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Wochenblatt Ar MMff Erscheint . wöchentlich dreimal u. zwar Dierig tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. s Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen j !Nk.55pf. Einzelne Nummern s0 Pf. Tharandt, Ma, Mealeha and die Umsesendta. — — - Imtsölstt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags s2 Uhr angenommen. Insertionspreis s 0 Pf. pro dreige spaltene Eorpuszeile. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Beklag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 102. Sonnabend, den 24. November 1894. Zum Todtensest. ! ES ist Todtensest. Anders als sonst läuten heute die Glocken ins Land. Besonders ernst und feierlich tönt ihr, Klang an unser Ohr, als lüden sie uns ein zu einem Gang auf den stillen Gottesacker da draußen, wo sic so sanft ruhen j unsere Todten, daß wir ihrer fromm gedenken und uns mahnens lasten an die Ewigkeit. Und als ob die Natur einstimmen wollte in die Mahnung an den Tod, hat sie sich ihres bunten Schmuckes entkleidet und schickt sich zum Todesschlaf an, selbst ein Kirchhof im großen, der uns gewaltig und eindringlich predigt von der Vergänglichkeit alles Irdischen. So vereinigt sich alles, uns den Gedanken an den Tod nahe zu legen. Wir gedenken vor allem derer, die vor uns dahingeschicden sind. So will es die fromme Sitte. Preußens König Fried rich Wilhelm III. war es, der bestimmte, daß dieser Tag dem ehrenden Andenken an die gefallenen Helden der Freiheitskriege gewidmet sei. Mit ihnen, die für ihr Vaterland freudig Gut und Blut hingegeben haben, soll unser Volk sich heute eins wissen, ihr Andenken soll von neuem unter uns lebendig werden, auf daß ihr Muth, ihre Opfcrfreudigkeit, ihre Hingabe an das Vaterland wieder erwache und das Heranwachsende Geschlecht sich würdig erweise seiner großen Ahnen. Und gerade unserer Zeit, die im Jagen nach Reichthum, nach Glück und Genuß aufzugehen droht, kann es nicht genug eingeschärft werden: daß das Leben nicht der Güter höchstes ist, sondern wenn es köstlich gewesen, so ist eö Mühe und Arbeit, d. h. Opser gewesen. Das ist es allein, was diesem armen Leben ewigen Gehalt giebt. Und wenn der heutige Tag uns auch an den Gedanken an unseren eigenen Tod nahelegt und uns daran erinnert, daß auch unsere Tage ein Ziel haben und wir davon müssen, dann soll uns das nicht leichtsinnig stimmen, wie die, welche sagen: »Lasset uns fröhlich essen und trinken, denn morgen sind wir todt" —, sondern es soll uns mahnen, daß wir die kurze Zeit auskaufen und diesem vergänglichen Leben durch Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit einen ewigen Werth verleihen, getreu dem Worte: »ich muß wirken, so lange es Tag ist; denn es kommt die Zeit, da niemand wirken kann." Todt ensonntag! Heut geht ein Wort von Mund zu Munde, Ein Sängerwart gar hehr und licht, Und weithin tönt es in der Rundei Vergeßt der theuern Todten nicht. Allherbstlich, wenn die Blätter fallen, Wenn öd die Fluren weit und breit, Wenn Sturm und Reif, des Herbst's Vasallen, Uns mahnen an die Flucht der Zeit. Da pocht auch stets der Mahnruf leise, Doch ernst an jede Menschenbrust: Ward nicht auch Dir auf rauhe Weise Ein Schmerz bereitet, ein Verlust? Und wenn ein Herz Dir ward genommen, Das treu und sorgend für Dich schlug, Das, eh' des Lebens Höh' erklommen, Man schon zum stillen Friedhof trug, Dann eile hin zum Ort der Trauer, Dort spricht das schlichte Immergrün: All' ird'sches Sein ist kurzer Dauer, Doch droben giebts ein Weiterblüh'n! Das sollst Du nimmermehr vergessen, Wie schmerzerfüllt auch sei Dein Herz. Denn durch das Weh, oft unermessen, Weist still das Kreuzlein himmelwärts. Geht auch die Sonne auf und nieder Noch manches Mal, eh' wir auch ruh'n — Wir seh'n dereinst sie Alle wieder, Die schlummern jetzt vom ird'schen Thun. Der aber, der zu allen Zeilen Am Besten weiß, was uns gebricht, Der Herr für alle Ewigkeiten, Vergißt auch unsrer Todten nicht! — ; Tagesgeschichte. x Kaiser Wilhelm hatte am Dienstag früh ein sehr ^-herzlich gefaßtes Telegramm an die Königin von Italien abgesandt und in ihm seine und der Kaiserin Glückwünsche zum Geburtstage ausgesprochen. Das Palais der Botschaft hatte zur Feier des Tages die italienische Flagge gehißt. Als , der Kronprinz Viktor Emanuel vor einigen Tagen ebenfalls , seinen Geburtstag feierte, hatte der Kaiser an diesem Tage dem t Botschafter Grafen Lanza die Aufmerksamkeit erwiesen und ihn , mit einer Einladung zur Tasel beehrt. Der Kronprinz hatte t bald nach seinem Geburtstage die Reise nach Petersburg an getreten, auf welcher er auch Berlin berührte, wo er nur kurze , Zeit in der Botschaft verweilte. Bestrafung des Sklavenraubes und des , Sklavenhandels. Dem Bundesrathe ist ein Gesetzentwurf > über die Bestrafung des Sklavenraubes und Sklavenhandels t zugegangen. Die Angelegenheit hat den Reichstag bereits im j Jahre 1891 beschäftigt. Es lag damals ein Gesetzentwurf vor, welcher die Theilnahme an einem zum Zweck des Sklaven- i raubes unternommenen Streifzug und die Betreibung des ; Sklavenhandels mit Zuchthaus bedrohte. Es wurde damals x in der „Begründung" ausgeführt, daß die bestehenden reichs- , gesetzlichen Strafbestimmungen für die Aufgaben nicht aus- ; reichen, welche dem Reiche bezüglich der Bekämpfung des Sklaven- , Handels in dem ostafrikanischen Schutzgebiet, dessen Hinterlande und den benachbarten Meerestheilen zugefallen sind, insbesondere darum, weil eine Strafverfolgung dann nicht eintreten kann, i wenn die strafbaren Handlungen im Auslande begangen und 1 durch die Gesetze des Ortes mit Strafe nicht bedroht sind. Der Gesetzentwurf wurde in einer Kommission, mit der Be- > schränkung der Gültigkeit bis 1. Oktober 1895, angenommen, kam aber im Plenum nicht mehr zur Erledigung. In der vorigen Session beschäftigte sich dann der Reichstag aufs neue > mit der Frage, in Anknüpfung an Beschwerden, daß auf deutschem , Kolonialgebiet noch immer Sklavenhandel vorkommc. Es - wurde einstimmig eine vom Centrum beantragte Resolution angenommen, die verbündeten Regierungen um Einbringung eines Gesetzentwurfes, betreffend die Bestrafung des Sklavcn- raubes und Sklavenhandels, zu ersuchen. Dieser Aufforderung ist die Reichsregierung jetzt nachgekommen. Bekanntlich werden im neuen Reichsetat einige neue An schaffungen für die Marine gefordert. Der Umfang dieser Neuforderungen ist noch nicht genau bekannt, er wird sich aber ohne Zweifel in den einerseits durch das unabweisbare Be- dürfniß, anderseits durch die bedrängte Finanzlage gezogenen Grenzen halten. Im vorigen Reichstag wurde bekanntlich nur ein neues Panzerschiff, das zudem nur Ersatz für ein abgängig gewordenes alteö Schiff war, bewilligt, ein Kreuzer und Aviso wurden mit geringen Mehrheiten, von denen ein Theil die Ab lehnung ausdrücklich nur für das laufende Etatsjahr aussprach, abgestrtchen. Der Reichstag hat sonach eine moralische Ver pflichtung, die Kargheit der vorigen Bewilligung wett zu machen. Das Bedürfniß kann nicht ernstlich bestritten werden. Es drängt sich in jedem Jahre mit dem wachsenden Umfang deutscher wirthschaftlicher Interessen in überseeischen Ländern mehr auf. Wichtige Aufgaben können wegen Mangels an Schiffen nicht oder nicht genügend erfüllt werden. Unsere Schiffe sollen weniger kriegerischen Zwecken, als dem Schutze deutscher Handelsin- teressen und der Sicherung der deutschen Reichsangehörigen im Auslande dienen. Das sind durchaus nützliche und nothwendige Zwecke und die Kosten werden reichlich durch Förderung von Handel und Industrie ausgewogen. Es wäre daher kurzsichtig, wenn der Reichstag auf diesem Gebiete einem unberechtigten Sparsamkeitstriebe folgen würde. Der Vorstand des Bundes deutscher Gastwirthe bereitet eine Petition an den Reichskanzler sowie an die einzelnen Lan desregierungen vor, in der um die Herbeiführung strengerer ge setzlicher Maßregeln gegen die Verhängung des Boykotts durch die Sozialdemokratie ersucht werden soll. Weimar, 21. November. Der Erbgroßherzog Karl August ist in der letzten Nacht 11^ Uhr gestorben. (Erb- großberzog Karl August, der älteste Sohn des regierenden Groß herzogs Karl Alexander, ist am 31. Juli 1844 zu Weimar ge boren. In der preußischen Armee wird er als General der Kavallerie s la suite des 5. thüringischen Infanterieregiments No. 94 (Großberzog von Sachsen) und des hannoverschen Husarenregiments Nr. 15 geführt. Auch in der sächsischen Armee bekleidet er den Rang eines Generals der Kavallerie, in der russischen den eines Generallieutenants. Erbgroßherzog Karl August ist seit dem 25. Juli 1872 mit Pauline, Prin ¬ zessin von Sachsen-Weimar-Eisenach vermählt. Der Ehe ent sprossen Prinz Wilhelm Ernst, geboren am 10. Juni 187Ü, und Prinz Bernhard Heinrich, geboren am 18. April 1878. M Einen lehrreichen Ausblick auf den s ozialdemokra tischen Zukunftsstaat eröffnet ein Gegenwartsbild, das der frühere Redakteur der in Breslau erscheinenden „Volkswacht", Paul Hennig, in einer soeben im Selbstverläge erschienen Brochüre entrollt. Hennig hat, obwohl seine redaktionelle Thätigkeit die „Genossen" befriedigte, sich schwere Drangsalirungen gefallen lassen und schließlich aus der Redaktion scheiden müssen, weil er die brutale Nutzanwendung, welche die lokalen Führer der Partei aus dem Prinzip der „freien Liebe" zogen, nicht aner kennen wollte. Er war einer Preßkommisston unterstellt, die ihn einfach als „bezahlte Person" bezeichnet und behandelte. Er sei, so wurde ihm einmal gesagt, ein Redakteur, der noch ein mal aus der Hand fressen werde, der nur das Gnadenbrot esse, dem man die Zeitung um den Kopf schlagen möchte. AIS die Redakteure dem „Genossen" Verleger eines Tages dar Gesuch vortrugen, ihr Gehalt um eine Mark zu erhöhen, ergriff der selbe einen Knüppel und meinte, damit werde man den Redak teuren Lohnerhöhungen geben. Kein Wunder, daß Hennig, wie er erzählt, einmal der Sitzung der Preßkommission fernblieb, weil er befürchtete, sie könne sich zu Thätlichkeiten zuspitzen. Hennig kehrt wegen dieser Erfahrungen der Partei nicht etwa den Rücken, er fragt nur entrüstet: „Sind das Sozialdemo kraten?" Das gleiche Anerkenntniß fauler Zustände lieferte auch eine kürzlich in Breslau abgehaltene sozialdemokratische Versammlung. Der bekannte Schriftsteller B. Geiser, Schwie gersohn Liebknechts, gab zu, daß sich die Partei im allgemeinen gegenwärtig in einer schweren Krists befinde, die in BreSlau besonders akut geworden seit. Die Vertrauensmänner hätten verabsäumt, mit der großen Masse in Fühlung zu bleiben; letzterer sei als Vorgesetzter zu betrachten, nicht umgekehrt. Statt der engeren Konferenzen solle man öffentliche Versammlungen zur Schlichtung von Streitigkeiten berufen. Reichstagsabgeord- neter Kühn wünscht, daß frisches Blut in die Geschäftsleitung komme. Die Neuwahl der Vertrauensmänner kam nicht zu stände, weil die Vorgeschlagenen keine Lust bezeigten, fich den gewohnheitsmäßigen Verleumdungen auszusetzen. Schließlich verfiel die immer erregter gewordene Versammlung der polizei lichen Auflösung. Gegen die „Beileidswuth" wenden sich in einer geharnischten Darstellung die „Münchener Neuesten Nachr." Sie schreiben: „Anläßlich der Beisetzung der Leiche des Zaren von Rußland bleiben die königlichen Theater Münchens geschlossen; unseres Wissens geschieht dies auch sonst noch im Deutschen Reiche, und wir müssen daher angesichts einer solchen Anordnung die Frage aufwerfen: „Was hat das deutsche Theater mit einem Zaren von Rußland zu schaffen?" Ant wort: „Nichts! Gar nichts!" Wenn die französischen Theater heute ihre Pforten geschlossen halten, so begreift sich das, nicht aber, wenn ein Gleiches in Deutschland geschieht. Man wende uns nicht ein, es geschehe, weil der Hof Trauer für den ver storbenen Zaren angelegt hat, denn sonst müßten wir daran erinnern, daß schon gar mancher regierende deutsche Fürst in die Gruft seiner Ahnen gesenkt worden ist, ohne daß die königlichen Theater Münchens u. s. w. geschlossen gehalten wurden! Damals wäre es sicher eher am Platze gewesen, als diesmal. Wenn sich deutsche Fürsten durch des Zaren Tod in große Betrübniß versetzt fühlen, so ist das ihre Privatsache; das deutsche Volk empfindet hierzu durchaus keine Veranlassung." Der Dachdecker Carl Behnke, der vom Schwurgericht in Stolp zwei Mal zum Tode verurtheilt worden war, weil er am 28. Dezember 1892 zwischen Reinwafser und Dulzig die Wittwe Dargatz und in der Nacht zum 30. Mai 1893 zwischen Wittenberge und Kuhldank den Arbeiter Hacker ermordet und beraubt hatte, wurde durch Scharfrichter Reindel-Magdeburg hingerichtet. In Fiume stürzten in dem im Bau begriffenen Gouverneur« palais zwei Säulen ein, wodurch die inneren Mauem nieder gerissen wurden. Zahlreiche Arbeiter wurden unter den Trümmern begraben; 5 Todte und 12 Verwundete find herauSbeftrdert worden. Die Zahl der Verschütteten ist unbekannt, die Bergung derselben ist sehr schwierig, man befürchtet, daß alle todt sind. Die Behörden eilten sofort an die Unglücksstätte, wo sich eine große M.nschenmenge angesammelt hat; in der Stadt herrscht große Aufregung. In Lemberg fanden am Montag Arbeiterexcesse statt. Die Demostrationen drohten einen größeren Umfang an« zunehmen. Die Ermahnungen der Sicherheitsorgane beant«