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Anhänger besitzt, kam es auch zu sehr bedauerlichen Auftritten. Die Auf- I regung entstand infolge der Enttäuschung der Sozialdemokraten bei der Wahlverkündigung, indem dieselben bestimmt auf den Sieg ihres Kandidaten gehofft hatten; im Handumdrehen war das Wahllocal voll tobender Leute, der Wahlvorsteher wurde thätlich angegriffen, weil demselben Fälschung vorgeworfen wurde, die Bierseidel flogen, die Wahlprotokolle wurden ent zwei gerissen, ein Bild des Kaisers im Wahllokale wurde ebenfalls entzwei- gerisfen. Eine hübsche Antwort auf die kaiserlichen Erlasse. Ueber sozialdemokratische Ausschreitungen in dem anhaltischen Dorfe Hecklingen wird berichtet: Schon während der Wahl wurden mehrfach Skandale veranstaltet. Nachdem die Stimmen gezählt, aber das Wahl protokoll noch nicht unterschrieben war, drängten die Sozialdemokraten in das Lokal, stürzten den Tisch um und warfen die Stimmzettel umher und zerrissen das Protokoll. Einige Mitglieder des Wahlbureaus flücht-ten, während der Vorsitzende, Amtsvorsteher Wüstenhagen mit einigen anderen Herren in einer Ecke des Zimmers unter den zerbrochenen Tisch geriethen, so daß den Herren fast die Beine gebrochen worden wären. Einige brave Arbeiter aus der Fabrik des Herrn Wüstenhagen befreiten die bedrängten Herren, nach welchen die Rebellen mit Biergläsern warfen. Die in der Nacht von Bernburg nach Hecklingen abgegangenen Gendarmen verhafteten zehn Rädelsführer und brachten dieselben nach dem Gerichtsgefängniß in Bernberg. Bisher sind 343 Wahlresultate bekannt. Definitiv gewählt sind 44 Konservative, 12 Angehörige der Reichspartei, 14 Nationalliberale, 83 An gehörige des Centrums, 16 Deutschfreisinnige, 17 Sozialisten, 13 Polen, 1 Wilder, 12 Elsäsfer, 3 Demokraten und 1 Däne. Stichwahlen sind 127 vorzunehmen. Zu den Berathungen der am 26. Februar zusammentretenden beiden Abthetlungen des preußischen Staatsrathes sind auf Befehl des Kaisers folgende Personen zugezogen worden: Schlossermeister Götte aus Magdeburg, Werkmeister Spengler aus Mettlach, Bautischlermeister Färber brügge aus Bielefeld, Putzer Buchold aus Berlin, Direktor Schäffgen aus Marienhütte und Fabrikbesitzer Gräfe aus Berlin. Die belgischen Sozialdemokraten werden aus Anlaß der Erfolge der deutschen Sozialdemokraten bei den Reichswahlen eine große Volks kundgebung für das allgemeine Stimmrecht veranstalten. Der Eindruck des Ergebnisses der Reichstagswahl ist groß. Die doktrinäre „Etoile" fragt: Was werden der Kaiser und der Kanzler gegenüber so ausgeprägt sozialistischen Wahlen thun? Die radikale „Reforme" nennt das Ergeb niß einen Sieg der Sozialdemokratie über den Staatssozialismus. Der sozialistische „Peuple" feiert das Resultat als einen Triumph der demo kratischen Ideen. Auf Anweisung des Generalrathes der belglischen Ar beiterpartei haben sämmtliche Arbeiterlokale Belgiens infolge der Wahler folge der deutschen Sozialisten auf drei Tage rothe Fahnen gehißt. Ein englischer Trinkspruch auf den deutschen Kaiser. Bei dem Jahresbankett der deutschen Wohlthätigkeitsgesellschaft am Donners tag brachte der Vorsitzende Lordmayor Sir Isaacs die Gesundheit des deutschen Kaisers mit ungefähr folgenden Worten aus: „Selten hat ein junger Herrscher auf einem so mächtigen Throne für die niedrigsten, wie für die höchsten seiner Unterthanen ein gleich warmes Herz gezeigt. Ich hoffe, seine Regierung wird lang, und ich glaube, sie wird glücklich sein. Bei dem Regierungsantritt glaubten hier viele Pessimisten, daß der Kaiser aus schließlich Soldat sei, indessen, während Se. Mas. stets sorgen wird, daß das Schwert schlagfertig ist, wird er dabei die Pflugschar nicht vernachlässigen. Unlängst kam er nach England. Sie wissen, welchen Empfang er fand, er war zu diesem Empfang berechtigt, denn in seinen Adern fließt eng lisches Blut, wie in den Adern seiner Mutter deutsches Blut fließt. Ich glaube, daß dieser Mischung Gutes entsprießen wird, ich hoffe, der Kaiser wird nach England zurückkehren, und wenn er kommt, wird er noch wärmeren Willkomm finden. Lang andauernder Beisall folgte diesen Worten. Vaterländisches. Wilsdruff. Die außerordentliche Agitation, welche in unserem Reichstagswahlkreise sowohl die Ordnungsparteien wie die Sozialisten ent wickelten, hatte eine sehr lebhafte Wahlbewegung zur Folge; in vielen Wahl bezirken stimmten mehr als 90"/y der Wahlberechtigten. Bemerkenswerth ist das Anwachsen der für die Sozialdemokraten abgegebenen Stimmen namentlich im Plauen'schen Grunde, und doch ist es den Ordnungspar teien gelungen, ihrem Candidatcn, Herrn Geh. Hofrath Ackermann, mit einer Mehrheit von über 1800 Stimmen zum Siege zu verhelfen. Wir lassen nachstehend das spezielle Wahlresultat unserer Stadt und des Amts- gerichtsbezirkeS folgen: Ungiltige und zersplitterte Stimmen wurden 26 abgegeben. Ort. Wahlbe- berechtigte. Abgegebene Stimmen. Für Acker mann. Für Hsrn. Wilsdruff 588 491 390 92 Blankenstein 77 70 70 — Burkhardtswalde 47 47 45 2 Birkenhain 35 29 27 2 Groitzsch 61 49 40 9 Grumbach 266 237 206 26 Helbigsdorf 67 57 55 2 Hühndorf 27 27 24 2 Herzogswalde 156 121 99 20 Klipphausen 91 77 61 16 Kleinschönberg 31 27 25 — Kausbach 72 68 66 2 Kesselsdorf 140 125 90 34 Limbach 61 55 47 8 Lotzen 20 17 15 2 Lampersdorf 25 25 23 1 Munzig 64 56 43 13 Niederwartha 19 17 16 1 Neukirchen 171 146 127 18 Rothschönberg mit 84 79 59 20 Perne RöhrSdorf 112 98 78 19 Schmiedewalde 41 34 33 1 Steinbach b. M. 36 34 29 5 Sora 36 33 32 1 Sachsdorf 61 53 47 5 Steinbach b. K. 23 21 16 5 Roitzsch 7 7 7 — Alttanneberg 61 53 52 1 Neutanneberg 41 34 22 11 Unkersdorf 35 35 30 5 Weistropp 92 75 67 7 Wildberg 33 29 22 7 Summa: 2680 2326 1963 337 — Auf Anregung des „landwirthschaftlichen Vereins zu Wilsdruff" fand in unserm Amtsbezirke unter den Mitgliedern dieses Vereins und anderen Gemeindegliedern eine Sammlung für die Noth- leidenden im Erzgebirge statt, welche zur größten Ehre der edlen Geber ausgefallen ist. Es wurden am letzten Sonnabend auf hiesigem Bahnhofe verladen 110 Centner Getreide und ca. 150 Centner Heu und Stroh in einem Gesammtwerthe von 12—1300 Mark, außerdem wurde auch noch baares Geld abgesandt. Wenn wir in einer früheren Nummer unseres Blattes Worte der Anerkennung und des Stolzes über unsern Amtsbezirk bezüglich seiner jedesmaligen reichstreuen Wahl zum Reichstage ausgesprochen haben, so müssen wir heute rühmend anerkennen, daß bei den Bewohnern unseres Bezirkes auch, wie Vorstehendes beweist, die Nächstenliebe in ausgedehnter Weise geübt wird. — Auch die Stadt Dresden hat unter heißen Kämpfen die Sozial demokraten geschlagen und ihren Ordnungs - Candidaten zum Siege ver- holfen, während in den großen Jndustriebezirken Chemnitz, Zwickau, Glauchau, Schneeberg rc. die Ordnungs-Parteien unterlagen und Sozialisten gewählt worden sind. — In der Eisengießerei und Maschinenfabrik von Kühne u. Cie. in Löbtau haben die Former, Kernmacher, Putzer und Modelltischler die Arbeit niedergelegt. Anlaß zu der Arbeitsniederlegung gab der Um stand, daß bei der Reichstagswahl ein Arbeiter seine Stimme für Acker mann abgab. Er wurde dieserhalb von seinen Kollegen beschimpft. Die Firma sah sich nun veranlaßt, den Haupträdelsführer zu entlassen. Gleich zeitig wurde auch drei anderen Arbeitern, welche sich gegen den Gußmeister renitent zeigten, und zwei Formern, mit deren Arbeit man nicht zufrieden war, gekündigt. Die Arbeiter verlangten nun zunächst, daß die sechs Ent lassenen wieder eingestellt würden, dafür aber solle der reichstreue Arbeiter entlassen werden. Selbstredend ging die Firma, da sie mit dem fraglichen Arbeiter durchaus zufrieden ist, auf diese Vorschriften nicht ein, und durch Anschlag in der Fabrik machte sie dies den Arbeitern bekannt, denselben gleichzeitig mittheilend, daß sie die Angelegenheit auf sich beruhen lassen wolle, wenn die Arbeit bis Nachmittag 4 Uhr ausgenommen sei. In einer schriftlichen Erklärung wiesen dies die Arbeiter zurück. Somit dauert die Arbeitseinstellung fort. Meißen. Nachdem für die Staatsdiener die Pensionsbeiträge in Wegfall gekommen und daher auch nach § 95 Abs. 3 der vevidirten Städteordnung der Bürgermeister von der Zahlung der Beiträge zur Pensionskasse befreit ist, beschloß der Stadtgemeinderath, daß aus Billig keitsgründen nunmehr auch sämmtliche Rathsbeamte von Zahlung der Pensionsbeiträge befreit sein sollen. — Der als Sozialdemokrat in Borna bekannte Former Becker wurde am Donnerstag Vormittag, unmittelbar nachdem er seinen Stimm zettel abgegeben, im Wahllokale verhaftet, weil er sich der Majestätsbelei digung schuldig gemacht, auch aufrührerische Reden geführt hatte. — Bet dem am Freitag Nachts in Chemnitz im Hause Poststraße 69 ausgebrochenen Brande sind mehre Hintergebäude vollständig ausgebrannt. Gegen 1 Uhr war das Feuer in der Hauptsache bewältigt, die Feuer wehr mußte jedoch die ganze Nacht noch thät'g bleiben. In den abge brannten Gebäuden befand sich eine Anzahl Niederlagen. Der Schaden, welcher durch das Feuer angerichtet ist, ist ein ganz bedeutender. Be sonders geschädigt ist ein Tischlcrgeschäftsinhaber. — In einem Gastbaus in Zwickau fand am 21. d. M. bei einem Konzert ein schrecklicher Exzeß statt. Vier Einwohner störten in erheblichster Weise die Ordnung. Sie zerschlugen Gläser rc., schleuderten alle Tische mit sammt den Geschirren um und schlugen mit Stühlen, Biergläsern und dergl. auf alle Gäste, den Wirth rc. los. Der Saal bot ein förmliches Bild der Verwüstung. Die Urheber sind verhaftet. — Zu welchen Mitteln bei den diesmaligen Reichstagswahlen die Sozialdemokraten in Leipzig griffen, dafür möge folgende Thatsache einen Beweis liefern: Am Wahltag früh wurden Briefe an die sämmt- lichen Meister des Schuhmachergewerkes versendet, in denen die betreffenden Mitglieder ersucht werden, bei der Reichstagswahl „ihre Stimme Herrn August Bebel-Plauen-Dresden zu geben." Die Briefe waren unterzeichnet „Der Vorstand der Leipziger Schuhmacherinnung. Krämer." Nun stellt sich heraus, daß eine Fälschung der Unterschrift des Obermeisters vorliegt; dieselbe ist schon insofern plump, als derHerr sich nicht Krämer, sondern Kremer schreibt. Die Briefe kamen erst am Wahltag zum Austrag. — In der Werkstube eines Tischlermeisters in Brandis spielten zwei Knaben im Alter von 9 und 13 Jahren mit einem Teschin. Da fällt es plötzlich dem jüngeren Knaben ein, die Schießwaffe in die Hand zu nehmen und dieselbe mit den Worten: „Du, Eduard, soll ich Dich er schießen?" abzudrücken. Leider war die Waffe geladen; der Schuß traf den älteren Knaben in die Seite und verwundete ihn so, daß er nur bis in seine nahe elterliche Wohnung laufen konnte und dort zusammenbrach. Am folgenden Tage lag der Knabe noch ohne Besinnung. — Bei der Königlichen Altersrentenbank in Dresden (Landhaus, König Johannstraße) sind im Monat Dezember vorigen JahreS im Ganzen 454 605 Mk. in 1009 einzelnen Zahlungen eingegangen, wo von zwar der Stückzahl dem Betrage nach aber kaum mit Kapital vorbehalt gemacht wurden. Mit dem gleichen Monat des Jahres 1888 verglichen, brachte der genannte Monat bei einer nicht wesentlich größeren Stückzahl eine Erhöhung des Einlagebetrags um etwas über 90 000 Mk. oder 25"/g. Was die Vertheilung der Einlagen auf die Bezirke des Landes betrifft, so entfielen auf die Stadt Dresden allein 124000 Mk.; ihr folgen die Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt mit 75 500 Mk. und die Stadt Leipzig mit 53 000 Mk., weiter die Amtshauptmannschaften Döbeln, Dresden-Altstadt, Löbau, Zwickau und Meißen mit sämmtlich über 10 000 Mk. — Von einer Herzlosigkeit, die ihres Gleichen suchen dürfte, spricht der nachstehend geschilderte Vorgang. In Oberhainsdorf wurde vor ungefähr 10 Tagen ein älterer Mann während der Nacht im Chauffee- graben liegend aufgefunden. Derselbe wurde zwar von hinzugekommcnen Leuten aufgehoben, anstatt aber diesen alten aus Rodewitsch gebürtigen Mann in ein warmes Zimmer zu bringen, glaubte man seine Pflicht als Mensch, als Christ schon damit erfüllt zu haben, daß der am Leben noch Befindliche in einen breternen Schießstand gelegt wurde. Der nächtlichen Kälte also vollkommen preisgegcben, fand man den Mann am frühen Morgen todt in seiner Lagerstätte vor. Die Frankenburg. Roman von Marie Roma ny. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Das zweite Schreiben, fünf Jahre später, aus Berlamo aus datirt, lautete: „Mein lieber Udo! Wiewohl ich nicht weiß, ob diese Zeilen jemals in Deinen Besitz gelangen werden, so kann ich doch nicht umhin dem Schmerz, der in mir wühlet, Ausdruck zu verleihen. O, könntest Du ermessen, welche Qual mich erfüllt! Hättest Du eine