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baß England beschlossen, seine Flotte um 70 Kriegsschiffe aller Gattungen zu vcrmehrm; gerade jetzt hören wir wieder den stolzen Ausspruch, daß England nöthigenfalls der ganzen Welt den Fehdehandschuh hinwirft — Luglanä tlrs vorlä —, und daher hat die Fahrt des deutschen Kaisers für Diejenigen, welche Ursache und Wirkung verfogten, eine fast symbolische Bedeutung. Kaiser Wilhelm ist am Freitag Nachmittag in bestem Wohlsein auf Schloß Dsborne in England eingetroffen. Der Prinz von Wales und dessen Familie war an Bord der königlichen Dacht „Osborne" dem Kaiser rntgegenzefahren und hatte die kaiserliche Dacht „Hohenzollern" und das Geschwader am Nab-Lcuchtthurm getroffen. Die „Osborne" und zwei andere königliche Dachten mit dem Admiral Sir John Commcrell und dem General Sir Leicester Smyth an Bord fuhren dem deutschen Geschwader vorauf nach der Bai von Cowes. Der von den deutschen Kriegsschiffen abgegebene Salut wurde von der englischen Flotte sofort erwidert. Erstere gingen zwischen Peel Bank und Ryde vor Anker, während die „Hohen- zollern" weiter dampfte, umgeben von Hunderten von reichbeslaggten Ver gnügungsdampfern, deren Passagiere den Kaiser mit stürmischen Zurufen be grüßten. Bei der Ankunft in der Bai von Cowes begab sich der Prinz von Wales an Bord der „Hohenzollern" und begrüßte den Kaiser auf das Herzlichste. Während der Landung in Cowes spielten zwei Marine capellen die deutsche Nationalhymne; die Ehrenwache präsentirte. Der Kaiser, der Prinz von Wales und dessen Familie fuhren nach Abschreiten der Ehrencompagnie in offenem Wagen nach Schloß Osborne. Die Königin Victoria, welche das Orangeband des Schwarzen Adlerordens und des Hosenbandordens trug, empstng hier, umgeben vom ganzen Hofe, den Kaiser Wilhelm auf der Terrassentreppe, welche nach dem Königseingang des Schlosser führt. Als der Kaiser erschien, ging die Königin in Begleitung der Prinzessin Beatrice die Treppe hinab und küßte den Kaiser herzlich auf beide Wangen, indem sie Se. Majestät in England herzlich willkommen hieß. Die Majestäten traten sodann, gefolgt von den anderen Anwesenden, im feierlichen Zuge in das Schloß, wo eine Cercle stattfand, bei welchem der Premierminister Lord Salisbury, sowie andere hohe Persönlichkeiten dem Kaiser vorgestellt wurden. Abends fand hier Banket statt. Demselben wohnten alle Mitglieder des Königshauses bei. Der deutsche Kaiser saß zur Rechten der Königin von England, Graf Bismarck, Lord Salisbury und die Hofchargen dinirten im anstoßenden Salon. Die Gärten von Osborne waren am Abend prächtig illuminirt; in der Cowes-Bai und Osborne-Bai erglänzten Tausende von Lichtern auf den ankernden Dachten. Zum Ehrendienst sind General Gardiner, Henry Ewart und Admiral Hornby commandirt. — Der Kaiser ist von der Königin von England zum Ehren-Admiral der englischen Flotte ernannt worden. Auf dem Programm stand ferner für Sonnabend Flottenschau, Sonntag Besichtig ung einzelner englischer Schiffe, Montag Abfahrt der englischen Flotte zum Manöver, Abends Festmahl zu Ehren des Kaisers in Osborne-House, Dienstag Gegenbesichtigung der deutschen Schiffe durch den Prinzen von Wales, Abends Bankett des Royal-Dacht-Clubs in Cowes, Uebernachtung an Bord der Hohenzollern, Mittwoch früh Abfahrt zu der Manövern in Aldershot, Nachmittags Rückkehr nach Portsmouth und Cowes, Abends Abschiedsesscn bei der Königin in Osborne-House, Uebernachtung an Bord der „Hohenzollern", Donnerstag früh Abreise nach Deutschland. Die „Times" feiern die Ankunft Sr. Maj. des Kaisers in einem sympathischen Leitartikel, in welchem cs heißt: Der einstimmige Wunsch Englands ist es, dem kaiserlichen Gaste einen achtungsvollen, herzlichen Willkommen zu bieten. Wir empfangen den Kaiser nicht als Anverwandten des königlichen Hauses, sondern als den Herrscher des mächtigsten Reiches des Kontinents und als Haupt der uns virwandten Rasse. Jeder Freund des Friedens hofft, eS möge dem Kaiser gelingen, mit seinen die Friedens liga bildenden Bundesgenossen fest vereinigt zu bleiben, denn davon hängt der Fortschritt Europas, ja die Sicherheit der Menschheit für diese Generation ab. Ungeachtet der gelegentlichen Proteste nichtverantwortlicher Politiker weiß England wohl, daß cs mehr Gemeinschaft mit Deutschland, als mit den übrigen großen Nationen des Festlandes hat. Das Schauspiel in Spithead wird dazu beitragen, den Kaiser in dem Glauben zu bestärken, daß England die Stärke besitzt, welche dessen Freundschaft zu einer nicht zu vernachlässigenden macht. Es seien starke Gründe gegen einen förmlichen Beitritt Großbritanniens zur Liga der Centralmächte vorhanden, allein es gebe keine Gründe dagegen, zu zeigen, daß die Nation, deren imposante Macht gegenwärtig vor der Insel Wight sichtbar sei, mit den Zwecken Jener, welche den europäischen Frieden zu erhalten wünschten, sympathisire. Berlin. Das Programm für die Festlichkeiten zu Ehren des Kaisers von Oesterreich lautet: 12. August: Ankunft 5 Uhr Nachmittags, 7 Uhr Familientafel, 8'/r Uhr Zapfenstreich aller Gardemusikchöre vor dem Schlosse. Am 13.: früh 9 Uhr Parade, Frühstück, Fahrt nach Charlottenburg, Be such des Mausoleums und der Grabstätte des Kaisers Wilhelm, 6 Uhr Galatafel. Am 14.: Morgens Gefechts-Exerzieren bei Spandau, 2 Uhr Rückkehr nach Berlin, Frühstück, 4 Uhr F.:hrt nach Potsdam, Besuch der Friedenskirche und der Grabstätte des Kaisers Friedrich, 6 Uhr Tafel in Babelsberg bei der Kaiserin Augusta. Am 15.: Kirchgang, Exerzieren des Kaiser-Franz-Rcgiments nach dem neuen Reglement, Frühstück der beiden Majestäten im Regimentscasino. — Erzherzog Franz Ferdinand begleitet den Kaiser von Oesterreich. lieber die Friedensrede des ehemaligen Kriegsministers, jetzigen kommandirenden Generals des ersten Armeecorps, Generallieutenants Bron- sart von Schellendorf, macht ein offiziöser Berliner Berichterstatter der Wiener „Montagsrevue" folgende Bemerkungen: „Aus einem Munde von unbezweifelbarer Autorität, dem des langjährigen Kriegsministers und jetzigen kommandirenden Generals des ostpreußischen Armeekorps, haben wir eine unumwundene Bestätigung der Anschauung empfangen, daß dem Frieden keine Gefahr drohe. Wenn in Frankreich und Rußland hochge stellte Militärs steh vernehmen lassen, so geht durch ihre Reden gewöhnlich ein starkes Säbelgerassel, und Pulvergeruch erfüllt die Luft. Ein deutscher General dagegen, der obenein wirklich in der Lage ist, ein Urtheil über die europäische Lage zu haben, legt in denkbar bestimmtester Weise Zeug- niß für den Frieden ab, derselbe General, der als Kriegsminister das deutsche Heer für den Kriegsausbruch um 750000 Mann vermehrte, es zweimal mit neuen Gewehren und mit einer neuen Ausrüstung versah, unter dessen Amtsführung wir die Franzosen in ihrem Pulver wie in ihren Sprenggeschossen in aller Stille längst überholt hatten. Nun, unsere Herren Nackbarn in Ost und West verfügen ja über hinlängliche Mittel „zu ver traulichen Zwecken", um sich zu überzeugen, daß es doch vielleicht ein schlechtes Geschäft wäre, mit Deutschland anzubinden. Gerade weil General von Bronsart den Grad unserer Bereitschaft und — unserer Ueberlegen- heit kennt, kann er mit voller Zuversicht vom Frieden sprechen, der nicht gestört werden wird. Es ist glorreich für einen General, dem feindlichen Feldherrn das harte Gebot einer Schlacht zu geben, aber noch glorreicher für eine Staatskunst, einer starken, rauflustigen Nachbarschaft das Gesetz des Friedens vorzuschreiben, wie der Friedensbund in seiner unerschütter lichen Festigkeit dies vermag." Die preußische Regierung hat Anordnungen getroffen, um die Ein schleppung der Rinderpest, welche in Polen dicht an der Grenze ausgebrochen ist, nach Deutschland zu verhindern. Einer an das Müncher Fest anknüpfenden Betrachtung der „Nat-- Ztg." über die deutschen Feste entnehmen wir folgende hübsche Betrachtung: Zwei Dinge sind in diesem Jahrhundert dem deutschen Volke zu« Aus druck seines Wesens geworden: sein Turnen und sein Singen- Franzosen und Italiener, Engländer und Russen mögen es uns nachthun, so viel sie wollen, wie wir es thun, ist es eben anders, aus der Volksseele selber herausgeströmt. Wie der deutsche Männergesang, hat auch die deutsche Turnerei in ihrer Ausbildung und Ausdehnung, von dem Knaben bis hoch in das Mannesalter hinauf, nicht ihres Gleichen auf Erden. Wo die Deutschen im Auslande zahlreicher zusammenwohnen, bilden sie Turn- und Gesangvereine, ist es das theucrste Stück Heimath, das sie in die weiteste Ferne mit sich genommen haben. Das gemeinsame Turnen und Singen übt auf unser Volk nicht nur seine geistig und körperlich erziehende Kraft aus, sondern erhöht in ihm das Gefühl seiner Zusammengehörigkeit und Liebe zum Vaterlande. Für die Jugend ist das Turnen das beste Gegen gewicht gegen die sitzende Lebensweise, zu der sie die Schule und ihre Ar beit nothwendig zwingt; wie es ihre Muskeln in Spannung und Thätig- keit setzt, richtet es auch ihren Geist erfrischend von der Wissenschaft auf die Außenwelt, von der Uebung des Verstandes auf die Uebung der Kraft und des Muthes. Mit dem Arm und der Brust gedeihen auch die Kühn heit und der Frohsinn, das Selbstvertrauen und die Gefaßtheit in dem turnerischen Wettkampf. Wie er die Jugend stählt, hält er das Alter frisch. In harmonischer Einigung verbindet er die verschiedenen Menschen alter, Knaben, Jünglinge und Männer werden in freudigem, kräftigen Spiel zu einer in sich fest geschlossenen Einheit. Eine solche Einrichtung hat in sich selbst, bei der Natur unseres Volkes, das Alles gern in seiner Tiefe zu erfasfen sucht, eine Schwungfeder, die sie über ihre nächsten Ziele emporschnellt. Es konnte nicht ausbleibcn, daß die treibende Macht dieses Jahrhunderts, die Politik, auch in die Turnerei eindrang, wie in die Uni versitäten. Wenn alle Hoffnungen unseres Volkes getäuscht waren, wie nach den Jahren 1815 und 1849, flüchtete sich die Sehnsucht nach besseren und freieren Zuständen hierher. Es war gleichgiltig, wie der einzelne Turner und Student, Privatdocent und Professor sich zu allen politischen Fragen stellte — Jahn und Maßmann, Arndt und Dahlmann waren das Gegentheil von Umstürzlern, viele Freunde des Turnens und der Burschenschaft standen immer, nach unserem Sprachgebrauch, auf der äußersten Rechten — aber die Dinge an sich, die Freiheit, welche die Wissenschaft dem Geiste, 'und der Muth, den die beständige Leibesübung dem Herzen verleiht, waren die Mitverschworenen der Zukunft. Daher die Verfolgungen, welche die Universitäten und die Turnerei gemeinsam in der schlimmen Zeit deutscher Dumpfheit und Verstörtheit, in den Jahren von 1819 bis 1840, zu bestehen hatte; daher die politische Bedeutung, welche die Turn- und Schützenfeste in den Jahren 1859 bis 1865 gewannen. Von dem Frank furter Schützenfest im Jahre 1862, von dem Leipziger Trunerfest im Jahre 1863 ging ein Strom vaterländischer Begeisterung aus, sie waren etwas wie die Trompetenstöße, welche die nahende Entscheidung verkündeten. Mit der Gründung des Reiches ist dieser politische Glanz der Turnfeste verblaßt. Wir bedürfen nicht mehr der Schützen- und Turnsestredner, unseren politischen Wünschen Ausdruck zu geben und die Einheit des Vaterlandes zu fordern. Aber was sie an politischer Bedeutung verloren, haben an Freudigkeit und sachlichem Werth gewonnen. Die Uebung selber, die Entwickelung des Turnens, der fröhliche Wettkampf sind wieder zur Hauptsache geworden. Ebe die Waffenbrüderschaft sich erprobt, verbindet die Turngemeinschaft auf dem Festplatz Knaben, Jünglinge und Männer aller deutschen Stämme. Unmöglich, daß eine solche Vereinigung und Gemeinsamkeit nicht die unmittelbaren Zwecke und Ziele hinaus auch die Herzen erheben und die Gemüther erfrischen sollte." Münster, 1. August. Wie der „V. Z." gemeldet wird, erfolgt der angekündigte Besuch des Kaisers und der Kaiserin in der alten Haupt stadt Westfalens, den Anordnung des Hofmarschallamtes zufolge, am 24. August. Die Vorbereitungen zum Empfange werden eifrig betrieben. Der Aufenthalt des Kaiserpaares soll einen Tag dauern; Abends soll die Weiter fahrt nach Straßburg erfolgen. Eisleben, 30. Juli. Die Mansfelder Gewerkschaft ist von einem größeren Grubenunglück heimgcsucht worden, das zwar glücklicher Weise kein Menschenleben gekostet hat, in seinen Folgen aber für die Gesellschaft sowohl, wie für die Bergleute sehr empfindlich sein wird. Nach den bis jetzt bekannt gewordenen Nachrichten ist, wie die „Saale-Zeitung" schreibt, der Ottoschacht bei Wimmelburg ersoffen, d. h. durch Anhaucn einer im Erdinnern verborgenen Kalks chlotc, eines unendlich großen Wasserbeckens, ist der Schacht (man spricht von der vierten Tiefbausohle) unter Wasser gesetzt, so daß die Bergleute schnell haben flüchten, bezw. durch Alarm signale zur Flucht haben getrrieben werden müssen. Aber nicht nur in die Ottoschächte — es giebt deren drei — sind unter Wasser, auch der Martinschacht, der Ernst- und Clotildeschacht sollen von dem Unglück be troffen sein. Die Belegschaften sind zum Theil wieder nach Hause ge schickt, zum Theil sind während der Nacht solche zur Hilfeleistung geholt. Posen, 31. Juli. Auf dem hiesigen Güterbahnhofe ist heute ein großer Lagerschuppen mit sämmtlichen Inhalt vollständig niedergebrannt. Der Schaden wird auf 100000 Mark geschätzt. Man vermuthet Brand stiftung. — In Noskowo bei Wreschen starben 4 Personen nach dem Genuß giftiger Pilze. Ein Riesengeschütz wurde dieser Tage aus der Krupps'chen Kanonen fabrik nach Antwerpen verladen. Die Gußstahl-Kanone hatte ein Gewicht von 82650 Kilo und eine Länge von 14 Metern bei einem Hauptdurch messer von 2 Mtr. und einer Rohrweite (Kaliber) von 35 Cm. Ver laden war das Riesengeschütz auf einem ganz aus Walzeisen gebauten Fahr zeug mit 12 Achsen. Ein Sonderzug mit erforderlichem Personal hatte die Aufgabe, dieses Riesengeschütz nach Antwerpen zu bringen, von wo eS nach Konstantinopel befördert werden soll. Unser Handel mit derSchweiz scheint zu einem friedlichen Aus gleich zu gelangen. Man sieht in der Schweiz ein, daß man deutscher seits Niemand anders treffen will, als die deutschen Sozialdemokraten, für deren Wühlereien und Umsturzbestrebungen der schweizer Boden bisher eine Freistätte gewesen ist. Für diese Sozialdemokraten ist die Kündigung des Niederlassungsvertrages allerdings sehr betrübend, ein schwerer, kaum zu überwindender Schlag; und deshalb suchen sie dagegen zu demonstriren. Das wird ihnen aber nicht viel helfen. Paris, 1. August. Nach einer Meldung aus Toulon explodirte ein Geschoß in einer Rcvolverkanone auf dem Artillerieschulschiff „Couronne" in Salins d'Hyeres. 5 Mann sind getödtet und 17 verwundet. Von den Letzteren sind 3 Mann lebensgefährlich verletzt. Das Erdbeben, welches jüngst die Stadt Kum ama nto auf der Insel Kiu-Siu, unweit Nagasaki, heimsuchte, war nach eine Reutermeldung in seinen Wirkungen weniger ernst, als anfänglich gefürchtet wurde. Es scheint, daß 30 Personen getödtet und 80 verletzt wurden, und daß eine große Menge Häuser der Zerstörung anheimfielen. Vaterländisches. — Zollhaus- Bieberstein, 1. August. Am heutigen Tage hatten die drei Comitss, welche durch ihre Petition an den Landtag den Bau der Eisenbahnen Halsbrücke-Nossen und Wilsdruff-Nossen be-