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sichts gewahrend, fragte sie theilnehmend, doch weit entfernt zu ahnen, was sie erfahren werde: „Sie haben mir doch nichts Besonderes, ich meine Schlimmes mitzutheilen, Herr Holzwardt?" „Frau Erdmann " begann er mit stockender Stimme, und sah sie zugleich voll Theilnahme an. „Herr Holtzwardt," entgegnetes« schneller, doch noch immer ahnungslos, „lassen Sie mich wissen, was geschehen ist. Kann ich in Abwesenheit meines Mannes irgendwie helfen " „Sie können nicht helfen, Frau Erdmann," antwortete er mit zunehmender Bewegung, und was, dem Himmel sei es ge klagt, geschehen ist, betrifft ihren Mann " „Es hat sich doch kein Unglück zugetragen?" rief sie von plötzlicher Aufregung erfaßt. „Sprechen Sie, Herr Holtzwardt, lassen Sie mich Alles wissen —" „Leider hatsich ein Unglück ereignet," entgegnete dieser noch immer zögernd. „Herr Erdmann ist vom Pferde gestürzt " „Wo ist er? —Führen Sie mich zu ihm, damit ich sehe, was sich für ihn thun läßt!" sprach an allen Gliedern zitternd, die junge Frau. „Ich habe bereits zum Arzt geschickt," erwiderte der Ver walter. „Ein anderer Bote fährt sogleich zum Physikus, und ein dritter reitet nach Buchenfelde " „Um Gottes Willen, Herr Holzwardt, diese Vorkehrungen — mein Mann ist doch nicht schwer oder gefährlich verletzt?" rief erbleichend die Gutsherrin. „Er ist leider sehr schwer verletzt, Frau Erdmann, und wird sogleich hierher gebracht werden," erwiderte noch immer mit der Wahrheit zurückhaltend, der tiefbekümmerte Mann. In diesem Augenblicke bog langsam der Trauerzug in den Vorgarten, und ihn sehend, sagte wankend Elfriede Erdmann: „Ich weiß Alles, Herr Holzwardt, — mein Mann ist be reits todt!" Und mit einem lauten Aufschrei sank sie auf einen Stuhl. Zugleich aber ward leise die Thür des Zimmers geöffnet, und Frau Holzwardt trat ein, um sich der beklagens- werthen jungen Wittwe mit mütterlicher Sorge anzunehmen.— XIII. Am vierten Tage nach seinem so plötzlichen, allgemein be klagten Tode war Friedrich Erdmann's Bestattung von seiner Wittwe angeordnet worden. Sie trug nur mit schwererrungener Fassung ihren und ihren Kindern so großen Verlust, den auch diese erfahren, und über welchen die kleine Agnes in kindlicher Weise plauderte, während der ältere Otto ihn schmerzlich beweinte. Gleich nach Ankunft der Unglücksnachricht hatten Herr und Frau Waldhaus sich nach Grönwohld begeben, wo Beide seit dem geblieben, und Ersterer seiner Nichte in der Ausübung ihrer traurigen Pflichten stützend zur Seite gestanden. So war denn der letzte Morgen herangekommen, und auch die Stunde, in welcher Friedrich Erdmann zur ewigen Ruhe gebettet werden sollte. Unter heißen Thränen nahm seine Gattin für's Leben von ihm Abschied, ihr kleiner Sohn mußte noch einmal an dem offenen Sarg Dessen treten, der ihm der zärt lichste Vater gewesen, dann zog sie sich mit Frau Holzwardt und einigen verwandten Fraueu in ihr Zimmer zurück und überließ es Waldhaus, das Trauergefolge zu empfangen. Eine Stunde später setzte sich der Leichenzug in Bewegung dem sich viele Männer, Frauen und Kinder, die zu Fuß gingen, anschlossen, und zog langsam die Chaussee entlang, bis er den Kirchhof erreichte, auf welchem sich das Erdmann'sche Familien grab befand. Vor Ankunft des Zuges schon hatten sich der Prediger und andere Dorfbewohner eingefunden, um der Be stattung des ihnen wohlbekannten Besitzers von Haus Grönwohld beizuwohnen. Unter ihnen befand sich auch ein ihnen unbe kannter älterer Mann, der, wie aber der Wirth der großen Dorfschänke wußte, und auch erzählte, vor einer halben Stunde auf einem einfachen Landwagen bei ihm angekommen war, über Grönwohld nach der Eisenbahnstation fahren wollte, und der großen Beerdigung wegen seiner Weiterfahrt verzögert hatte. Offenbar nicht zur Unterhaltung aufgelegt, antwortete er nur einsilbig auf die lebhaften Mittheilungen der Dorfleute, von den vielen Verdiensten des Verstorbenen um die Gegend, ging, nachdem er sich die Begräbnißstätte angesehen, auf die Landstraße zurück und blickte dem um eine Biegung des Weges sichtbar werdenden Zuge entgegen. — Die längere Leichenfeier war vorüber; Verwandte, Freunde und Bekannte traten nochmals an das offene Grabgewölbe und blickten auf die prächtigen Metallsärge der verstorbenen Besitzer von Haus Grönwohld, und mit besonderer Theilnahme auf den reichgeschmückten des Letzteren, der in hoher Achtung unter ihnen gestanden. Dann verließen sie, wie auch die Fußgänger den Kirchhof, bestiegen ihre Wagen, um nach dem Trauerhause zurückzukehren, und der Wittwe, welche die Meisten von ihnen noch nicht gesehen, ihre Theilnahme auszusprechen. Als fast alle Theilnehmenven und Neugierigen den Fried hof verlassen, trat der Fremde — Claus Schmidt — an die offene Gruft und blickte ebenfalls auf die in derselben stehenden Särge. Seine Züge hatten einen tiefernsten, traurigen Aus druck, und mit einem schweren Seufzer dachte er: „So lange schon mutterlos, haben die Kinder nun auch den Vater verloren, der ihrer doch vielleicht zuweilen gedacht, was indeß Niemand zu sagen vermag! — Was aber werden sie zu Hause sagen, wenn ich ihnen Alles erzähle, und was wird und muß Magdalena thun?" Einige Augenblicke noch verweilte er an dem prächtigen Sandsteingewölbe, dann sah er die Todtengräber kommen, welche es durch die schwere Steinplatte wieder schließen wollten, und langsam verließ auch er den Kirchhof und schritt dem Gasthause zu, wo er einstweilen auf seinen Kutscher warten mußte, der sich Bekannten im Dorfe zugesellt hatte. Sämmtliche Wagen und auch die Fußgänger waren längst in Haus Grönwohld angelangt, als Claus Schmidt es in seinem bescheidenen Fuhrwerk erreichte. An dem Gasthause anhaltend ward er von dem Wirth empfangen, vor dessen Hause einige der Letzteren sich niedergelassen, und ihn erkennend, sagte er lebhaft: „Da sind sie schon heute, Herr Schnell, und Martin, den ich, als er von ... . zurückkam, gesprochen, meinte, daß Sie erst übermorgen hier sein würden, da sie noch weiter ins Land fahren würden." „Das war auch anfänglich meine Absicht," erwiderte ruhig und ernst Claus Schmidt, „doch schließlich war es nicht er forderlich, da ich meinen Bedarf auf der gräflichen Besitzung bekommen konnte!" „Sie sind wohl auch rechtzeitig im Dorfe gewesen, um Herrn Erdmann's Beerdigung zu sehen?" fuhr Ersterer fort, und schritt mit seinem Gaste dem Hause zu. Claus Schmidt antwortete bejahend, und fügte, als er bemerkte, daß er der Gegenstand der Aufmerksamkeit der übrigen Gäste ward, hinzu: „Wenn noch Mittagbrot vorhanden ist, so geben Sie dem Kutscher, der mich nach .... bringen muß, was er verlangt, und auch ich möchte essen, ehe ich weiter fahre!" Der Wirth ging, das Gewünschte zu besorgen, und Claus Schmidt saß bald bei einem vortrefflichen Mahl, denn der vielen Beerdigungsgäste wegen hatte die Wirthin es reichlicher denn sonst zubereitet. Der ihn bedienende Wirth erzählte ihm dabei von dem Verstorbenen, und eine augenblickliche Pause benutzend, sagte er: „Wie geht es der Wittwe? — Die arme Frau ist wohl durch den plötzlichen Tod ihres Mannes schwer getroffen?" „Das soll sie allerdings sein," erwiderte der Wirth, „allein aber auch ruhig und gefaßt. Es geht ihr schließlich auch nicht anders, wie so mancher anderen Frau mit kleinen Kindern " „Es ist wohl viel Vermögen vorhanden?" frug Claus Schmidt beim Weiteressen. „Ja, bedeutend," berichtete auf einen Stuhl Platz nehmend, der Wirth. „Auch bringt das Gut viel ein " „Vielleicht verkauft Frau Erdmann es einmal," meinte Claus Schmidt, der sich über die Verhältnisse zu orientiren gedachte. „Das kann sie nicht," versetzte Jener und erzählte ein gehend, welche Bestimmungen der erste Besitzer von Haus Grön wohld des Namens Erdmann über dasselbe getroffen. „Das ist allerdings eine sehr weise Verfügung." antwortete Claus Schmidt, „und kann auf diese Weise die Familie nie verarmen!" „Nein, lieber Herr, auch wäre das wohl außerdem kaum zu befürchten," entgegnete der Wirth, „denn Frau Erdmann ist eine sehr verständige Dame, die selbst ein hübsches Ver mögen hat, das für die Kinder verwaltet werden soll." „Ist das Ehepaar sehr glücklich gewesen?" unterbrach Claus Schmidt den zu Gunsten seiner Gutsherrschaft so be redten Wirth. „Ja, so wie man allgemein sagt, und es auch den An schein hatte," erwiderte dieser. „Herr Erdmann war wohl ein ernster Mann, den ich nur selten habe lachen sehen, und der stets so sehr beschäftigt gewesen, daß er nur selten und immer nur auf kurze Zeit mit seiner Familie das Gut verlassen, während ihnen doch die ganze Welk für ihr Vergnügen offen gestanden!" (Fortsetzung folgt.)