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Zweites Blatt. WochenM für MÄmff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne / Nummem 10 Pf. Thamlit, Kossen. Ärbenlehn md die AmgeMden. Imlsölstj Inserate werden Msutags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionsvreiS 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. " „ für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 24. Freitag, dem 23. März 1894. schrie sie bei diesem Anblick aufs Neue. Da muß sich ja ein Stein er Aus sat schwingt sie sich auf am Ostermorgen in das Blau deö Himmels und grüßt ihre Heimath droben über den Sternen mit österlichem Lobgesang. Der sie frei gelassen hat aus Fesseln und Banden, ist selbst zu Ostern der Heimath, aus der er stammte, zurückgegeben worden. Selbst erlöst, erlöst er alle Seelen, die nach Erlösung dürsten. Der befreite Christus ist unser Befreier. Jetzt erst löste sich der Bann, welcher auf den Knechten und Mägden während des ganzen unheimlichen Vorganges ge legen. Man erging sich in tausenderlei Vermuthungen und die Stimmen schwirrten wie im Aufruhr durcheinander, bis der Verwalter Stille gebot. Soviel war aus den Reden aller : Gutsangehörigen deutlich genug erkennbar, daß man froh war, ' den gefürchteten Gebieter in solcher Weise losgeworden zu sein. Als der Wagen endlich sein Ziel erreicht, der Gefangene z sicher untergebracht war, da schritt Wolfius nach dem Telegraphen- chmt, welches zu seinem Leidwesen bereits geschlossen war. Sein z Telegramm, das am nächsten Morgen abblitzte, war an Mister Mamsell Evers eilte, von Granen geschüttelt, aber auch von heimlicher Freude belebt, da die Heirath ja nun unmöglich geworden war, fort und kehrte so rasch als möglich mit dem Verwalter und drei kräftigen Knechten zurück. Nachdem der Detectiv dem Verwalter sein amtliches Schild gezeigt und einige leise Worte mit ihm gewechselt hatte, mußten die Knechte, welche ganz dumm vor Staunen dreinschauten, den Gefangenen aufheben und hinunter in den Wagen tragen, wo sie ihn grinsend auf das Stroh legten. Auf des Detektivs Befehl mußten sie ihm noch einen Bündel Stroh unter den Kopf schieben, worauf sich jener ebenfalls auf den Wagen schwingen wollte. Da trat Mamsell Evers in Hut und Tuch resolut auf ihn zu. „Ich fahre mit nach der Stadt," sagte sie, „muß mich nach dem Fräulein umschauen. Habe meine Anordnungen schon i getroffen, Herr Wolfius!" Gut, Mamsell!" erwiderte er. „Setzen Sie sich nur zu wir im Osterfest. So ist die Ostergeschichte nicht ein frommes Sinnbild für das aus dem Todesschlafe erwachende Leben der Natur, sondern umgekehrt: der blühende Lenz draußen ist ein Gleich-Hilbrecht in Göttingen gerichtet und lautete: „Kommen Sie niß des Todesüberwinders, der auch einst die Grabespfortc schleunigst mit dem ersten Zuge nach hier, um Mister William öffnen wird. > Prien zu recognosciren. Eckert." (Schluß.) „Ich leide so etwas nicht, wissen S'e das? Tante Hanna s Geheimnitz. Original-Roman von E. v. Linden. sNachdruck verboten.) Die Osterfeier. Einem edlen Sänger unseres Volks, der deni erwachenden Frühling prächtige Weisen zu singen wußte, brachten die Freunde zum Danke eine gefangene Lerche als Frühlingsgabe. Aber der Sänger trug die Lerche am Ostermorgen wieder hinaus in die lichte grünende Saat und that seine Hand auf und ließ das Vöglein frei. „Stimm ein, rief ich, zu Gottes Ehren, Sing, freie Lerche, deinen Sang! Sie sang - ein Ton, ich werd' ihn hören Mein ganzes, ganzes Leben längs" Darin, in nichts anderem liegt die Bedeutung des Oster festes. Mag der Name immerhin auf eine altheidnische Frühlings feier unserer Altvorderen weisen, mögen weite Kreise unseres Volks auch heute in der österlichen Feier lediglich eine Huldigung sehen, die dem klingenden, singenden Lenze dargebracht wird, so wird damit doch nur die Schale getroffen, nicht der Kern. Und wenn es auch wahr ist, daß das christliche Ostern, an die Stelle des alten Passahfestes getreten ist, welches die Gläubigen in Israel zur Erinnerung an die Erlösung aus Egypten all jährlich festlich begingen, so ist doch unser Osterfest etwas weit Höheres und ganz Neues. Ohne die Auferstehung des Ge kreuzigten gäbe eS kein Ostern; nur wer dieses Erwachen feiert, feiert ein rechtes Osterfest. Alles Andere ist Beiwerk, vergäng licher Schmuck, ja manchmal werthloser Flitter. Man setzt in unseren Tagen gern die Bedeutung, die der Osterfürst für uns § „vvm, uuum,cu! eewivcele ». »»» z» hat, in sein Vorbild. Auch die Philosophen mahnen uns,! dem Kutscher, ich bleibe bei meinem Freunde hier im Stroh." Jesu von Nazareth nachzueifern in seiner unbegrenzten Nächsten-! Er half ihr galant hinauf, schwang sich dann selbst auf liebe, seiner Demuth, seiner Geduld. Und gewiß, dieser Mann den Wagen und vorwärs ging es durch die laue Sommernacht ohne Gleichen ist das höchste sittliche Vorbild, das wir uns der Stadt Moorkirch ^u. wählen können. Aber er ist mehr als unser Vorbild, weil er ter Auserstandene, der Lebendige ist, der den Thron im Reiche der Wahrheit emgenommen hat und aus der Fülle des eigenen Lebens seine Jünger, die betend ihn anrufen, mit Geist, Kraft Trost und weltüberwindendem Glauben erfüllt. Keine Marmor- statuc, sondern der Gottmensch voll Lebenskraft, ist er der Herr und das Haupt der christlichen Gemeinde. Seinen Sieg über den Tod und seine Eiböhung zu ewiger Herrlichkeit feiern Zum Charfreitag. „Verhöhnt, gegeißelt und ans Kreuz geschlagen, Muh der Gerechte uns're Missethat, Muß er die Strafe unsrer Sünde tragen" — O wunderbar geheimnisvoller Rat, Beschlossen, eh' der Bau der Welt gegründet, Nun längst vollführt und aller Welt verkündet! Ich freue mich, und dennoch möcht' ich weinen, Vor Wehmut weinen, die das Herz mir bricht, Es kam der Herr hernieder zu den Seinen, Und seine Brüder achteten es nicht! Unglücklich Volk, unselig und verblendet, Wenn schlägt die Stunde, die dein Elend endet? — Und ach, wenn wird die große Stunde schlagen, Wo unsren Brüdern einst die Bind' entfällt? — Der Herr der Welt hat ihre Schuld getragen, Doch sie, sie glaubt es nicht, — die arge Welt; Ja Millionen, die auf ihn getauft, Dünkt es ein Märlein, daß er sie erkauft! Doch still mein Herz! wem dankst denn du dein Leben? Wem, o mein Herz, das einst so traurig schlug? Der dir es gab, der kann's auch Andren geben, Wie er auch ihre Sünd' am Kreuze trug. Drum sei getrost, dem es an dir gelungen, Der hat wohl Stärkre schon als dich bezwungen. — barmen, und noch dazu im Hause seiner Braut —" „Na, na, Mamsell, nur ruhig," interbrach der Detektiv sie kaltblütig, „werden bald aus einer anderen Tonart pfeifen und dem Unmensch danken. — Sie werden doch wissen, daß Ihre Herrin in diesem Schränkchen ihr Geld und ihre Doku mente aufbewahrt." „Gewiß, — öffnen kann es Niemand, als sic allein." „Und dieser Herr, der hier am Boden liegt, er hat's wenigstens vortrefflich verstanden." „Er hat bas Schränkchen geöffnet?" fragte die Alte, starr auf den Gefangenen blickend. „Freilich", setzte sie, sich be sinnend, hinzu, „möglich ist es immerhin, denn sie hatten auf Notenhof auch so eins. — Aber das Fräulein kann's ihm ja auch aufgetragen haben." „Weil sie wahrscheinlich mit ihm ausreißen will," bemerkte Wolfius, verächtlich auflachend, „machen Sie keine Dummheiten Mamsell, es könnte Ihnen sehr schlimm darnach ergehen. Passen Sie auf!" Er leerte die Taschen des Geknebelten, der wiede'' so ent setzenerregende Gesichter schnitt, daß die Mamsell Evers sich schaudernd abwenden mußte. „Sehen Sie hier — und hier — und hier — wahr haftig, ein nettes Vermögen, mit wechem der saubere Patron doch geradewegs nach der nächsten Eisenbahnstation wollte, um zu verduften, weil er die Morgenluft witterte. Hier hat er wahrhaftig noch ein prächtiges Schmuckstück mitgehen heißen, ein Diamantkrcuz — Donner — welches Feuer und welche wundervolle Fassung! Das Kreuz müssen Sie doch kennen, Mamsell?" „Und ob ich es kenne," rief sie, tief aufathmend. „Ge rechter Himmel!" „Wollen Sie den Wagen jetzt anspannen lassen und mir die Leute schicken?" fragte der Detektiv, die Geldrollen und Banknoten, sowie das Kreuz wieder in des Gefangenen Taschen schiebend. „Soll der Spitzbube, der Gauner denn das Alles be halten?" schrie Evers ganz außer sich. Wolfius lachte. „Wir müssen es ihm vorest noch lassen, es wird ihm seine Gefangenschaft einstweilen versüßen. — Vorwärts jetzt, meine Liebe!" Diese Lerche ist ein Sinnbild der menschlichen Seele. dem Kerker des Leidens, aus der vergitterten Zelle der Trüb Mamsell Evers war nach dem Holten'schen Hause geeilt, wo ihr die niederschmetternde Kunde wurde, daß ihr Fräulein todlkrank im Hospital sich befinde. * * Die Zeit kennt keinen Stlllstand, wir sehen sie lautlos ent weichen und fühlen ihren Pulsschlag nur in den Schatten, den die Sonne auf unsern Weg wirft und der sich wie ein Mahn ruf in unser Gewissen drängt: Wirke, weil es noch Tag ist, — es kommt die Nacht, wo Niemand mehr wirken kann! Wie hastet sie unter unsern Händen fort in der drängen den Eile des Schaffens und in den Augenblicken des Glücks, des Genusses, der Freude! — Wie schleicht sie dem Kranken und Schmerzgefolterten dahin in schlaflosen Nächten, — und wie furchtbar entschwindet die Zeit dem Verurtheiltcn, dessen Leben an einem Federstrich des Fürsten hängt. Julius Steindorf hatte lange geleugnet und die Unter suchung nach allen Seiten hin erschwert, obgleich Mister Hil brecht, welcher auf das Telegramm eiligst gekommen war, ihn sofort für den Betrüger erklärt hatte, welcher unter dem Namen William Prien den erschossenen Warneck in Chicago seines ganzen Vermögens beraubt und damit das Weite gesucht hatte. Da nun sein Kinnbart glatt wegrasirt und die rothe Narbe zum Vorschein gekommen war, so konnte er diesem Theil der Anklage nicht leugnen, zumal der Cvmmissar Frenzel eidlich er härtete, daß der ermordete Warncck ihm dieses besondere Kenn zeichen seines räuberischen Geschäftsführers William Prien mit- getheilt habe. Er räumte nun schließlich ein, den Namen William Prien in Amerika angenommen und den Raub begangen zu haben, leugnete aber hartnäckig die Attentate im Hohlwege und oben un Gebirge. Selbstverständlich erregte die Verhaftung des eleganten Stein dorf ein ungeheueres Aufsehen in der ganzen Gegend, da man ihn wohl für einen Aufschneider und Don Juan, doch nimmer mehr für einen solchen Raubgesellen und Mörder gehalten hatte. Kein Mensch zweifelte darach daß er den Mord im Hohlweg begangen, und ein Jeder verurtheilte ihn um so härter, als er dabei sein einziges Kind getroffen und frivol genug gewesen war, sich sogleich wieder zu verloben. Es gingen sogar Einige in ihren Eifer so weit, zu behaupten, daß er sein Töchterchen vor sätzlich erschossen habe, weil dasselbe seine Thaten in Amerika hätte ausplaudern können. Das war jedoch nicht der Fall. — Lotta hatte seine volle, ungetheilte Liebe besessen und ihr Tod durch seine Hand ihn tief getroffen. Freilich war seine Natur nicht danach angethan, einen Kummer lange in sich zu hegen oder sich mit Gewissenö- bffsen zu plagen. Die Aussicht auf Reichthum und Lebensgenuß, welche die Heirath mit der Besitzerin von Edenheim ihm bot, bannte alle Geister und trüben Erinnerungen, da nur der Lebende nach seiner Philosophie Recht hatte. Mit Steindorfs Verhaftung aber war die Aussicht dahin. Er konnte sich's nicht verhehlen, daß er als ein auf frischer That ergriffener Verbrecher und Dieb für die Sphäre der Gesellschaft unmöglich geworden und daß auch Amerikas Boden für ihn kein ungefährdeter mehr war. Er berechnete, wie viele Jahre Zuchthaus man ihm zuerkennen werde und nickte finster zu dem ansehnlichen Resultat. Aber er blieb wenigstens am Leben und die Zeit geht auch im Zuchthause hin; endli'ch mußten sich ihm jene unheimlichen Pforten doch wieder öffnen. — Den - Mord gestehen! — Nimmermehr! Ader er hatte nicht mit den einsamen Nächten und den endlos langen Tagen einer solchen Haft gerechnet. Die Ge danken an sein Kind, welches er selbst getödtet, an sein im fernen Weltthcil begrabenes Weib, das er vernachlässigt, dem Hunger und Gram preisgegeben, in ein frühes Grab gestürzt hatte, diese Gedanken kamen erst vereinzelt und langsam wie kleine Schattenbilder und er scheuchte sie unwillig von sich ab. „Ein unglückseliger Zufall," murmelte er dann, „arme kleine Lotta, ich hatte Dich ja so lieb. — Bah, das Weib war mein Unglück, hätte sie mich nicht umgarnt, ich war so jung noch, — was soll diese Erinnerung? — Sie verdiente ihr Loos, hat mich um zwei Güter gebracht, mich in's Verderben gerissen. — Weg damit!" Er konnte den Gedanken jedoch nicht gebieten, sie kamen wieder, krochen jetzt häufiger wie giftige Schlangen an ihn heran und peinigten ihn grausam. Oft sprang er mitten in der Nacht auf und lief in seiner Zelle umher, um diese Ge danken los zu werden. Nun, Julius Steindorf war kein arm seliger Gefühlsschwärmer, die rodte Frau ließ von ihm, der er mordete Warneck moderte ruhig in seinem Grabe. Ach, es war rührend, er lachte über den sentimentalen Besitzer von Rotenhof, welcher demselben in seinem Garten ein Grab ge-