Volltext Seite (XML)
UlchMatt A Wdmff ThmM/Uchll. Sitbtnlch» und die Umgegellden. ImtsbM für die 7<gl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. Erscheint wöchentlich zweimal u. zwar Dienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne / Nummem 10 Pf. sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion M. Berger daselbst. No. 7». Freitag, den 31. August 1894. Bekanntmachung. Sonnabend, den 8. September ds. Js., Nachmittags 4 Uhr, soll am hiesigen Armenhause Folgendes: Federbetten, Schränke, 1 Schraubstock, und verschiedene andere Gegenstände gegen sofortige Baarzahlung öffentlich versteigert werden. Wilsdruff, am 30. August 1894. Der Stadtrat h. Ficker, Brgmstr. Bekanntmachung. Sonnabend, den 1. September -ss. Js., Nachmittags 8 Uhr soll im hiesigen Schützenhause der 2. lil'sssvknitt rechts und links an der Freiberzerstraße und der Brücke, auf der Vogelwiese, vor der Schießmauer und auf der Wiese am Bade- Platze unter den im Termine bekannt gemacht werdenden Bedingungen öffentlich verpachtet werden. Wilsdruff, am 27. August 1894. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Die Aussichten der Sozialdemokratie auf dem platten Lande. Nach so vielen Prahlereien der sozialdemokratischen Wort führer in Presse und Versammlungen über die Wucht, mit der sie in den Dörfern einfallen und die Landbewohnerschaft unter die rothe Fahne bringen würden, nimmt es sich recht seltsam aus, daß die sozialdemokratischen Blätter seit einiger Zeit ge zwungen sind, offen einzugestehen, daß die Aussichten der Sozial demokratie auf dem platten Lande die ungünstigsten sind, die es geben kann. Interessant ist eine diesen Standpunkt ein nehmende Untersuchung der Chancen für die Landagitation im „Sozialdemokrat" , dem offiziellen Parteiwochenblatte. Dort wird jede einzelne Kategorie von Landbewohnern daraufhin ge prüft, ob unter ihr für die Sozialdemokratie etwas zu holen sei und auf welche Weise dies geschehen könne. Wir geben aus den weitläufigen Ausführungen den folgenden Auszug: Die Rerufsbeamten, Oberförster, Bürgermeister, Steuereinnehmer Förster, Gendarmen rc. seien fast durchgängig zur Zeit noch „Sozialistenfresser." Ihre innere Widerstandskraft werde ge brochen werden in dem Maße, als die gebildete Arbeiterschaft in den Städten von den Lehren des Sozialismus erfaßt werde. Ihnen gegenüber sei es ein Fehler, mit schroffen An griffen auf die staatliche und kirchliche Autorität den Feldzug zu beginnen. Der Beamtenschaft gegenüber solle man vom Amikapitalismus ausgehen, der ein gewisses Verständniß in jenen Kreisen finde; dann solle man weiter in den Sozialismus hineinschrenen. Die Ueberleitung von Staatssozialismus zum demokratischen Sozialismus sei das schwerste dabei. Schlägt so der „Sozialdemokrat" vor, den Beamten gegenüber heuch lerisch und vorsichtig zu operiren, so glaubt er, den Pfarrern gegenüber seine Maske etwas lichten zu dürfen. Er schreibt (der Verfasser des betreffenden Aufsatzes ist bezeichnenderweise Jude): Man schlage den Pfarrer mit Christus, seine Predigt mit der Bibel und die Kirche mit der Religion. Man vergesse auch nicht, daß wir unter den Geistlichen bereits stille Anhänger haben und deren noch mehr bekommen werden. Es sind ehr liche Idealisten darunter und die wiegen schwer." Wie werden diese verlogenen Worte den Pfarrern das Blut in die Wangen treiben! Was d>e ländlichen Geschäftsleute betrifft, so sind diese für die Sozialdemokratie unzugänglich. Sie seien, so klagt das sozialdemokratische Parteiorgan, außerordentlich abhängig von der Kundschaft und mieden es ängstlich, Farbe zu bekennen. Die rothe Fabne sei ihnen am bedenklichsten, und darum sei auf den Dörfern mit Geschäftssozialismus, selbst da, wo bei früheren Wahlen die Sozialdemokraten eine stattliche Siimmen- rahl schon hatten, nichts auszurichten. Auch die sozialdemo kratische Lehre von der Sozialisirung der Handels-, Wirthschafts- und Lebensmittelgewerbe sei nicht geeignet, diese Leute einzu fangen; erst wenn die Noth an sie herantrete, seien sie zu gänglich. „Auch die Handwerker", so heißt es dann wörtlich weiter, „stehen unter dem Zwange der dörflichen Enge und Oeffentlichkeit; Schneider, Schuster, Schreiner, Wagner, Schmiede Schlosser leben von ihren Dorfgenossen und fürchten (?) ihre Kundschaft. Das ländliche Handwerk fühlt noch nicht so un mittelbar den Druck der Großindustrie, wie das städtische. Es lebt von persönlichen Beziehungen und hat, wenn keinen goldenen, so doch immer noch Boden unter den Füßen. Auch ist es konkurrenzfähiger als das städtische. Es lebt billiger. Das eigene Häuschen oder die Miethswohnung und Werkstätte kosten nicht annähernd die Summe, die der selbstständige städtische Handwerker für Wohnung, Werkstätte und Laden ausgeben muß. Die meisten ländlichen Handwerker haben zudem Garten und einige Stück Ackerland. Das verbilligt die Lebenserhaltung und giebt Arbeit in den ruhigen Geschäftsperioden. Das Land ist bis zu einem gewissen Grade zur Zufluchtsstätte des Klein handwerks geworden. Die städischen Handwerker haben ihre Landkunden verloren. Junge, in der Stadt ausgebildete, in telligente Handwerker kehren in das Heimathsdorf zurück und gründen dort ihre Existenz. Die fortschreitende Verkehrsent wickelung wird ihnen nachfolgen und die Verarmung der Kund schaft wird das übrige thun. Zur Zeit aber ist ihre Lage noch sicherer, als die ihrer Kollegen in der Stadt." Die Sozial demokratie findet also, das wird hier wieder und zwar im Ein zelnen bestätigt, so leicht keinen Eingang in den Dörfern; sie erhofft aber Erfolge von dem Fortschreiten der landwirthschaft- lichen Nothlage. Wenn die Sozialdemokratie trotz ihrer jetzigen Hochfluth und trotzdem die gegenwärtige politischeund wirthschaft- liche Lage ihre Ausbreitung begünstigt, auf dem platten Lande noch nicht hat vordringen können, so liegt das daran, weil die Landbewohnerschaft um einen festen Mittelpunkt, um den Groß besitzer, den vielgeschmähten „Junker" sich gruppirt und weil sie — trotz der liberalen Verhetzungsarbeit — sehr wohl weiß, Laß ihr Wohlstand mit dem der Großbesitzer steigt und fällt. Würde das liberale und sozialdemokratische Ideal sich erfüllen, und der „Junker" politisch machtlos, dann wäre die erste Folge davon, daß der Siegeszug der Sozialdemokratie auf dem Platten Lande seinen Anfang nähme. Das Ende dieses Zuges kann sich ein Jeder selbst ausmalen. Tagesgeschichte. Die Dispositionen für die Anwesenheit des Kaisers in Westpreußen anläßlich der hier bevorstehenden Kaiser manöver haben im Hinblick auf die Cholcragefahr im östlichen Deutschland eine Veränderung erfahren. Dies insofern, als der Kaiser laut einer Bekanntmachung des Oberpräfidenten der Provinz Westpreußen, befohlen hat, daß mit Rücksicht auf die in einigen Theilen der Provinz vorgekommenen Chvlerafälle größere Ansammlungen von Civilpersonen bei den Kaiser- manövern thunlichst zu vermeiden seien. Im Anschlusse an diese allerhöchste Willensäußerung giebt ver Oberpräsident weiter bekannt, daß beim Empfange des Kaisers in Elbing und Marienburg nur die dortigen Schulen und Vereine Verwendung finden würden, so sehr auch Se. Majestät bedauere, aus landes väterlicher Fürsorge zu einer solchen Anordnung gezwungen zu sein. Wegen der Choleragefahr in der Weichselniederung ist übrigens der Schauplatz der für Mitte September anberaumten Flottenübungen von Danzig nach Swinemünde verlegt worden. Nach dem Urtheil hervorragender fachmännischer Autori täten Deutschlands wie des Auslandes dürfte die Choleraepide mie, von welcher Osteuropa dieses Jahr stärker als sonst heim gesucht ist, im wesentlichen auf ihren jetzigen Ausbreitungsstand beschränkt bleiben, obwohl der laufende und der nächste Monat im Hinblick auf genannte Seuche als die eigentlich kritischen gelten. Die Bestimmungen der Dresdener Sanitätskonferenz haben sich als zweckentsprechend bewährt, da überall, wo sie ge wissenhaft und konsequent zur Befolgung gelangten, es der Cholera möglich ist, festen Fuß zu fassen. Diese Wahrnehmung leistet auch der Hoffnung Vorschub, daß es mit den Jahren immer mehr gelingen werde, die Cholera von den Grenzen der europäischen Kulturländer fernzuhalten und sie mit Erfolg selbst an ihren traditionellen Brutstätten zu bekämpfen. Wie verlautet, ist über die Form und Richtung des ge setzgeberischen Vorgehens zur Abwehr revolutionärer Aufhetzungen ^gegenwärtig eine Entscheidung noch nicht getroffen. Es steht auch noch nicht fest, ob die Aktion in den Reichstag oder den preußischen Landtag oder vielleicht auch in beide verlegt werden wird. Bei verschiedenen Maßregeln auf diesem Gebiete ist der Reichstag nicht zu umgehen, so ungünstig auch die Aussichten sind, zu einer Verständigung zu gelangen, so bei einer Revision des Preßgesetzes, bei Maßregeln gegen den Zwang von Arbeits einstellungen und zum Kontraktbruch, bei Bestimmungen, welche die Zucht und Ordnung namentlich in der jüngeren Arbeiter schaft besser zu sichern bezwecken, wie sie in der Gewerbeordnungs vorlage von 1890 enthalten waren, vom Reichstage damals aber abgelehnt wurden, worauf die Regierung erklärte, für jetzt darauf verzichten zu wollen, sich aber Vorbehalten zu müssen, darauf zurückzukommen. Die Ausarbeitung solcher Gesetzent würfe würde, da sie entweder schon fettig vorliegen oder ver- hältnißmäßig einfache Fragen betreffen, nicht lange Zeit in An spruch nehmen. In diesen Herbstmonaten veranstalten mehrere große Par teien, wie wir bereits meldeten, die Nationalliberalen und Frei sinnigen, das Centrum und die Sozialdemokraten, große auf ganz Deutschland berechnete Parteitage. Bei allen diesen Ver sammlungen wird es an zahlreichem Besuche und an vielen Reden nicht fehlen. Es mag auch sein, daß auf die gegenwärtigen in neren Verhältnisse mancher Parteien und auf ihre Stellung zu den großen Zeitfragen manches Licht fällt. Mit besonderer Spannung darf man dem am vorigen Dienstag begonnenen Parteitage des Centrum in Köln entgegensehen. In der Partei sind in neuester Zeit wieder starke innere Gegensätze her- vorgetrcten, namentlich der alte Unterschied zwischen einer mehr konservativen und einer mehr demokratischen Richtung. Ein neuer Führer, der Bayer Dr. Orterer, der allerdings dem Reichstage nicht angehört, erscheint auf der Bühne. Bei wichtigen Gesetzgebungsfragen der Gegenwart im Reiche ist die Stellung des Centrums von entscheidender Bedeutung, sie ist aber noch durchaus unklar, und offenbar kämpfen vielfach die Gegensätze wider einander an. Auch dem Parteitag der So zialdemokraten in Frankfurt wird man mit Interesse ent gegensehen dürfen. Auch durch diese Pattei gehen scharfe Ge gensätze persönlicher und prinzipieller Art. Eine mehr positive und eine vollkommen negative Richtung kämpfen gegeneinander an. Es ist bezeichnend, daß der Vertreter der ersteren, Herr v. Vollmar, auf dem Parteitage besonders in den Vordergrund zu treten bestimmt ist, während sich die alten Führer, wie Liebknecht, Bebel, Singer, diesmal vollkommen zurückhalten. Die Parteileitung hat in jüngster Zeit manches begangen, was ihr auch von vielen Genossen zum Vorwurf gemacht wird; sie hat keineswegs immer geschickt und erfolgreich operirt. Da wird es an scharfen Auseinandersetzungen nicht fehlen. Der Verlauf freisinniger Parteitage pflegt wenig Ueberraschungen zu bringen. Zu unwandelbar und stets sich wiederholend sind Programm, Methode und auch die Redner dieser stets ver neinenden Partei. Vielleicht wird sich die einer aktiveren So zialpolitik unter Betheiligung des Staates geneigtere Richtung gegenüber den alten Vertretern des starren „Manchesterprinzips" etwas geltend machen, viel wird dabei nicht herauskommen; auch hier kann die Partei nicht aus ihrer Haut heraus. — Ueber den nationalliberalen Parteitag läßt sich die „Nat.- lib.-Korr." wie folgt vernehmen: Bereits ist zahlreicher Besuch und die Anwesenheit hervorragender Parteigenossen angemeldet. Um die Auseinandersetzung über innere Gegensätze kann es sich hier nicht handeln. Solche sind nur in einigen witthschaftlichen Fragen vorhanden, bei denen die Partei zu allen Zeiten Freiheit der Ueberzeugung gelten ließ und jeden Zwang zurückgewiesen hat. Der Parteitag wird sich in vollster Einmüthigkeit über die großen Zeitfragen aussprechen, er wird nur zur gegenseitigen Anregung und Ermuthigung in diesen schweren Zeiten dienen."