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Meilage zu Mo. 90 des Wochenblattes für Wilsdruff etc. Stadtgemeinderathssitzung vsnr §2. Oktober 18YS. 1 ., Wurden, nachdem man von den eingegongenen Schreiben der Herren Bürgermeister Zschiedrich-Nossen und Wolf-Sie- benlehn in Eisenbahnangelegenheiten Kenntniß genommen hatte, die Herren Stadtverordneten Berger und Hoffmann sowie der unterzeichnete Bürgermeister zur Theilnahme an der demnächst in Mohorn stattfinden sollenden Versammlung der betreffenden Eisenbahnbau-Komitees und Interessenten gewählt; 2 ., genehmigte man die Beschlüsse der Feuerlöschdeputation vom 23. September d. I.; 3 ., ermäßigte man auf eine Eingabe des Herrn Schieß hausbesitzer Schumann hierselbst den in der Sitzung vom 21. September d. I. auf 3 M. festgesetzten Kaufpreis für 1 s^s mtr. des am nördlichen Giebel seines Schießhausgrundstückes gelegenen Vogelwiesenlandes auf 2 M. 50 Pf.; 4 ., nahm man Kenntniß von der Weiterführung der in der hiesigen Freibergerstraße oberhalb der Mühlgrabenbrücke ge legene Rohrschleuße nachdem nahen Fluder und der Gewährung von 80 M. zu den Kosten dieser Baulichkeit aus hiesiger Stadtkasse; 5 ., wählte man in die Deputation für die diesjährige Stadtverordneten-Ergänzungswahl die Herren Stadtverrordneten Berger, Hoffmann und Kunze sowie Herrn Schuhmachermeister Fünfstück und Herrn Sattlermeister Bernh. Klemm; 6 ., wurde auf eine Eingabe des Herrn Schornsteinfeger- meister Beck und Gen., in welcher die Revision der hiesigen Feuerstätten nur gegen Gewährung eines höheren als des bis herigen Honorars in Aussicht gestellt wird, beschlossen, die Er höhung desselben abzulehnen, Herrn Beck und Gen. jedoch an heim zu geben, diese Revision für die zeitherige Entschädigung vorzunehmen, ablehnenden Falls jedoch Herrn Beck das Honorar gänzlich zu entziehen und die künftige Revision der hiesigen Feuerstätten durch Herrn Stadtverordneten Dinndorf und Herrn Beck, welch Letzterer hierzu verpflichtet ist, vornehmen zu lassen; 7 ., faßte man Beschluß in einer Unterstützungssache; 8 ., hatte man gegen die beabsichtigte Dampfkesselanlage des Herrn Drechslermstr. Haschke hier etwas nicht einzuwenden; 9 ., ist man mit der vorzunchmenden Reparatur der Keller treppe des hiesigen Rathhauses einverstanden. Sta-tgemeinberathssitzung vsm 7. Nsv. 18Y3. 1 ., Wurde, nachdem der unterzeichnete Bürgermeister über das Resultat der am 26. Oktober 1893 in Mohorn abgebaltenen Versammlung der Eisenbahnkomitees und Interessenten Bericht erstattet hatte, auch der inzwischen vom Stadtrathe zu Nossen eingegangene Eisenbahnbaupetitionsentwurf vorgelesen worden war, beschlossen, denselben wegen Abweichung von den Beschlüssen der Mohorner Versammlung nicht zu vollziehen, sondern die Vollziehung erst dann vorzunehmen, wenn derselbe dahin abge ändert worden ist, daß um den Bau einer Eisenbahn von Wilsdruff über Limbach, Mohorn nach Nossen und nicht um einen Anschluß derselben an den nachgesuchten Bahnbau Freiberg, Halsbrücke-Zollhaus petirt wird, rc. 2 . soll Herr Stadtverordneter Dinndorf die morgen in Meißen abgehalten werdende Diöcesanversammlung besuchen; 3 ., lehnte man das Gesuch des Vorstands des Sächs. Landesverbands der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung um Gewährung eines regelmäßigen Beitrags ab; 4 ., wurde Beschlußfassung auf das Gesuch des Herrn Stadtgutsbesitzer Uibrig hier um Versetzung der Straßenlaterne unterhalb seines Grundstücks nochmals ausgesetzt; 5 ., nahm man Kenntniß von einem Schreiben der Firma Kummer und Co. in Dresden, in welchem dieselbe die Her stellung einer elektrischen Beleuchtungsanlage in hiesiger Stadt anbietet; 6 ., faßte man Beschlüsse in zwei Unterstützungssachen. Wilsdruff, am 9. November 1893. Der Stavtgemeinderath. Ficker, Bürgermstr. Vaterländisches. — Dresden, 6. November. Unter der Anklage des Mordes, verübt an der 19jährigen Fabrikarbeiterin Lina Leicht, hatte sich heute der ca. 26 Jahre alte Zimmermann Josef Emanuel Kaschel aus Grunau, Regierungsbezirk Neiße, vor dem König!. Schwurgericht zu verantworten. Der jchon mehr fach vorbestrafte Angeschuldigte blickt auf eine sehr bewegte Ver gangenheit zurück, die auf eine verfehlte Erziehung zurückzuführen ist. Zu Ostern d. I. knüpfte Kaschel mit der damals in Groß luga bediensteten Magd Lina Leicht ein Liebesverhältniß an, das jedoch im Juli von letzterer wieder gelöst wurde, da K. ein lüderliches Leben führte. Der Angeklagte faßte deshalb, feinem unumwundenen Geständniß nach, am 23. Juli den Entschluß, erst die Leicht und dann sich selbst durch Erschießen zu tödten, führte aber den Plan nur betreffs seiner ehemaligen Geliebten am darauf folgenden Sonnabend, den 29. Juli, Abends gegen 6 Uhr auf dem Wege zwischen Plauen bei Dresden und Kaitz aus. Am 24. Juli ließ sich der Angeklagte den rückständigen Lohn auszahlcn, veräußerte sein Handwerkszeug und kaufte sich einen mehrläufigen Revolver, den er seitoem stets geladen bei sich trug. In den nächsten 5 Tagen gelang es ihm nicht, der inzwischen in Dresden als Fabrikarbeiterin beschäftigten Leicht früh oder abends, wenn dieselbe von ihrem Wohnorte Possendorf aus nach Dresden auf Arbeit ging, oder nach Hause zurückkchrte, zu begegnen. Erst am 29. Juli Abends war dies der Fall und hierbei tödtete Kaschel mit einem gutgcziclten Schuß nach dem Herz, dem noch ein zweiter Schuß folgte, seine ehemalige Geliebte. Der Tod trat nach Verlauf einer Stunde ein. Nach der That warf K. den Revolver auf die Seite und entfloh, iNoch an demselben Abend holte er sich die Waffe wieder, durch zechte die Nacht und wurde am nächsten Morgen verhaftet. Dem Wahrspruche der Geschworenen gemäß wurde Kaschel zum Tode und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. — Ein großer Steuerprozeß, in dem es sich um Ver letzung der Vorschriften des Branntweinsteuergesetzes handelte, ist am 4. Nov. vom Landgerichte Leipzig beendet worden. Auf dem Rittergut Großpöhla bei Oschatz besteht eine Brennerei, die auf Rechnung des Gutspächters betrieben wird. Obwohl dieser nach dem Gesetze für die Handlungen seiner Angestellten verantwortlich ist, hat er sich doch sehr wenig um die Brennerei gekümmert, wußte natürlich auch nichts davon, daß der Brenn meister und sein Gehilfe wiederholt von einem Bottich zum anderen Maische über geschöpft und dadurch das Gesetz verletzt hatten. Ein Steuerbeamter hat diese Unregelmäßigkeiten entdeckt, wurde aber in Ausübung seines Berufes von den beiden Ueber- tretern noch beleidigt. Es wurde festgestellt, daß für die hinter zogene Steuer, für die das Gesetz den vierfachen Betrag der Strafe vorschreibt, allein 75,706 M. Strafe zu zahlen gewesen wären. Außerdem waren für 612 Uebertretungsfälle, wobei auf jeden eine Strafe von 300 M. kommt, 183,600 M. Strafe ausgerechnet, also im ganzen 250,306 M. Das wäre eine Summe, die weder die beiden Angestellten noch der Pächter hätte bezahlen können. Das Gesetz sagt nun ausdrücklich, daß die Strafe sich auf höchstens 10,000 M. belaufen dürfe und das Gericht erkannte auf diese Summe, die der Pächter zu be zahlen haben wird. Der Brenner und sein Gehilfe erhielten wegen Beamtenbeleidigung noch je 1 Woche Gefängniß zuerkannt. — Die sozialdemokratische „Volksstimme" hat merkwürdig kindisch-naive Rechtsauffassungcn. Sie will gegen die Leute, die sich in Burgstädt rühmen, das Publikum über den wahren Werth des Gesetz und Ordnung untergrabenden Hetzblattes überzeugend aufzuklären, klagbar vorgehen. Und dabei fordert die „Volksstimme" in einem Athem mit dem Rufe nach dem Staatsanwalt zum Boykott gegen drei Gastwirthe auf, die das Blatt nicht mehr halten. — Jene beiden Anhänger der Sozialdemokratie, welche in der Nacht zum 24. September mit Steinwürfen die Altar- fenstcr an der Altgersdorfer Kirche vollständig demolirten, der 26jäbrige Fabrikzwirner Gustav Alwin Kern und der 25- jährige Fabrikschlosser Reinhold Karl Wundersee aus Kleinscht- Meseritz, wurden jetzt zu je 9 Monaten Gefängniß und drei jährigem Ehrenrechtsverlust verurtheilt. — Kamenz. Einen solch' heftigen und erbitterten Wahl kampf, wie ihn die letzte Landtagswahl im 8. ländlichen Wahl kreise mit sich brachte, haben wir in hiesiger Gegend noch nie mals erlebt. Bekanntlich standen sich zwei Konservative gegen, über, der Gutsbesitzer Kockel, der seit langen Jahren den Be-