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Uolheckatt Pir Msdmff Erscheint wöchentlich zweimal u. zwar Dienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne j Nummern 10 Pf. Wmdt, Men, Menlehn md die UWeMe«. —-r r> Imtsbluü Inserate werden Montags und Donnerstag» bis Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionSvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Ltadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. Dienstag, de« 1». Juli 1894 No. SS Bekanntmachung. Herr Bezirksarzt Idr Lrlsr in Meißen ist vom §4. Juli bis mit kk- August I. beurlaubt und wird während dieses Urlaubes durch Herrn Bezirksarzt »r Bruner in Großenhain vertreten. Meißen, am 6. Juli 1894. Königliche Amtshauptmannschaft. i. V. Meusel, Bezirksassessor. Bekanntmachung. Die Arbeiten wegen Herstellung einer Schleuse und eines erhöhten Fußweges in der Freibergerstraße sollen an den Mindestfordernden vergeben werden. Die Bedingungen sind an Rathsstelle einzusehen. Angebote auf diese Arbeiten werden bis 14. Juli LI. erbeten. Wilsdruff, am 9. Juli 1894. Der Stadtrat h. I. V.: Funke. Die anarchistischen Verbrechen und die Sozialdemokratie. In der Presse dauern die Erörterungen über die ver brecherischen Thaten fort, deren Schauplatz in rascher Auf einanderfolge erst Lyon und darnach Livorno gewesen sind. Unter nahezu gleichen Umständen und aus nahezu gleichen Be weggründen sind dort das Oberhaupt eines mächtigen Staates, hier ein schlichter, um sein Vaterland wohlverdienter Bürger dem Mordstahl feiger Buben erlegen, der eine, weil er der Hinrichtung eines elenden Mörders, der den Tod längst und dreifach verdient hatte, nicht entgegentreten wollte, der andere, weil er die Blutthat von Lyon als das, was sie ist, ein Bu benstück der schlimmsten Art und eine ungeheure Frevelthat ge kennzeichnet und dadurch die Rache der Anarchisten herausge fordert hatte. Das Geschehniß ist lehrreich. Es zeigt, das die heimliche Verschwörerbande bereits keinen Unterschied mehr macht zwischen einem gekrönten und einem ungekrönten Haupt; ihr Kampf richtet sich gegen die ganze menschliche Gesellschaft, so weit diese nicht mit den Verbrechern gemeinsame Sache macht oder diese doch gewähren lassen will, gegen alle ordnungs-und friedliebenden Bürger. Angesichts dieser Thatsache mag es ja nützlich und noth wendig sein, den letzten Gründen dieser traurigen Erscheinung nachzuforschen, wiewohl dieselben für jeden Einsichtigen ohnedies klar zu tage liegen, nothwendiger und nützlicher aber ist es zweifelsohne, jetzt, wo die Gefahr ins Riesengroße wächst, so fort und ohne weiteres Besinnen der weiteren Ausbreitung des Uebels vorzubeugen und daher mit der vollen Strenge des Ge setzes insbesondere auch gegen alle diejenigen einzuschreiten, welche die verbrecherische Gesinnung nähren und das Gift so schrecklicher Irrlehren weiter verbreiten, indem sie die Frevelthat sogar noch zu beschönigen und zu entschuldigen sich erfrechen. Das aber thut leider auch die deutsche sozialistische Presse, wie wir kürzlich an dem Beispiel der „Sächsischen Arbeiterzeitung" gezeigt haben, welche sogar soweit gegangen ist, daß sie die fran zösischen Richter, die die überführten Mörder Henry und Vaillant pflichtgemäß zum Tode verurtheilten, mit dem Meu chelmörder Cäsario auf eine Stufe stellt und so, absichtlich oder unabsichtlich, zu neuen Mordthaten geradezu h.rausfordert. Daß sich die sozialistische Presse durch ein derartiges Vor gehen mittelbar zum Mitschuldigen der Verbrecher macht, müßte sie sich eigentlich selber sagen. Thut sie dies nicht, nun, so muß es ihr von anderer Seite begreiflich gemacht werden. Würde man solchem schamlosen Treiben länger ruhig zusehen, so würde man sich nicht wundern dürfen, wenn allmählich immer weitere Kreise, von dem Gifte sozialistischer und anar chistischer Irrlehren angesteckt, jeden sittlichen Maßstab ver lieren und allmählich auch sogar für das Verbrechen reif werden. Denn, darüber täusche man sich doch nicht, für die Beurtheilung der sozialistischen Lehre ist nicht die Meinung maßgebend, die die sozialistischen Führer selbst davon haben und wie sie dieselbe angesehen und angewandt wissen wollen, sondern ihre Wirkung auf die ungebildete und durch die Umstände aller Art ohnedies verbitterte Masse. Welcher Art aber diese Wirkung ist, das sehen wir täglich an der immermehr überhandnehmenden Neigung, der Autorität der Obrigkeit entgegenzutreten, an den fort währenden Verrufserklärungen rc. Eine Lehre, die solche Früchte zeitigt, kann von keinem Gesichtspunkte aus gerechtfertigt^ oder auch nur entschuldigt werden, man muß sie kennzeichnens als das, was sie ist, als eine die Herzen und Gewissen der^ Menschen beirrende, Gott und göttlichem Wesen feindselige und darum widerchristliche Lehre. Wir halten es daher auch !Ür thöricht und unrecht, wenn von sonst wohlmeinender Seite, darunter leider auch gewissen Angehörigen des geistlichen Standes, immer und immer wieder auf den „berechtigten Kern" der so zialdemokratischen Lehre fast geflissentlich hingewiesen wird. Solche Anerkennung wird in den betheiligten Kreisen falsch aus gefaßt und richtet daher immer nur von neuem Verwirrung und Unheil an. Was man den „berechtigten Kern" der So zialdemokratie nennt, hat mit der Sozialdemokratie als solcher überhaupt nichts zu thun, ist ihr nicht specifisch eigen und längst vor ihr viel besser und reiner, frei von schädlichen Zu- thaten, im positiven Christenthum dargestellt und zu einer von der gesammten Menschheit zu lösenden Aufgabe erhoben worden. Die Sozialdemokratie aber nimmt an dieser Lösung der Auf gabe nicht theil, leistet ihr auch keinen Vorschub, sondern hindert sie nur. Tagesgeschichte. Die abgelaufene Woche hat auf sozialpolitischem Gebiete eine Neuerung gebracht, die am 1. Juli erfolgte Einbeziehung der Hausgewerbetreibenden der Textil-Jndustrie unter die Be stimmungen des Jnvaliditäts- und Altersverstcherungsgesotzes. Ferner zeitigte die Woche einen bemerkenswerthen Gedenktag auf diesem Felde, denn am Freitag, den 6. Juli, waren zehn Jahre seit Erlaß des ersten Unfallversicherungsgesetzes verflossen. Man kann gewiß mit Fug behaupten, daß die Unfallversicher ungsgesetzgebung in dem nun verflossenen ersten Jahrzent ihres Bestehens im Allgemeinen höchst segensreich zu Gunsten der Arbeiterschaft gewirkt hat, mögen auch den verschiedenen Un fallversicherungsgesetzen in den Einzelheiten mancherlei Fehler und Schwächen anhaften. Am 1. Dezember nächsten Jadres wird wieder eine allge meine Volkszählung in Deutschland vorgenommen werden müssen. Die Volkszählung von 1890 sollte bekanntlich dazu benutzt werden, um in Verbindung mit ihr eine Gewerbezählung vor zunehmen. Es würde dies seit Konstituirung des Deutschen Reiches die dritte gewesen sein, nachdem 1875 und 1882 Be rufsstatistiken ausgenommen waren. Die betreffenden Vorschläge waren damals schon an den Bundesrath gebracht, dieser entschied sich jedoch für einen Aufschub der Gewerb-zählung, hauptsächlich weil er eine Beeinträchtigung der Volkszählung befürchtete. In zwischen hat sich das Bedürfniß nach der Schaffung einer Be rufsstatistik, welche über die seit dem Beginn der achtziger Jahre außerordentlich veränderten Verhältnisse des deutschen Erwerbs lebens authentischen Aufschluß zu geben bestimmt ist, noch ge steigert. Die Zahlen der Statistik von 1892 haben sich bei zu vielen Gelegenheiten als veraltet gezeigt. Wie vor einiger Zeit verlautete, will man denn auch in Regierungskreisen diesem Be dürfnisse Rechnung tragen. Es soll der Plan bestehen, an die Volkszählung von 1895 eine Gewerbezählung zu knüpfen. Die Vorgänge, welche sich vor der Volkszählung von 1890 abge spielt haben, sollten eigentlich davon abrathen, die Berufsstatistik in Verbindung mit einer anderen Zählung in Angriff zu nehmen, jedoch ist, auch wenn dieser Weg gewählt würde, eine zweckent sprechende Erledigung beider Zählungen durchaus nicht ausge schlossen. Allerdings ist, wie sich dies im Jahre 1890 gezeigt hat, eine recht frühzeitige Inangriffnahme der Vorbereitung der Zählungen dafür die unerläßliche Voraussetzung ; denn wenn es ^damals zu einer ablehnenden Haltung des Bundesraths gegen über der Gewerbezählung kam, so war daran auch der Umstand schuld, daß nicht genügend Zeit mehr vorhanden war, um den , Gegenstand gründlich durchzuberathen. Man wird deshalb gut thun, diesmal die Vorbereitungen für die Doppelzählung so frühzeitig als möglich einzuleiten. Ein Jahr ist dafür ein durch aus nicht zu langer Zeitraum. Wie aus diplomatischen Kreisen verlautet, finden zur Zeit zwischen dem Reichskanzler Grafen Caprivi und dem französischen Botschafter Herbette Unterhandlungen über eventuelle Maßregeln gegen die Anarchisten statt. Einer der hervorragendsten und angesehensten deutschen Parlamentarier undPolitiker begeht an diesem Dienstag seinen 70. Geburtstag, Herr v. Bennigsen, der Führer der nationalliberalen Partei. Die Antheilnahme an dem Ehrentage Herrn v. Bennigsens erstreckt sich gewiß über den Kreis seiner Parteigenossen weit hinaus. Gehört doch Rudolf v. Bennigsen mit zu den Vorkämpfern für die deutsche Einheit und hat er doch, nachdem dieses hehre Ziel durch Blut und Eisen er rungen worden war, hinyebend an dem Ausbau des neuen deutschen Reiches erfolgreich mitgewirkt und mitgearbeitet. Diese nationalen Verdienste Rudolfs von Bennigsen und die ihn be strebende reine patriotische Gesinnung sind ebenso unbestreitbar, wie seine persönliche Makellosigkeit und die Ehrenhaftigkeit in seinem ganzen Thun und Handeln, die ihm die Hochachtung auch seiner politischen Gegner längst sichern. Alle deutschen Patrioten, gleichviel, welcher Parteirichtung die sonst angehören, werden darum am 10. Juli dem verdienstvollen Politiker und Staatsmanns v. Bennigsen im Geiste ihre herzlichen Glück wünsche darbrmgen. Berlin, 6. Juli. Gestern Abend V28 Uhr wurde, wie schon mitgetheilt, Herr von Kotze aus der Haft entlassen. Den letzten Anstoß zur Entlassung hat, wie der „Berliner Lokal- Anzeiger" erfährt, die Vergleichung der Handschrift von Kotzes mit jener der anonymen Briefe ergeben. Diese Vergleichung, mit der eine hervorragende Autorität des Militärgerichts auf diesem Gebiete betraut worden war, ergab keinerlei Anhalts punkte für die Thäterschaft von Kotzes. Der Minister des königlichen Hauses, sowie andere Mitglieder der Hofgesellschaft haben gestern Abend Herrn von Kotze bei seiner Entlassung erwartet; dieselbe erfolgte auf telegrapischen Befehl des Kaisers. Herr von Kotze begab sich sofort zu seiner Gattin. Man glaubt, er werde wieder in den Hofdienst eingestellt werden. Ueber den Stand des Bierboykotts wurde in einer Sitzung des „Vereins Berliner Weißbierwirthe" mitgetheilt, daß entgegen den Angaben des „Vorwärts" die Wirthe — die ja allerdings am schwersten unter dem Boykott zu leiden hatten —vertrauens voll in die Zukunft blicken könnten. Der Bierkonsum habe — nach Ausweis der Brauereien — schon bedeutend zugenommen. Die Arbeiter trinken nach Feierabend mit ihren Familien schon wieder mit Behagen boykottirtes Bier, nur in den Werkstätten wagen sie es noch nicht recht. Unterstützungsmittel für die Gastwirthe seien hinreichend vorhanden und laufen täglich neu ein von allen Seiten und aus allen Theilen Deutschlands. Selbst von den Behörden und von den höchsten Stellen seien den Gastwirthen Aufmunterungen zugegangen und jede Unter stützung zugesagt. Es könne mitgetheilt werden, daß von jetzt ab den Gastwirthen hinsichtlich der Veranstaltung von Ver gnügungen und Tanzlustbarkeiren selbst des Sonnabends abends keine Hindernisse mehr in den Weg gelegt werden. Auf die jenigen Gastwirthe aber, welche ihre Säle den Sozialdemokraten freigegeben haben, scheine sich dies Entgegenkommen nicht zu beziehen. Der zweite stellvertretende Vorsitzende Herr Bandelo« theilte noch mit, daß ihm aus den Kreisen der Industriellen und Handwerker viele Zuschriften zugegangen seien, in denen dieselben ersuchen, vom Verein doch Sammellisten auszugeben; es würden sofort reichlich Beiträge gezeichnet werden. Diese Zuschriften sollen der Saalbesitzer-Kommission als der in dieser Angelegenheit zuständigen Organisation überwiesen werden. In Sachen der Rechtschreibung hat der Verein preußischer lVolksschullehrer eine Eingabe an den Minister der Un»