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Zn selte ner Weise feierte Alldeutschland den seltenen Tag, vornehmlich des Reiches Hauptstadt, wo der Kaiser sich selbst an die Spitze der Glückwünschenden gestellt und dem greisen Helden, dem sein Haus und sein Volk so Großes verdankt, Ehren bezeugte, wie noch keinem Unterthancn von seinem Fürsten, keinem Feld herrn von seinem Könige erwiesen worden sind. Auch ein Theil der deutschen Bundesfürsten, allen voran der Beherrscher unseres Landes, unser theurer König Albert, sind nach Berlin geeilt, um dem Gefeierten Liebe und Verehrung zu beweisen. Wir dürfen hoffen, daß der Gruß unseres Königs dem greisen Feldmarschall besonders erfreut hat; in König Albert verehrt er einen Gleichstrcbenden, den einzigen von jenen großen Feld herren, welche im 70er Krieg selbstständig ganze Armeen führten, der noch lebt. Tage, die die höchsten Nuhmestage für Moltke sind, haben auck unserem Köniz Albert unvergängliche Ehren gebracht. Bei Königgrätz erwies er sich als der einzige, Moltke ebenbürtige Gegner, bei Sedan und in der Schlacht bei Beau mont, die den Tag von Sedan vorbereitete und vielleicht erst möglich machte, hat er unter Moltke's Augen und nach dessen Ideen kämpfend sich seitens des weltberühmten Strategen die Anerkennung erworben, daß er ein Feldherr ersten Ranges sei. Es gereicht uns Sachsen zur großen Freude am Ehrentage Moltke'S auch unseren König Albert betheiligt zu wissen. Ein 90. Geburtstag ist ein ganz ungewöhnliches Ereizniß und darum besonderer Feier würdig. „Unser Leben währet 70 Jahre", dies Wort des Psalmisten gilt auch heute noch. Unter vielen Tausenden winkt kaum Einem ein höheres Ziel, einen 90. Geburtstag aber in verhältnißmäßiger Frische des Leibes und Geistes zu erleben, ist eine besondere Gnade Gottes. An einem solchen Tage würde es selbst einem schlichten Privat mann an Ehrenbezeugungen nicht fehlen. Wie viel mehr sind wir sie dem greisen Schlachiendenker schuldig, der nun schon fast ein halbes Jahrhundert der Ruhm und der Stolz Deutsch lands ist. Um die Wende des Jahrhunderts in der Nordmark deutschen Landes in Mecklenburg geboren, widmete er seine Dienste zuerst dem dänischen, seit 1822 aber dem preußischen Staate. Eine Zeit lang befand er sich als Instrukteur tür kischer Truppen" in Syrien, wo damals eine türkische Armee gegen Mehemed Ali von Aegypten zu Felde lag. In drei großen Feldzügen, in denen Preußen und Deutschland gegei- mächtige Feinde stritten, hat er als Chef des Generalstabcs durch die von ihm entworfenen genialen Pläne jene Siege Vorbereitet, welche nachher in treuer Mitarbeit große Feldherren auf den Schlachtfeldern in Schleswig, Böhmen und Frankreich, bei Düppel, Sadowa und in rascher Aufeinanderfolge bei fast ungezählten Orten des nordwestlichen und mittleren Frankreich davon getragen haben. Die Folge der letzteren Siege aber ist die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches, an dieser hat da her auch Moltke feinen hochrühmlichen Antheil. Seit jenen Tagen, wo in heißem Ringen nach dem gnädigen Willen Gottes auf den Schlachtfeldern Frankreichs die deutsche Einheit erkämpft und das deutsche Reich neu begründet worden ist, haben wir 20 Friedensjahre erleben dürfen. Auch diese ver danken wir, nächst dem Kaiser und seinem großen Kanzler, dem Fürsten Bismarck, und der Treue und dem einmüthigen Zusammenstehen der Bundesfürsten in allererster Linie auch dem großen Schlachtendenker mit. Denn wie schwer auch das Opfer ist, das seine Rüstungen Deutschland auferlegcn, cs ist doch kein Zweifel, daß wir die Erhaltung des Friedens na mentlich auch der Ehrfurcht gebietenden Macht verdanken, welche in der deutschen Armee verkörpert ist. Um deren innere Tüch tigkeit aber, ihre Ausbildung, die Bewahrung ihrer höchsten sittlichen und intellektuellen Tugenden hat sich der Feldmar schall Moltke bis zuletzt, man kann wohl sagen bis auf den heutigen Tag die höchsten Verdienste erworben, Verdienste, die ihn unter uns werden fortlcben lassen, auch wenn er längst nicht mehr im Leben steht; denn sortwirkt in der Armee die Schule tüchtiger Offiziere, die er erzogen hat, und hoffent lich nie wird eine Zeit kommen, wo nicht in der Armee und im ganzen deutschen Volke fortwirkt das Beispiel und das Vorbild, das er uns gegeben. Williger Dienst und treuer Gehorsam, strenge Selbstzucht und unablässige Arbeit, ein Ringen nach dem Höchsten und aus der Furcht Gottes ge borene Demuth, das sind Tugenden, die einen Moltke groß gemacht haben und die hoffentlich immer in der deutschen Armee und dem deutschen Volke lebendig sein werden. Dem greisen Feldmarschall war es beschieden, seinen 90. Geburts tag zu erleben als ein von Allen anerkannter, von seinem Volk geliebter, selbst von den Feinden, die er einst überwun den, nicht angefeindeter Held. Das ist etwas Großes. Aber es erklärt sich aus der Eigenthümlichkeit des Amtes, das dem Grafen Moltke als dem Generalstabschef der Armee anvertraut war, und das ihm gestattete, gleichsam im Verborgenen zu wirken, und aus dem Geiste, in dem er es führte. Da er nur das eine Streben kannte, ein treuer Diener seines Kaisers und Königs zu sein und darüber hinaus keinen Ehrgeiz kannte, da Anspruchslosigkeit und stille Demuth die Tugenden sind, die ihm von jeher mit am meisten zierten, so ist ihm ein Glück zu Theil geworden, wie es wenigen Sterblichen vergönnt ist, am wenigsten solchen in hoher Stellung: Moltke hat that- sächlich keinen Feind. Ein beneidenswerther Greis und ein selten schöner Tag, an welchem Deutschland in voller Ein- müthigkeit aller seiner Bürger, soweit sie überhaupt ein Vater land haben und vom trauten Klang des Wortes Vaterland sich bewegen lassen, den Geburtstag eines großen Mannes be gehen kann! Eintracht ist die beste Bürgschaft des Gedeihens eines Volkes, möchte die Eintracht, wie sie jetzt bei der Feier des 90. Geburtstages unseres Moltke sich zeigt, bald auch auf anderen Gebieten uns beschieden sein, möchte dies der Segen der Feier sein, daß wieder, wie in den schönen Tagen der Neugeburt unseres Reiches, aller Orten in Deutschland sich der Ruf erhebt, den der große Schlachtenlenker sich einst zu seinem Wahlspruch erkor: „Allezeit treu bereit für des Reiches Herrlichkeit." Berlin. Graf Moltke hat seinen 90. Geburtstag in bewundernswerther Körper- und Geistesfrische begangen. Wie sonst an seinem Geburtstage, so wurde er — ein großer Ver ehrer der Musik — auch diesmal durch Choralgcsang der Knabencurrende bearüßt, worauf einige Vorträge des Lehrer- gcsangvereins und eine von der Kapelle des Eisenbahnregiments dargebrachte Morgenmusik folgte. Die ersten Gratulanten waren die Mitglieder der Moltke'schen Familie, Schwägerinnen, Neffen rc., im Ganzen blos 12 Träger des Namens Moltke mit ihren Damen. Als später Graf Waldersee die sämmt- lichen Offiziere des Generalstabes vorführte, erwiderte Moltke auf die Beglückwünschung mit dem Ausdruck der Anerkennung dafür, daß die Herren den guten Klang, den der Name des deutschen Generalstabes hat, aufrecht erhalten haben. Dann führte er die Herren in den Konferenzsaal zur Besichtigung der dort ausgestellten, überaus zahlr ichen Ehrengaben und Ehrengeschenke. Die Zahl der eingelaufenen Beglückwünschungs- Telegramme betrug bereits am frühen Morgen mehr als 1000, darunter solche vom Kaiser von Oesterreich, vom Czaren, vom König von Schweden, vom Sultan und von zahlreichen anderen Fürstlichkeiten. In überaus herzlicher Weise gratulirte auch Fürst Bismarck telegraphisch. Graf Moltke ließ sich auch durch das Festgewühl nicht abhalten, das Telegramm sofort in gleich verbindlichen Worten zu erwidern. Am Hauptportale des Generalstabsgebäudes war das Lichterfelder Kadettenkorps auf gestellt, welches den Jubilar mit unbeschreiblichem Jubel be grüßte, als er an die jungen Leute herantrat und die Front abschritt. Bald nachher fuhren der König von Sachsen, der Großherzog von Sachsen-Weimar, sowie Prinz Leopold von Bayern vor, ebenso die Generalinspekteure Prinz Georg von Sachsen, die Großherzöge von Baden und Hessen, Prinz Albrecht von Preußen, die kommandirenden Generale, der Reichskanzler und der Kriegsminister. Nun nahte das Fahnenkommando mit klingendem Spiele, um die Kriegszeichen des Gardekorps in die Wohnung Moltke's zu bringen und gleichzeitig kam der Kaiser, der am Eingänge des Generalstabsgebäudes die Fahnen und Standarten an sich vorüberziehen ließ und dann zu Moltke's Wohnung emporstieg, wo er die glänzende Ver sammlung von Fürsten und Generalen begrüßte. Er ersuchte den Grafen Waldersee und den General von Wittich, Moltke in den Saal zu geleiten. Der Kaiser trat an den sich ehr furchtsvoll Verneigenden heran und beglückwünschte ihn mit einer Anrede, in der er an die ruhmreichen Thaten der Armee erinnerte, die ihn zu stetem Danke verpflichten würden, wenn auch die, die ihm zu jenem Ruhme geholfen, nicht mehr unter den Lebenden weilten. Er wandte sich dann speziell an Moltke, dem schon sein kaiserlicher Großvater die höchsten Ehren er wiesen habe, die überhaupt je erwiesen worden seien. Er wolle ihm trotzdem noch eine ganz besondere Ehre anthun durch die Niederlegung der Fahnen. Der Kaiser verwies sodann auf die anwesenden Fürstlichkeiten und besonders aus den König von Sachsen, deren Erscheinen bezeuge, wie sie dem Grasen zugethan seien. Als persönliche Gabe überreichte so dann der Kaiser einen prächtigen Marschallstab und reichte Moltke zum Schluß herzlich die Hand. Dieser denkwürdige Moment ist photographisch festgestellt worden, um von Werner's Meisterhand bildlichdargestellt zu werden. Graf Moltke dankte tief bewegt mit kurzen markvollen Worten. Nahezu eine halbe Stunde verweilte der Kaiser im Generalstabsgebäude. Moltke begleitete ihn entblößten Hauptes die Treppe hinab, auch der Kaiser hielt den Helm unter dem Arme. Die nächsten Be glückwünschenden waren der Kronprinz im Matrosenanzug, Prinz Heinrich und die übrigen Prinzen des Königlichen Hauses und sonstige Fürstlichkeiten. Darauf folgten zahlreiche Deputationen. Abends fand im Neuen Palais zu Potsdam großes Diner statt, zu welchem sich der Jubilar und die Herrschaften mittelst Extrazuges nach Station Wildpark be gaben. (Dr. Nachr.) Die Glückwunsch-Adresse, Welchs die deutschen Städte an den General-Feldmarschall Grafen Moltke zu seinem 90. Geburtstag richten, hat folgenden Wortlaut: „Eurer Excellenz nahen sich die Vertreter der Städte des Vaterlandes, um Ihnen, ohne Unterschied der Staaten und der Stämme, den Dank der Deutschen Bürgerschaften insge mein an Ihrem 90. Geburtstage auszusprechen. Nächst dem großen Herrscher, der Sie zu finden und Ihnen die rechte Stelle anzuweisen gewußt hat, und dessen Sie wie wir Alle heute in dankbarer Verehrung gedenken, sind Sie es gewesen, der den lieben Frieden unseres Herdes, das thätige Schaffen der fleißigen Arbeit, das stille Glück der Bürgerhäuser ge schirmt und gefestet hat. Geschirmt, indem Sie das gewaltigste Werkzeug der Nation stählten, richteten und lenkten. Gefestet, indem Sie diesem Werkzeug einen Zug und einen Geist ein hauchten, der den Schöpfer überdauern wird. Deutschlands Bürger sind auch Deutschlands Soldaten. Wir kommen, Ihnen zu danken, wir Alle, die wir unter Ihrer Führung zum Kriege auszogen und zur Siegesfeier heimgekehrt sind, und für die, welche nicht heimgekehrt sind, danken Ihnen die Väter und die Brüder. Friedensglück und Mannesehre ist jeden Opfers Werth. Auf den Wegen, die Sie uns führten, sind unsere Todten nicht umsonst gestorben, und Ihr Name bleibt im freudigen Gedächtniß der Lebenden und wird bleiben in dem ihrer Kinder und Kindeskinder. Wir segnen den Tag, der dem Deutschen Volke seinen Moltke gab, und nicht minder den Tag, an dem nach 90 Jahren es diesem Volke vergönnt ist, seinem Feldherrn den Dank zu sagen. Im Auf trage der Deutschen Städte: (Unterschriften der Bevoll mächtigten)." In Kreisau liegt die Gemahlin des Grafen Moltke be graben. Deshalb weilt derselbe, wenn er auf seinem Gute ist, am liebsten auf dem Kapellenberge, einem ziemlich steilen Hügel innerhalb des Parkes, aus welchem sich die Gräber seiner lieben Todten befinden. Ein Mausoleum, nach seinen eigenen Angaben aufgeführt, umschließt dieselben. Hier ruhen seine Gemahlin, welche noch im jugendlichsten Alter am heiligen Abende des Jahres 1868 aus dem Leben schied, und die Mutter derselben, Frau von Burt, welche zugleich die Schwester Moltkes war. Trotz der Verschiedenheit im Alter war die Ehe Derjenigen, welche sie schlossen, die denkbar glücklichste. Die Bewohner von Kreisau wissen noch manchen Zug davon zu erzählen, wie anmuthig, einfach die junge Frau sich aus nahm, wenn sie an der Seite des schon damals berühmten Mannes daher ging, wie innig sie darauf bedacht war, in sein Leben die kleinen Freuden zu flechten, an welche er, der Krieger und Gelehrte in einer Person, allein nimmer gedacht hätte. Als sie starb, war Moltke geradezu untröstlich. Alle Erfolge, welche er seither errungen, weder die Theilnahme des Monarchen, noch diejenige der Bevölkerung, konnten ihn seinen Schmerz verwinden, den Verlust vergessen machen. Wie sein ganzes Leben der Erinnerung an die so früh Verstorbene geweiht ist, so ist Kreisau geradezu die Stätte eines Cultus für dieselbe. Das Mausoleum auf dem Kapellenberg ist der Ort, wo er am liebsten weilt; so oft er Kreisau besucht, steigt er schon vor der Ortschaft aus dem Wagen, um sich unbeobachtet von einem Jeden auf einsamen Parkwegen zu stillem Gebet dorthin zu begeben, wo Diejenige ruht, welche ihm das theuerste Gut während seines ruhmgekrönten Erdendaseins gewesen; hier, umrauscht von Linden und Ulmen, wird der große Schlachten- dcnker auch selber dereinst bestattet sein. An unserem Kaiserhofe wurde am Mittwoch der Geburts tag Ihrer Majestät der Kaiserin gefeiert. In ganz Deutschland vereinigten sich Millionen treuer Patrioten indem herzlichen, tiefgefühlten Wunsch, daß der allmächtige Gott auch ferner seine schützende Hand über unserer Kaiserin und deren blühendem Familienglück halten möge. Am 18. Oktober, dem Tage, an welchem sonst frohge- muth das deutsche Volk den Geburtstag des hohen Entschlafenen feierte, fand in Potsdam die Einweihung der letzten Ruhestätte Kaiser Friedrichs statt. Die Feierlichkeit, an welcher außer dem gesammten Hause Sr. Majestät des Kaisers auch eine große Zahl deutscher Fürstlichkeiten theil nahm, war eine tiefergreifende und ernste.