natürlich von Herzen will kommen," beeilte sich Kronberg zu versichern. „Mein Neffe, Herr Alfred Kronberg," wendete er sich, den jungen Herrn vorstellend, zu den Anwesenden. „Gestatten Sie, meine Herrschaften," entgegnete, sich ver beugend, der junge Mann, „daß ich, weil ich in Folge meiner langen Abwesenheit hier fremd geworben bin, selbst etwas zu meiner Personalbeschreibung hinzufüge. Ich studirte in Wien und Zürich Medizin und habe nach wohlbestandenem Examen mich als Doktor der Heilwissenschaften vor ungefähr einem halben Jahre in Budapest niedergelassen." „Ah, ich zratulire Dir von Herzen zu diesem schönen Er folg," rief da erregt der Kommerzienrath und schüttelte dem Neffen die Hand. Auch empfing der junge Arzt alsbald von der Dame des Hauses, sowie von den anwesenden Gästen die besten Glückwünsche. Bald saß der Neffe neben dem Onkel an der festlichen Tafel, aber cs war seltsam, das Erscheinen des für verschollen gehaltenen Neffen legte sich wie ein Alp auf die Feststimmung und der Hausherr hob viel früher als sonst die Tafel auf. In leiserem Ton wendete er sich an den Neffen: „Da ich annehme, daß Dich nicht allein das Fest zu mir führt, bitte ich Dich, mir zu sagen, wenn Du die Geschäfte erledigen möchtest!" „Bitte, Onkel, lassen wir das heute, ich bin überzeugt, daß Du meine Interessen auf das Beste gewahrt hast," ent gegnete der Gefragte mit etwas spöttischem Lächeln. Doktor Kronberg ging bald darauf nach dem Nebenzimmer, um sich von den Kindern die Geschenke zeigen zu lassen. Er traf dort Fräulein Werner, die Gouvernante. Bald sagte er zu ihr: „Als ich, ein Fremdling, in den mir fremd gewordenen Kreis eintrat, erfreute es mich, einem bekannten Gesicht zu be gegnen, Sie werden sich meiner nicht mehr erinnern, mein Fräulein, was ich sehr natürlich finde." „In der That, ich weiß nicht, wo ich Sie je gesehen haben sollte, Herr Doktor," war die verlegene Antwort der Gouvernante. „Sechs Jahre ist es her, da kniete ich an meiner Eltern Grabe, um in einer entscheidenden Stunde meines Lebens Trost und Kraft zu suchen. Gerade am Weihnachtsabend war es, wo ich mich damals so einsam und unglücklich fühlte, obwohl ich mir doch keiner Schuld bewußt war. Schon dämmerte es auf dem Friedhöfe, ich glaubte, allein zu sein und ließ meinen Klagen freien Lauf. Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und eine Stimme frug: „Warum weinen Sie heute, wo Alle vergnügt sind? Gehen Sie doch mit nach Haus, bald brennen die Lichter am Christbaum." „Für mich brennt kein Christbaum, die Eltern schlummern hur," antwortete ich der Fragerin, einem ungefähr zwölfjährigen Mädchen. „Aber Du bist doch ebenfalls auf dem Friedhöfe. Was thust Du hier?" frug ich das Mädchen. „Ich brachte den lieben Großeltern Kränze auf das Grab," entgegnete LaS Mädchen. „Nun aber springe ich schnell nach Haus, man wird mich schon erwarten. Gehen Sie mit mir, bei uns ist ein fröhliches Weihnachtsfest, dort werden Sie nicht wehr traurig sein." „Ich sagte, daß ich bereits in einer Stunde abreisen werde, weit hinaus in die Fremde. Das kleine Mädchen sah nun wohl, daß mit mir nichts anzufangen sei und sprang fort. Zu meinem Erstaunen erwartete mich aber die kleine Trösterin, als ich durch die Pforte des Friedhofes trat, sie ergriff meine Hand und begann zögernd: „Vater sagte gestern, es wäre jetzt eine traurige Zeit. Sobald die Menschen ein Unglück beträfe, nehmen sie sich das Leben, daran dachte ich, al« ich Sie weinend sah, nicht wahr, das thun Sie doch nicht. Es wäre ja eine große Sünde." Da erklangen von den Kirchthürmen die Glocken, und bei ihren Weihnachtsklängcn gelobte ich meiner kleinen Freundin, mich vor der großen Sünde zu hüten, und in meinem Herzen gelobte ich mir, für die Erreichung dieses Zieles meine besten Kräfte einzusetzen. Manchmal trat die Versuchung an mich heran, aber ich kämpfte sie glücklich nieder." „Wer war nun aber das Mädchen, die damals wie ein Engel zu mir trat?" sagte jetzt der junge Arzt mit erhobener Stimme. „Sie selbst waren es, mein Fräulein, wenn mich nicht meine Sinne täuschen. Ich erkenne Sie an den Augen und dem ernsten Blicke derselben wieder und sehe Sie noch vor mir stehen wie damals vor sechs Jahren. Voll Bitterkeit im Herzen trat ich vor einer Stunde in dies Haus, ich sah und erkannte Sie im Empfangszimmer und eine milde, versöhn liche Stimmung zog in mein Herz. > Fräulein Marie Werner hotte erst erstaunt der Erzählung