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Stuttgart, 4. Oktober. Kaiser Wilhelm hat während seines Aufenthaltes am Stuttgarter Hof seinen Besuch für das nächste Jahr, in welchem König Karl sein 25jähriges Regierungsjubiläum feiert, in sichere Aussicht gestellt. Zur würdigen Feier dieses Jubiläums hat sich, wie schon berichtet, ein Landeskomitee gebildet, welches gegenwärtig mit dem Aufruf zu einer Jubiläumsstiftung hervortritt. Am Mittwoch Abend fand ein Concert zu Ehren Kaiser Wilhelms im Rittersaale der Wiener Hofburg statt; nach dem Concert folgte Cercle, bei welchem die Kaiserin Elisabeth den Staatssekretär Grafen Bismarck durch eine fast eine halbe Stunde lang währende Unterredung auszeichnete. Wien, 5. Oktober. Se. Mas. der König Albert von Sachsen ist heute Vormittag 9 Uhr hier eingetroffen. Gegen 8^ Uhr erschien Kaiser Kaiser Franz Josef mit dem Generaladjutanten Grafen Paar und dem Flügeladjutanten Freund. Der Kaiser, welcher Marschallsuniform mit dem Bande des sächsischen Hausordcns der Rautenkrone angelegt hatte, nahm die Begrüßung der auf dem Bahnhofe anwesenden Herren entgegen und eilte sofort, nachdem der Zug in den Bahnhof eingefahren war, seinem hohen Gaste, der die österreichische Uniform mit dem Bande des Groß kreuzes des St. Stefans-Ordens angelegt hatte, entgegen. Die beiden Monarchen nmarmten und küßten sich wiederholt und schritten dann die Front der Ehreneskadron unter den Klängen der Musik entlang. Nach der Vorstellung des beiderseitigen Gefolges begab sich der Kaiser mit seinem hohen Gaste nach Schönbrunn, woselbst auch Prinz Leopold von Bayern Vormittag eingetroffen war. Se. Mai, König Albert stattete nach seiner Ankunft in Schönbrunn Sr. Maj. dem Kaiser Wilhelm einen Besuch ab, den dieser sofort erwiderte. Wien, 6. Oktober. Wegen des gestern eingetretenen Schneefalls im Gebirge mußte die auf heute angesetzte Gemsjagd abgesagt werden; es brachen deshalb um halb drei Uhr Morgens Ihre Majestäten beide Kaiser, der König don Sachsen, der Kronprinz Rudolf und der Großherzog von Toscana, Prinz Leopold von Bayern und der Graf von Meran zur Pürsckjagd in der nächsten Umgebung von Mürzsteg auf. Prinz Leopold schoß einen guten Achtender. Gegen 7 Uhr kehrte Se. Maj. Kaiser Wilhelm in das Jagdschloß zurück und dejeunirte nebst den Prinzen Leo pold mit Kaiser Franz Josef, während die übrigen Herren sich mittelst Wagens direkt nach dem Schwarzenbacher Jagdrevier begaben. Während des Frühstücks wurde den hohen Herrschaften ein Flügelbornständchen dar gebracht. Um 8 Uhr begaben sich die beiden Kaiser, Prinz Leopold, Prinz von Hohenlohe, Graf Caar, Generalsstabschef Beck und Prinz von Tum und Taxis, Oberhofmarschall von Liebenau, Flügeladjutant v. Pfuhl und Geheimratb Raschdau in offenen Equipagen zur Treibjagd auf Hochwild nach Schwarzenbach. — Nachträglich wird bekannt, daß Sc. Maj. Kaiser Wilhelm vorgestern Nachmittag in dem Arbeitszimmer Sr. Maj. Kaiser Franz Josef's eine Unterredung mit dem Letzteren hatte, die mehr als eine Stunde dauerte, und nach deren Beendigung Kaiser Franz Josef den Grafen Kalnoky empfing. Zu den Toasten des deutschen und des österreichischen Kaisers bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg.": Die erhebenden Worte, mit welchen die Monarchen des Deutschen Reichs und Oesterreich-Ungarns auf dem Galadiner in Wien einander begrüßten, werden im deutschen Volke sickerlich mit hoher Freude und lebhaftester Genugthuung ausgenom men werden, verbürgen sic doch das kostbarste Gut der Nationen, den Frieden. Das herzliche Einvernehmen der beiden Kaiser ist ein treues Abbild der Beziehungen beider Kulturreiche zu einander. Der Bund, den die Weisheit des hochseligen Kaisers Wilhelm I. geschloffen, wird, wie sein erlauchter Enkel bervorhob, „in dem Gefühle bewährter, unverbrüch licher Freundschaft" fortbestehen zum Segen von ganz Europa. Den innigsten Ausdruck fanden jene Gefühle der Freundschaft und Bundesge noffenschaft in den Trinksprüchen, welche beide Kaiser auf die Heere ihrer Bundesgenoffen ausbrachten; die Bezeichnung der Kameradschaft, jenes eigenthümlichcn militärischen Bandes, das den festesten Kitt der Armeen bildet, ist ausgedehnt auf die beiden verbündeten Heere, und somit hat diese Waffenbrüderschaft aus höchstem Munde ihre berufenste Weihe em pfangen. Rom, 3. Oktober. Das Festprogramm für die Anwesenheit des deutschen Kaisers ist jetzt wie folgt festgestellt: Se. Maj. der Kaiser trifft am 11. Oktober Nachmittags 2 Uhr 20 Minuten in Rom «in und hält sich daselbst bis einschließlich 16. Oktober auf. Am 11. Oktober erfolgt festlicher Empfang des hohen Gastes durch den König und alle Prinzen des königl. Hauses, die Minister und die Spitzen der Behörden am Bahnhofe, während die Königin und die Prinzessinnen den Kaiser im Quirinal empfangen werden. Abends ist Familientafel im Quirinal. Am 12. erfolgt großer Empfang und Fest auf dem Kapitol bei Beleuch tung desselben. Am 13. ist große Truppenrevue über ein vom General lieutenant Pallavicini kommandirtes, kombinirtes Armeecorps von 32 000 Mann. Abends findet Konzert bei Hofe statt. Sonntag, 14. Oktober wird auf ausdrücklichen Wunsch des kaiserlichen Gastes, vollständig Ruhe gehalten. Am 15. ist großes Volkskonzert uno Fackelzug aus der Piazza del Popolo und dem Monte Pincio, am 17. Beleuchtung der Stadt und der Monumente. Mit Ausnahme des Konzertes sind die bei Hofe zu veranstaltenden Festlichkeiten noch nicht festgestellt, doch wird auf die Trauer des Kaisers und dessen ausdrücklichen Wunsch Rücksicht genommen, daß ihm Zeit gegönnt werde, Rom, welches er noch nie gesehen, und dessen Kunstschätze eingehend zu besichtigen. Am Tage des Besuches im Vatikan wird der Kaiser in den deutschen Botschaftspalast Palazzo Caffarelli fahren, dort frühstücken und von dort aus mit eigener Equipage nach dem Vati kan fahren, damit der Besuch vom exterritorialen deutschen Gebiete aus erfolge. Im Palazzo Caffarelli wird der Kaiser auch den ihm im Namen des Papstes abzustattenden Gegenbesuch durch den Kardinalvikar empfangen. Bei seinem Besuche im Vatikan wird der Kaiser auch von dem Gesandten v. Schlözer begleitet sein. Am 17. Oktober früh fährt der Kaiser in Begleitung des italienischen Hofes nach Neapel, wo an diesem Tage die große Flottenrevue stattfindet. Abends ist großes Volkskonzert und Be leuchtung. Am 19. Oktober findet in Castellamare der Stapellauf des großen neuerbauten Panzerschiffes „König Humbert" statt und nach dem selben kehrt der Kaiser und der königliche Hof nach Rom zurück, von wo aus der Kaiser am 19. Oktober früh seine Rückreise nach Berlin antritt. Dies das bisher festgestellte Programm, an welchem übrigens eventuell noch Aenderungen vorgenommen werden dürften. In Neapel z. B. hat das dortige Munizipium eine große Galavorstellung im San Carlotheater arrangirt und zu derselben eigens einige bedeutende Künstler engagirt, doch zweifelt man, daß der Kaiser der tiefen Trauer wegen, an dieser Festlich keit theilnehmen werde. Glänzender aber als alle Festlichkeiten wird die Ovation sein, welche dem hohen Gaste von Seiten der Bevölkerung ent gegengebracht werden wird; der allgemein herrschende Enthusiasmus bürgt für einen außerordentlichen Empfang. Rom, 3. Oktober. Der König hat an die Kaiserin Victoria Augusta von Deutschland die telegraphische Einladung ergehen lassen, Taufpathin bei dem neuen Kriegsschiffe „Umbert 1." sein zu wollen. Die Kaiserin hat die Königin von Italien gebeten, sie bei der Feier zu vertreten. Die französische Regierung soll ihren Botschafter de Mouy ange wiesen haben, vor Ankunft des deutschen Kaisers nach Rom zurückzukehren. Aus Frankreich hat die abgelaufene Woche die merkwürdige Mel dung von dem Erlasse eines Fremdengesetzes gebracht, nach welchem alle Ausländer, die sich in Frankreich niederzulassen wünschen, künftig einer ganzen Reihe von Kontrolmaßregeln unterliegen sollen. Bezeichnender Weise erfährt dieser Gesetzentwurf in Frankreich selbst Widerspruch und erklärt z. B. der „Temps" die Durchführung desselben für unmöglich, während der Entwurf im Auslande, wie in Belgien, bereits den ernstlichen Gedanken an Repressalien hervorgerufen hat. Vermuthlich wird das Mi nisterium Floquet, wie auch die „Libertö" andeutet, auf den „Frcmdenukas" wieder verzichten. Die Schweiz ist in ihren westlichen Kantons, hauptsächlich aber im Kanton Genf, von Ueberschwemmungen heimgesucht worden, welche viel fache Verheerungen anrichteten. Neueren Meldungen zufolge hat man jedoch auck in Theilen der östlichen Schweiz, wie im Kanton St. Gallen, durch Hochfluthen, in erster Linie des Rheins, zu leiden. Petersburg, 5. Oktober. Die russischen Blätter setzen ihre Versuche fort, die Bedeutung des Wiener Empfanges Sr. Majestät Kaiser Wilhelms herabzusetzcn. Boterländisckes. — Ihre Majestät die Königin begab sich gestern Abend über Mün chen nach Sigmaringen zu einem mehrtägigen Besuche der Frau Fürstin von Hohenzollern. - Unsere Landbewohner wollen wir nickt unterlassen aufmerksam zu machen, daß demnächst ein neues Adreßbuch des Bezirkes Wilsdruff- Meißen erscheint. Ameldungcn sind bei O. Gärtner, Dresden, Blochmann straße 25, anzubringcn. — Am 1. Oktober treten nach Abschnitt 3 der Verordnung der Königl. Ministerien des Innern und der Finanzen vom 23. Mai 1888 die Bestimmungen des Reichsgesetzes vom 5. Mai 1886 und des sächs. Landesgesetzes vom 22. März 1888 über die Krankenversicherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen in Kraft. Von diesem Zeitpunkte an sind demnach sämmtliche in der Land- und Forstwirthschaft gegen Gehalt oder Lohn beschäftigte Personen, einschließlich des Gesindes, der Betriebsbeamten mit nicht mehr als 2000 Mk. Jahresarbeitsverdienst und der im Betriebe des Familienoberhauptes gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Familienangehörigen, der Kranken versicherungspflicht nach Maßgabe des Reichsgesetzes, betreffend die Kran kenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883 und des Abschnittes U des Reichsgesetzes vom 5. Mai 1886, unterworfen. Als Lohn oder Ge halt gelten im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes auch Tantiemen und Naturalbezüge. Die nunmehr für krankenversickerungspflichtig erklärten Personen der Land- und Forstwirthschaft müssen von den Betriebsunter nehmern spätestens am 3. Oktober d. I. zur Verhütung von Strafen und sonstigen Nachtheilen bei den Ortskrankenkassen beziehentl. der Ge meindekrankenversicherung angemeldet werden. Der Krankenversicherungs- pflickt unterliegen nicht solche land-und forstwirtschaftliche Arbeiter, deren Beschäftigung ihrer Natur nack eine vorübergehende, oder durch den Ar beitsvertrag im Voraus auf einen Zeitraum von weniger als einer Woche beschränkt ist, dafern die Krankcnversicherungspflicht nicht etwa durch Orts statut auch auf diese Personen ausgedehnt ist, und sonstige, in fremden land- und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigte Arbeiter, welche Lohn oder Gehalt bez. Tantieme, Naturalbezüge und dergl. überhaupt nicht erhalten. — Dresden, 6. October. Dem Hofprediger, Oberkonsistorialrath Dr. Louis Bernhard Nüling in Dresden wurde das Komihurkreuz 2. Klasse vom Verdienstorden und dem Fischermeister Karl August Franz Große in Meißen, Anerkennung der von ihm am 5. August d. I. unter eigener Lebensgefahr bewirkten Rettung eines Kindes vom Tode des Ertrinkens in der Elbe, die silberne Lebensrettungsmedaille nebst der Befugniß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen. — Von einer wahrhaft empörenden Handlungsweise wird dem „Pirn. Anz." aus Niedersedlitz geschrieben. Ein in dem letzteren Orte in Stellung gewesenes Dienstmädchen, das seit einigen Tagen bettlägerig ge worden war, wurde von seiner jedes Mitgefühl verleugnenden Herrschaft ohne Hinzuziehen eines Arztes in dem bedauernswerthcn Zustande und in ungenügender Kleidung in den Postwagen gebracht und den Eltern zugeführt, wo die Aermste einige Stunden nach der Ankunft ihren Leiden erlag. Im Wagen war die Kranke in Krämpfe gefallen, wobei sie sich ihre wenigen mangelhaften Kleider noch vom Leibe riß und dann in dieser beklagenswerthen Situation, auf dem Boden des Wagens hingcstreckt, mehrere Stunden verharren mußte. Man sollte glauben, daß eine Herz losigkeit, wie sie hier geschildert werden mußte, in unserer, an Humanitäts- bestrebungen sonst so reichen Zeit einfach nicht mehr möglich sei; die trau rige Wirklichkeit des vorliegenden Falles überzeugt uns jedoch von dem Gegentheil. — Leipzig, 5. October. Die feierliche Grundsteinlegung zum Bau des Reichsgerichtsgebäudes ist definitiv auf den 31. October festgesetzt und aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Feier durch die An wesenheit Sr. Maj. des Königs verherrlicht werden. Der Grundstein erhält seine Stelle inmitten des Baues unter der Wartehalle. Bei der großen Ausdehnung, welche die Feier annchmen wird, beginnen die um- : fangreichen dekorativen Arbeiten auf dem Bauplatz schon in den nächsten Tagen. Dem Vernehmen nach darf man auch auf die Theilnahme von hohen Vertretern der Reichsbehörden bei der Feier rechnen. — Anläßlich der jetzt erfolgten Reserve-Entlassungen dürfte es am Platze sein, kurz auf die einschlägigen Bestimmungen über die Pflichten im Beurlaubten-Verhältniffe hinzuweisen. Jeder Reservist hat von dem Tage der Entlassung an gerechnet, sich innerhalb 14 Tagen bei dem heimathlichen Bezirksfeldwebel für den betreffenden Entlafiungsort anzu melden. Verzieht jedoch der Reservist innerhalb dieser Meldefrist nach einem anderen Orte, so hat die An- und Abmeldung ebenfalls innerhalb dieser Frist zu erfolgen, die Meldungen können aber auch, wie aus den Paßbestimmungen zu ersehen, schriftlich erstattet werden. Bei einem spä teren Wegzuge nach einem anderen Compagmebezirke muß die Abmeldung stets vor dem Verzüge erfolgen. Die Dispositionsurlauber haben bei jedem Aufenthaltswechsel vorher die Genehmigung des Landwehr-Bezirks-Com- mandeurs durch Vermittelung des zuständigen Bezirksfeldwebels nachzusuchen. Wer verzieht, ohne die Genehmigung nachgesucht und erhalten zu haben, wird zur Strafe sofort wieder zu seinem Truppentheil cinberufen. — Grimma. Auf komische Weise sind eine Anzahl der Theilnehmer am Seminarjubiläum geprellt worden, die sich durch Kauf von Medaillen auch äußerlich als Mitfeiernde auszeichnen wollten. Ein Medaillenver- käuser befriedigte, als sein Vorrath aus die Neige ging, die lebhafte Nachfrage dadurch, daß er von früheren Festen übrig gebliebene Medaillen verkaufte. Die Zuvorkommenheit, mit der er seinen Kunden die Münze selber an heftete, ließ diese nicht eher als am anderen Morgen merken, daß sie dem Andenken der „Fahnenweihe zu Liebertwolkwitz", der Sanitätscolonne in Mecklenburg" oder wohl gar der „Viehausstellung zu Augsburg ein Opfer, gebracht hatten.