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WchmM für Ms-ruff ThurM Uojsen, Menlehn und die UmgtMden. Imtsblslt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Milsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Äk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pfg. — Einzelne Nummern 10 Pfg. Inserate werden Nontags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittag 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. »2. Donnerstag, de« 1. November 18S4, Bekanntmachung. Die in Gemäßheit von Art. II 8 6 der Allerhöchsten Beiordnung vom 21. Juni 1887 — Reichsgesetzblatt S. 245 flgd. nach dem Durchschnitte der höchsten Tagespreise des Hauptmarktortes Meißen im Monate September d. I. festgesetzte und um fünf vom Hundert erhöhte Vergütung für die von den Gemeinden resp. Quartierwirthen innerhalb der Amtshaupt mannschaft im Monate Oktober d. I. an Militär-Pferde zur Verabreichung gelangte Marschfourage beträgt 7 Mk. 74,9 Pfg. für 50 Kilo Hafer, 3 „ 99 „ „50 Kilo Heu, 2 „ 10 „ „ 50 Kilo Stroh. Meißen, am 29. Oktober 1894. Königliche Amtshauptmannschaft. I. V Meusel. Ein Zug aus dem Leben Dr. Martin Luther's. Im Jahre 1512, Freitags vor Jubilate, reiste Luther von Wittenberg nach Eilenburg, um daselbst durch sein persönliches Erscheinen einige kirchliche Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Er fuhr in einem offenen Wägelchen, das mit einem etwas scheuen Pferde bespannt war und das ein junger, nicht ganz zuverlässiger Bursche leitete. Als sie in dem, zwei Stunden von Eilenburg entfernt liegenden Dorfe Hohenprießnitz ankamen und längs desselben hinabfuhren, sprang das Pferd plötzlich auf die Seite, fing an zu schnaufen und mochte durchaus nicht weiter, ohne daß sowohl der Kutscher als auch Luther selbst den mindesten Grund finden konnten, warum dasselbe sich so ungeberdig und so widerspenstig zeigte. Alle Versuche, das Pferd zu beruhigen, blieben erfolglos und Luther sah sich endlich, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, umgeworfcn zu werden, genöthizt, auszusteigen. Jndeß hatten sich mehrere in der Nähe wohnende Bauern eingefunden, deren einige dem Kutscher Bei stand leisteten, das Pferd wieder auf den von ihm verlassenen Weg zu bringen, die andern sich aber des erschrockenen und ängstlich gewordenen Luthers annahmen und ihn auf die Seite führen wollten. Es war ein schöner freundlicher Tag; doch in Folge eines mehrere Tage anhaltenden Regenwetters hatte sich der Boden dermaßen erweicht und der Schmutz so ver mehrt, daß man wirklich keinen Schritt thun konnte, ohne fürchten zu müssen, mit den Füßen stecken zu bleiben. Luther, der starke und körperlich ohnedies etwas unbeholfene Mann, war darum schon beim Verlassen des Wagens sehr schmutzig ge worden, hatte dazu noch das Unglück, auszugleiten, und so lang er war, in den Morast zu fallen. Die Bauern halfen ihm nun zwar sogleich wieder auf die Füße; allein sein schwarzer Rock, seine Hosen, Strümpfe, Schuhe, kurz, der ganze Körper von oben bis unten, befand sich in einem solchen Zustande, daß vorläufig an eine Fortsetzung der Reise durchaus nicht ge dacht werden könnte und eine gründliche, umfassende Reinigung zuvor stattfinden mußte. „Kommt hier herein", sagte einer der Bauern, von denen ihn aber Keiner kannte, und deutete auf ein altes, niedriges Haus, das zunächst stand. — „Es wohnt hier unser alter Schulmeister, ein recht guter Mann, dessen Frau wird Euch gern reinigen!" Luther war dies zufrieden und ließ sich in die Schulwohnung führen, wo man ihn, da ein anderes Zimmer sich nicht vorfand, direkt in das Schulzimmer. Hier saß der alte Schulmeister, Bartholomäus Rothe mit Namen, in mitten einer großen Anzahl jüngerer und älterer Kinder, der eben über das dritte Gebot, und zwar, wie Luther zu seiner innigen Freude sogleich beim Eintritt bemerkte, nach Anleitung des von ihm abgefaßten und herausgegebenen kleinen Katechis mus, sprach. Die Absicht, warum er gekommen, wie sein be trübender Zustand und der erlebte Unfall, waren sofort rein vergessen. Nach einem freundlichen Gruße und nach der aus gesprochenen Bitte, die Luther an den verwundert aufschauenden Schulmeister und an die neugierig ihn anstaunenden Kinder richtete, sich ja durch seine Gegenwart nicht stören zu lassen, ließ er sich, mit dem Rücken an den Ofen gelehnt, auf eine daselbst befindliche leere Bank nieder, stemmte das Haupt auf die Hand und lugte nun, aufmerksam zuhörend, hinüber nach dem ungenirt und unbekümmert fortsprechenden Lehrer. „Gott spricht im dritten Gebote; du sollst den Feiertag heiligen; aber wie spricht weiter unser guter Luther in seiner Erklärung?" fragte Rothe, repetirend und zugleich den abge rissenen Faden der Katechese wieder anknüpfend. „Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir die Predigt und sein Wort n cht verachten; sondern dasselbe heilig halten, gerne hören und leinen!" antworteten die größeren Kinder im Chor. „Nun, das ist doch verständlich!" fuhr der Schulmeister fort. — „Brauchts da noch einer weiteren Erklärung? Sonntags soll man nicht wie an Wochentagen arbeiten, sondern man soll sein Festkleid anziehen; wenn« zur Kirche läutet, hübsch ehrwürdig noch derselben hinschreiten, dort mit den anderen Frommen an- lächug singen und beten und dann aufmeiksaui, mit Lust und Freude dem Prediger zuhören, wie er verkündet, was Gott verheißt, wie er spricht, was Gott drohet, wie er lehrt, was wir glauben, hoffen und thun sollen; wie er ermahnt und warnt; denn was er spricht, das ist das Wort Gottes, das spricht Gott zu uns, und das muß tief ins Herz gehen, darf nie wieder aus demselben schwinden. Aber ist der Gottesdienst be endet, dann ist der »Feiertag noch nicht vorüber, wie da Viele meinen; nein, dann muß man überlegen, was man gehört; dann frage man sich, wie stehts da im Herzen, im Gewissen und wer merkt, es steht nicht ganz so recht, wie's sein soll, oder es steht sogar sehr schlimm um ihn, der schwöre zu Gott, daß es nächsten Feiertag anders, daß es besser sein werde. O, wie weit wird ein solcher Mensch es dann in einem Jahre, d. h. nach zweiundfünfzig Feiertagen gebracht haben! Wer da gegen nicht zur Kirche geht, sein Wochenwerk sogar am Sonn tage fortsetzt, wessen Kirche der „Krug" ist und statt singt und betet, lieber Scherz treibt, tanzt, mit Würfeln spielt, sogar wohl flucht, tobt und scheltet, der ist ein Solcher, welcher nach un seres guten Luther's Meinung die Predigt und sein Wort ver achtet. Und, nicht wahr," — schloß hier der würdige Mann — „einen Solchen kann weder Gott, noch unser guter Luther lieb haben!" — . Die Kinder bejaheten diese Frage mit sichtbarer Beweg ung. „Und das wollt Ihr doch Alle, meine Kinder, das weiß ich", bemerkte er noch, aufstehend und die Hände zum Gebet faltend. — „Ihr wollt, daß Euch Gott recht lieb habe und, ja, daß Euch auch der gute Vater Luther, der Euch den Willen Gottes erst recht verständlich durch sein Büchlein, das Ihr Alle kennt, gemacht hat, recht lieb habe. Darum höret fleißig und mit Ernst, was er von Gott lehret; dann habt Ihr Gott zum Freunde und unsern guten Luther auch!" „Ja, dann habt Ihr Gott und Jesum seinen Sohn und auch — Martin Luthern, wenn Euch so viel an dessen Liebe liegen sollte, zum Freunde", — fiel hier Luther, sich von seiner Bank erhebend, mit Freude verkündendem Antlitz, zur höchsten Verwunderung des alten Lehrers und sämmtlich anwesender Kinder, ein. „Ich kann Euch Solches in Wahrheit versichern; denn ich kenne Gott, kenne seinen Sohn und auch Martin Luthern etwas genauer, als Ihr!" Der alte Schulmeister stutzte und trat einige Schritte näher. „Daß Ihr Gott und Jesum genauer kennt durch die heilige Schrift, als wir, kann sein, denn Ihr seid jedenfalls ein geistlicher Herr," versetzte er hierauf, „aber, daß Ihr unsern guten Doktor Luther persönlich kennt, ihn vielleicht gesehen, gesprochen habt, macht mir besondere Freude und ich möchte Euch bitten, mir recht viel von ihm zu erzählen. Reiste vor einigen Tagen selbst einmal nach Wittenberg, um ihn wenigstens zu hören und zu sehen; aber da befand sich derselbe gerade in Altenburg und ich mußte wieder zurückkehren, ohne meinen größten Wunsch, mein innigstes Sehnen erfüllt zu sehen. Werde nun wohl auch diese Freude nimmer haben; denn ich bin alt und kann nicht weit mehr wandern, wohl aber hoffe ich um so zuversichtlicher, ihn dann oben im Himmel zu sehen, wenn wir Beide, Einer nach dem Andern, von hinnen gefahren sein werden! Luther sah mit Wehmuth den alten Mann, der ihn so herzlich liebte, der mit ganzer Seele an ihm hing und mit so großer Ehrerbietung von ihm sprach, an; das so biedere, ehr liche Wesen, das derselbe durch Worte und Mienen offenbarte, erfüllte ihn mit wahrer Hochachtung gegen denselben und zog ihn näher und näher an sich. Wenn auch ein einfacher Dorf schulmeister, von denen er Viele kennen gelernt hatte, die das nicht 'm Entferntesten waren, was sie fein sollten, so hatte er doch hier einen Mann gefunden, dem er seine ganze und volle Zuneigung schenken mußte, ja, den er schon jetzt siebte, wie einen Freund. Und dann gab der eben mit angehörte Unter richt mehr als nöthig war Zeugniß von dessen Tüchtigkeit und Berufstreue, die er anerkennen und lobend hervorzuheben als eine unerläßliche Pflicht erkannte. Er ergriff darum dessen Hand, drückte sie recht herzlich und sagte tiefbewegt: „Nicht erst dort oben sollt Ihr, wackerer Mann, den Martin Luther zu sehen bekommen, was vielleicht auch wohl nicht so lange mehr währen dürfte, sondern schon hier und jetzt. Ein besonderer Unfall, der mich dort draußen auf dem Wege traf, ist Ursache geworden, daß ich zu Euch kam, Euch und Euer Wirken als Lehrer kennen lernte. Und ich segne nun dies Mißgeschick, segne es eben dieshalb; denn Ihr seid würdig, daß ich Euch im Namen Gottes und Jesu, deren treuer Arbeiter und Diener Ihr seid, danke. Ich habe mich sehr gefreut über Euren Un terricht; ich sah, Ihr versteht mich, und Ihr versteht auch zu gleich das, was Ihr wißt, Euren Kindern verständlich zu machen, sie von der Wahrheit desselben zu überzeugen und Ihr streuet somit Samen, der reiche Ernte erwarten läßt. Ja, ich bin Luther selbst, der hiermit erklärt, daß er Euch liebt und ehrt und Euch als Freund betrachten wird, so lange er noch hier unten pilgert!" Welche Freude, welch' Entzücken, als der alte Mann solche Worte vernahm! Die Hellen Thränen rannten ihm aus den Augen und die Rührung wie das Erstaunen waren so groß, daß er eine ziemliche Weile sprachlos den hochberühmten Mann anstaunte und kein Wort zu sprechen vermochte. Endlich ver setzte er, zitternd vor Entzücken und im Begriff, vor ihm auf die Kniee zu sinken: „Ihr seid Luther, unser hochwürdiger Doktor Martin Luther selbst?" — Und ihn recht liebend an schauend, fügte er hinzu: „Ja, es ist wirklich wahr, nun kenne ich Euch, bochwürdiger Herr, denn so hat Euch mir unser Pfarrer Werner gar oft beschrieben; dieser hat vor vielen Jahren in Wittenberg studirt und Euch so gerne zugehört. O, welche Freude, welche Ehre für mich armen Dorfschulmeister! Möchte bald wie Simei im Evangelio ausrufen: „Herr, nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren, lenn meine Augen haben den treuesten Deiner Diener und den milchigsten Kämpfer Deines Wortes gesehen!" Jndeß waren die sämmtlichcn Kinder von ihren Plätzen aufgestanden und umringten, nun noch neugieriger geworden, als zuvor, diese beiden Männer, besonders Luther'n mit großen Augen anstaunend. Als dies der Schulmeister bemerkte, wendere er sich an selbige und sagte: „Kommt, tretet näher und schauet Euch unsern Luther, von dem ich Euch soviel erzählt, der so viel schon für unser Seelen heil gewirkt, der besonders auch für die liebe Schuljugend geschrieben und gesorgt hat, recht genau an. Ich hoffe, er wird Euch deshalb nicht zürnen und dann dürftet Ihr ihn sicher so bald nicht wieder zu sehen bekommen. „Hier," rief er den Kindern recht freudig und begeistert zu, „ergreift die Hände dieses frommen Mannes und laßt Euch von ihm segnen; denn ein solcher heiliger Augenblick erscheint Euch niemals mehr; und sein Gebet für Euch erhöret Gott gewiß!" Hingerissen von der allgemeinen Rührung und Be wegung unter den Kindern, sowie besonders von dem Entzücken des alten Lehrers, neigte sich Luther herab zu den vor ihm stehenden Kindern, legte seine Hände auf deren Häupter und entließ sic mit den Worten: „So werdet denn wahre Kinder Gottes und nehmet zu an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen!" Auf diese Weise fuhr er fort, bis Alle von ihm gesegnet, das Zimmer verlassen hatten. — Jetzt erst er klärte sich es, welches die eigentliche Absicht Luthers beim Ein tritt in die Schule gewesen sei; denn nun bemerkte Rothe selbst, in welchem Zustande sich die Kleidung Luthers befand. Er mußte sofort den Oberrock und die Beinkleider in einem Käm merchen ausziehen und sowohl der alte Schulmeister als auch dessen Gattin waren eifrigst bemüht, mit Kloppstock, Bürste und wo nöthig, mit feuchtem Schwamm dem ganzen Anzuge das vorige , Aussehen wiederzugeben. Mittlerweile hatte sich durch die heimkehrende Schuljugend im Orte die Nachricht verbreitet, daß der fremde, dicke Herr, dessen Wagen vor der Schule halte und der sich noch beim Schulmeister befinde, der weltberühmte, fromme Doktor Martin Luther aus Wittenberg sei, worauf denn Alt und Jung nach der Schulwohnung zu eilte, um diesen hoch gefeierten Mann zu sehen. Auch der Pfarrer, Magister Werner, erschien, demselben seine Ehrerbietung zu ibeweisen und ihm zugleich seine Freude zu erkennen zu geben, daß er in ihrer