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Wochenblatt für WW Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne j Nummem 10 Pf. Tharaabt, DD, Menlehn nnd die Umgegenden. Imtsblult Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 40. Freitag, Zerr 18. Mai 1804. Bekanntmachung, die öffentliche» Impfungen und Impnevisionc» betreffend. Nachdem in Gemäßheit der Verordnung, die Ausführung des Reichsimpfgesetzes vom 30. März 1875 betr., von dem für den hiesigen Jmpfbezirk in Pflicht genommenen Jmpf- arzte, Herrn Vr. Fiedler hier, die öffentlichen Impfungen und Jmpfrevistonen, mit Ausnahme von Grumbach, in welchem Orte die öffentlichen Impfungen Dienstag, den 22. -s. Mts., Nachmittags V?» Uhr, im dasigen Gasthofe von Demselben vorgenommen werden sollen, bis auf Weiteres auf jeden Montag, Nachnritiags 1 Uhr, in dem hierzu bestimmten Lokale, der Turnhalle hier, anberaumt worden sind, so werden die Eltern, Pflegecltern und Vormünder der hier aufhältlichen Kinder, a., welche im vorigen Jahre geboren worden sind, b., welche im vorigen Jahre der Jmpfpflicht nicht oder nicht gehörig genügt haben und c., welche nach hier verzogen sind und der Jmpfpflicht noch nicht oder nicht gehörig Genüge geleistet haben, sowie ä., derjenigen Schulkinder, welche im Laufe dieses Jahres das 12. Lebensjahr zurücklegen, sofern sie nicht nach ärztlichem Zeugnisse in den letzten 5 Jahren die natürlichen Blattern überstanden haben, oder mit Erfolg geimpft worden sind, aufgefordert, bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu Fünfzig Mark oder einer Haftstrafe bis zu drei Tagen, mit ihren impfpflichtigen Kindern in den anberaumten Impf- und Revistonsterminen, zu welchen sie, insoweit sie in den Jmpflisten sich bereits eingetragen be finden, noch besonders virgeladen werden, behufs der Impfung und ihrer Cvntrole zu erscheinen oder die Befreiung von der Impfung durch ärztliche Zeugnisse nach zuweisen. Die Unterlassung der Führung der lctztgedachren Nachweise ist mit einer Geldstrafe bis zu 20 Mark zu bestrafen. Die Impflinge aus solchen Häusern, in welchen etwa ansteckende Krankheiten, wie Scharlach, Masern, Diphtheritis, Croup, Keuchhusten ete. herrschen oder in den letzten sechs Wochen geherrscht haben, dürfen zum allgemeinen Impftermine nicht gebracht werden, sind vielmehr auf hiesiger Rathsexpedition anzumelden und werden in der Wohnung des Herrn vr. meä Fiedler hier geimpft. In diesem Jahre geborene Kinder, welche in den bevorstehenden Impfterminen der Impfung unterworfen werden sollen, find vor dem Impftermine ebenfalls auf hiesiger Raths expedition anzuzeigen. Die Impfungen erfolgen unentgeltlich. Wilsdruff, am 16. Mai 1894. Der Stadtrat h. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Der im Auftrag der national-liberalen Partei herausge gebene Bericht über die Reichsgesetzgebung in der zweiten Session der IX. Legislaturperiode (1893/94) ist jetzt erschienen. Es ist ein ziemlich starkes Heft, dessen größerer Umfang sich aus der Wichtigkeit der dargestellten Gegenstände, namentlich der Handels verträge und der Finanz- und Steuerreform erklärt. In einigen Schlußbetrachtungen heißt es: Der einzige große positive Er folg waren die Handelsverträge, deren Zustandekommen von außerordentlich heftigen Kämpfen, von einer bedenklichen Er regung der Gegensätze und Leidenschaften und von manchen Er scheinungen begleitet war, die auf tiefe Störungen in unserem politischen Leben hinwiesen. Die - Kämpfe zwischen den wirth- schaftlichen Interessen waren noch niemals mit solcher Leiden schaft ausgefochten worden, und es wird lange dauern, bis hier wieder Versöhnung und Verständigung eintritt. — Es waren grundverschiedene Mehrheiten gewesen, welche bei entscheidenden Abstimmungen den Ausschlag gaben, bald die Rechte, bald die äußerste Linke. Eine sichere ReichStagSmchrheit, mit der eine feste, zielbewußte Politik getrieben werden kann, ist nicht ver banden. Eine bedauerliche Erscheinung war die andauernde Beschlußunsähigkeit des Reichstags. Mit Ausnahme einzelner großer Abstimmungen, wo allerdings ein fast vollzähliges Haus sich versammelte, war der Besuch andauernd ein überaus spär licher, die wichtigsten Verhandlungen fanden vor leeren Bänken statt und fortwährend mußten Rücksichten in der Geschästsbe- handlung genommen werden, um nicht Auszählungen hervorzu rufen. Neber die Finanz- und Steuerreform, wie sie nach den Verhandlungen und Entschließungen des Reichstags sich darstellt, wird bemerkt: Die Reform der Börsensteuer war der einzige dürftige Gewinn des Stcuerfeldzuges. Der Reformplan war aber nicht endgiltig abgelehnt (das ist bei dem Zwang der Thatsachen nicht möglich), sondern nur vertagt. Was im Reich zur Bestreitung seiner Bedürfnisse nicht aufzubringen ist, das müssen eben die Einzelstaaten herbeischaffen, und sie sind dazu nach Lage ihrer Finanz- und Steuerverhältnisse nicht mehr im stände. Der Druck auf den widerwilligen Reichstag muß von den Einzelstaaten ausgehen und wird sicher nicht ausbleiben. Es hat sich schon im bisherigen Verlauf der Angelegenheit eine starke Verschiedenheit zwischen den Vertretungen der Bundes staaten und des Reichs in der Auffassung der Steuerfragc geltend gemacht, und wir werden die Wirkung erleben, wenn erst in den Haushaltungen der Einzelstaaten die harten That sachen handgreiflich hervortreten. Die Schönfärbereien und Etatskünsteleien, mit denen der Abg. Richter das Defizit hinwegzuzaubern suchte, werden sich rasch in ihrer ganzen Leer heit enthüllen. Die Bundesstaaten kämpfen alle jetzt schon mit Fehlbeträgen; die direkten Steuern sind überall bereits bis zu einem Maß gesteigert, daß die mittleren Stände, auf denen das Schwergewicht der Belastung ruht, schlechterdings nicht mehr fähig sind, noch mehr zu leisten. Andere Steuerquellen von irgend welcher Ergiebigkeit aber sind für die Einzelstaaten nichl vorhanden. Daraus muß eine Nothlage entstehen, die mit der Zeit geradezu die Lebensfähigkeit namentlich der kleinen Bundes staaten bedrohen würde. Kurt v. Schlözer, der ehemalige Gesandte Preußens beim Vati-au, ist am Pfingstsonntag in Berlin im Alter von 72 Jahren gestorben. Der Verstorbene begann seine diplomatische Laufbahn als preußischer Geschäftsträger sn Rom, wurde dann Ministerresident des Norddeutschen Bundes in Mexiko, übernahm 1871 den deutschen Gesandtenposten in Washington und wurde schließlich preußischer Gesandter beim päpstlichen Stuhle nach Wiederherstellung des Friedens zwischen Preußen und Nom. In überaus taktvoller und geschickter Weise löste Kurt von Schlözer auf diesem schwierigen Posten die heikle Aufgabe, die Beziehungen der preußischen Regierung zum Vatican wieder in freundschaftliche Geleise zu lenken und sie in denselben zu er halten, so daß man dem verewigten Diplomaten einen hervor ragenden Antheil an der erfreulichen Neugestaltung des Ver hältnisses zwischen Preußen und dem Vatikan zuerkennen muß. In Berlin tagt seit Pfingstmontag der internationale Berg- arbeitcr-Congreß. Die erste Congreßsitzung wurde durch dze verschiedenen Begrüßungsansprachen und geschäftliche Formali täten ausgesüllt. Der genannte Kongreß hat insofern zu einem Zwischenfalle geführt, als der Belgier Defuisseaux, welcher 1886 den großen Ausstand der belgischen Bergleute organisirte, dann nach Frankreich übersiedelte und jetzt von den Bergleuten Frankreichs als einer ihrer Vertreter zum Berliner Congreß entsendet worden war, polizeilicherseits alsbald nach seiner Ankunft in der deutschen Reichöhauptstadt ausgewiesen worden ist, Ob die Ausweisungs maßregel gegen Defuisseaux auf Grund seines früheren agi tatorischen Wirkens oder aus anderen.Ursachen erfolgte, muß noch dahingestellt bleiben. Der „Bund der Landwirthe" läßt gegenwärtig bei seinen Mitgliedern Erhebungen darüber anstellen, wie viel Getreide besitzer, welche weniger als 10 lln Acker haben, im Durchschnitt der letzten 5 Jahre zum Verkauf gebracht haben. Es handelt sich hierbei um die Gewinnung thatsächlichen Materials dafür, daß nicht nur Großgrundbesitzer, sondern auch kleine Grund besitzer Getreide zum Verkauf bringen. Der Vorstand der Schuhmachergesellen-Brüderschaft in Lübeck erläßt an die Schuhmachergesellen Deutschlands folgenden Aufruf: „Durchdrungen von dem Bewußtsein, daß der deutsche Handwerker von sozialistischer Seite keine Rettung zu erwarten hat und insbesondere die Gesellen des Schuhmachergewerbes eine Verbesserung ihrer Lage nur erlangen können, wenn dem Handwerk auf gesetzmäßigem Wege geholfen wird, hat sich die unterzeichnete Brüderschaft gebildet, um an ihrem Theile mitzu arbeiten an den Bestrebungen der deutschen Handwerker." Der Vorstand der Schuhmachergesellen-Brüderschaft in Lübeck ersucht deshalb die in anderen Städten des Deutschen Reiches be stehenden Brüderschaften, sowie alle der sozialistischen Bewegung fernstehenden oder mit den Tendenzen derselben nicht einver standenen Kollegen, mit ihm behufs Meinungsaustausches und ev. Gründung eines Bundes deutscher Schuhmachergesellen- Brüderschaften in schriftlichen Verkehr zu treten. Gleichzeitig bittet der genannte Vorstand die Vorstände der Schuhmacher- Innungen und deren Mitglieder um Verbreitung des Aufrufes im Kreise ihrer Gesellen und bestmögliche Unterstützung der fraglichen Bestrebungen. Mittheilungen und Anfragen sind zu richten an den Vorsitzenden H. Schwarz zu Lübeck, Mühlenstr. 7. Die sozialdemokratische Centralleitung in Berlin ist mit den Buchdruckern sehr unzufrieden. Es ist noch nicht lange her, da hat Herr Liebknecht in den Buchdruckerversammlungen die Jünger Gutenbergs als die Elitetruppe der Sozialdemokratie bezeichnet. Die Herren haben in der That die beste Organisation und haben für die Sozialdemokratie die größten Opfer ge- ' bracht, Aber ein wenig sind die Buchdrucker immer ihre eigenen Wege gegangen. An die Boykottbeschlüsse der übrigen Genossen haben sie sich nicht gekehrt. Wollten sie Feste feiern, so haben sie nicht danach gefragt: „Ist das Lokal geboykottirt, sondern paßt es für den beabsichtigten Zweck?" In der letzten Zeit haben nun die Buchdrucker die Boykottbeschlüsse ganz außer Acht gelassen und voller Wuth ist die ganze sozialdemokratische Partei über sie hergefallen, ja ein sozialdemokratisches Blatt hat die Buchdrucker den Streikbrechern gleick gestellt. Natürlich haben die Buchdrucker diese Angriffe nicht gleichgiltig hinge nommen, sondern in ihren Versammlungen den Sozialdemokraten derb die Wahrheit gesagt. Aber da ist nun am 1. Mai etwas ganz Unerhörtes geschehen. Die sozialdemokratische Presse Hal nämlich gefeiert, den Buchdruckern ist aber stellenweis dieser Tag in Abzug gebracht worden. Die Herren sind aber der Meinung, daß, wo das Geschäft den Feiertag erklärt, derselbe auch dem Personal bezahlt werden muß. Aber zwischen so zialdemokratischer Theorie und Praxis besteht ein himmelweiter Unterschied. Daß die Anarchisten nicht als politische Verbrecher zu behandeln sind, dürfte heute be' allen L-taaten leitender Grund satz sein, und niemand, der die Aufrechterhaltung unserer kul turellen Errungenschaften wünscht, dürfte dem Grundsatz ent gegentreten, daß Bombenwerfer einfach gemeine Verbrecher und als solche zu behandeln sind. Die Schweiz kommt dem energisch geführten Kampf der Staaten gegen die Exaltadors nunmehr in geeignetster Weise entgegen, indem der Bundesrath beschlossen hat, künftighin ausgewiesene Anarchisten über die Grenzen des betreffenden Heimathsstaates abzuschicken. Das sozialdemo kratische Blatt in Berlin, das von den Anarchisten angeblich nichts wissen will, ist natürlich empört über diese Härte den lieben Gesellen, um nicht zu sagen Genossen, gegenüber und schreit Zeder: „Anarchisten dem Heimathsstaat auszuliefern, heißt einfach, sie ins Gefängniß und ans Messer liefern!" Ja, wohl, die Herrschaften brauchen aber nur von ihren Ver nichtungsplänen abzustehen und niemand liefert sie ans Messer. Es war hohe Zeit, daß sich die Kulturstaaten stillschweigend zu vereinigtem Vorgehen gegen Mordbrenner und ähnliches Ge lichter verbanden. Am 1. Juni werden seit dem Erlaß der letzten Gewerbe ordnungsnovelle drei Jahre verflossen sein. Die „Berl. Pol. Nachr." werfen aus diesem Anlaß einen Blick auf die Wirkung der in ihr enthaltenen neuen Bestimmungen über die Regelung der Fabrikarbeiterverhältnisse. Es kann nicht geleugnet werden, daß einige der neuen Vorschriften sich bewährt haben, jedoch sind die fast ausschließlich diejenigen, zu denen die Industrie von vornherein ihre Zustimmung gegeben hatte. So wird es wohl nirgends gegenwärtig als störend empfunden, daß mit dem 1. April d. I. die schulpflichtigen Kinder vollständig aus den Fabriken verschwunden sind. Aber selbst das offiziöse Organ erkennt an, daß es mit der Neuregelung der Arbeitszeit bezw. Arbeitspausen bei den Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern schon anders steht. Hier wirken bereits die gesetzlichen Be stimmungen hemmend auf die Betriebe ein; denn durch die verschiedene Bemessung der Arbeitszeit wird die Kontinuität der Betriebe gestört, selbst wenn diese sich, was wohl größtentheils geschehen ist, für alle Arbeiter der für Arbeiterinnen vorge schriebenen Maximalarbeitszeit angepaßt haben. Noch mehr aber haben die auf diesem Gebiete getroffenen Ausführungsvorschriften Schwierigkeiten bereitet, Daß hierbei in manchen Punkten zu