Volltext Seite (XML)
Von der Frau Commerzienräthin war er nicht empfangen worden, weil sie jeden Amerikaner für einen Fleisch gewordenen Humbug erklärte, was dem Mr. Stevenson ziemlich gleichgültig zu sein schien. Hilberg blickte dem Zuge nach und schritt dann langsam zurück, über diesen seltsamen Fremden und seine Empfehlungskarte etwas unruhig nach denkend. Was sollte dieser Amerikaner bei Herrn von Santen? Wes halb interessirte ihn der Unglücksfall so lebhaft? — Dem Commerzienrath wurde heiß und kalt, er gedachte des Pfarrers im Gebirge, der sich eben falls bei ihm eingehend nach dem jungen Wittwer und seinen Verhältnissen erkundigt hatte und von der Mittheilung des Testaments abseiten der jungen Frau in eine sichtliche Erregung gerathen war. Der Pfarrer hatte mehrmals schmerzlich geseufzt und die Worte wieder holt: „So kommt das große Vermögen also in ganz wildfremde Hände, während die leiblichen Verwandten des ursprünglichen Besitzers vielleicht in Elend schmachten. Es ist wirklich gräßlich!" Hilberg hatte ihm erwidert, daß man dafür allein den seligen Lambert, nicht aber Herrn von Santen verantwortlich machen könne, worauf ihn der geistliche Herr ganz seltsam angestarrt und dann mit schmerzlichem Ausdruck den Kopf geschüttelt hatte. Alle diese Dinge, worauf er gestern keinen Werth gelegt, gewannen nun plötzlich in seinem Gedächtniß eine ganz andere Gestalt und Bedeutung — theilte auck der Pfarrer den grausigen Verdacht des Amerikaners, oder fußte dieser Verdacht wirklich auf etwas Tatsächlichem?" „Nein, nein," rief er unwillkürlich mit lauter Stimme, als müsse er sich gegen ein unheimliches Gespenst wehren. Vorübergehende lachten und wie ein verfolgter Verbrecher eilte er weiter. „Der Henker hole alle Schwarzseher," murmelte er, den Wagen be steigend, der ihn nach Meran zurückbringen sollte, „armer Santen, un schuldiges Lamm, das sich am liebsten mit in's Grab gelegt hätte! — Na türlich, er muß ja ein Teufel sein, weil sie zufällig reich gewesen, als ob es gar keine echte Liebe auf der Welt mehr gäbe! — Gewiß hat der Iankee den guten Pfarrer bearbeitet, bereue es doch, ihm meine Karte gegeben zu haben, muß den unglücklichen Santen nur lieber vor dem Besuch warnen, hm, bm!" Mittlerweile kam der Zug nach Innsbruck, wo Mr. Stevenson den selben verließ um sich nach einem Gaschos zu begeben und dort nach einem Herrn Newman zu fragen. „Mr. Newman aus Boston wohnt auf Nr. 28," antwortete der Kellner diensteifrig, „wenn Euer Gnaden Mr. Stevenson aus New-Jork sind." „Der bin ich, wo ist Nr. 28?" Der Kellner geleitete ihn in das zweite Stock, wo Stevenson den Gesuchten bei einem splendiden Frühstück traf. „Ah, Mr. Stevenson, — sehr willkommen, habe Sie schon seit gestern erwartet, wußte aber nicht, wohin telegraphiren." „Schon gut, bringen Sie noch ein Couvert und eine Flasche Wein, Kellner!" Als beides gebracht, der dienstbare Geist entlassen und dem Frühstück sein Recht geschehen war, lehnte sich Stevenson auf seinen Stuhl zurück. „Sind Sie thätig gewesen, Newman?" fragte er nachlässig. „Nach Kräften, Sir!" Er war ein bejahrter Mann, dieser Mr. Newman, mit einer kahlen Platte, einem Hagern, bartlosen Gesicht, das wie mit braunem Pergament überzogen schien, und einer langen, dürren Gestalt, welche fast nur aus Sehnen und Knochen bestand. Seine Kleidung war fein und elegant, hing ihm jedoch schlotternd um die langen Glieder wie an einer Vogelscheuche. „Resultate?" fragte Stevenson etwas ungeduldig. „Hm, war in Thüringen, Sachsen, all ri^lit, Sir, just an der Grenze von beiden, erbärmliches Nest — alte Familie, in der Gegend hübsches Schloß, reiche Besitzung, in anderen Händen, früherer Besitzer lockerer Vogel, Duell gehabt, todtgeschossen, geflüchtet, stimmt, wie?" (Fts. flgt). Vermischtes. * Geistesgegenwart einer Frau. In Accord, einem kleinen Orte in der Nähe des Delaware- und Hudsonkanals, sah dieser Tage Charles Walker in seinem Hofraum eine seltsam gefärbte, sich bewegende Masse liegen. Ohne an Arges zu denken, ging er darauf zu, als er Plötzlich gewahrte, daß er eine Klapperschlange der gefährlichsten Art vor sich habe, die sich sofort zum Kampfe mit ihm anschickte. Walker erkannte sofort die Gefahr, in der er schwebte und ergriff ein Stück Holz, das zu seinen Füßen lag, um, mit demselben bewaffnet, den Gegner zu erwarten. Eben sprang die Schlange auf ihn zu, als er derselben mit dem Holze einen heftigen Schlag auf den Kopf versetzte, der sie für einen Augenblick be täubte. Bald erholte sich das Reptil aber und drang nun wieder auf Walter ein, der sich nur mit Mühe ihrer Angriffe erwehrte. In diesem Augenblicke trat Frau Walker aus der Thür und sah mit einem Blicke die gefahrvolle Lage ihres Mannes. Sie schrie nicht auf, sie rannte nicht zu den Nachbarn um Hülfe, sondern sie eilte möglichst rasch ins Zimmer, riß die geladene Jagdflinte von der Wand, faßte vor dem Küchenfenster Posto und feuerte, sobald sich ihr eine Gelegenheit dazu bot, der Schlange die volle Ladung in den Leib. Sie hatte gut getroffen, die Schlange lag todt zu den Füßen ihres Mannes. Als aber Alles vorüber war, da machte sich die Erregung der Frau in lautem Aufschrei Luft und sie, die eben mit größter Kaltblütigkeit gezielt hatte, lag nun ohnmächtig in den Armen des von ihr geretteten Gatten. * Ein Raubanfall in italienischer Manier hat sich am Mittwoch in Berlin zugetragen: Der Lehrling T. wurde Nachmittags von seinem Prinzipal nach der Hauptpost geschickt, um einen Geldbrief abzuholen. Als T. aus der Thüre der Ausgabestelle in der Spandauerstraße heraus trat, trat ein junger Mann ihm entgegen, warf ihm Schnupftabak in's Gesicht und entriß ihm den Geldbrief, den T. frei in dcr Hand trug. Die beabsichtigte Blendung trat indeß nicht ein, vielmehr konnte T. den Räuber verfolgen, und im Beistände eines Schutzmannes gelang es, den selben an der Ecke der Königs- und Heiligengeiststraße festzunehmen. Der Brief war bereits geöffnet, doch seines Inhaltes noch nickt beraubt. Der Festgenommene ist ein stellenloser, bisher unbescholtener Handlungs diener. Der Nachlaß des Fürsten Schwarzenberg. Das Vermögen, welches der jüngst verstorbene Fürst Johann Adolph zu Schwarzenberg seinen beiden Kindern und Erben, dem Fürsten Adolph Joseph Schwarzenberg und der Prinzessin Leopoldine von Waldstein-Wartenberg, hinterließ, wird auf mehr als 120 Millionen Gulden geschätzt. Der österreichischen Fi nanzverwaltung erwächst damit ein Zufluß von etwa anderthalb Millionen Gulden, da die Erbschaftsgebühr ein Prozent sammt einem 25prozentigen Zuschläge, demnach einundeinviertel Prozent ausmacht. Der Gebühr unter liegt der gesammte Nachlaß, sowohl das Allodial-, als das Fideikommiß- vermögen; der entfallende Betrag ist jedoch auf zehn Jahre zu vertheilen. * Dem Kalkanstrich der Obstbäume hat ein Abkratzen der ab gestorbenen Rinde sowohl als des Mooses voranzugehen. Dasselbe ge schieht zweckmäßig im Herbst, kann aber auch im Frühjahr geschehen. Vornehmlich entwickeln sich die Schmarotzer in der wärmeren Jahreszeit, im Sommer; sie haben also im Herbst ihre größte Vollendung erreicht. Durch die wechselnde Hitze und Feuchiigkeit des Sommers haben sich ferner Theile der Rinde abgctrennt; es sind Risse und Springe entstanden, und beginnt um diese Zeit also auch die schädliche Einwirkung auf die gesunden Theile der Stämme. Außerdem siedelt sich eine große Menge von Ungeziefer unter diesen Theilen an. Geschieht deshalb das Abkratzen im Herbste, so werden nicht nur die Moose und Flechten entfernt, die trockene Rinde abgeschabt, es werden auch die Insekten ihres Wohnortes und ihres Winterlagers beraubt. Ebenfalls findet man eine größere An zahl Eier von sehr schädlichen Insekten auf der Oberfläche der Rinde, im Moos oder in kleinen Vertiefungen abgesetzt, um hier geschützt den Winter zu überdauern. Mit dem Kalkanstrich ist deshalb ein Putzen und Reinigen der Stämme zu verbinden. * Das Graben des Gartens. Der Garten darf nie gegraben werden, so lange der Boden noch schmierig und naß ist, sonst erhält der selbe eine so zähe und geschlossene Beschaffenheit, daß es oft mehrere Jahre dauert, bis er wieder genügend locker wird. Gräbt man aber, dann stecke man auch stets möglichst tief und mache nie zu große Stiche. Was man hier durch größere Leistung an Flächenraum zu gewinnen glaubt, verliert man doppelt durch geringere Wirkung. Zu empfehlen ist das Herbstgraben, und ganz besonders auf schwerem, überhaupt feuchtem Boden, wobei sich noch als sehr Vortheilhaft erweist, darauf zu achten, daß die Beete höher zu liegen kommen, als die Wege, damit auf diese Weise die Nässe aus den Beeten leicht abziehen und die Sonne dieselben besser austrocknen kann. Sehr fehlerhaft ist eS ferner, das vor dem Winter gegrabene Land zu ebnen; es bietet dies zwar ein hübsches Aussehen, dabei aber werden die Hauptvortheile des Grabens fast ganz hinfällig. Denn der Haupt zweck des Grabens ist nicht nur der, den Boden zu lockern, um den Wurzeln der Pflanzen das tiefere Eindringen zu ermöglichen, durch dasselbe soll zugleich die Fruchtbarkeit des Bodens auch in der Weise gefördert werden, daß die Luft mit ibrcn werthvollen befruchtenden Theilen, sowie Regen und Schnee besser in den Boden eindringen. Jeder, selbst ein anscheinend recht armer Boden, enthält ein bedeutendes Quantum Pflanzen nährstoffe, die nur deshalb nicht wirken, weil sie eben ungelöst sind. Die Lösung geschieht aber niemals stärker, als während des Winters durch den wechselnden Einstich von Kälte und Wärme. Das größte Wohngebäude der Welt. In Minneapolis, Minn., wird, wie die „Franks. Z." sich schreiben läßt, soeben ein Bauwerk in Angriff genommen, gegen welches die riesigen zwölfstöckigen Hotels ander Battery und am Broadway in Neuyork wahre Hütten sind. Es hat nicht weniger als achtundzwanzig Stockwerke, nach welchen zwölf Ele vators (Fahrstühle) führen, welche vermittelst Dampfmaschinen in Bewe gung gesetzt werden. Jeder derselben stellt einen kleinen Salon dar, be sitzt einen Conducteur und fährt mit einer Regelmäßigkeit zu den ihm be stimmten Stockwerken empor, wie etwa eine Eisenbahn nach ihrem Be stimmungsort. Eine solche vertritt der Elevator, denn wie die Gebäude alten Systems in die Länge und Breite, so ist dieses Gebäude in die Höhe gebaut. Länge und Breite betragen nur je 80 Fuß, dagegen ist die Höhe von der Basis bis zum achtundzwanzigsten Stockwerk 350 Fuß. Das Gebäude enthält 728 große Räume, sämmtlich nach außen, also an den vier Wänden belegen und Licht von außen empfangend; Hinterstuben gicbt es nicht. Durch die Mitte des Gebäudes winden sich vom Boden bis zum Dache zwei eiserne Treppen — zur Benutzung, falls die Dampfma schinen der Fahrstühle einmal dcfect werden sollten. Das Dach besteht aus Glas und sendet eine Fülle von Licht bis in die Thorhalle hinab. Das Gebäude ist viereckig, das Dach spitz, von vier kleinen Thürmen ein gefaßt. Außer sür Thüren und Fensterrahmen wird kein Holz zum Bau verwendet; derselbe besteht aus einem einzigen eisernen mit Steinen ver mauerten Gerippe, welches nach oben bis ins Unendliche verlängert werden könnte. Alle 728 Räume, welche Geschäftszwecken dienen, also zu Offi ces benutzt werden sollen, sind schon mit in den Wänden befestigten Sicherheitsspinden versehen, im eisernen Fußboden stecken eiserne Pulte, Schränke und Stühle, so daß die Möbelfrage zum Märchen wird. Die Elevatoren fahren in einer halben Minute zum achtundzwanzigsten Stock werke empor; die luftige Höhe ist also schneller zu erreichen, als irgend eine bequeme erste Etage in einem Privathause. Im klebrigen — meint der glückliche Ingenieur — ist die Luft „da oben" nicht allein gesund, sondern in doppelter Beziehung auch billig. Man wird unbekümmert um Territorialfragcn bis in die Wolken bauen können, denn die Luft, der Raum in ihr ist Gemeingut und taxe- und steuerfrei. Die brennende Frage der stets wachsenden, ungeheuren Vertheucrung der Grundwerthe in den Großstädten ist gelöst, man baut einstweilen in die Höhe und das Land in der Länge wird billiger werden. Jie edelste der Krauen. Adelaide v. Gottberg in dem Wochenblatte „Für's Haus." Nicht ist die edelste der Frauen, Die mit Juwelen reich geschmückt, Sich liebt im Spiegel zu beschauen, Der Stutzer fades Heer entzückt. Nicht jene ist's, die aus den Wogen Des Tanzes ungezügelt, wild, So manche Nacht dahin geflogen, Der Leidenschaften krasses Bild. Nicht jene ist's, die in Vereinen Für Arme strickt und näht gewandt, - Indeß daheim die Kinder weinen, Weil ihnen fehlt der Mutter Hand. Auch jene nicht, die vor der Menge Sich auf der Bühne Brettern zeigt, Ob auck das Volk ihr im Gedränge Den Lorbeerbeifall jubelnd reicht. Doch die in ihres Hauses Räumen Im Stillen wirkt und emsig schafft, Und, keine Pflichten zu versäumen, Den Ihren widmet alle Kraft. Die manche Last, Entbehrung, Sorgen, Geduldig ohne Murren trägt, Und wie am Abend, so am Morgen Sich fleißig wie die Biene regt. Die mild versöhnend alle Mängel Mit sanfter Hand verdeckt und stillt, Und als des Hauses guter Engel Dem Gatten und den Kindern gilt. Auf die sie Alle fest vertrauen, Weil sie sich gleich bleibt jederzeit, Das ist die edelste der Frauen, Ob Niemand auch den Kranz ihr weiht! Redactisn. Druck mW Berlag von H. A. Berger in Wilsdruff.